Hotel Groyen in Rolandseck

Von der Nobelherberge für illustre Gäste zur russischen Botschaft

Hermann Josef Fuchs

„Riviera am Rhein"

Rolandseck war zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Idyll am Rhein. Es wurde oft als „Riviera am Rhein" bezeichnet. Der herrliche Blick auf den Rhein, die Insel Nonnenwerth und das Siebengebirge machten es zu einem touris­tischen Anziehungspunkt ersten Ranges. Der Weltreisende Alexander von Humboldt hatte dem Rheintal an dieser Stelle den siebten Platz in seiner Rangliste der schönsten Landschaftsansichten eingeräumt. Ferdinand von Freilig­rath, der von 1839 bis 1841 in Unkel wohnte, sorgte durch eine spektakuläre Spen­denaktion für den Wiederaufbau des bei einem Sturm 1839 eingestürzten Rolandsbogens. Auf der Insel Nonnenwerth befand sich ein Hotel, in dem 1841 mehrere Monate Franz Liszt wohnte und der damals an seinem 30. Geburtstag dort eine Platane pflanzte, die heute der höchste und prächtigste Baum auf der Insel im Rheinstrom ist. In Rolandseck hatten sich im 19. Jahrhundert viele reiche Familien aus Köln niedergelassen. Sie veranlassten im Jahr 1856 den Bau der Eisenbahn von Köln nach Rolandseck, damit sie rasch von hier zu ihren Kölner Geschäften kommen konnten. Von Anbeginn war der klassizistische Bahnhof als Stätte der festlichen Repräsentation gedacht. Er war zudem eines der großen und frühen Zeugnisse der Eisenarchitektur in Deutschland. Im Bahnhof trafen sich u.a. Richard Wagner und Hans von Bülow, auch Jo­hannes Brahms kam öfter hier her. Robert Schumann soll hier zu seinen sinfonischen Land­schaften inspiriert worden sein. Neben dem Bahnhof befinden sich in Rolandseck noch weitere alte Prunkbauten. So unter anderem die Villa Rolandseck, heute als europäisches Kulturzentrum mit Galerie und Re­staurant. Hier hatte einst der Kölner Zuckerfabrikant vom Rath seine Sommerfrische. Er erbaute das Rolandstempelchen unterhalb des Rolandsbogens. Auf Betreiben der Reichs­bahn wurde das Tempelchen allerdings im Jahre 1931 aus Sicherheitsgründen wegen der darunter liegenden Bahntrasse abgerissen. Seit Anfang der neunziger Jahre gibt es Ansätze zur Wiedererrichtung des Tempelchens. Johann Jacob vom Rath ist auch der Erbauer des Turmes am Rodderberg. Das Hotel Rheingold-Bellevue ist ein seit Jahrzehnten verfallener ehemaliger prächtiger Bau und war im 19. Jahrhundert eine der besten Adressen am Rhein.

Das Hotel Groyen

Auch das Hotel Rolandseck-Groyen steht noch an der Bundesstraße 9. Die Hausfassade dokumentiert vergangene Pracht. Das Haus diente nach dem Zweiten Weltkrieg zwei Jahrzehnte der Sowjetunion als erste Botschaftsresidenz nach der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1955. Während dieser Zeit stand das Haus mehrmals im breiten Feld öffentlichen Interesses im In- und Ausland.

Illustre Gäste

Der Gebäudekomplex, ehemals Hotelbetrieb, hat große Zeiten erlebt. Illustre Gäste haben im Hotel Rolandseck Station gemacht, unter ihnen Kaiser Wilhelm I., Friedrich III., und Wilhelm II.. Wilhelm II. kam schon als Student mit seinen Verbindungsbrüdern zum Weintrinken und Essen aus Bonn. Auch Joseph Goebbels war hier zu Gast. Nach Reichskanzler von Bismarck wurde gar ein Zimmer im Hotel benannt. Auch Dichter und Denker verbrachten immer wieder einige Zeit an diesem idyllischen Fleck­chen am Rhein. Die bedeutendsten unter ihnen waren Karl Marx und Heinrich Heine. Eine rege Freundschaft verband die Hotelbesitzerfamilie Groyen mit dem Dichter Ferdinand Freiligrath.

Ansicht aus dem Prospekt des Gasthofs/Hotels zum Rolandseck von Charles Groyen

Die Hoteliersfamilie Groyen

Das Hotel am Rhein war ein alter Familienbesitz der Groyens. Arnold Karl Cornelius Groyen hatte im Jahre 1810 den „Gasthof zum Rolandseck", der damals im Kern über hundert Jahre alt gewesen sein soll, ersteigert. Zu dem Anwesen gehörte auch eine Station zum Wechseln der Postpferde. Der berühmtes­te unter den Reisenden, der in Rolandseck seine Pferde un­tergestellt haben soll, dürfte Napoleon gewesen sein. Die Groyens waren angesehene Hoteliers aus Frankreich, die über Aachen nach Deutsch­land gekommen waren. Ein Zweig hatte sich bereits im 18. Jahrhundert in Königswinter nie­dergelassen. Das ehemalige Hotel „Europäischer Hof" ist ihre Gründung. Schließlich hatten sie auch die Schritte nach Rolandseck getan. Den „Gasthof zum Roland­seck" führte nach 1830 Sohn Friedrich Peter Carl Groyen. Er kaufte 1849 den südlich an den Gasthof angrenzenden Besitz des Anton Michels hinzu, verlegte den Weg vom Berg, der ursprünglich mitten durch das jetzige Haus verlief nach Süden und erweiterte den Gasthof zu einem Hotel. Es zählte bald zu den bedeutendsten am Rhein. Seine Blütezeit reichte bis ins 20. Jahrhundert. Auch den Ers­ten Weltkrieg überstand das Hotel. Im Jahre 1920 war das renommierte Haus dann von den Erben der kinderlos verstorbenen Fritz und Clotilde Müller geborene Groyen versteigert worden. 200000 Mark hatte die Weinvertriebsgesellschaft Murmann aus Rolandseck dafür geboten. Die Verkäufer waren empört. Ihrer Kenntnis nach wusste der Notar Adolf Molls aus Sinzig bei der Vertragsunterzeichnung schon den Namen des Nachkäufers. Friedrich Wiese, Weinhändler und Restaurateur aus Rolandseck wollte das Anwesen für 350000 Mark ohne die zugehörigen Waldparzellen übernehmen. Wiese nahm dann noch einen Teilhaber namens Funkhausen in den Betrieb. 1922 ging Funkhausens Anteil an einen Partner namens Dache über. Dem Hotel war der häufige Besitzerwechsel nicht gut bekommen. Pferdeställe, Schweineställe und ein Hühnerstall wurden im Hof des Hotels zeitweilig unter­halten. Noch im Jahre 1920 hatte Wiese seinen neuen Besitz schätzen lassen. Mehr als 700000 Mark war er da wert. Im Zuge der Inflation wurde die Schätzung korrigiert. Der Wert des Gebäudes überstieg jetzt zwei Millionen. Im Jahre 1923 übernahm Hermann Hartmann den Hotelkomplex und machte wieder ein „Hotel ersten Ranges" daraus. Ostern und Pfingsten waren die Gäste in dem gut besuchten Hotel um jeden Stuhl dankbar. Pensionäre kamen, wohlhabende Bürger, Gäste aus Holland und England. Hermann Hartmann durfte sich als Deutscher nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr in der Heimat seine Frau aufhalten, die aus Belgien stammte. In Rolandseck begründete der Hotelier eine neue Existenz, wenn auch die Einnahmen der ersten Saison in der Inflation völlig verlorengingen.

Wechselvolle Geschichte

Im Zweiten Weltkrieg wurde Hotel Rolandseck beschlagnahmt. Militär wurde hier unterge­bracht, Heimkehrer vom Polenfeldzug, ein Lazarett, eine Vermessungsstelle. Schließlich beherbergte das Haus auch die Orthopädische Klinik der Universität Köln, die von Bomben zerstört worden war. Die Besitzer-Familie Hartmann blieb im Hotel. Sie lebte Tür an Tür mit den Kranken und Verwundeten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bezog der Hohe Kommissar Frankreichs zunächst das Haus, von 1955 bis 1975, dann die russische Botschaft. Das Hotel Hartmann war „ge­storben". Die Töchter der Familie verpachteten den Komplex an einen Möbelhändler und verkauften nach einer Zeit schließlich im Jahre 1983 das Haus an einen Kölner Geschäfts­mann. Dieser baute die Obergeschosse zu Eigentumswohnungen um. Zuvor hatten sich die Hartmann-Erben aber noch dafür eingesetzt, dass die Fassade des traditionsreichen Hauses erhalten blieb. Die untere Denkmalschutzbehörde bei der Kreisverwaltung Ahrweiler stellte die Hausfassade aus der Gründerzeit 1981/82 als prägend für die Rheinfront unter Denkmalschutz. Ende der 1980er Jahre übernahm ein milchwirtschaftlicher Fachverlag mit Ausnahme der im Obergeschoss verkauften Wohnungen das Gebäude der ehemaligen russischen Botschaft. Heute besteht das traditionsreiche Anwesen bis auf den im Parterre ansässigen Gewerbebetrieb vollständig aus Eigentumswohnungen.

Die ehemalige Nobelherberge und russische Botschaft am Rhein im Jahre 2002

Quellen und Literatur:

Die Ausführungen stützen sich auf eine Veröffentlichung im General-Anzeiger vom 3.12.1988.