Erinnerung an eine Stuckfassade eines

Gasthauses in Altenahr

Horst Happe

Nicht nur im Zweiten Weltkrieg, sondern auch danach in den 1950er und 1960er Jahren ist viel wertvolle Bausubstanz zerstört worden. Gründe dafür waren Zweckmäßigkeitsdenken des Wirtschaftswundermenschen und Ignoranz. Es ging meist um Abbruch oder ums Modernisieren, der Wert alter Bausubstanz wurde nur in den seltensten Fällen erkannt. Man spricht auch von der ersten Sanierungsphase vieler Städte. Diese bestand meist im Totalabriss von Häusern, ja ganzen Straßenzügen oder Wohnvierteln, auch „Flächensanierung" genannt. Auch der aufkommende Straßenverkehr forderte seinen Tribut. Bei den Modernisierungsmaßnahmen handelte es sich meist um den Umbau bzw. die Vergrößerung von Räumlichkeiten, Neuinstallation sanitärer und elektrischer Anlagen, Vergrößerung oder Austausch von Fenstern und Türen usw. Dabei ging auch manches Erhaltenswerte (Fachwerk, neoklassizistische Fassaden u.a.) verloren. In den 1970er Jahren besann man sich dann eines Besseren. Erhaltende Stadterneuerung mit Objektsanierung (Fassadensanierung und Punkt­sanierung, Entkernung), und Innenhofentkernung mit Gestaltung von Freiflächen wie z.B. in Ahrweiler standen im Vordergrund.

In den kleineren Siedlungen des Kreises Ahrweiler waren diese Dinge – mit Ausnahmen – wenig relevant. Ich will hier aber an eine Stuckfassade eines Gasthauses in Altenahr erinnern, die Anfang der 1950er Jahre (wohl 1953) durch Abriss und Neubau verloren ging. Es handelt sich um mein Elternhaus.

Mein Großvater mütterlicherseits war eigentlich Stuckateur von Beruf und vielleicht hatte er sich deshalb 1928 für 48000 Reichsmark den „Gasthof Assenmacher" in Altenahr gekauft, denn es war für damalige Verhältnisse ein schmuckes Wirtshaus mit einer reichen neo- oder pseudoklassizistischen Stuckfassade (nach Norden gelegen) mit reicher Fensterverzierung und floralen oder organoiden plastischen Gestaltungselementen (Rocaille) – teils rokokohaft –, gegenüber der über 800 Jahre alten Pfarrkirche gelegen.

In der Mitte der Untergeschossfassade befand sich eine zweiflügelige Kassetten-Holztür – der Eingang war unterhalb des Brüstungsbereichs in das Sockelgesims des Hauses eingelassen und die Eingangsstufe aus Basaltlava lag draußen auf dem Bürgersteig – darüber ein Transparent mit dem Namen des Gasthofes („Gasthof Assenmacher") vorne und dem ausgeschenkten Biere („Königsbacher Bräu") seitlich.

Rechts und links des Eingangs rankte sich – in Stuck ausgeführt – je ein Wurzelstämmchen eines Obstbaumes empor, dessen Äste und Blattwerk sich über dem Eingang, den beidseitigen Fenstern und das Zentrum der ganzen Fassade ausbreiteten und hier in der Mitte der Fassade den Namen des Gasthauses („Gasthaus Assenmacher") umrankten. Die Buchstaben – in Jugendstilschrift ausgeführt – waren in den Stuck eingesetzt worden. Links kletterte ein Knabe mit Hut und kurzer Hose eines der Baumstämmchen herauf, um an die wohlschmeckenden Äpfel zu gelangen. Hier befanden sich auch drei mit reicher Stuckarbeit versehene Fenster, zwischen den beiden ersteren der Hinweis auf „Weine – eigenes Wachstum". Rechts der Tür waren nur zwei Fenster, dazwischen der Hinweis auf ein „Gesellschaftssälchen mit Ahrterrasse" im hinteren Bereich des Gasthauses.

Jedes Fenster war dreiflügig mit zwei Drehflügeln mit Schlagleiste und einem Kipp-Oberlicht mit Kämpfer. Umrahmt waren die Fenster von lisenenartigen Säulchen mit Vertiefungen (Kannelierung) und konvexen, nach außen gewölbten Diamantquadern an den Fensterecken und zu beiden Seiten des Kämpfers. Die vorspringenden Fensterbänke waren unterhalb im Brüstungsbereich in Rocaillestruktur ausgeführt und reich verziert (u.a. eine Pflanzenknospe). Ebenso die Fensterstürze, vor allem über den Diamantquadern. Ein imaginärer Gewölbeschlussstein über jedem Fenster diente der Akzentuierung des Fenstersturzes. Stuck-Quaderungen der Untergeschossfassade täuschten ein regelmäßiges Mauerwerk vor.

Die Obergeschossfassade hob sich optisch durch ein Stuck-Gesims, welches allerdings nicht genau auf Geschossebene lag, deutlich von der Untergeschossfassade ab. Dieses erstreckte sich also gleichzeitig unter der Brüs-tungskante der fünf Obergeschossfenster, die – wenn auch genauso groß – allerdings nicht so eng nebeneinander lagen wie die im Erdgeschoss. Die östlichen beiden Fenster waren sogar durchgeformt. Jedes Fenster hatte jeweils zwei Drehflügel mit Schlagleiste, allerdings ohne Kämpfer und ohne Kipp-Oberlicht wie unten. Die Fensterrahmung war auch hier wieder in feiner Stuckarbeit ausgeführt. Die Lisenen rechts und links bzw. oben waren aber etwas anders als unten ausgeführt, nämlich zwei säulenähnliche Gebilde mit Abstand, etwas oberhalb der Mitte seitlich durch Diamantquader, diesmal konkav, oben im Fenstersturz durch einen imitierten Gewölbeschlussstein verbunden. Die oberen Fenster besaßen darüber hinaus eine Bekrönung mit diversen Stuckformen, mehrfach auskragenden Gesimsformen und seitlicher Bekrönung mit Kugeln.

Ansicht des Gasthofs Assenmacher in Altenahr mit seiner reichen Stuckfassade, 1930er Jahre

In der Obergeschossfassade war keine Quaderung (Mauerwerk) angedeutet, sondern in Sturzhöhe und in Höhe der Diamantquader verliefen zwei horizontal durchlaufende Stuckbänder. In der Mitte über dem Eingang war die Vorrichtung für die Fahne. Der Übergang zum Ziegeldach war durch die Zone eines Traufgesims mit stuckierter Profilierung markiert.

Leider wurde die Fassade – wie gesagt – zusammen mit dem Vordergebäude des Gasthauses Anfang der 1950er Jahre abgerissen. Dabei kam die unter der Stuckfassade befindliche Ziegelwand zum Vorschein. Die östliche Seitenwand bestand aus einem Fachwerk mit Lehmflechtwerk (Stakenwerk mit Flechtwerk aus Weidenruten).

Heute stünde die Fassade sicherlich unter Denkmalschutz und dürfte nicht mehr abgerissen werden.

Anmerkung:

Henning Fischer:Mdl. Mitteilung, Untere Denkmalbehörde der Stadt Höxter