Hochwassermeldedienst mindert Hochwasserschäden

Schadensminderung auch im Kreis Ahrweiler

Dr.-Ing. Dieter Prellberg

Einführung

Die extremen Hochwasser der Jahre 1993 und 1995 im Rheingebiet sind auch an der Ahr noch als Katastrophe in Erinnerung. Ganz wenige Anwohner im Ahrtal können sich vielleicht noch an ein Hochwasser aus dem Jahr 1910 erinnern oder wissen darüber vom Hören-Sagen.

Dieses Hochwasser im Juni 1910 ist durch eine Wasserstandsmessung am damaligen Pegel Walporzheim mit ca. 2,50 m über dem Wasserstand von 1993 belegt. Vor 200 Jahren, im Juli 1804, hat sich an der Ahr ein Hochwasser ereignet, das nach historischen Berichten nochmals rund 2 m höher als das von 1910 gewesen sein soll. Beide Hochwasser haben gewaltige Schäden verursacht und viele Menschenleben gekostet. Überträgt man den historischen Wasserstand aus dem Jahr 1804 in die heutige Zeit, so würde das Ahrtal in Bad Neuenahr-Ahrweiler und weiter abwärts bis zu 5 m unter Wasser stehen. Im engen Ahrtal oberhalb von Ahrweiler könnten die Wasserstände noch höher sein. Das Ausmaß der Schäden wäre kaum vorstellbar.

Hochwasser sind Naturereignisse, die nicht verhindert werden können. Sie führen erst zu Schäden, wenn Nutzungen des Menschen in Mitleidenschaft gezogen werden. Sofern das Schadenspotenzial in Überschwemmungsgebieten nicht reduziert werden kann, könnte aber zumindest eine Minderung der Schäden durch Vorwarnungen im Rahmen eines Hochwassermeldedienstes erreicht werden, wie die Tabelle für den Bereich des Mittelrhein zeigt (das Hochwasserereignis von 1993 war ein 50-jährliches).

Hochwasser   Schäden 
ohne Vorwarnung
Schäden  
mit Vorwarnung
Schadensminderung
in %
5-jährlich 1.165 Mio. € 110 Mio. € 33 %
10-jährlich 1.350 Mio. € 235 Mio. € 33 %
25-jährlich 1.585 Mio. €  400 Mio. € 32 %
50-jährlich 1.785 Mio. € 555 Mio. € 30 %
100-jährlich 1.995 Mio. € 715 Mio. € 28 %
200-jährlich  1.210 Mrd. € 880 Mio. € 27 %

 

Notbrücke bei Altenahr nach dem verheerenden Ahrhochwasser im Jahre 1910

Hochwassermeldedienst

Der Hochwassermeldedienst warnt vor Wassergefahren. Im Rahmen der Verhaltensvorsorge ist er Teil einer weitergehenden Hochwasservorsorge, die neben der natürlichen Hochwasserrückhaltung und dem technischen Hochwasserschutz ein wirkungsvolles Vorsorgeinstrument zur Begrenzung von Hochwasserschäden ist (LAWA, 1995).

Der Hochwassermeldedienst in Rheinland-Pfalz ist im Landeswassergesetz (Wassergesetz, 2004) verankert. Er umfasst das Beobachten der Niederschläge, Wasserstände und Abflüsse an Rhein, Mosel, Saar, Nahe, Lahn und Sieg als Gewässer 1. Ordnung. Die Wasserwirtschaftsverwaltung Rheinland-Pfalz betreibt dazu landesweit ein Pegel- und Niederschlagsmessnetz zur kontinuierlichen Erfassung der Wasserstände bzw. Niederschläge. Die Hochwassermeldezentren erhalten die Daten mittels Fernübertragung. Diese Beobachtungen werden zu Hochwassermeldungen ausgewertet und in der Form von aktuellen Wasserständen und Hochwasservorhersagen nach festgelegten Meldeplänen weitergegeben (Hochwassermeldeverordnung, 1986). Die Weitergabe dieser Meldungen erfolgt auf der Verwaltungsebene an die für den Katastrophenschutz zuständigen Kreis- und Gemeindemeldestellen - diese warnen wiederum nach örtlichen Warnplänen (Rahmen-Alarm- und Einsatzplan, 1995) die Bevölkerung ihres Gebietes in geeigneter Weise. Gleichzeitig werden die Hochwassermeldungen auf möglichst vielen Wegen direkt an die Betroffenen vor Ort verbreitet. Hierzu werden Rundfunkmeldungen, Videotext im Fernsehen und Internet genutzt. Damit hat die betroffene Bevölkerung zu jedem Zeitpunkt denselben Informationsstand wie die für den Katastrophenschutz zuständigen Stellen.

Hochwasservorhersagen

Die Erstellung von Hochwasservorhersagen setzt die Kenntnis über die Entwicklung im Einzugsgebiet oberhalb des vorherzusagenden Bereiches voraus. Damit diese Kenntnisse aktuell verfügbar sind, werden die gemessenen Wasserstände und Niederschläge automatisch registrierender Stationen regelmäßig in die Hochwassermeldezentren fernübertragen. Zusätzlich werden – sofern vorhanden – die Hochwasservorhersagen obenliegender Zentralen ausgewertet. Sind entlang einer Flussstrecke mehrere Zentralen für die Erstellung der Hochwasservorhersagen zuständig, werden nur untereinander abgestimmte Werte an die Medien und die Öffentlichkeit weitergegeben.

Zerstörte Brücke am Bahnhof Mayschoß nach dem Hochwasser 1910, bei dem über 50 Menschen in der Ahr ertranken.

Der Zeitrahmen für relativ genaue Vorhersagen im Hochwasserfall liegt je nach Größe des Einzugsgebietes und der Fließzeit im vorherzusagenden Bereich beim heutigen Stand der angewendeten Vorhersageverfahren in Größenordnungen von 6 Stunden (z.B. Nahegebiet) bis 72 Stunden (z.B. Deltarhein in den Niederlanden). Dieser Zeitraum kann erweitert werden, wenn in die Vorhersagemodelle neben den gemessenen Niederschlägen quantitative Niederschlagsvorhersagen der meteorologischen Dienste einfließen. Entsprechend der Güte dieser Vorhersagen ist bei den damit erreichten verlängerten Vorwarnzeiten die Treffsicherheit der Hochwasservorhersage jedoch reduziert. Die so ermittelten Wasserstands- oder Abfluss­werte sind nur noch als Frühwarnsystem einzustufen, das eine Abschätzung möglicher Entwicklungsszenarien in entsprechender Schwankungsbreite liefert. Ein solches System könnte auch für den Bereich Ahr von Nutzen sein.

Es muss deutlich darauf hingewiesen, dass der Nutzen von Vorhersagen entscheidend von deren Güte und Verlässlichkeit abhängt. Eine lange Vorhersagezeit mit zwangsläufig geringerer Verlässlichkeit kann einen Vertrauensverlust der Betroffenen in die Vorhersage bis hin zum möglichen Ignorieren von Warnungen bei extremen Hochwasserereignissen bewirken und wäre damit dem Ziel der Schadensminderung kontraproduktiv. Für den effektiven Einsatz von Hochwasservorhersagen ist eine Abwägung zwischen Vorhersagezeit und Vorhersagegüte anhand des Bedarfs vor Ort erforderlich.

Die Hauptstraße in Oberwinter bei dem extremen Rheinhochwasser 1993

Vorhersagekette am Rhein

Das Hochwassergeschehen läuft in den einzelnen Einzugsgebieten oder auch in Teilabschnitten des Rhein unterschiedlich ab. Damit regionale Besonderheiten bei der Erstellung von Hochwasservorhersagen berücksichtigt werden können und die interessierten lokalen Behörden sowie die Öffentlichkeit rasch und umfassend informiert werden können, ist eine dezentrale Organisation der Hochwassermeldezentren erforderlich und hat sich bisher bewährt. Dieses wurde auch von einer von der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) eingesetzten Expertengruppe bestätigt (Bestandsaufnahme, 1997).

Am Rhein erstellen daher vier Zentralen Hochwasservorhersagen:

Diese Zentralen stehen unter einander in Verbindung und stimmen sich hinsichtlich der Vorhersagen an den Schnittstellen ab. Die Hochwassermeldungen von Rheinfelden bis Emmerich werden im Internet und Videotext durch das HMZ Rhein verbreitet, so dass sich nach außen die Darstellung für die gesamte deutsche Rheinstrecke als homogen darstellt. Die parallele Berechnung im Bereich Karlruhe bis Worms durch HVZ und HMZ Rhein beruht darauf, dass international vereinbart das Vorhersagemodell der HVZ Grundlage für die Steuerung der Rückhaltungen am Oberrhein ist. Deren Wirkung ist auf den Pegel Worms ausgelegt. Als gemeinsame Plattform bieten die Meldezentren am Rhein eine Übersicht auf der Internetseite IKSR (http://www.iksr.org). Über einen Link gelangt man von dort auf die Homepage des jeweils zuständigen Meldezentrums.

Neben den Hochwassermeldezentren am Rhein sind in Rheinland Pfalz das Hochwassermeldezentrum Mosel in Trier für Mosel und Saar sowie das Hochwassermeldezentrum Nahe-Lahn-Sieg in Koblenz zuständig, die wiederum mit dem Hochwassermeldezentrum Rhein in Verbindung stehen.

Alte Hochwassermarken am Alten Zollhaus in Bad Breisig dokumentieren extreme Rheinhochwasser.

Maßnahmen zur Verbesserung der Hochwasservorhersagen

Schwerpunktmaßnahmen zur Verbesserung der Hochwasservorhersage sind:

Redundante (doppelter, von einander unabhängiger) Mess- und Übertragungssysteme sind erforderlich, um deren Ausfälle in extremen Situationen, wie z.B. Elbehochwasser 2002, zu verhindern. Die erforderlichen Nachrüstungen und Arbeiten sind inzwischen an allen Stationen in Rheinland-Pfalz im Wesentlichen abgeschlossen. Im Kreis Ahrweiler gilt dies für den Pegel Altenahr.

Das Kommunikationsnetz zwischen den Hochwassermeldezentren zum Austausch von Daten und von den Messstationen zu den Zentralen muss die zeitnahe Verfügbarkeit aller Informationen sicher stellen. Es müssen also gegenseitig unmittelbare Zugriffsrechte eingeräumt sein und die Übermittlung muss auf direktem Weg erfolgen.

An der Verbesserung der Niederschlagsvorhersage arbeitet der deutsche Wetterdienst. Von dort erhalten die Hochwassermeldezentren mehrmals täglich in Stundenschritte aufgelöste Niederschlagsvorhersagen für die nächsten 48 Stunden und für Rasterfelder von 7 x 7 km. Diese Vorhersagen werden auf 72 Stunden ausgedehnt, zusätzlich werden Vorhersagen bis 18 Stunden in einem 2,8x2,8 km Raster erstellt. Dabei sollen auch verbesserte Ansätze der Wolkenphysik einbezogen und der Bodenwasserhaushalt detaillierter berücksichtigt werden.

Die Weiterentwicklung der Vorhersagemodelle wird von der EU gefördert (Projekt TIMIS). Auf der Basis eines in anderen Bereichen bereits erprobten Modells wird ein für Rheinland-Pfalz Flächen deckendes Modell erstellt. Mit diesem soll es möglich werden, auch unterhalb der 1. Ordnung für größere Gewässer mit bei Hochwasser gefährdeten Bereichen Berechnungen für Hochwasserwarnungen zu erstellen. Bedingt durch die Kleinräumigkeit und den schnelleren Ablauf von Hochwasserwellen in diesen nachgeordneten Gewässern sind Zeit- und cm-genaue Vorhersagen wie z.B. am Rhein oder auch noch an der Sieg nicht möglich. Für diese Gewässer, und damit auch für die Ahr, soll dann eine Frühwarnung vor Hochwassergefahren erfolgen, die es den für Katastrophenschutz Zuständigen und jedem einzelnen Betroffenen ermöglicht, Schutzvorkehrungen zur Schadensminderung zu ergreifen.

Literatur: