Eine „vielsaitige" Visitenkarte

Das Zupforchester Heimersheim – ein musikalischer Botschafter des Ahrkreises

Gregor Schürer

Viele kennen ihn von schnulzigen, vorzugsweise italienischen Schlagern: Den schönen Klang der Mandolinen, deren Tremolo den Liedern neben dem Schmelz des Tenors noch die richtige Süße gibt. Sogar Hollywood hat den Reiz dieses mit vier Saitenpaaren ausgestatteten Instruments entdeckt und darüber einen – übrigens sehr hübschen – Film gedreht („Corellis Mandoline" mit Nicolas Cage und Penelope Cruz). Die Mandoline ist eigentlich eine Unterart der Laute, die Saiten werden jedoch statt mit den Fingern mit einem Plektrum angerissen. Einer der Kulturträger der Region hat sich ebenfalls dieser Instrumentengattung verschrieben, die große Tradition besitzt, aber wenig verbreitet ist, das Zupforchester Heimersheim. Wir stellen die Mandolinenvirtuosen von der Ahr vor.

Entwicklung des Zupforchester

Das Zupforchester wurde 1923 von engagierten Hobbymusikern als „Mandolinenverein Wanderlust" in Heimersheim gegründet. Wie der Name schon sagt, wurden ausschließlich Wander- und Volksliedbearbeitungen gespielt. Nach einer durch den 2. Weltkrieg bedingten Pause begann man 1947 wieder mit dem Probenbetrieb. Der Verein entwickelte sich in dieser Zeit zum Aktivposten in der dörflichen Gemeinschaft des Ortes. Karnevalsveranstaltungen sowie die Mitgestaltung des Weinfestes wurden wesentliche Bestandteile des Vereinslebens.

1968 wurde Franz Hackner Erster Vorsitzender sowie musikalischer Leiter des Vereins. Unter seiner Federführung wurde konsequent eine musikalische Neuausrichtung eingeleitet. Man öffnete sich neuen Spieltechniken der Zupf- instrumente. 1970 erfolgte der Beitritt zum Bund Deutscher Zupfmusiker (BDZ). Ab 1972 wurde eine intensive Ausbildung der Vereins­spieler durchgeführt. Man besuchte Fortbildungsmaßnahmen und führte in dieser Zeit die mittlerweile schon zur Tradition gewordenen Pfingstlehrgänge in Heimersheim durch. Namhafte Dozenten der Zupfmusikszene aus der ganzen Welt gaben sich von nun an alljährlich zu Pfingsten ein Stelldichein am Fuße der Landskrone. Wesentliche Impulse gingen dabei von Prof. Marcel Wengler, Leiter der Pfingstkurse bis 1981 und bis heute der führende Luxemburger Komponist unserer Tage, aus. Ebenso ist Frau Prof. Marga Wilden-Hüsgen aus Aachen zu nennen, die seit 1992 die erste Professur für Mandoline in Deutschland inne hat. Außerdem prägten weltweit anerkannten Mandolinenvirtuosen wie Detlef Tewes oder Masayuki Kawaguchi die Ausbildung der Orchesterspieler nachhaltig. Erste Früchte dieser konsequenten Ausbildung spiegelten sich ab 1975 in den regelmäßig erzielten Preisen beim Wettbewerb „Jugend musiziert" wider.

Der Mandolinenverein Wanderlust bei seinem vierzigjährigen Jubiläum (1963)

Neue Wege und viele Preise

Das Orchester, seit 1974 mit mehreren Spielgruppen und seit 1970 auch mit einem vereinseigenen Frauenchor, bekam mit Elio Hackner in dieser Zeit einen neuen musikalischen Kopf. Der Sohn des bisherigen Leiters setzte wesentliche Impulse für die Zupfmusik in der Stadt, im Kreis Ahrweiler und in ganz Rheinland-Pfalz. Unter seiner Führung suchte das Ensemble neue Wege in der Zupfmusikliteratur und wandte sich weitgehend von der italienisch, romantisch geprägten Tremolomusik der Zwanziger und Dreißiger Jahre ab. Durch die neu erlernten Spieltechniken war es nun möglich, sich auch der zeitgenössischen Mandolinenmusik zu widmen. Seit Anfang der Sechziger Jahre wurden - insbesondere durch den bekannten Gitarristen Siegfried Behrend und sein Saarländisches Zupforchester - namhafte deutsche und internationale Komponisten angeregt, für diese Art von Besetzung Stücke zu komponieren. Auch erste Barock- und Renaissance-Bearbeitungen wurden während dieser Phase ins Programm aufgenommen, denn die Werke dieser Epoche eignen sich besonders für die Kurztoninstrumente Mandoline und Gitarre.

1980 wurde auf Mitinitiative von Elio Hackner ein Landesverband Rheinland-Pfalz des BDZ ins Leben gerufen. Drei Jahre später wurde dann das Zupforchester Rheinland-Pfalz gegründet, das Heimersheimer Orchester bildete in Gänze das Kernensemble für diesen neuen Klangkörper. Elio Hackner war sein erster musikalischer Leiter bis 1987.

Das Zupforchester Heimersheim, wie es seit Anfang der Achtziger Jahre heißt, nahm nun regelmäßig auch an Orchester-Wettbewerben teil. Erste Preise beim internationalen Mandolinenorchesterwettstreit in Jülich-Koslar in den Jahren 1983, 1988, 1993 und 1998 sowie der erste Preis beim 1. deutschen Orchesterwettbewerb 1986 dokumentieren diese erfolgreiche Periode.

Es folgten zahlreiche Rundfunk- und Fernsehauftritte des Orchesters beim Südwestfunk und beim Zweiten Deutschen Fernsehen, in jüngster Zeit auch beim Lokalsender von TVT1.

Orchesterleitung als Familientradition

1990 übergab Elio Hackner die Leitung an seinen jüngeren Bruder Dominik, der dem Ensemble bis heute vorsteht. Dominik Hackner wurde 1968 in Bad Neuenahr geboren. Er erhielt als Jugendlicher Mandolinen- und Klavierunterricht und war mehrfacher Bundespreisträger des Wettbewerbs „Jugend musiziert". Ab 1982 folgten erste Dirigententätigkeiten, in dieser Zeit entstanden auch erste Eigenkompositionen für Zupfinstrumente. 2001 wurde er zum musikalischen Leiter des Bayerischen Landeszupforchesters berufen, seit November 2002 dirigiert er darüber hinaus noch das Zupforchester e.V. in Mülheim an der Ruhr. Diese beiden Orchester gehören heute zu den führenden Zupforchestern Deutschlands. Er wirkte bei zahlreichen CD-Produktionen mit, Konzertreisen führten ihn durch ganz Europa sowie nach Israel und Japan. Das Zupforchester hat sich unter seiner Leitung zu einem musikalischen Botschafter des Ahrkreises entwickelt. Dies manifestiert sich zum Einen bei den zahlreiche Konzerten, die in Bad Neuenahr-Ahrweiler und darüber hinaus gespielt werden. Häufig werden die Erlöse dieser Veranstaltungen kirchlichen oder karitativen Zwecken zur Verfügung gestellt. So spielte das Orchester seit 1990 einen namhaften Betrag für die Anschaffung einer neuen Orgel für die Pfarrkirche St. Mauritius in Heimersheim ein. Zum Anderen gehört es seit vielen Jahren zum wesentlichen Bestandteil der Orchesterarbeit, offizielle Feierstunden der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler zu umrahmen. Beides zusammen dokumentiert nachhaltig die herausragende Stellung des Orchesters als Kulturträger der Region, eine „vielsaitige" Visitenkarte für Bad Neuenahr-Ahrweiler und den ganzen Kreis Ahrweiler.

Das Zupforchester in seiner heutigen Besetzung bei einem Konzert in der Leimersdorfer Kirche im
Januar 2003

Freunde bei Komponisten und Solisten

Seit 2000 führt das Orchester regelmäßig Porträtkonzerte für Komponisten unserer Zeit durch. Der Komponist Herbert Baumann stand im Jahr 2001 im Mittelpunkt, 2002 wurde ein Konzert zu Ehren für die Verlegerin und Komponistin Elke Tober-Vogt gegeben. Kein Wunder, dass zahlreiche Komponisten dem Orchester und seinem musikalischen Leiter Werke widmeten, die von diesen zur Uraufführung gebracht wurden. So gehen heute vom Orches-ter intensive Impulse für die Schaffung neuer Literatur für Zupfinstrumente aus.

Das Ensemble verfügt neben seiner Stammformation über einen großen Freundeskreis von Mitspielern und Solisten, die immer wieder gerne aus ganz Deutschland an die Ahr kommen, um Zupfmusik auf höchsten Niveau zu musizieren.

Die Mitglieder des Orchester sind fast aus-schließlich Hobbymusiker, die ihr Engagement für Musik und Kultur weitgehend selbst finanzieren. Dies macht die Leistung des klangvollen Ensembles noch bewundernswerter. Das Zupforchester, das als gemeinnütziger Verein anerkannt ist, ist deshalb auf die Mithilfe von Kommunen und Wirtschaft angewiesen. Zum 80. Geburtstag sei den versierten Mandolinenspielern von der Ahr diese verdiente Unterstützung besonders gewünscht.