Wasserleitungsbau in Waldorf 1954/55

Wilfried Dünchel

Die Wasserversorgung des Dorfes vorher

In Waldorf besaßen viele Einwohner bis zum Bau der zentralen Wasserleitung eigene Brunnen auf ihren Gehöften, während die anderen das Wasser aus dem zentralen Dorfbrunnen in der Neustraße/Ecke Hauptstraße entnehmen mussten.

Die Wasserversorgung war besonders in heißen Sommern katastrophal, so auch 1949 als der Grundwasserspiegel stark abgesunken war und nur noch unsauberes Brunnenwasser zur Verfügung stand. Dies führte dazu, dass sich fast die Hälfte der Waldorfer mit dem Wasser aus dem Dorfbrunnen versorgte. Hier warnte allerdings ein Hinweisschild des Kreisarztes vor dem Gebrauch von ungekochtem Wasser.

Vor diesem Hintergrund wurde zu Beginn des Jahres 1950 erstmals eine Verbesserung der zentralen Wasserversorgung durch eine Wasserleitung diskutiert. Der Gemeinderat beschloss den Bau einer Wasserleitung unter der Bedingung, dass zuvor die Finanzierung sichergestellt werden musste.

„Meine Pumpe tut’s noch“ meinten jedoch einige Waldorfer und glaubten, auf eine Wasserleitung verzichten zu können.

Wasserleitungsbau dringend notwendig

Vor der Gemeinderatswahl 1952 wurde der Wasserleitungsbau zum Hauptwahlkampfthema. Auf Anregung des damaligen Ortsbürgermeisters Nikolaus Nachtsheim fand eine öffentliche Versammlung statt, bei der es neben dem Problem der Wohnraumerfassung für die Unterbringung von Flüchtlingen um die Wasserversorgung des Dorfes ging.

Hier erklärte der Amtsbürgermeister Braun aus Niederbreisig, dass die Gemeinde mindestens 25 % der Kosten für die Wasserversorgungseinrichtungen aufbringen müsse, um die entsprechenden staatlichen Zuschüsse zu erhalten.

Der Waldorfer Volksschullehrer Merzenich wies darauf hin, dass sogar Bachwasser zu Kochzwecken verwendet werde, was nicht nur unhygienisch, sondern gesundheitsgefährdend sei.

Arbeit an der Quellfassung  für die Waldorfer Wasserleitung, 1954

Im November 1953 wurde das Waldorfer Trinkwasser nochmals überprüft. Im Prüfungsbericht heißt es. „Nach den örtlichen Verhältnissen und auf Grund vielfacher Untersuchungen ist das Wasser des Dorfbrunnens und der Privatbrunnen hygienisch nicht einwandfrei; Darmkeime, Coli-Bakterien waren reichlich nachweisbar. Eine Aufbereitung des Wassers kann nicht erfolgen; das gebotene Abkochen des Wassers für den menschlichen Genuss und Gebrauch wird praktisch von der Einwohnerschaft nicht durchgeführt.“

Man wunderte sich, dass es in Waldorf bis dahin beispielsweise zu keiner Typhusepidemie gekommen war, denn alle Voraussetzungen waren dafür gegeben. Im amtsärztlichen Gutachten hieß es, dass „endemische Fälle von sogenannten Enteritiden (Darmkatarrhen) vorkamen, die ärztlicherseits auf Wasserinfektionen zurückgeführt werden.“

Mit Nachdruck wird in diesem Gutachten die zwingende Notwendigkeit einer besseren Wasserversorgung bescheinigt. Daraufhin nahmen im Spätsommer 1953 die Planungen zum Bau einer zentralen Wasserleitung konkretere Formen an. Allmählich verstummten auch die skeptischen Äußerunge. Für den Bau der gesamten zentralen Wasserversorgung wurden Kosten von rund 205 000 DM veranschlagt. Bei einem Haushaltsvolumen von 37180 DM pro Jahr konnte die Gemeinde Waldorf eine solche Maßnahme natürlich nicht alleine finanzieren.

Gräben für die Wasserleitungsrohre wurde von den Einwohnern 1955 von Waldorf in Eigenleistung verlegt

Dorfgemeinschaft setzte Zeichen

Im November 1953 sprachen sich bei einer erneuten Bürgerversammlung neben dem neuen Ortsbürgermeister Anton Schmitz etwa 90 % der Waldorfer ausdrücklich für den Bau einer Wasserleitung aus. Auch Pfarrer Brand setzte sich für eine schnelle Veränderung der gefährlichen hygienischen Verhältnisse ein.

Die Waldorfer erklärten sich bereit, für jeden Hausanschluss eine Vorauszahlung von 100 DM zu leisten und den für die Wasserleitung benötigten Graben von der Quellfassung „Auf Wehnert“ bis zum Ortseingang kostenlos auszuheben und nach der Verlegung der Rohre wieder aufzufüllen. Jede Familie war danach für 30 Meter zuständig.

Bund und Land bezuschussten die gesamte Baumaßnahme mit insgesamt 68 000 DM. Ein großer Holzeinschlag im Gemeindewald trug neben Einnahmen aus der Sonderrücklage zur weiteren Kostendeckung bei.

So konnten am 10. März 1954 die Arbeiten an der Quellfassung beginnen. Diese war zügig fertiggestellt, jedoch verzögerten sich die weiteren Arbeiten, weil die Leitungsrohre, die im Herbst 1954 verlegt werden sollten, erst Anfang Januar 1955 geliefert wurden. Ab 8. März 1955 beteiligten sich die Waldorfer am Ausheben der Gräben bis zum Dorf, wobei an einem Tag bereits ein Graben von einem Kilometer ab der Quellfassung „Auf Wehnert“ ausgehoben wurde. Aufgrund des natürlichen Gefälles war kein Pumpwerk erforderlich.

Ab dem 12. April konnte mit der Verlegung des Rohrnetzes im Ortsbereich begonnen werden. Insgesamt mussten hier 2700 Meter Leitungsrohre verlegt werden. Die Hausanschlüsse wurden dann vom 2. Mai bis 25. Juli 1955 fertiggestellt. Erst danach begann der Bau des Hochbehälters für 120 Kubikmeter.

Waldorf feiert „sein Wasserfest“

Nach Fertigstellung des Hochbehälters konnte die zentrale Wasserversorgungsanlage des Dorfes am 8. Dezember 1955 von Pfarrer Bernhard Brand feierlich eingesegnet werden, wobei eine Urkunde in den Hochbehälter eingelassen wurde. Darin wird u. a. das „einmütige, opferbereite Zusammenwirken der ganzen Gemeinde“ besonders hervorgehoben.

Bei der anschließenden Feier im Saale Schunk wurde vom damaligen Landrat Urbanus und auch von Amtsbürgermeister Braun die Gemeinschaftsarbeit der intakten Dorfgemeinschaft gewürdigt. Zur Feier des Tages erhielt jeder anwesende Waldorfer als kleine Anerkennung für die geleistete Arbeit eine Flasche Freibier.

In jedem Haus floss ab Ende 1955 frisches Quellwasser. Die Zeit des Wassertragens gehörte in Waldorf endgültig der Vergangenheit an. Jüngere Generationen können sich diese Mühen überhaupt nicht mehr vorstellen. Wasser kommt in jeder Wohnung aus dem Wasserhahn und ist selbstverständlich.

Richtfest des Hochbehälters Ende November 1955 (l. Ortsbürgermeiser Schmitz)

Die Waldorfer Wasserversorgung wurde ab dem 1. Januar 1975 über den Wasserversorgungszweckverband Bad Breisig sichergestellt. Diese Aufgabe wird heute durch die Energieversorgung Mittelrhein (EVM) im Auftrag der Verbandsgemeinde Bad Breisig wahrgenommen.

Die fast 1000 Einwohner von Waldorf verbrauchen insgesamt jährlich etwa 32 Millionen Liter Wasser. Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt täglich in Waldorf bei ca. 90 Liter, im Bundesdurchschnitt sind es sogar 125 Liter.

Quellen und Literatur: