Die Aufgaben eines Dorfschullehrers

Ein Blick in die Brenker einklassige Volksschule vor 1900 

Hans Schmitz 

In Brenk und Galenberg wurden die Kinder bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts teils nach Oberzissen und teils nach Wehr zum Schulunterricht geschickt. Ab 1808 gab es dann in Brenk eine erste „Primarschule“, d. h. die hier nach und nach allgemein eingeführte Pflichtschule, die Volksschule. Zu diesem Zeitpunkt wurden von Lehrer Jaques Bermel 8 Jungen und 5 Mädchen in einem Privathaus unterrichtet. Wegen der stark anwachsenden Schülerzahl wurde eine eigene Schule mit Lehrerwohnung gebaut, die 1895 bezogen wurde. Im Schuljahr 1899/1900 besuchten etwa 28 Jungen und 17 Mädchen diese einklassige Volksschule. Für den damals kaum 200  Einwohner zählende Ort war dies eine recht hohe Kinderzahl. Nicht selten gingen 3 bis 4 Kinder aus einer Familie gleichzeitig in die einklassige Dorfschule. Neben Lesen, Schreiben und Rechnen gehörte das Auswendiglernen von Gedichten und Geschichten aus der Schulbibel zum Kern des täglichen Schulunterrichts. In Geschichte mussten die Schüler u. a. bestens über die Verwandtschaftsverhältnisse der kaiserlichen Familie Bescheid wissen. An dem Geburtstag des Kaisers (27. Januar) erhielten die Schüler stets einen Weck (Hefgebäck), zuletzt im Jahre 1918. 

In diesem Fachwerkhaus befand sich dieBrenker Schule vor 1895, Zustand des Hausesum 1950

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lag die Schülerzahl im Durchschnitt zwischen 30 und 45. Seit 1968 besuchen die Kinder von Brenk und Galenberg die Grund und Hauptschule in Niederzissen sowie weiterführende Schulen der Umgebung. Die Grundschüler gehen inzwischen in die Grundschule in Niederdürenbach. Zu den Aufgaben des Lehrers gehörten im 19. und auch noch 20. Jahrhundert neben der Unterweisung der Kinder von der 1. bis zur 8. Klasse in allen Schulfächern in einem Klassenzimmer auch noch andere Verpflichtungen. Seine Zusammenarbeit mit dem Pfarrer war selbstverständlich. Auch musste der Lehrer in der Regel den Ortsvorsteher bei Protokollen und dem Schriftverkehr unterstützen. Er half den Dorfbewohnern bei Briefen und der Beantwortung von amtlichen Schreiben. In vielen Lebenslagen wurde er zudem um Rat gefragt. Zur Aufbesserung seines Einkommens kümmerte er sich daneben um Haus und Garten und betrieb oft noch eine kleine Landwirtschaft zur Selbstversorgung.

Die Geburtsjahrgänge 1885 – 1893 in der Brenker Volksschule, Aufnahme um 1899

Lehrer Wilhelm Gerhartz kam 1867 aus Wehr

Der Dorfschulllehrer, der die meisten Dienstjahre in Brenk unterrichtete, war Wilhelm Gerhartz (1847 – 1907). Er wurde am 21. August 1847 in Wehr geboren und entstammte dort einer traditionellen Lehrerfamilie, aus der eine Reihe von Pädagogen hervorging. Der Hausnahme „Majistrisch“, abgeleitet von dem Lateinischen Wort Magister (Lehrer), ist in Wehr noch heute für die Nachkommen der Sippe Gerhartz gebräuchlich. Wilhelm Gerhartz trat nach seiner Ausbildung an einer Lehrerbildungsanstalt im Jahre 1868 in Brenk seinen Dienst an. Hier blieb er bis zu seinem Tod. 1873 heiratete er Gertrud Oligschläger, ein Brenker Mädchen. Über den Unterricht des beliebten Lehrers ist wenig bekannt. Überliefert sind einige Episoden und Anekdoten, die einen kleinen Einblick in die damaligen Lebensumstände gewähren. Im Jahre 1832 hatte die Brenker Schule durch eine Stiftung von Christine Becker geb. Eulenbruch einen Schulgarten erhalten. In einem Testament wurde notariell festgelegt, dass der Schulgarten von dem jeweiligen Lehrer kostenlos genutzt werden durfte. Das Vermächtnis hatte die Auflage, beim Schulgebet ein „Vater Unser“ zum Wohle der Seele der Stifterin nach deren Tod beten zu lassen. Nach 50 Jahren erinnerte sich der Schwiegersohn der Stifterin im Jahre 1883 an diese Verpflichtung. Er war der Meinung, dass dies nicht korrekt umgesetzt würde, weil nicht täglich für die Verstorbene gebetet wurde. Deshalb wollte er den Garten wieder an sich ziehen, um diesen anderweitig zum Besten der Verstorbenen zu verwenden. Lehrer Gerhartz, der den Schulgarten bearbeitete, ließ den Sachverhalt bei der vorgesetzten Dienststelle prüfen. Die Eingabe ging an den Landrat in Mayen, der übereinstimmend mit dem Amtsbürgermeister von Burgbrohl der Auffassung war, dass dieses Gebet nicht täglich zu verrichten sei, da es wörtlich im Testament heißt, „ein Vater unser“ beten zu lassen. Hinweise auf die Regelmäßigkeit und Dauer waren dagegen nicht im Testament enthalten.1) Zur Aufbesserung seines bescheidenen Einkommens als Dorfschulmeister betrieb Gerhartz eine kleine Landwirtschaft in Brenk. Im damals an den Ortsrand angrenzenden Flurbereich „Schultheisental“ erwarb er ein Anwesen mit Stall und Scheune. Zur Lehrerfamilie gehörten 5 Kinder,  3 waren schon früh verstorben. Die Frau des Lehrers starb am 23. September 1891 bei der Niederkunft des 9. Kindes, das die Geburt ebenfalls nicht überlebte. Gerhartz bearbeitete mit einem Schimmel die Felder. Zur Selbstversorgung mit Fleisch hielt er Schweine. Einer seiner Schüler erlaubte sich den Lausbubenstreich, die Stalltür zu öffnen und die Schweine entlaufen zu lassen. Der Plan des Schülers, dadurch den Unterricht zu verhindern, um Freizeit zu schinden, ging voll auf. Lehrer und Schüler versuchten nämlich die Schweine wieder einzufangen. Ausgerechnetdem Übeltäter gelang dies, so dass er für sein nicht aufgedecktes „Schelmenstück“ obendrein

 

Die Jahrgänge 1916- 1924 mit Lehrer Matthias Jäckels, Aufnahme von 1930

auch noch ein Lob des Lehrers erhielt. Da man einem Lehrer zu jener Zeit aufgrund seiner Bildung Kenntnisse in allen Lebensbereichen zutraute, war sein Rat auch bei Krankheitsfällen in den Familien und auch bei Viehkrankheiten gefragt.. Ein Arzt war auf dem Lande für die einfache Landbevölkerung kaum zu erreichen und  für viele auch nicht bezahlbar. Deshalb wurde der Lehrer oftmals hinzugezogen. So wandte man sich im Krankheitsfalle auch an Lehrer Gerhartz, der Kräuter und Mittelchen gegen allerlei Beschwerden und Zipperlein in seiner Hausapotheke vorrätig hatte. Eines Abends, es war schon sehr spät, bat eine von schweren Leibschmerzen geplagte Mutter ihren Sohn, zum Lehrer zu gehen, der etwas geben möge, um ihre Schmerzen zu lindern. Der Sohn tat aber nur so, als erfülle er den Wunsch der Mutter. Er wollte aber zu dieser späten Abendstunde den Lehrer nicht mehr belästigen. Deshalb schöpfte er frisches Quellwasser aus dem Hollebürchjen (frühere Quelle am Hohlweg), fügte einen Schuss Essig und etwas Zucker bei. Auf den angeblichen Rat des Lehrers empfahl er der Mutter, stündlich einen Löffel von dieser „Medizin“ einzunehmen. Der Glaube an die Heilkunst des Lehrers sorgte für baldige Linderung. Im Sommer 1904 erhielt Lehrer Gerhartz die Aufforderung, an einem Fortbildungskurs für Bienenzucht teilzunehmen, um seine Schüler und die Dorfbewohner über die Nützlichkeit der Bienen zu informieren. Dem damaligen Amtsbürgermeister Jost in Burgbrohl erteilte der altgediente Dorschullehrer folgende schriftliche Absage: „Euer Wohlgeboren gebe ich hiermit die Erklärung ab, dass ich keine Lust habe, den bewussten Bienenkurs mitzumachen, weil die Bienen mir hinten zu spitz sind, und weil ich aus Erfahrung weiß, dass sie mich, wie so manchen anderen, nicht leiden können.“2)

Seine humorvolle Wesensart hat sich scheinbar auch auf seine Enkeltochter Claire übertragen. Es war die stets zu Scherzen aufgelegte Kabarettistin Claire Schlichting, die als Putzfrau vom Dienst mit ihrem herzerfrischenden Mundwerk, ihrer großen „Klappe“, Millionen Deutsche bei Auftritten im Fernsehen zum Lachen brachte. So zum Beispiel in der Unterhaltungsshow „Dalli, Dalli“ von Hans Rosenthal, wo sie als „Ulknudel mit dem Scheuerlappen“ auftrat. Lehrer Gerhartz starb am 16. Januar 1907 im 39. Dienstjahr an der Brenker Volksschule. In seinem Nachruf heißt es, dass er sich Zeit seines Berufs als Lehrer mit größter Sorgfalt als Erzieher der Jugend widmete, so dass ihm von seinen Schülern und Schülerinnen bis zu seinem Lebensende große Ehre und Achtung erwiesen wurde. Durch seine Leutseligkeit war er beliebt bei allen.

Häufiger Wechsel der Nachfolger

Die Nachfolger von Wilhelm Gerhartz waren zunächst meist nur kurzfristig an der Brenker Volksschule. So mussten zur Aufrechterhaltung des Unterrichts häufig Lehrer der Nachbarorte Galenberg und auch schon mal aus Engeln aushelfen.. Eine Ausnahme bildete Matthias Jäckels, der 1914 als Junglehrer nach Brenk kam. Nach einer Unterbrechung durch den Kriegsdienst während des Ersten Weltkriegs blieb er von 1918 bis zum Frühjahr 1939 in Brenk. Seine Nachfolger Peter Klasen und Heinz Müller, der später zum Dr. phil. promoviert wurde, waren jeweils nur knapp ein Jahr in Brenk, während Peter Oerter, Kurt Müller und Heinz Höbner zwischen 7 bis 9 Jahren in Brenk unterrichteten. Zuletzt war Rolf Bendels bis 1968 für zwei Jahre Lehrer in Brenk. Bis zu seiner Pensionierung zum Abschluss des Schuljahres 2004 war er an der Regionalen Schule Brohltal in Niederzissen tätig. Als Dirigent des MGV Concordia ist er auch heute noch mit dem Dorf Brenk eng verbunden, dessen Schulgeschichte seit über 30 Jahren abgeschlossen ist. Nur noch das frühere Schulgebäude, Fotos, Dokumente und Erzählungen ehemaliger Schüler erinnern daran, dass auch hier vor Ort Unterricht für die Kinder des Dorfes stattfand.

Anmerkungen:

  1. Die Angaben zur Schulstiftung und zum Imkerkursus entstammen dem Archiv der VG Brohltal, die Archivar Fritz Rick freundlicherweise zur Verfügung stellte. (46/1; 23/883...)

  2. Archiv der VG Brohltal (S. 127 – 6)

Ansicht von Brenk, um 1938: In der Bildmitte ist das Schulgebäude von 1895 erkennbar, das ortsbildprägend ist.