Schule anno 1925 und heute im Kreis Ahrweiler

Fakten, Lehrpläne, Inhalte im Vergleich

Leonhard Janta / Hubert Rieck

Das Thema Schule ist in den Schlagzeilen. Nicht erst seit der internationalen Schulstudie PISA1) des Jahres 2001 und der Bluttat eines Schülers in Erfurt im Frühjahr 2002 füllt die Diskussion über Schulleistungen, Gewalt an den Schulen, Anforderungen an Schüler, Lehrer und Eltern, Zeitungen und Zeitschriften, ist Gegenstand von Fachkongressen, Talk-Shows, Stammtischrunden und Familiengesprächen. Besonders Nicht-Betroffene wissen um schnelle Lösungen, preisen die Schule alten Stils, was auch immer darunter zu verstehen sein mag, verklären Zeiten, in denen der Lehrer noch als Autoritätsperson anerkannt war, in Dorf und Stadt verehrt wurde und die Schüler noch eifrig lernten.

Vor diesem Hintergrund soll aus regionaler Sicht die Schulsituation im Kreis Ahrweiler in der Mitte der 1920er Jahre und heute im Vergleich betrachtet werden. Es handelt sich dabei nicht um eine repräsentative Untersuchung. Vielmehr werden neben Daten zur Schulsituation um 1925 die damals vermittelten Inhalte an den Volksschulen im Kreis Ahrweiler kurz vorge­stellt.2) Die Angaben dazu stützen sich auf einen kreiseigenen Lehrplan von 1925. Verglichen wird dieser schlaglichtartig mit heutigen Rahmenrichtlinien und der schulischen Situation des Jahres 2002 an Grund- und Hauptschulen im Kreis Ahrweiler.

Zur Entwicklung

In Preußen, zu dem die Rheinlande ab 1815 gehörten, wurde die allgemeine Schulpflicht durch eine Kabinettsorder vom 14. Mai 1825 eingeführt.

Gemessen an heutigen Standards waren die baulichen und unterrichtlichen Schulverhält-nis­se durchweg katastrophal. Eindrucksvolle Schilderungen belegen, dass in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele Schulen in der Eifel in einem desolaten Zustand und die meisten Landschullehrer unzureichend qualifiziert waren. Insgesamt besuchten trotz Schulpflicht nur 30 - 60% der schulpflichtigen Kinder überhaupt eine Schule.3)

Bis zum 20. Jahrhundert hatten sich die Voraussetzungen an den meisten Schulen – auch an entlegenen Dorfschulen in der Hocheifel – durch neue Schulbauten und gut ausgebildete Lehrer aber entschieden gebessert.

Der damalige Kreis Ahrweiler hatte nach der Volkszählung vom 16. Juni 1925 insgesamt 48827 Einwohner,4) die in den Stadtbürgermeistereien Ahrweiler, Remagen und Sinzig und den Landbürgermeistereien Altenahr, Gelsdorf, Königsfeld, Bad Neuenahr, Niederbreisig, Remagen-Land und Sinzig-Land lebten.

Der bis 1932 noch bestehende Kreis Adenau zählte 1925 rund 25170 Einwohner, hatte 74 Volksschulen und eine Rektoratsschule in Adenau. Die Schülerzahl lag dort insgesamt bei rund 3800.5)

Von den insgesamt 70 im Kreis Ahrweiler bestehenden Volksschulen waren 67 katholische Schulen, drei evangelische.

5358 Schülerinnen und Schüler wurden von 92 Lehrern und 41 Lehrerinnen in überwiegend einklassigen Volksschulen unterrichtet. 13 Schulen waren zweiklassig, vier dreiklassig und zehn mehrklassig.

Neben den Volksschulen gab es 6 gewerbliche Berufsschulen in Ahrweiler, Remagen, Kripp, Sinzig, Neuenahr und Oberwinter.

An Höheren Schulen bestanden das Realgymnasium Ahrweiler-Neuenahr mit 284 Schülern, höhere Knabenschulen in Sinzig mit 84 Schülern, in Remagen mit 55 Schülern, in Brohl (Brohleck) mit 50 Schülern sowie das Katholische Pädagogium in Ahrweiler mit 60 Schülern. Das Lyzeum auf dem Calvarienberg hatte 317 Schülerinnen, die dortige Frauenschule 32, das Lyzeum Nonnenwerth besuchten 140, eine höhere Mädchenschule in Neuenahr 77 und eine in Remagen 41 Schülerinnen.

Zusätzlich gab es noch 47 ländliche Fortbildungsschulen, in denen der Unterricht über-wie­gend von örtlichen Volksschullehrern nebenamtlich erteilt wurde.6)

Die Zahl der Schulen ist heute zwar durch Bildung der Schulzentren, Mittelpunktsschulen stark zurückgegangen, die Schülerzahl ist aber gestiegen.

Der Kreis Ahrweiler umfasst derzeit rund 130000 Einwohner (2002). Wir finden hier 29 Grundschulen, von denen 3 Schulkindergärten unterhalten, 5 Hauptschulen, 3 Regionale Schulen, 6 Gymnasien und 1 Berufsbildende Schule sowie 5 Förderschulen.

Die Gesamtzahl der Schüler liegt bei 17908 (2001/2002). Diese gliedern sich auf in 5898 Grundschüler, 1865 Hauptschüler, 2239 Realschüler, 652 Regionale Schüler, 4319 Gymnasiasten, 499 Schüler an Sonderschulen sowie 2436 Schüler an der Berufsbildenden Schule.7)

Zu keiner Zeit in der Schulgeschichte des Kreises war die unterrichtliche Versorgung so gut wie heute, was nicht heißt, dass die Rahmenbedingungen und der Unterricht durch innere und äußere Reformen nicht verbesserungsfähig wären.

Lehrplan anno 1925 und heute

Im Jahre 1925 wurde für die Volksschulen des Kreises Ahrweiler von der Lehrplankommissi­on des Kreises ein eigener Lehrplan herausgegeben, der mit direkten inhaltlichen Bezügen zum Kreis Ahrweiler konzipiert worden war. Er umfasste insgesamt 66 Seiten und verstand sich als Angebot für die Lehrerschaft des Kreises.

Den Benutzern wird ausdrücklich eingeräumt, „den Plan nach eigenem Gutdünken umzugestalten und ihn so für den persönlichen Gebrauch schmackhaft zu machen; denn nicht wie es gemacht werden muss, sondern wie es gemacht werden kann, will der Lehrplan zeigen."

Denn der Plan war gedacht als „Wegweiser für die Junglehrerschaft und eine Handreichung für den erfahrenen Schulmann." (Vorwort Lehrplan 1925)8)

In jener Tradition einer umfassenden Handreichung für die Pädagogen stand ebenfalls der rheinland-pfälzische „Bildungsplan für Volksschulen" aus dem Jahre 1962, der auf den offiziellen Landesrichtlinien aufbaute. Lehrpläne wurden darin wie folgt definiert: „(Sie) sind ... der Ausdruck eines bestimmten staatlichen und kulturellen Wollens. Sie lassen erkennen, wie die entscheidenden Erziehungsmächte ihr Bildungsideal durch Schule und Unterricht ver­wirklichen wollen. Mit dem Wechsel der Staatsformen und dem Wandel der Kultur-strömun­gen ändern sich auch die Lehrpläne…"9)

Ende der 1960er/ Anfang der 1970er Jahre gab es unter dem Begriff „Curriculum" eine wah­re Flut verschiedenster Lehrplanentwürfe für alle Fachgebiete.

Schulklasse in den 1920er Jahren: Eine starre Sitzordnung und Frontalunterricht waren typisch.

Positives „Nebenergebnis" bei dieser Curriculumdiskussion war, dass die Rolle des Schülers immer stärker ins Blickfeld der erziehungswissenschaftlichen Diskussion rückte.

Diese Lehrplanentwürfe wurden in der Praxis erprobt, redigiert und kamen schließlich 1984 in Rheinland-Pfalz als verbindliche Lehrpläne in die Schulen.

Heute stehen nach der Einführung von Strukturreformen, wie der Etablierung der „vollen Halbtagsschule" und insbesondere nach PISA diese „modernen" Lehrpläne zur Disposition.

Häufig klagen Schüler und Lehrer über eine zu große Stofffülle. Die eigenständige Erschlie­ßung von Themengebieten sowie intensive Übungsphasen treten im Unterricht leider zurück. Abgespeckte Lehrpläne werden gefordert: „Das Auswahlkriterium für den Lehrplan wird zu­künftig nicht primär die Fachsystematik sein, sondern die Hilfe zur Lebensbewältigung, nicht in pragmatischer Verengung, sondern in dem Sinn, den bereits Saul B. Robinsohn in seiner Curriculum-Idee intendierte. An exemplarischen und lebensbezogenen Inhalten einsteigen, nicht Fülle der Information bieten, sondern Vielseitigkeit des Interesses wecken (Joh. Fr. Herbart), das könnte das Leitmotiv der Lehrplanentwicklung werden…"10)

Der neue "Rahmenplan Grundschule-Mathematik" des Jahres 2002 trägt diesen veränderten Denkansätzen schon Rechnung (siehe: www.grundschule.bildung-rp.de).

Die Lehrerschaft hatte in den 1920er Jahren andere Rahmenbedingungen und Vorausset­zungen. So gab es durchweg Vormittags- und Nachmittagsunterricht. Fahrschüler hatten die Volksschulen mit ihren Klassen 1 bis 8 nicht, denn in der Regel lag die Schule mitten im Ort oder Dorf. Die Schüler von entlegenen Höfen mussten zu Fuß zur Schule gehen.

Die Lehrer wohnten in der Regel im Schulhaus und waren vielfältig in das Gemeindeleben eingebunden, sei es in der Kirche oder auch in der Zivilgemeinde.

Die meisten Volksschullehrer hatten kein Studium im heutigen Sinne absolviert. Ein hoher Prozentsatz hatte nach der Volksschule Vorbereitungsschulen für Lehrerseminare besucht und anschließend an Lehrerseminaren eine theoretische Ausbildung abgeschlossen. In Sinzig gab es von 1904 bis 1921 eine solche Vorbereitungsschule, eine Lehrer­-Präparandenanstalt (Präparandie).11) Hier erfuhren die angehenden Volksschullehrer eine solide und
praxisbezogene Ausbildung, die nach dem darauffolgenden Besuch des Lehrer­seminars noch durch „Lehrjahre" an Schulen ergänzt wurde. Fortbildung in regelmäßigen Leh­rerkonferen-zen auf Kreisebene war für alle Pädagogen selbstverständlich. Die meisten wa­ren in ihren Schulen, besonders in den überwiegend einklassigen Volksschulen, völlig auf sich gestellt.

Grundschulklasse in Bad Neuenahr, 2002: Schon die Sitzordnung zeigt, dass Gruppenarbeit im Zentrum steht.

Im Gegensatz zu heute war die Prügelstrafe noch ein erlaubtes und vielfach angewandtes Erziehungsmittel. Der Unterricht war überwiegend „Frage-Antwort-Betrieb", während heute in seinen beispielhaften Formen methodische Vielfalt anzutreffen ist, vor allem Gruppenarbeit und projektbezogener Unterricht.

Die Fächer im Vergleich

Religion

Der Lehrplan von 1925 für die Volksschulen widmet sich am ausführlichsten dem Religionsunterricht. Unterrichtet wurde das Fach 3 Stunden im ersten Schuljahr der Volksschule, 4 Wochenstunden ab der 2. Klasse bis hin zum Abschluss der 8-jährigen Volksschule. (Lehrplan 1925, S. 1 -24)

Heute dagegen sieht der Religionsunterricht, der überwiegend von Fachlehrern erteilt wird, in der Grundschule 2,5 Unterrichtsstunden vor. Zum Religionsunterricht gehörten früher u.a. die biblische Geschichte, Unterweisung im Katechismus, Gebete, Kirchenlieder. Der erzieherische Charakter der Religionsstunden in der Schule wurde ergänzt durch die sogenannte Christenlehre des Pastors, die allwöchentlich am Sonntag in der Kirche abgehalten wurde. Eine solche Ergänzung des schulischen Unterrichts fehlt heute. Sie würde wohl auch nicht mehr von vielen Schülern aller Altersstufen angenommen.

Gesamtunterricht

Im 1. und 2. Schuljahr erfolgte keine strenge Trennung nach Fächern, sondern wurde die Vermittlung der Kulturtechniken, Lesen, Schreiben, Rechnen fächerübergreifend gelehrt. Bildung und Erziehung wurden ganzheitlich angestrebt.

Gesamtunterricht ist bis heute in den unteren Schulklassen sinnvoll und üblich. Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen bilden zusammen mit der Förderung der musisch-kreativen Kräfte die Schwerpunkte des Anfangsunterrichts.

Deutsch

Im Deutschunterricht stand das Lesen im Lehrplan von 1925 auf allen Schulstufen im Zentrum. Hier werden heute bei der PISA-Studie besondere Defizite in Deutschland konstatiert. Insgesamt ist Deutschland bei der internationalen Untersuchung lediglich im unteren Drittel plaziert.

Leseübungen standen nicht nur im eigentlichen Deutschunterricht, sondern auch in Geschichte, Naturkunde und Erdkunde auf dem Plan. Die Auswahl der dichterischen Texte erstaunt. Zu den Lektürebeispiele gehören Sagen, Märchen, Schwänke, Dramen und Romane. Ganzschriften oder Auszüge aus Werken von Goethe und Schiller werden in den Lektürevorschlägen genannt. Ob diese auch tatsächlich im Unterricht an der Volksschule behandelt wurden, ist nicht ermittelbar. In heutigen Hauptschulen ist eine solche Lektüreauswahl wohl weitgehend nicht möglich. Der hohe Anteil an Schülern, die Defizite in der deutschen Sprache aufweisen, erlaubt dies meistens nicht.

Für den Aufsatzunterricht, für die Einübung der Rechtschreibung und Sprachlehre galt 1925 insgesamt die Forderung, dass klare Beispiele, anschauliche und kurze Regeln den Schülern beizubringen seien. Geübt werden sollte das Gelernte lange und oft.

Schulaufsätze hatten grundsätzlich bei Selbsterlebtem und Selbstbeobachtetem anzusetzen. In den oberen Klassen waren auch kleine offizielle Schreiben und Geschäftsbriefe zu verfassen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Rechnen

Im Rechenunterricht stand die Einübung der Grundrechnungsarten an erster Stelle. Anschaulichkeit und Beispiele aus dem Umfeld der Kinder wurden auch hier im Unterricht gefordert. Wiederholungen und das fortwährende Üben galten als Erfolgsrezept.

Raumlehre, Dreisatzaufgaben, Prozentrechnung, Gewinn- und Verlustrechnung sahen die damaligen Pädagogen als ausreichende Vorbereitung auf die Lebenswirklichkeit der Schüler an. In reinen Mädchenklassen sollte besonders Wert auf hauswirtschaftliches Rechnen gelegt werden.

Eine nach Geschlechtern differenzierte Mathematik gibt es heute natürlich nicht. Unterrichtet wird das Fach theoretisch und praxisnah. Allerdings kommt der Übungsteil im Gegensatz zu früher heute oft zu kurz.

Heimatkunde

Dem Fach Heimatkunde wurde in den 1920er Jahren ab dem 3. Schuljahr der Volksschule noch besondere Bedeutung beigemessen. Heute ist es als offizielles Fach untergegangen. Es liegt jedoch in der Hand der Lehrer heimatbezogene Themen z.B. im Sachkundeunter­richt einzubauen.

Erklärtes Ziel war es 1925, das Antlitz der Heimat schrittweise kennenzulernen. Angefangen beim Haus, dem Ort, der Bürgermeisterei und dem Kreis bis hin zur Landschaft, der Region und dem Kartenbild des heimatlichen Lebensraumes sollten die Schüler mit ihrer Umwelt vertraut gemacht werden.

Hierzu gehörte auch Wissenswertes über die Menschen der Heimat zu früheren Zeiten, um Einblick in frühere Lebensverhältnisse zu gewinnen.

Tiere, Pflanzen der Heimat vom Garten bis zum Wald standen auf dem Lehrplan.

Der Unterricht in diesem Fach setzte die Beschäftigung des Lehrers mit seiner unmittelbaren Umgebung voraus. Niederschlag fand dies in den Schulchroniken, aber auch im Beitrag der Lehrerschaft zur Heimatforschung. So stammen zahlreiche Aufsätze in den Heimatjahrbü­chern, die im Kreis Ahrweiler erstmals 1926 erschienen, von Lehrern, die hier ein reiches Betätigungsfeld fanden.

Rektor Jakob Rausch, der über viele Jahre für die Schriftleitung des Heimatjahrbuchs ver­antwortlich war, stellte in den 1960er Jahren fest, dass der Untergang der Heimatkunde durch den „Fahrlehrer" eingeleitet wurde. Unter „Fahrlehrer" verstand er Pädagogen, die nicht mehr am Ort wohnten und folglich die Lebensverhältnisse und Umwelt der Schüler nicht mehr aus direkter Anschauung kannten und die sich auch nicht mehr in dem Maße wie frühere Generationen dafür interessierten.

Insbesondere die Grundschule fühlte und fühlt sich dem „Heimatbegriff" im Unterricht aber auch heute noch besonders verpflichtet. Hierbei verwenden die Leitlinien für die Arbeit in der Grundschule aus dem Jahre 1984 schon einen modernen Heimatbegriff: „Heimatverbun­denheit bildet die Grundlage für Weltoffenheit und Mobilität. Sie ist eine Voraussetzung da­für, dass das Kind die Heimat und die Lebenswelt anderer achten lernt."12) Der Kreis Ahrweiler gab 1987 sein erstes heimatkundliches Studienbuch unter dem Reihentitel „Studien zu Ver­gangenheit und Gegenwart" heraus. Die Nachfolgebände zwei und drei erschienen in den­ Jahren 1989 und 1993.

Viele Schulen im Kreisgebiet berücksichtigen auch heute heimatbezogene Aspekte im Sachunterricht. So wird z.B. an der Grundschule Bad Neuenahr das Thema „Unser Heimat­ort Bad Neuenahr" im 3. Schuljahr ausführlich behandelt. Als Ergänzung stehen die The­menfelder „Die Kreisstadt Bad Neuenahr-Ahrweiler" sowie „Die mittelalterliche Stadt Ahrwei­ler" im 4. Schuljahr auf dem Lehrplan.

Den vier oberen Klassen der Volksschule waren 1925 die Fächer Geschichte, Staatsbürgerkunde, Erdkunde und Naturkunde mit Physik, Chemie und Gesteinskunde vorbehalten. Auch hier wurde ein heimatbezogener Unterricht gefordert.

Sonstige Fächer

Für Mädchen in den beiden oberen Klassen war damals auch Hauswirtschaftskunde verbindlich eingeplant.

Hier sollte die Vorbereitung der Mädchen auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter erfolgen. Vermittelt werden sollten „grundlegende hauswirtschaftliche Kenntnisse und ein bescheide­nes Maß praktischer Fertigkeiten ... dabei wird er die hausmütterliche Veranlagung der Mädchen pflegen." (Lehrplan 1925, S. 55) Der Unterricht in diesem Fach umfasste ferner die Vermittlung von Grundkenntnissen in Kinder- und Krankenpflege.

Handarbeitslehrerinnen unterrichteten das Fach Nadelarbeit.

Nähen, Stricken, Häkeln, Flicken und Stopfen standen auf dem Programm.

Jede Schülerin sollte nach der Schulentlassung einfache Wäsche- und Kleidungsstücke nä­hen und flicken können. (Lehrplan 1925, S.63)

Nach Geschlechtern getrennt erfolgte das Turnen.

In der Grundschule wird Sport heute für Mädchen und Jungen gemeinsam erteilt, in der Sekundarstufe 1 erfolgt die Trennung.

Bei den Mädchen sollten, so der Plan von 1925, durch geeignete Übungen, je nach Möglich­keiten der Schule, die Gesundheit gestärkt, gute Haltung angewöhnt und Gewandtheit, Kraft und Anmut entwickelt werden. (Lehrplan 1925, S. 62)

Bei den Turnübungen der Jungen, bei Frei- und Ordnungsübungen, volkstümlichen Übungen, Sport und Spiel, Geländeübungen und Geräteturnen sind militärische Anklänge erkennbar. So wird dort formuliert: „Manneszucht, veredelt durch Intellekt, gehört zu den obersten Zielen des Turnunterrichts. Kommandos werden ersetzt durch Befehle, diese durch Anweisungen und schließlich durch selbsttätige Anpassung des einzelnen Schülers an eine natürliche Ordnung." (Lehrplan 1925, S. 61). Gegen eine solche Instrumentalisierung des Sportunterrichts zu quasi pramilitärischen Formen würde heute wohl massiv protestiert.

Zu den musischen Fächern gehörten in der Volksschule Schönschreiben, Zeichnen und Gesangsunterricht. In der Grundschule wird auch heute noch eine Note für Schrift erteilt. Zeichnen und Gesangsunterricht sind in den Schulfächern Bildende Kunst und Musik aufgegangen.

Bilanz

Der Lehrplan der 1920er Jahre zeigt viel Zeittypisches.

Die Wertvorstellungen, gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Familienstrukturen haben sich seither grundlegend gewandelt. So waren beispielsweise alleinerziehende Mütter und Väter um 1925 noch höchst selten, heute dagegen steigt deren Anzahl stetig.

Inwieweit die im Lehrplan von 1925 vorgegebenen Inhalte und Ziele sowie die methodischen Hinweise umgesetzt wurden, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Zwischen Vorgaben, Anspruch und Wirklichkeit dürften auch damals je nach Lehrerpersönlichkeit, Schulausstattung, wirtschaftlicher Situation der Familien etc. erhebliche Unterschiede bestanden haben. Daran hat sich auch bis heute nichts geändert.

Viele der damaligen Unterrichtsinhalte sind bis heute aktuell geblieben und ihre Gewichtung ist sogar nachahmenswert. So besonders die Betonung des Lesens in der Schule. Dies gilt aber auch in besonderem Maße für die regionale Anbindung von Unterrichtsinhalten und den Stellenwert der Heimatkunde. Maßstäbe für den heutigen Unterricht an Grund- und Hauptschulen können dadurch aber nicht mehr gesetzt werden. Dazu ist auch dieses Werk zu sehr ein Kind seiner Zeit.

Eine Beurteilung der aktuellen Schulsituation fällt schwer.

Heute ist in der Schule nach der Schulstudie PISA die Diskussion um Rahmenbedingungen, Organisationsstrukturen, Inhalte, Lernziele und Methoden voll entbrannt. Als Lösungsansätze sind die Einführung der Ganztagsschule, Hortangebote, verstärkte Investitionen in vorschulische Ein­richtungen sowie eine Reform der Inhalte und Methoden anzusehen.

Zu den Forderungen einer inneren Reform zählt auch die eines bewusst auf Werte hin orientierten erziehenden Unterrichts.

Im Zentrum steht – wie schon in der Reformpädagogik der 1920er Jahre – eine Besinnung auf die Grundfertigkeiten und -fähigkeiten, die sich an der heutigen Lebenswirklichkeit der Schüler und an den Bedürfnissen der Wirtschaft und Gesellschaft orientieren muss.

Anmerkungen:

  1. s. u. a. ZEITdokument für die Schule. Die Pisa-Studie und ihre Folgen. Hamburg 2002.; s. auch Susanne Gaschke. Die Erziehungskatastrophe. Kinder brauchen starke Eltern. Stuttgart, München 2001. PISA steht für „Programme for International Student Assessment" = Eine internationale Bewertung der Schülerleistungen.

  2. Lehrplankommission des Kreises Ahrweiler (Hrsg.): Entwurf eines Lehrplanes für die Volksschulen des Kreises Ahrweiler. Neuenahr 1925. Alle Angaben und Zitate zu den Unterrichtsinhalten in den 1920er Jahre stammen aus diesem Werk. Die jeweilige Seitenzahl wird in Klammern als Beleg im Text angegeben.

  3. vgl. Arbeitskreis Eifeler Museen (Hrsg.): Tafel, Griffel, Rutenstock. 150 Jahre Eifeler Volksschulleben. Meckenheim 1989. S. 24

  4. s. hierzu statistische Angaben in: Heimatkalender für den Kreis Ahweiler 1927, S. 135ff.; Heimatkalender 1928, S. 143ff.; Verwaltungsbericht des Kreises Kreis Ahrweiler 1925 und 1927.

  5. s. u. a. Verwaltungsbericht des Kreises Adenau 1926.

  6. s. Verwaltungsbericht des Kreises Ahrweiler für das Jahr 1925/1926.

  7. s. hierzu v. a. die Statistischen Angaben in: Projektgruppe Bildung und Region: Schulentwicklungsplan Landkreis Ahrweiler 2001. Bonn 2002.; vgl. auch Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Rheinland-Pfalz – seine kreisfreien Städte und Landkreise. Bad Ems 1991. S. 61f.; Zur Situation an der Berufsbildenden Schule Bad Neuenahr-Ahrweiler vgl. Hans-Werner Rieck: Die Berufsbildenden Schulen des Kreises Ahrweiler – eine handlungsorientierte Ausbildungsstätte. In: Heimatjahrbuch Kreis Arhweiler 2001, S. 34-39. Für Informationen und Hinweise danken wir Frau Hannelore Vormann.

  8. Lehrplan 1925 Vorwort. Alle Angaben aus dem Lehrplan 1925 werden nachfolgend direkt im Text nachgewiesen.

  9. Hans Mohr (Hrsg.): Bildungsplan für Volksschulen. Trier 1952.

  10. Hans-Jürgen Ipfling: Pisa-Ergebnisse, Reaktionen, Folgerungen. In: rheinland-pfälzische Schule 5/2002.

  11. vgl. Hans Kleinpass: Sinzig von 1815 bis zur Gebietsreform 1969. In: Sinzig und seine Stadtteile – gestern und heute. Im Auftrage der Stadt Sinzig hrsg. von Jürgen Haffke und Bernhard Koll. Sinzig 1983, S. 156-239, hier S. 295.

  12. Leitlinien für die Arbeit in der Grundschule aus dem Jahre 1984.

Dorfschulen, die im Zuge der Schulreform der 1970er Jahre aufgelöst wurden: Schule in Pomster, um 1960.