Römische Grabstele bei Beller auf der Grafschaft entdeckt

Andreas Schmickler

Archäologische Spurensuche

Seit einigen Jahren erforschen Ottmar Prothmann und ich die Vor- und Frühgeschichte der Grafschaft. Auf der Suche nach Spuren alter Siedlungsstellen laufen wir zu diesem Zweck im Herbst und Winter systematisch über die unbestellten Felder. Dabei überprüfen wir die bereits in der Fachliteratur bekannten Siedlungsplätze und gehen weiteren Hinweisen nach, die sich aus archivalischen Quellen und aus Gesprächen mit den Landwirten ergeben. Aufschlussreich sind auch Luftaufnahmen, die ich seit Jahren bei ständigen Befliegungen dieses Gebietes mache.

Meist sind es die roten römischen Dachziegelreste auf die wir stoßen und die uns somit eindeutig eine römische Siedlungsstelle anzeigen. Innerhalb dieser römischen Siedlungsflächen finden wir auch immer wieder Teile von Mühlsteinen aus Mayener Basalt. Seltener ist die vorgeschichtliche Keramik, die nicht sehr hart ist und deshalb schnell zerbröselt, wenn sie an die Oberfläche gerät oder der ständigen Bearbeitung durch Ackergeräte ausgesetzt wird. Noch seltener finden sich auf der Grafschaft Silex-Fragmente (Feuersteinwerkzeuge) aus der Steinzeit. Diese sind auch für ein geübtes Auge nur schwer zu erkennen.

Einen ungewöhnlichen Fund machten wir mit einem eisenzeitlichen Tüllenbeil auf einem Feld bei Vettelhoven.

Schon viele bisher unbekannte römische und vorgeschichtliche Siedlungsstellen sind uns in den letzten Jahren bekannt geworden. Das Begehen der Felder ist eine Zeit raubende Arbeit. Doch die Zeit eilt. Durch den starken Flächenverbrauch auf der Grafschaft und dem damit zusammenhängenden Ausbau der Infrastruktur, vor allem aber durch die Ackerbearbeitung der modernen Landwirtschaft, sind viele Siedlungsspuren in höchstem Maße bedroht. Schon jetzt sind durch das Anlegen von Drainagen und durch Tieffenlockerung bis zu einer Bodentiefe von 80 cm auf weiten Flächen der Grafschaft alle eventuell vorhandenen Bodendenkmäler zerstört.

Sensationeller Fund

Seit einigen Jahren wussten wir durch Begehungen auch von einer römischen Siedlungsstelle bei Beller, über die wir immer wieder gegangen waren, um Scherben aufzusammeln.

Dann im Herbst 2004, am 1. November, überraschte uns der Landwirt Hermann Müllenbruck mit seiner Meldung, dass er auf seinem dort gelegenen Acker einen großen Stein geborgen habe. Beim Pflügen war er an diesem hängen geblieben und hatte sich dabei den Pflug beschädigt. Den Stein, der ca. eine Tonne wog, ließ er mit einem Bagger aus dem Feld entfernen und auf seinen Hof schaffen.

Frau Müllenbruck, neugierig geworden, reinigte den großen Stein vorsichtig. Dabei wurde deutlich, was für einen Fund sie dort gemacht hatten.

Es stellt sich die Frage, wie dieser Stein so lange dicht unter der Oberfläche in der Erde bleiben konnte.

Seit 1954 war auf diesem Feld nicht geackert worden, später befand sich dort eine Obstplantage. Somit konnte der Stein so lange verborgen bleiben. Erst durch das tiefere Pflügen mit modernen Maschinen (ca. 35 cm, früher ca. 25 cm) kam der Stein zum Vorschein.

Die Bedeutung des Fundes war uns sofort klar. Deshalb wurde eine Dokumentation angefertigt und Dr. Wegner, Leiter des Landesamt für Denkmalpflege Abteilung Archäologische Denkmalpflege informiert.

Foto mit ergänzender Rekonstruktionszeichnung der römischen Grabstele von Beller (Gestaltung Andreas Schmickler)

Von dort erhielt Familie Müllenbruck die Erlaubnis, den Stein vorläufig im Hof auszustellen, wo er besichtigt werden kann. Hier steht er nun, geschützt vor Feuchtigkeit unter einem Dach. In Rheinland-Pfalz gehören Funde übrigens nach dem sogenannten „Schatzregal“ grundsätzlich dem Land.

Beschreibung der römischen Grabstele

Die Grabstele wurde aus Kalkstein gefertigt, der in der Gegend bei Metz in Frankreich gewonnen wurde. Sie ist 1,28 m hoch, 0,96 m breit und 0,33 m stark. Die Ränder des Steins sind beschädigt.

In zwei Nischen mit einem halbrunden oberen Abschluss sind vier Personen als Halbfiguren dargestellt. In der oberen Nische zwei weibliche und in der unteren eine männliche und eine weibliche Person.

Die beiden Frauen im oberen Feld tragen Hauben wie wir sie von Matronenstatuen der Gegend kennen, wahrscheinlich handelt es sich um verheiratete Frauen, während die untere ihre Haare nach vorne gekämmt und seitlich hinter die Ohren geführt hat. Alle Frauen tragen ein Untergewand und eine Tunica. Mit dem vor der Brust angewinkelten rechten Arm greifen sie in die Gewandschlinge. Der linke Arm ist ebenfalls angewinkelt und wird unter dem rechten Arm vor dem Körper gehalten. Alle drei weiblichen Personen tragen um den Hals eine Kette mit einem anhängenden Medaillon. Daraus lässt sich schließen, dass es sich bei den dargestellten verstorbenen Personen um einen Mann mit seiner ersten und zweiten Ehefrau sowie seiner jungen, unverheirateten Tochter handelt. Möglich wären aber auch zwei verheiratete Töchter und eine unverheiratete.

Alle Gesichter sind beschädigt, was auf eine mutwillige Zerstörung hinweisen könnte. Ohne die Grabinschrift zu kennen, lasse sich über die dargestellten Personen nur Vermutungen anstellen. Ob es sich bei dem Mann um einen Bürgerlichen oder einen ehemaligen Offizier handelte, lässt sich nicht sagen. Sicher waren die Personen keine Römer, sondern gehörten zur einheimischen Bevölkerung, die das römische Bürgerrecht besaß.

Aufgrund des Anschnitts der unteren Nische ist deutlich, dass die Stele aus einem weiteren Stein bestand, der jedoch trotz Nachuntersuchung nicht gefunden werden konnte. Auf diesem Stein befände sich die dazugehörige Inschrift.

Aus der Fundsituation geht hervor, dass der Stein dort nicht seinen ursprünglichen Stand­ort hatte. Alles deutet auf eine Zweitverwendung hin. Ursprünglich hat er sicherlich in einem Gräberfeld gestanden, wohl etwas abseits der Gebäude an der antiken Straße, die das Gebäude erschloss. Hier befand er sich jedoch inmitten von Dachziegelschutt wie er auf römischen Siedlungsplätzen immer zu finden ist.

Würdigung des Fundes

Die Entstehung der Grabstele lässt sich aufgrund der stilistischen Merkmale im Vergleich zu den vorhanden römischen Grabstelen und Denkmälern des Rheinlandes auf die Zeit um 50 n. Chr. datieren. Dr. Gerhard Bauchhenß, Archäologe beim Landesamt für Denkmalpflege in Bonn und Fachmann für Grabdenkmäler, vermutet sogar eine vielleicht noch früher Zeitstellung.

Die Grabstele aus Beller ist unter den bekannten Grabdenkmälern des Rheinlands eine wichtige Neuendeckung. Für den Kreis Ahrweiler ist dieser Fund sensationell wegen seines Alters und seiner guten Erhaltung trotz der Beschädigungen. Bisher sind im Kreis Ahrweiler nur ein Grabstein eines Soldaten (um 50 n. Chr., 1,81 m hoch) und drei Fragmente gefunden worden. Alle wurden um 1900 bei der Erweiterung der Pfarrkirche in Remagen entdeckt.

Die Grabstele hat für die Grafschaft folgende Bedeutung: Mit ihr haben wir die älteste Darstellung von Bewohnern der Gemeinde und den frühesten Nachweis römischer Besiedlung.

Nicht nur von Bauern werden immer wieder archäologische Einzelfunde gemacht. Sie werden aber selten bekannt. Im Interesse der Wissenschaft bitten wir die Bevölkerung darum, das Landesamt für Denkmalpflege in Koblenz oder uns über Funde, auch frühere Funde, zu informieren, damit diese fotografiert und dokumentiert werden können und damit der Wissenschaft zur Verfügung stehen. Wenn der Fundzusammenhang nicht mehr bekannt ist, verlieren nämlich die meisten Objekte ihren wissenschaftlichen Wert.