Studieren in Remagen

Die Professoren kennen jeden mit Namen

Manfred Reinnarth

Jürgen Clas erinnert sich noch gut an die Anfänge: „Zur Einweihung haben wir im Rohbau mit Bauarbeiterhelmen auf dem Kopf Studentenfutter an die Gäste verteilt. Es hat reingeregnet, weil die Fenster undicht waren. Zur Bibliothek ging es nur durch den Keller, vom Rundbau sah man noch nichts: Da war ein Acker! Und die Mensa befand sich in der benachbarten Tennishalle. Der 26-Jährige, der während seines Studiums an der Kundenbefragung der Kreisverwaltung mitgearbeitet hat und über die Fachhochschule auch andere interessante praktische Tätigkeiten erhielt, hat 1999 im Fachbereich Betriebswirtschaftslehre mit 110 Kommilitonen, also Mitstudierenden, angefangen und dieses Jahr mit 30 anderen seine Diplomarbeit abgegeben. „Einige haben das Studium falsch eingeschätzt und sich deshalb umorientiert. Andere sind auf der Strecke geblieben oder brauchen etwas länger." Zunächst habe es nur die Ausrichtungen Gesundheit und Sport gegeben, erst später sei die Logistik hinzugekommen.

Clas stammt aus Ahrweiler und hat sich dort in der Altstadt auch eine eigene Wohnung eingerichtet. Er profitiert gegen Ende seines Studiums nun noch vom neuen Semsterticket: „Mit der Bahn bin ich von der Haltestelle ,Ahrweiler Markt’ genau so schnell in Remagen wie mit dem Auto." Das sieht bei Henrik Sundheimer aus Kempenich, der im Jahr nach Clas mit 160 anderen den gleichen Studienweg einschlug, anders aus: Er fährt Tag für Tag mit dem Auto. „Ich habe zwar als Studierender ein Semesterticket, das automatisch mit den Studiengebühren beglichen wird, und von Kempenich würde auch ein Bus nach Remagen fahren, aber der ist dann ewig lange unterwegs. Mit meinem Peugeot 106 schaffe ich das über die Autobahn und die Abfahrt Waldorf in nur 25 Minuten", argumentiert Sundheimer. Denn nicht erst im Studium hat er das Rechnen und wirtschaftliche Denken gelernt.

Als eingeschriebener Student der Gesundheits- und Sozialwirtschaft im sechsten von acht Semestern geht es für ihn nun – nach einer Ausbildung als Industriekaufmann bei der Bauunternehmung Augel in Weibern – ans Eingemachte der Betriebswirtschaft. Klar hat er bei der Wahl seines Verkehrsmittels auch eine Kos-tenrechnung aufgestellt und nicht nur Geld, sondern auch Zeit als Faktor berücksichtigt: Vier Jahre muss der rote Kleinwagen noch halten. Knapp sechs Liter braucht der kleine Franzose und ist auch sonst günstig im Unterhalt. Zurzeit muss das Auto lange Strecken durchhalten, denn Sundheimer steckt im Praxissemester, und das bedeutet: Für eine renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft reist er nun mit ausgebufften Experten seines Fachs quer durch die Bundesrepublik und prüft Jahresabschlüsse von Krankenhäusern.

Studierende am RheinAhrCampus Remagen, 2002

„Ich merke jetzt erst in der Praxis, welch gute Dozenten wir hatten. Die Professoren haben uns in den ersten Semestern schon ganz geschickt ein Wissen vermittelt, das ungeheuer eng an der Praxis liegt." Mit vier Professoren ging es los. Heute sind es 34.

Dabei ist Sundheimers Werdegang wahrlich nicht typisch für einen Studenten: Der heute 24-Jährige stand nämlich mit 15 in Niederzissen mit einem Hauptschulabschluss in der Hand, als er eigentlich ins Berufsleben starten sollte. Doch er setzte sich auf den Hosenboden und schaffte über die Berufsfachschule Wirtschaft die Mittlere Reife. Die Lehre folgte (den Kontakt gab es über ein Schulpraktikum), und schon da stand der Entschluss fest, die Neigung zu Zahlen in einem Studium der Betriebswirtschaft auszuleben. Weil BWL aber überlaufen war, entschied sich Sundheimer für eine Spezialisierung. Und da kamen ihm Prognosen vom neuen Markt im Gesundheitswesen gerade recht.

Im Umfeld der FH hat sich nach Sundheimers Eindruck noch nicht so viel getan. Viele der hier Studierenden kommen aus relativer Nähe und wohnen zu Hause. „Die Mieten sind schon mit Bonn vergleichbar, und es gibt nicht so viele Möglichkeiten, als Student auszugehen. Der Allgemeine Studierendenausschuss, kurz AStA genannt, gleicht das mit zahlreichen Treffen aus. Ursula Götte hat das für sich ganz anders gelöst: Die 23-Jährige stammt aus Krefeld und musste sich in Remagen erst einleben. „Ich habe mich im Gemeindeleben engagiert und habe im Chor auf dem Apollinarisberg mitgesungen. Ich muss keine Kneipe haben. Hier gibt es viele nette Menschen, die mal gerne ein Bier oder einen Wein trinken." Götte, die drei Jahre lang im Herzen der Römerstadt eine Wohnung mit zwei Zimmern, Küche, Diele, Bad bewohnte, ist auch sonst sehr zufrieden mit der Wahl ihres Studienortes: „Die Professoren haben uns sehr unterstützt", sagt die junge Frau, die gerade nach dem achten Semester Medizintechnik ihre Diplomarbeit abgegeben hat: „Mir ist eine Stelle für ein halbes Jahr in den Vereinigten Staaten vermittelt worden, und zurzeit arbeite ich in den Niederlanden." Am Aufbau der Fachhochschule habe sie mitwirken können, resümierte die Krefelderin zufrieden. Das habe nicht nur Kleinigkeiten betroffen, wie die Einrichtung von Fahrradständern und Kleiderhaken, sondern auch die Ausstattung der Labors und die Wahl von Professoren.

Fächer am RheinAhrCampus Remagen:
Gesundheits- und Sozialwirtschaft, Sportmanagement, Logistik und E-Business, Wirtschaftsingenieurwesen, Medizinaltechnik und Sportmedizinische Technik, Lasertechnik, Angewandte Mathematik

Frauen sind noch in der Unterzahl. In der Medizintechnik und Sportmedizinischen Technik sowie in der Bio- und Wirtschaftsmathematik steigt die Anzahl der Frauen aber kontinuierlich. Ursula Götte profitierte vom Förderprojekt „Ada Lovelace". Die Mädchentage seien eine gute Möglichkeit, in den FH-Betrieb hineinzuschnuppern. Studieren in Remagen ist nie langweilig und wegen der üppigen Finanzen dank des Bonn-Berlin-Ausgleiches gibt es eine moderne und gut bestückte Bibliothek. Das weiß auch Sonja Adomeit aus Ahrweiler, die gerade ihr Studium begonnen hat. Die junge Frau, die zuvor bereits eine Ausbildung in der Wirtschaft absolviert hat, wundert sich nur manchmal über das Eigenleben des modernen Gebäudes. Die Außenrollos bewegen sich bei Wind schon mal wie von Geisterhand auf und ab. Sie findet den Bau, der inzwischen bis zum Buchstaben F durchnummerierte Gebäudetrakte aufweist, sehr übersichtlich. „Die meisten Studierenden sind sehr nett, und auch das ist ein wichtiger Faktor beim Studieren." Wie die Studierenden aus den höheren Semestern hat sie gleich die Erfahrung gemacht, dass dies auch auf die Professoren zutrifft: „Es gibt einen ganz engen Draht zwischen Professoren und Studierenden." Und das hat auch Jürgen Clas über seine gesamte Studienzeit so erlebt: „In Remagen kennen einen die Professoren alle mit Namen!"