Bürgerbeteiligungen in der Dorferneuerung am Beispiel von Kempenich, Rech und Oberdürenbach

Christiane Hicking M.A.

Um es vorauszuschicken – die hier aufgeführten Initiativen stellen keine Konkurrenz zu dem ohnehin im ländlichen Raum zahlreich vorhandenen Ehrenamt dar. Vielmehr geht es hier um die Vielfalt von Projekten, die im Rahmen einer umfassenden Ortsplanung von und mit den Bürgern ins Leben gerufen wurden oder werden können. Stellvertretend für alle Dorferneuerungsgemeinden im Kreis Ahrweiler, in denen die Bürgerbeteiligung durchgeführt wurde, werden hier aufgrund interner Kenntnisse die Gemeinden Kempenich, Rech und Oberdürenbach mit beispielhaften Projekten zitiert.

Zu Begriff und Zielen der Dorferneuerung

Die „Dorferneuerung" ist das Förderprogramm des Landes Rheinland-Pfalz, das Kommunen im ländlichen, oft strukturschwachen Raum unterstützt. Es ist im Gegensatz zu Städtebausanierungen das auf kleinere Gemeinden anwendbare Instrumentarium. Ziel ist eine ortsgerechte Entwicklung unter sozialen, ökologischen und ästhetischen Gesichtspunkten. Standen am Anfang des Programms in den 1980er Jahren noch Straßenausbauten und andere größere Baumaßnahmen im Vordergrund, wie z.B. Dorfgemeinschaftshäuser, so sind heute die Aufgaben einer Gemeinde wesentlich differenzierter zu betrachten.

Neben den sozialen und ökologischen Belangen tritt in jüngster Zeit immer mehr ein weiterer Aspekt hinzu: Da die Dorferneuerung oder besser gesagt die „Dorfentwicklung" das natürliche Potenzial im Ort ausschöpfen möchte, tritt auch das touristisch relevante örtliche Potenzial in dafür geeigneten Kommunen zum Vorschein. Stellt doch dieser Erwerbszweig das einzig verträgliche und ausbaufähige Gewerbe in topographisch reizvollen, aber eben für die klassischen Gewerbeflächen denkbar ungeeigneten Gebieten dar.

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass zahlreiche Kommunen die Jahre der Verbesserung der Infrastruktur durch Kanal- und Straßenausbau allmählich verlassen oder bereits hinter sich gelassen haben und jetzt ans „Eingemachte" gehen. Für den Planer erschließen sich nun die Maßnahmen nicht mehr so offensichtlich. Und reine Dorfverschönerungen sind sowieso schon länger „out". Eine Ortsentwicklung muss funktionieren, das heißt, sie muss von der Bevölkerung mitgetragen werden. Natürlich kennt in diesem Stadium ein Gemeinderat die Anforderungen an die Zukunft. Auch an Ideen mangelt es in den meisten Fällen nicht. Es stehen zu diesem Zeitpunkt zwei Fragen im Mittelpunkt: Was sollen wir tun? Wie kann dies finanziert werden?

Maßnahmen sind dort besonderes wirksam, wo mehrere Projekte hintereinander geschaltet werden können, damit ein roter Faden in der Entwicklung erkennbar wird. Mit der Anerkennung als Investitions- und Maßnahmenschwerpunkt oder kurz „Schwerpunktgemeinde" kann die Gemeinde von einer kontinuierlichen prozentualen Förderung für investive Maßnahmen über die nächsten sechs Jahre auch die Förderung der Fortschreibung des Dorferneuerungskonzeptes sowie die Moderation, die Bürgerbeteiligung, in Anspruch nehmen. Diese Gelegenheit haben bisher die Gemeinden Weibern, Königsfeld, Kempenich, Wassenach, Schalkenbach, Dedenbach, Nieder- und Oberdürenbach (VG Brohltal), Schuld (VG Adenau) und Waldorf (VG Bad Breisig) ergriffen. Eine Sondersituation stellte die Gemeinde Rech (VG Altenahr) dar, für die sich der damalige Kreisplaner Kurt Weber stark gemacht hatte. Hier sollte in einem Pilotprojekt eine Gemeinde ohne Anerkennung zur Schwerpunktgemeinde aufgrund ihrer Schlüssellage zwischen den beiden Orten Mayschoß und Dernau für die Bürgerbeteiligung gefördert werden. Derzeit haben auch die Gemeinden Hönningen, Kesseling, Brohl-Lützing sowie der Ortsbezirk Leimersdorf (Gemeinde Grafschaft) die intensive Bürgerbeteiligung beauftragt.

Aktion des Dorferneuerungsausschusses in Oberdürenbach: Wiederherstellung des Alten Buhrs, Frühjahr 2002

Bürgerbeteiligung statt Anhörung

Neben der sehr intensiven Bürgerbeteiligung in der Dorfmoderation wird aus oben genannten Gründen aber auch bei Neuaufstellung eines Konzeptes eine Beteiligung vorgeschrieben. Dies wurde in den Gemeinden Glees und Galenberg (VG Brohltal) durchgeführt. „Eine Anhörung" wie sie anfänglich genügte, „reicht nicht aus", geben die Richtlinien der Verwaltungsvorschrift Dorferneuerung (kurz „VV Dorf") vor.

Die Aufgaben der Moderation, das heißt der intensiven Bürgerbeteiligung, werden in den Verträgen zwischen Gemeinde und Moderator wie folgt definiert:

– „Diese Gemeinwesenarbeit zur Dorfentwicklungsplanung soll zu einer intensiven Auseinandersetzung der Bürger mit ihrem Ort führen und in möglichst konkrete Handlungsansätze vor allem im Bereich der Dorferneuerung führen. ...

– Ziel der Arbeit ist es, mittels Informations-, Beratungs- und Motivationsarbeit die Einschätzung der Bevölkerung über ihren Lebensraum zu ergründen, zusammen mit den Bürgern positive Merkmale des Ortes herauszustellen, Defizite zu benennen, Probleme zu erörtern und Ansätze zu deren Lösung aufzuzeigen.

– Es sollen Denk- und Willensbildungsprozesse angeregt, gefördert und der Dialog zwischen Bürgern, Gremien und Behörden eingeleitet werden. ...

– Diese sollen untereinander erörtert und zu einer möglichst gemeinsam getragenen Zukunftsidee zusammengefasst werden. ..."

Für die Moderation gibt es verschiedene methodische Ansätze:Die Beteiligung durch kurze, aber intensive Workshops, sogenannte „Zukunftswerkstatt", oder die Begleitung der Interessen über rund ein Jahr. Mit letzterer Methode können Abstimmungen mit dem Gemeinderat, der nach wie vor die Entscheidungen trägt, und Behörden leichter in die Ideen- und Planungsprozesse integriert werden.

Beispiele

Um aus der Bevölkerung zu erfahren, womit sich die Gemeinde in den nächsten Jahren verstärkt beschäftigen sollte, dient eine Bürgerversammlung als Einstieg. Kartenbefragung soll die Hemmungen der Teilnehmer überwinden helfen. Denn anfänglich sind auch vermeintlich verrückte Ideen gefragt. Damit an der Veranstaltung alle von den Ideen der anderen erfahren, werden die Karten eingesammelt, von Freiwilligen vorgelesen und auf Pinwänden unter verschiedenen Schwerpunktthemen mit den Teilnehmern geordnet. Es ist insbesondere dann für die Teilnehmer ermutigend, wenn sie feststellen, dass sie mit ihren Anliegen nicht allein dastehen, sondern auch andere die gleichen Wünsche zu Papier gebracht haben. So wurde in der Gemeinde Rech fast von der Hälfte der Teilnehmer eine Beschilderung der Wanderwege gefordert, die später in ein umfangreiches Info-Leitsystem mündete. Dieses setzt sich aus Informationszentrum, Wegweisern in der gesamten Gemarkung, Begrüßungstafeln mit Wander- und Ortskarte sowie einer Kulturroute zusammen und wird vom Heimat- und Verkehrsverein Weindorf Rech e.V. mit Fördermitteln der Dorferneuerung finanziert. Zurzeit befindet sich das Projekt im 2. Bauabschnitt.

Zum Schluss der Einstiegsveranstaltung wird ein erstes Resümee gezogen, in dem gepunktet werden darf, d.h. es findet eine erste vorläufige Prioritätensetzung statt.

Damit die Ideen in der Bevölkerung weiter entwickelt werden, finden in den folgenden Monaten Treffen mit den einzelnen Arbeitsgruppen statt, oft sind es die Aufgaben „Ortsbild", „Infrastruktur", „Kind und Jugend" oder „Tourismus". Je nach Situation werden auch einige Themen gekoppelt, andere wiederum gesplittet. Oder es bietet sich je nach Stand des Meinungsprozesses an, einen Informationsaustausch zwischen den Gruppen durchzuführen. Dieser Informationsaustausch kann auch in einer Zwischenbilanz stattfinden. So wurde in Oberdürenbach in der Beteiligungsphase eine Bürgerversammlung durchgeführt, um die Akzeptanz für mögliche kurzfristig zu realisierende Projekte zu ermitteln. Daraus wurde nur wenige Monate später ein Förderpaket geschnürt, in dem unter dem Titel „Familienfreundlicher Tourismus in Oberdürenbach" verschiedene Maßnahmen untergebracht wurden.

Die familienfreundliche Umgestaltung des Dorfplatzes im Ortsteil Büschhöfe, die Installation von Informationstafeln und Basaltstelen an den Ortseingängen, der Ausbau des Grillplatzes an der Wanderhütte am Sportplatz sowie eine Schutzhütte im Ortsteil Schelborn fußen allesamt auf Anregungen aus den unterschiedlichsten Arbeitsgruppen und werden bis hin zur Jugend von Eigenleistungen mitgetragen.

Einziger Wermutstropfen war, dass die Wartezeit zwischen Antragstellung im Juli 2001 und Bewilligung im August 2002 die Motivation der Akteure erheblich strapazierte.

Hier ist es um so wichtiger, wenn in der Gemeinde vor oder während der Moderationsphase feste Gruppen oder Ausschüsse gebildet werden, die für die Nachhaltigkeit der Meinungsprozesse und ihre Umsetzung sorgen.

Erster Bauabschnitt für das Info-Leitsystem in Rech: Zentrale Infostelle, 2002

Nachhaltigkeit schaffen

So hatte die Gemeinde Kempenich in Vorbereitung auf die Moderation einen Jugend- und Sozialausschuss sowie einen Dorfverschönerungs- und Fremdenverkehrsausschuss gebildet. Zahlreiche kleinere Projekte sind bereits realisiert worden, wie z.B. zwei Themenwege durch und um Kempenich. Heute steht der Dorfverschönerungs- und Fremdenverkehrsausschuss in den Startlöchern zur Umsetzung des „Erlebniswald Steinrausch", der in Eigenleistung für alle Altersgruppen konzipiert wurde. Er soll ein großer Mosaikstein in einem touristischen Gesamtkonzept sein.

In Oberdürenbach setzte sich der am Ende der Moderation gegründete Dorferneuerungsausschuss je zur Hälfte aus Gemeinderatsmitgliedern und Mitgliedern aus den Arbeitsgruppen zusammen. Alle rekrutierten sich aus den Arbeitsgruppen zu Ortsbild und Infrastruktur und vertreten das gesamte Interessenspektrum im Ort von den Kleinkindern über die neu gegründeten Kindergruppen, die Jugendgruppe, die sich aktiv in die Gestaltung des Dorfplatzes einbringen wird.

Neben Ortsbild und Infrastruktur (auch Tourismus) bildet inzwischen die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen den Schwerpunkt in der Dorferneuerung. Immer wieder finden sich auf diesem Gebiet Initiativen, die mit viel Engagement und frischen Ideen, aber auch mit wenig Mitteln Großes bewirken. So gibt es in Rech eine kleine engagierte Truppe von Müttern, die die als Sportplatz offiziell ausgewiesene Fläche an der Ahr unter Berücksichtigung des Hochwasserschutzes gerne zu einem Bolzplatz umgerüstet hätten. Alles war organisiert, von der Finanzierung der Spielgeräte bis zum Ausbau. Leider scheiterte das Vorhaben an den Eigentumsverhältnissen. Die Gruppe investierte dann in den Kauf weiterer Spielgeräte für den nahegelegenen Spielplatz.

Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in der Dorferneuerung, für die es seit dem Jahr 2000 einen eigenen landesweit ausgerufenen Wettbewerb gibt, soll zunehmend mit den amtlichen Jugendpflegern stattfinden. Im Kreis Ahrweiler wurde dies bereits in Oberdürenbach erprobt. Auch damit kann eine Nachhaltigkeit geschaffen werden, die über die Moderation nicht geleistet werden kann und soll. Denn die Bürgerbeteiligung endet in der Regel dann, wenn die ersten intensiveren Planungen anstehen.

Zu diesem Zeitpunkt liegt ein Leitbild vor, das die Ergebnisse aus der Dorfmoderation zusammenfasst, um in die Fortschreibung des Dorferneuerungskonzeptes eingearbeitet zu werden. Damit liegt der Gemeinde ein Rahmenplan vor, der wiederum die Zukunft des Ortes für die kommenden rund 15 Jahre skizziert.

Jede Gemeinde ist ein Individuum

Jeder Rahmenplan ist individuell, zumal durch zahlreiche Beratungen in den verschiedenen Gruppen Maßnahmenvorschläge differenziert worden sind. So wie jeder Ort auf seine eigene Geschichte zurückblicken kann, so sind auch die Strukturen in jedem Ort anders und damit

auch die Vorgehensweisen in der Bürgerbeteiligung. Trotz zahlreicher Parallelen in den Bedürfnissen und im methodischen Ansatz setzt jede Beteiligung ihre eigenen Akzente. So bleibt die Weiterentwicklung eines Ortes auch für den außenstehenden, neutralen Moderator über das Ende der Tätigkeit hinaus spannend.