30 Jahre Bundesautobahn A 61
im Kreis Ahrweiler

Die A 61 im Blick der strukturellen Entwicklung

Michael R. Schäfer

Eröffnung

Am 18. Dezember 1975 wurde der Steckenabschnitt Mendig – Bad Neuenahr als einer der beiden letzten Teilstücke durch den damaligen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz Helmut Kohl und den seinerzeitigen Bundesverkehrsminister Kurt Gescheidle nördlich der Ahrtalbrücke dem Verkehr übergeben. Die A 61 war damit erstmalig durchgängig befahrbar. Man rechnete mit einer Belastung von rund 7.000 Fahrzeugen und prognostizierte eine künftige Spitzenbelastung mit 20.000 Fahrzeugen täglich auf der neuen Magistrale.1)

In den Publikationen der damaligen Zeit staunten die Autoren in aller Regel über die eindrucksvollen Brückenbauten, mit denen die Ingenieure den Herausforderungen der reich strukturierten Topografie in der Eifel begegneten. Zuweilen verwiesen sie auch auf die Bedeutung der Trasse für die verkehrliche Entlas­tung der Rhein- bzw. Ahrtalgemeinden durch eine zu erwartende Verlagerung der Verkehrsströme von der B 9 und der B 266. Auch wurde durch die Realisierung der A 61 ein Paradigmenwechsel in der deutschen Verkehrspolitik wahrgenommen. Nicht mehr militärisch-strategische Überlegungen zur Sicherung einer möglichen Westfront dominierte die Entscheidungen, sondern ein die Völker Europas verbindendes internationales Band, das die Menschen Europas zusammenführen soll, wird mit der A 61 geknüpft.2)

Selten wurde damals auf die zu erwartenden wirtschaftlichen Einflüsse hingewiesen. Der Bundesverkehrsminister jedoch räumte, so ist es in den Aufzeichnungen nachzulesen,3) bereits in der Eröffnungsrede auch diesem Aspekt einen hervorgehobenen Platz ein. An eine gewerblich-wirtschaftliche Entwicklung wollte aber offenbar auch er nicht so recht glauben; war doch aus damaliger Perspektive erwähnenswert, dass die landschaftlich reizvolle Eifel für die Ballungsräume Rhein-Ruhr und Rhein-Main als touristisches Gebiet nun auch verkehrlich hinreichend erschlossen wird. Auch weitere, eher despektierliche Äußerungen über die Eifelregion4) als Mittelgebirge wo man allenfalls Fuchs oder Hase begegnen könne, weisen auf diesen Umstand hin.

Die Ahrtalbrücke der A 61, 2005

Die Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft und die Verdrängung des produzierenden Gewerbes aus den beengten Zentren führte zu einer Art parallelen Suburbanisation des Gewerbes (Ansiedlung von Gewerbegebieten am Stadtrand und auf dem Lande). Sie hat neben den sicherlich merklichen touristischen Effekten noch viel weiterreichendere Auswirkungen in unserer Region entfaltet, als dies im Vorfeld des Autobahnbaus der A61 voraus gesehen worden ist.

Entwicklung

Aus heutiger Sicht ist der Bau der A 61, die auf einer Länge von 28,5 km durch den Kreis Ahrweiler5) führt, und damit die großräumige verkehrliche Erschließung darstellt, für die Region wirtschaftlich als ein zentraler Erfolgsfaktor zu bezeichnen. Hierdurch wurden der Kreis und seine Kommunen in die Lage versetzt in wesentlich aktivere Austauschprozesse mit den benachbarten Zentren zu treten und so an deren Prosperität zu partizipieren. Ein aktiver Strukturwandel zu einem gut aufgestellten Kreis mit einem gesunden Branchenmix konnte dadurch vollzogen werden. Hierzu bedurfte es auch einer vorausschauenden, strategisch angelegten Standortpolitik der Städte und Verbands- bzw. Orts-Gemeinden entlang der neu geschaffenen Entwicklungsachse.

Nach aktuellen Untersuchungen6) stellt sich der Erfolg einer Region nicht allein durch den Bau der verkehrlichen Infrastruktur ein. So notwendig diese auch ist, reicht sie allein nicht aus, um eine Region wirtschaftlich voran zu bringen. Die großräumige geographische Lage, die Nähe zu Verdichtungskernen, für die man als Entlastungsstandort dienen kann, sowie flankierende Investitionen in die Entwicklung der sogenannten weichen Standortfaktoren (wie beispielsweise Bildungseinrichtungen, Landschaft, kulturelle und soziale Infrastruktur) sind hierzu ebenso notwendig wie die Schaffung von gewerblichen, aber auch wohnbaulichen Entwicklungsflächen. Sonst laufen die Menschen einer Region Gefahr, nur im „Transitland" zu leben und den ökologischen Preis für die Trasse zu zahlen, ohne eine ökonomische Kompensation – beispielsweise durch zusätzliche Arbeitsplätze – zu erfahren.

Die A 61 hat wie ein Katalysator für die Entwicklung weiter Teile des Kreisgebietes gewirkt. Auch von der A 61 selbst gehen positive regionalwirtschaftliche Impulse aus. So finden allein in den Tank- und Raststätten Brohltal Ost und Brohltal West 140 Menschen Arbeit.7) Die vielfältigen Markennamen wie „Brohltal" oder „Bad Neuenahr-Ahrweiler" werden durch eine entsprechende Präsentation entlang der Strecke oder durch die Rastanlagen kontinuierlich auch dem Transitverkehr dargeboten. Hieraus resultiert ein Marketingeffekt, der ebenfalls durch die Trassenführung begründet und durch die Region genutzt wird.

Die wirtschaftliche Bedeutung der A 61 für die Gemeinden des Kreises Ahrweiler mit einem unmittelbaren Anschluss an die Autobahn, kann bereits durch einige statistische Daten, die Indikatoren für die Entwicklung sind, veranschaulicht werden.8)

Die A 61 befahren in Spitzenzeiten bis zu 100.000 Fahrzeuge täglich. Der LKW Anteil liegt etwa bei 25 %. Die tägliche Durchschnittsbelastung beträgt im Bereich Wehr 60.000 Fahrzeuge und im Bereich Bad Neuenahr 75.000 Fahrzeuge.9) Die Differenz von 15.000 Fahrzeugen in diesen beiden Werten an den unterschiedlichen Betrachtungspunkten im Kreisgebiet deutet darauf hin, dass rund 20 % der KfZ-Bewegungen im Kreis Ahrweiler selbst generiert werden. Dies ist ein erstes Indiz für die immense Bedeutung der Strecke sowohl für die hier lebenden Menschen als auch für die regional ansässigen Betriebe.

Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigen am Arbeitsort in % von 1974 bis 2004 im Durchschnitt in den Gemeinden mit Autobahn nahen Gewerbegebieten10)

Die Entwicklung der in der gesetzlichen Sozialversicherung pflichtversicherten Beschäftigten am Arbeitsort ist im Kreisgebiet seit dem Bau der A 61 sehr unterschiedlich verlaufen. Gerade in den durch Landwirtschaft und durch Altindustrien (z.B. Stahlbau, Glasfabrik) geprägten Bereichen war die Entwicklung im Zuge des Strukturwandels tendenziell rückläufig. Die Pendlerbewegungen zum Arbeitsplatz nahmen deutlich zu. Per Saldo hat der Kreis Ahrweiler insgesamt im Zeitraum 1974 bis 2004 einen steigenden Anteil sozialversicherungspflichtig Beschäftigter. Die aus dem Strukturwandel resultierenden Arbeitsplatzverluste vordringlich in den genannten Segmenten konnten vor allem mit den deutlichen Zuwächsen in den zwischenzeitlich ausgewiesenen, Autobahn nahen Gewerbegebieten kompensiert werden.

Bei der Entwicklung der Einwohner ist ein ähnlicher Trend festzustellen, wobei in diesem Fall nicht nur die unmittelbar an die Autobahn angebundenen Gemeinden von der verbesserten Raumerschließung profitieren konnten, sondern der Wirkungskreis darüber hinaus geht. Insofern stellen sich wegen der im Gegensatz zum Gewerbe fehlenden Konzentration auf einzelne Standorte die Unterschiede nicht so überhöht dar, wie im Falle der Beschäftigtensituation. Der Gesamtraum mit einer Vielzahl von Gemeinden hat an Standortattraktivität gewonnen.

Entwicklung der Einwohner in % von 1975 bis 2004 in den Gemeinden/Stadtteilen mit hervorragender Autobahnanbindung11) - Der Sinziger Stadtteil Löhndorf nimmt eine nicht unbedeutende Rolle ein, er hat sich - trotz vergleichsweise zurückhaltender Baulandpolitik - überproportional zur Gesamtstadt entwickelt. Auch der noch gut angebundene Stadtteil Westum hat überdurchschnittliche Wachstumsraten zu verzeichnen.

Ähnliche Wachstumsraten wie die hier exemplarisch dargestellten, die deutlich über dem Schnitt des Kreises Ahrweiler von rund 20 % liegen, weisen, neben einigen kleinen Eifeldörfern der Verbandsgemeinde Adenau,12) vor allem die über ergänzend zur A 61 ausgebaute Bundesstraßen wie z.B. die B 267 erschlossenen Kommunen Berg (+ 59,4 %), Kalenborn (+55,7 %) sowie ferner die Ortsgemeinden Königsfeld und Schalkenbach im Vinxtbachtal (63,1 bzw. 76,4 %) auf. Auch Kempenich, Weibern und Oberzissen, die über die B 412 bzw. die L 111 zügig an die Autobahn anbinden sind mit rund 25 % Wachstum überdurchschnittlich in der Kreisstatistik vertreten.

Standortvorteile: Das Gewerbegebiet Brohltal liegt direkt an der A 61.

Sicherlich wäre es nicht korrekt, alle Wachstumsraten über dem Durchschnitt mit dem Bau der Autobahn erklären zu wollen; auffallend ist jedoch die Häufigkeit und die Höhe der Wachstumsraten entlang den Autobahn nahen Dörfern und Stadtteilen. Ein Ergebnis, das bei den Pendlerverflechtungen zu den Arbeitsplatzzentren im Köln/Bonner- aber auch im Koblenz/Neuwieder-Raum nicht verwundern kann.

Ausblick

Der Kreis Ahrweiler als Teil der prosperierenden Region Köln/Bonn ist gerade nach dem Umstrukturierungsprozess infolge des Hauptstadtbeschlusses (Bonn/Berlin-Beschluss) aus dem Jahr 1991 wirtschaftlich gut aufgestellt. Renommierte Gutachter prognostizieren dem südlichen Metropolraum Rhein-Ruhr auch in den kommenden Jahren wirtschaftliches Wachstum und trotz des einsetzenden demographischen Wandels der bundesdeutschen Gesellschaft eine weitere Bevölkerungszunahme aufgrund von Wanderungsgewinnen. Hiervon kann der Kreis Ahrweiler nur dann profitieren, wenn es ihm gelingt, seine wirtschaftliche Entwicklung mit diesem Raum zu verknüpfen und wenn er als Wohnstandort attraktive Angebote bereithält. Die Infrastruktur für den westlichen Teilraum des Kreises ist mit der A 61 geschaffen, wenngleich inzwischen die Grenze des Leistbaren nahezu erreicht worden ist. Für den ländlich strukturierten Westteil des Kreises, bei dem bereits jetzt eine stagnierende Entwicklung erkennbar wird, ist eine rasche Erschließung über die fertig zu stellende A1 an die prosperierenden Räume ebenso notwendig wie der 6-streifige Ausbau der A 61 zur Steigerung der Kapazitäten für die weitere Entwicklung des östlichen Teilraums.

Die Brohltalbrücke der A 61: Im Hintergrund Teile des Gewerbegebietes Brohltal

Allerdings soll auch an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass neben der Infrastruktur für den Individualverkehr die Angebote des öffentlichen Verkehrs, v. a. im schienengebundenen Verkehr, nicht unterschätzt werden dürfen. Auch hier sind in den vergangen Jahren im Kreis Ahrweiler, insbesondere aufgrund der regionalen Kooperation mit der Bundesstadt Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis erhebliche Fortschritte erzielt worden, die die Standortgunst unseres Heimatkreises verbessern.

Quellen:

  1. Rhein-Zeitung vom 18. Dezember 1975

  2. Rhein-Zeitung vom 19. Dezember 1975

  3. Heimatjahrbuch 1977, Aus Kreis und Gemeinden – aktuelle Chronik, Seite 123

  4. Vgl. Rhein-Zeitung vom 19. Dezember 1975, wonach der Verkehrsminister des Landes Rheinland-Pfalz, Holkenbrink, mit einer Äußerung den Unmut der Anwesenden aus der Region erregte, wonach es bislang in der Region Gebiete gebe, in der man allenfalls Hase oder Fuchs begegnet wäre.

  5. Quelle Autobahnmeisterei Mendig, (zzgl. 3,3 Km A 573 und 2,3 Km A 571)

  6. Vgl. Prof. Ganther, FH Erfurt „regionalwirtschaftliche Effekte von Autobahnen" - Kurzfassung des Vortrag im Zuge der WAR-Reihe der TU Darmstadt

  7. Quelle: Angabe des Betreibers

  8. als Veranschaulichungsbeispiel ohne Anspruch auf empirische Vollständigkeit

  9. Quelle: Autobahnmeisterei Mendig

  10. Quelle: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz

  11. Quelle: Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz; für die Daten auf Ebene des Stadtteils Sinzig-Löhndorf: Stadtverwaltung Sinzig

  12. Diese können aufgrund der geringen Gesamtgröße in absoluten Zahlen mit unter oder um die 100 Einwohner nicht als repräsentativ gewertet werden können, da die Gesamtentwicklung in diesem Teilraum mit 8,5 % unter dem Schnitt liegt