Die Postlertradition der Familie Weber in Wershofen von 1898 bis 2003 

„Es war einmal . . .“ 

Peter Weber 

Wie oft kann man es hören, früher war alles anders - auch bei der Post. In der Tat, manches geht heute leichter und schneller als damals. Dennoch waren und sind die Tugenden Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft, Verschwiegenheit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit nach wie vor von zentraler Bedeutung. Wenn auch manches sich bei der Post zeitbedingt verändert hat, die Postler hatten und haben auch heute noch ein besonderes Verhältnis zu ihren Kunden, wenn auch nicht mehr in dem Sinne von vor rund 100 Jahren. Auch ich, der ich selbst kein Postler bin, aber aus der Postlerfamilie Weber in Wershofen stamme, verspüre noch heute den Einfluss, der vom postalisch geprägten Elternhaus ausging. Irgendwie identifiziert man sich mit der Welt, in die man hineingeboren und in der man aufgewachsen ist. Das gilt auch dann, wenn nicht immer angenehme Erinnerungen damit verbunden sind. Da hat man, aushilfsweise beschäftigt, einen Brief falsch zugestellt, der dann auch noch von dem Empfänger irrtümlich geöffnet wurde. Das war besonders peinlich, wenn es sich um potentielle Gegner handelte. Manchmal ließ man sich auch von jungen Männern im Dorf dazu überreden, ältere Mädchen zum öffentlichen Telefonanschluss zu rufen, obwohl niemand angerufen hatte. 

Familie Hermann Josef Weber, Aufnahme um 1895 

Das löste natürlich auf der einen Seite Betroffenheit und Enttäuschung und auf der anderen Seite Schadenfreude und Gelächter aus. In den wirtschaftlich mageren Jahren um 1930 erfuhr man von Wechseln, von Geldproblemen vieler Dorfbewohner, von denen andere Gleichaltrige im Allgemeinen kaum eine Vorstellung hatten. So wuchs man in die Postverhältnisse nach und nach hinein. Meine ersten Groschen verdiente ich um 1930 damit, den Postkunden aus Wershofen und Umgebung zu helfen, denen es Schwierigkeiten bereitete, Zahlkarten und Postanweisungen auszufüllen. 

Geschäft und Postagentur Weber in Wershofen, 1908 

Die Kunden kamen dann zu diesem Zweck einfach in unsere Küche. Diese „Arbeit“ war lehrreich und zugleich einträglich. Doch nun zu den eigentlichen Akteuren auf der dörflichen Postlerbühne in Wershofen und ihren Nebentätigkeiten und Hobbys, die sie zusätzlich zum Postdienst ausübten. 

Die Anfänge 

Begründer der Postlerfamilie ist Hermann Josef Weber, geboren 1849 in Antweiler/Ahr. Er war Nagelschmied und heiratete 1877 Gertrud Jaklen in Wershofen. Zuvor war er jahrelang in Nohn selbständig, wo er in einer gemieteten Nagelschmiede Gesellen und Lehrlinge beschäftigte. In Wershofen betrieb er dieses Handwerk zunächst im Hause seines Schwiegervaters. Nach dem Kauf eines Hauses in unmittelbarer Nähe der Kirche richtete er in einem Nebengebäude eine Nagelschmiede ein. Diesen Anbau nannten wir noch bis zum Abriss des Hauses „Ahl Schmett“, alte Schmiede, obwohl er längst nicht mehr als Schmiede genutzt wurde. Im Hause Weber wurde dann noch eine Warenhandlung eröffnet, denn es gab keinen Laden im Dorf und in der Umgebung. 

Infolge der zentralen Lage des Gebäudes in der Hauptstraße, neben Kirche und Schule, nahm mein Großvater zugleich die Gelegenheit wahr, Postzeichen etc. zu verkaufen. Dieser Verkauf erfolgte ohne Vergütung durch die Post. Die damalige Postagentur des Dorfes lag nämlich in einer Nebenstraße. Postagent war zu dieser Zeit der Onkel meiner Mutter. Eine Wende trat ein, als der damalige Postagent Peter Hilterscheid, der auch Rendant des Darlehenskassenvereins für die Bürgermeisterei Antweiler war - der wurde am 16.12.1866 gegründet und ist eine der ältesten Raiffeisenkassen der Welt -, nach Antweiler verzog. Mein Großvater bewarb sich im Jahre 1898 um die frei gewordene Postagentur und erhielt die Zusage, denn er war ja durch den Verkauf von Briefmarken etc. der Postbehörde bekannt, und außerdem war die Lage seines Hauses in der Dorfmitte günstig für die Postkunden. Damit war 1898 die Postlertradition der Familie Weber begründet. 

Zusatzverdienste und Hobbys 

Zu den bereits genannten Tätigkeiten kamendann im Laufe der Jahre noch die Übernahme des Küsterdienstes, eine Glaserei und das Bildereinrahmen mit Brautkranzherstellung hinzu. Trotzdem bleib noch Zeit für Hobbys, denn die fünf Kinder halfen nicht nur im Hause, sondern später auch im Postdienst eifrig mit. Hermann Josef Weber war zudem ein fleißiger Imker und seine handwerklichen Fähigkeiten gaben ihm wohl Anlass, gläserne Bienenbeuten herzustellen, Bienenschädlinge zu präparieren und damit Ausstellungen zu beschicken. Wie aus seiner Hinterlassenschaft zu ersehen ist, hatte er damit auch Erfolg. Im Jahre 1901 erhielt er in Koblenz, anlässlich einer Ausstellung des Bienen- und Seidenzuchtvereins der Rheinprovinz, die silberne Medaille des Landwirtschaftlichen Vereins für Rheinpreußen und einen Ehrenpreis. In Weshofen gab es bereits vor 1896 einen Bienenverein. 

Postzustellung 

Im Jahre 1902 starb Hermann Josef Weber und seine Kinder mussten mit ihrer Mutter alleine mit den vielseitigen Arbeiten fertig werden. Mit steigendem Postverkehr war die Anschaffung einer Postkutsche erforderlich. Nach Fertigstellung der Eisenbahnstrecke an der Ahr von Dümpelfeld nach Adenau im Jahre 1905 wurden Postsendungen in Dümpelfeld abgeholt, wo ein Postamt eingerichtet worden war, und von dort ahraufwärts transportiert. Ein Treffpunkt der Postkutschen war am Laufenbacher Hof. Hier wurde die Post, die von Dümpelfeld per Kutsche ankam, ausgetauscht. Nachdem 1912 die Oberahrstrecke der Ahrtalbahn in Richtung Jünkerath in Betrieb genommen war, konnte die Post in Fuchshofen am Bahnhof abgeholt werden. Die Straße führte damals von Wershofen über Wompelich ins Dreisbachtal, dann nach Laufenbach und Fuchshofen im Ahrtal. Nach dem frühen Tod meines Großvaters übernahm mein Vater, der älteste Sohn der Familie, mit mehreren Briefträgern die Verteilung der Post in die Dörfer. Postagentin wurde seine Mutter. Mein Vater war täglich viele Stunden zu jeder Jahreszeit bei Wind und Wetter als Landzusteller unterwegs. Sein Bruder Johann übernahm nach dem Ersten Weltkrieg das Geschäft und richtete sich seine Wohn- und Geschäftsräume in der Nähe des Elternhauses in einem ehemaligen Wirtschaftsgebäude ein. Der jüngere Bruder Josef blieb ebenfalls im Postdienst und wurde schließlich nach Bad Kreuznach versetzt. 

Peter Weber am Arbeitstisch vor Brautkronen, die er gefertigt hat.

Das Gebäude des Postamtes Dümpelfeld, 1910

Die Postkutsche und die Personenbeförderung mussten 1922 abgegeben werden. Der Gastwirt Adolf Pfahl, der vor dem Ersten Weltkrieg eine Gastwirtschaft in Wershofen übernommen hatte, übernahm diese Aufgabe und kaufte 1928 zur Postbeförderung ein Auto der Marke Brennabor. Damit fuhr er auch nach Münstereifel zum Einkauf oder mit den so genannten „Eierkrämern“ nach Bonn, wo diese an Privatkunden Eier, Butter und andere landwirtschaftliche Produkte verkauften. Nach dem Tod meiner Großmutter im Jahre 1922 übernahm die Schwester des Vaters, Margarete, die Postagentur bis zum Jahre 1933. Ihr folgte mein Vater Peter Weber bis zu seiner Pensionierung 1948.

„Nebenbetriebe“ von Peter Weber

Peter Weber, mein Vater, wurde 1878 geboren und bereits um die Jahrhundertwende von seinem Vater auch in die Arbeiten der Glaserei, des Bildereinrahmens und der Brautkranzherstellung eingeführt. Diesen „Nebenbetrieb“ und lukrativen Nebenverdienst baute er weiter aus, befasste sich zudem seit 1902 mit der Fotografie und eröffnete außerdem einen Postkartenverlag. Obwohl Zeit Mangelware war, stellte er auch weiterhin Brautkranzbilder her. Es gehörte viel

Geduld und Feinarbeit dazu, die mit kleinen Borten und Spiegeln verzierten Rahmen für die Brautkronen anzufertigen. Musik war ein weiteres Hobby des Postlers. Er spielte Akkordeon im Orchester von Wershofen. In den 1930er Jahren musste mein Vater das offizielle Fotografieren einstellen.

Fortsetzung und Ende der Postlertradition Weber

Die Poststelle übernahm nach der Pensionierung meines Vaters ab 1948 mein Bruder Johann und ab 1958 seine Frau Margot. Mein Bruder versah den Zustelldienst. Die Nachbardörfer Ohlenhard, Hümmel, Falkenberg, Bröhlingen, Blindert, Marthel, Heistert und Pitscheid wurden inzwischen durch die Kraftpost versorgt. Dort, im so genannten Ländchen, richtete die Post 1950 Poststellen ein. In der Familientradition pflegte mein Bruder ebenfalls verschiedene Hobbys weiter. Er hielt Bienenvölker und schnitzte aus alten Eichenbalken Eichentruhen, Lampengestelle, Garderoben, Spiegeleinfassungen und anderes mehr. Als Zusteller setzte sein Sohn Thomas vor 1990 die Postlertradition fort. Die Poststelle übernahm von Margot Weber ihre Tochter Petra Weber im Jahre 1990. Doch im Jahre 2003 fand die über 100-jährige Postlertradition ein jähes Ende. Durch die Neuorganisation der Post wurde die Wershofener Postfiliale im Reigen mit vielen anderen Poststellen geschlossen. Die nächste Postfiliale befindet sich heute in der Raiffeisen-Handelsgesellschaft in Wershofen. Wer heute Brief- und Paketsendungen aufgeben möchte, kann dies dort tun.