Als die Bürgermeister Geld drucken ließen

Nach dem ersten EURO-Jahr ein Blick zurück auf einen anderen Währungsschnitt:Das kommunale Notgeld im Kreis Ahrweiler

Karlheinz Grohs

Die schnell doch die Zeit vergeht! Inzwischen ist schon fast ein ganzes Jahr vergangen, seit wir mit dem Datum des 1. Januar 2002 endgültig Abschied genommen haben von der guten alten und über ein halbes Jahrhundert lang so lieb gewonnenen D-Mark. An ihre Stelle ist der EURO getreten, an den wir uns mittlerweile bereits gewöhnt haben, oder sollte man eher sagen, gewöhnen mussten. Die nostalgiebeladenen Wirtschaftswunder-Scheinchen von einst sind Relikte der deutschen Vergangenheit; es lebe der junge, europaweite Mammon.

Doch, wer weiß heute noch, dass es in der Vergangenheit einmal Jahre gegeben hat, da – wie „aller-Orten" in deutschen Landen – auch im Kreis Ahrweiler Geld gewissermaßen auf kreis- und gemeindeeigene Rechnung gedruckt wurde. Die Bürgermeister an Rhein und Ahr waren damals ihre eigenen Finanzminister! Nach der schwindelerregenden Hyper-Inflation, die nach dem Ende des 1. Weltkrieges in den Jahren von 1918 bis 1923 geradezu sintflutartig über Deutschland hereinbrach und den völligen Zusammenbruch des Währungssystems bewirkte, griffen die kommunalen Amts­träger zur Notbremse. Sie brachten sogenannte Notgeldscheine in Umlauf, um auf diese Weise die astronomischen Summen der Inflationsgeldscheine wieder auf ein für die Bevölkerung begreifbares Zahlenverhältnis zurückzuführen. Denn die inflationäre Geldentwertung hatte inzwischen auf den Geldscheinen zu Zahlensubsummierungen unvorstellbaren Ausmaßes geführt. Waren es anfangs noch Hunderttausendmark-Scheine, so wurden daraus über Nacht „Eine Million, Zehn Millionen, Fünfzig Millionen, Fünfhundert Millionen", bald sogar Milliarden oder gar Billionen. So steigerte sich der höchste Nullen-Wert bis 1923 auf sage und schreibe „Zehn Billionen Mark".

Hartgeld in Form von Münzen war in jenen Jahren praktisch nicht vorhanden. Die Städte und Gemeinden behalfen sich, um den Menschen wenigstens rechnerisch wieder ein Gefühl für normale Zahlenwerte anstelle dieser schier endlosen Nullen-Kolonnen zu geben, mit der Ausgabe von Gutscheinen über 25 Pfennige, 50 Pfennige, 75 Pfennige und 1 Mark. Der Zahlungs- und Einlösewert wurde amtlich garantiert. „Dieser Gutschein wird einen Monat nach entsprechender Bekanntmachung zum vollen Wert eingelöst. Die Stadtgemeinde Ahrweiler haftet für die Einlösung" hieß es beispielsweise auf den Ahrweiler Gutscheinen von 1921. Und auf dem Sinziger, vom damaligen Bürgermeister Dr. Ortssiefer unterschriebenen Notgeld ist vermerkt: „Dieser Notgeldschein ist eine Urkunde im Sinne des Paragraphen 807 BGB und begründet für die Stadt Sinzig die hieraus folgenden Verpflichtungen." Es gab neben den Kommunen sogar Firmen, wie zum Beispiel in Bad Neuenahr die Kurdirektion, die eigenes Notgeld als Zahlungsmittel drucken ließen und die Einlösung garantieren.

Mit der Einführung der Rentenmark im Jahre 1924 und der damit allerorten aufatmend begrüßten Stabilisierung des Geldwertes war die Periode der kommunalen Notgeld-Scheine als Zahlungsmittel vorbei. Dies galt aber nicht für die fortan überraschender Weise zu verzeichnende Beliebheit der bunten Scheinchen. Jetzt kamen die Sammler zum Zuge, die das Papiernotgeld wegen seiner künstlerischen Gestaltung zu schätzen begannen. Eine rege Nachfrage führte dazu, dass manche Kommunen nunmehr beschlossen, ganze Serien – obwohl ohne Geldwert – eigens für Sammler drucken zu lassen.

So haben die kommunalen Notgeldscheine jener notbeladenen frühen zwanziger Jahre in vielen Sammleralben bis heute als attraktive Objekte mit ideellem Katalogwert alle folgenden Währungsschnitte und Währungsumstellungen überdauert, die Rentenmark, die Reichsmark, die D-Mark. Und so werden sie in den Alben passionierter Sammler als Erinnerungsstücke auch den EURO überleben. Dies gilt gleichermaßen für die damals hoffnungsvoll formulierten Zukunftserwartungen, die auf jenen lokalen Notgeldscheinen in der Gewissheit verzeichnet waren, dass es neben der reizvollen Landschaft an Rhein und Ahr jedenfalls zwei Schätze gibt, die für alle Zeiten Gültigkeit haben: Der gute Wein und das heilende Wasser. Hier seien beispielhaft zwei jener Spruchweisheiten notiert: So ist auf dem Fünfhundert Millionen-Gutschein des Kreisausschusses des Kreises Ahrweiler von 1922 zu lesen:

Noch blüht und wächst des Ahrtals Purpurwein.
Noch sprudeln seine warmen Quellen.
Und einmal kehrt auch wieder Freude ein.
Die alle Herzen wird erhellen.

Und wie heißt es verheißungsvoll auf dem 25 Pfennig-Notgeldschein der Stadt Ahrweiler von 1923?

Not ließ erfinden diesen Schein.
Könnten wir Silber geben.
Die Schätze erblühen in unserem Wein­
Gott schütze des Ahrtals Segen.