Vom Kesselschmied zum Arbeiterdichter

Der Heimat- und Bürgerverein Bad Bodendorf erinnert an Heinrich Lersch (1889 - 1936)

Anton Simons

Gedenkstätten

Zum 70. Mal jährt sich 2006 der Tod des Arbeiterdichters Heinrich Lersch, der seine letzten Lebensjahre in Bodendorf verbrachte. In Mönchengladbach, seiner Geburtsstadt, wird die Erinnerung an Lersch auch heute noch wach gehalten. Das Stadtarchiv verfügt über ein Heinrich-Lersch-Archiv, das Handschriften, Manuskripte und Typoskripte, Fotos, Zeitungsausschnitte sowie einen Abguss von Lerschs Totenmaske umfasst. In Veröffentlichungen wird des Sohnes der Stadt gedacht. An einem Steig des Mönchengladbacher Busbahnhofs, an dem große Bilder von bekannten Gladbachern aufgehängt wurden, ist auch Heinrich Lersch zu sehen. Und der hochbetagt in Mönchengladbach lebende Edgar Lersch, einer der beiden Söhne Heinrich Lerschs, wird noch heute häufig nach seinem Vater gefragt, wenn er seinen Nachnamen nennt. Kürzlich erst referierte Edgar Lersch auf Einladung der Volkshochschule Mönchengladbach, der Hochschule Nieder­rhein sowie der Literarischen Gesellschaft Krefeld über seinen Vater.

In Lerschs Geburtsstadt wurden eine Straße und eine Hauptschule nach dem Literaten benannt. Aber auch andere deutsche Städte halten die in Erinnerung an ihn wach: Essen, die Kölner Stadtteile Junkersdorf und Merheim, Münster, Duisburg und Herne, ferner Bochum, Bottrop und Oberhausen, Unna, Herten, Moers und Kamp-Lintfort am Niederrhein widmeten Lersch ebenso Straßen und Wege wie das sauerländische Menden und Ibbenbüren am Zusammenfluss des Dortmund-Ems- und des Mittellandkanals sowie die rheinland-pfälzische Industriestadt Ludwigshafen. In Speyer gibt es an prominenter Stelle, zwischen Dom und Innenstadt, einen Heinrich-Lersch-Brunnen. An die 50 Heinrich-Lersch-Straßen und –wege dürfte es in Deutschland insgesamt geben.

Andenken in Bad Bodendorf

Damit Lerschs Andenken auch in dem Ort gewahrt bleibt, in dem er seine letzten Lebensjahre verbrachte, wurde kürzlich ein Weg in dem neuen Baugebiet zwischen Bäderstraße, Josef-Hardt-Allee und Haus Elisabeth in Bad Bodendorf nach ihm benannt. Man hat sich nicht leicht getan mit dieser Widmung; denn Lerschs Person und Werk sind nicht unumstritten: Von der Machtübernahme im Jahr 1933 bis zu seinem frühen Tod am 18. Juni 1936 arbeitete Lersch auch für die Nationalsozialisten. Und nach seinem Tod ließen die Nazis Lerschs Texte weiter drucken; denn seine Gedichte von der Arbeit und die heroischen Verse aus dem Ersten Weltkrieg passten in die nationalsozialistische Ideologie und in die Pläne der Nazis, die Lersch als einen der Ihren ansahen.

Trotzdem will sich der Heimat- und Bürgerverein Bad Bodendorf demnächst der verwahrlos­ten Lersch-Gedenkstätte annehmen, die an einer kleinen Quelle oberhalb der Bad Bodendorfer Schützenhalle zwischen Wiesen, Feldern und Wald liegt. Sie war am 17. Juni 1939 von der Hitler-Jugend dort angelegt worden, wo sich Lersch einst einen lang gehegten Traum erfüllte, indem er sich eine Dichterklause baute. 1994 hatte der Verein bereits zu einem Heinrich-Lersch-Abend in den ehemaligen Weinkeller des „Winzervereins“ eingeladen. An gleicher Stelle verbrachte Lersch Jahrzehnte zuvor manchen gemütlichen Abend und trank dabei den einen oder anderen Schoppen Wein aus Bodendorfer Lagen.

Biographisches

Heinrich Lersch war am 12. September 1889 als ältester Sohn von sieben Kindern in München-Gladbach (heute Mönchengladbach) in der Rheinprovinz geboren worden. Schon sein Vater übte den Beruf des Kessel-, sein Großvater den Beruf des Hufschmieds aus. Bereits als Kind musste Heinrich Lersch in der väterlichen Werkstatt mit anpacken den Blasebalg für das Schmiedefeuer ziehen, damit Eisen und Nieten glühend gemacht werden konnten, mit einer großen Zange glühende eiserne Stäbe über den Amboss halten, auf die dann die Gesellen mit großen Schmiedehämmern einschlugen, glühende Nieten mit den großen Zangen in die vorgebohrten Löcher stecken, damit die Kesselschmiede mit ohrenbetäubendem Lärm im Dreiertakt darauf einhämmern konnten, sowie die Bohrmaschine bedienen.

Später arbeitete Heinrich Lersch als Geselle in der Kesselschmiede seines Vaters. In der wenigen Freizeit, die er hatte, las er bis spät in die Nacht, was immer ihm in die Hände fiel, er traf sich mit Freunden, besuchte mit ihnen Volksbildungsabende und Vorträge, Konzerte und Museen.

Der am 17. Juni 1939 aufgestellte Gedenkstein trägt die Innschrift:
„Hier arbeitete der Dichter Heinrich Lersch, gestorben 1936. Erichtet von der HJ 1939.“ (Zustand 2005)

Dann ging Lersch für ein knappes Jahr auf Wanderschaft, „auf die Walze“, wie man es nannte. Er arbeitete in großen Kesselfabriken in Mannheim, Duisburg und Dortmund; in Hamburg und Antwerpen verdingte er sich im Schiffbau, im österreichischen Linz und in Wien als Nieter. Zurück in Gladbach, arbeitete Lersch wieder in der elterlichen Kesselschmiede. Die Arbeit der Kesselschmiede bestand zu Beginn der 1920er Jahre aus der Herstellung von Apparaten, Dampfkesseln und anderen Behältern, die, weil es die Elektro-Schweißung noch nicht gab, genietet werden mussten.

Um Eisenplatten miteinander zu verbinden, wurden an ihren Rändern in Abständen von einigen Zentimetern Löcher gebohrt; die Löcher benachbarter Platten mussten dabei genau übereinander passen. Dann wurden in diese Löcher, Rundkopf nach unten, Nieten gesteckt, die zuvor im Schmiedefeuer zum Glühen gebracht worden waren. Drei Arbeiter schlugen mit Vorschlaghämmern so lange auf die Nieten, bis sich auch oben ein breiter Kopf gebildet hatte. Wenn die Nieten abkühlten, zogen sich die Eisenplatten zusammen und wurden dicht. Das Ganze ging mit einem ohrenbetäubenden Lärm vor sich. Als Presslufthämmer später das Hämmern von Hand ersetzten, wurde der Lärm noch größer. Ohrenschützer und Schutzbrillen gab es zu dieser Zeit noch nicht. Dadurch erlitten die meisten Kesselschmiede Gehörschäden; viele wurden von umherfliegenden Eisensplittern an den Augen verletzt und trugen dauerhafte Sehschäden davon.

Da Heinrich Lersch klein und hager war, wurde er besonders häufig für Reparatur und Reinigung von Dampfkesseln herangezogen.

In den Textilfabriken, von denen es in Gladbach und im benachbarten Rheydt damals etliche gab, wurden Webstühle und Spindeln von Dampfmaschinen angetrieben, die ihren Druck aus Dampfkesseln bekamen. In diesen Kesseln setzte sich Kesselstein und in den Flammrohren Schlacke ab, die regelmäßig entfernt werden mussten. Damit die Maschinen nicht lange stillstanden, wurde an Feiertagen gereinigt – an Weihnachten, Silvester, Neujahr und Ostern. Dazu krochen die Arbeiter, wenn die Anderen feierten, in die zwar abgeschalteten, aber noch nicht ganz abgekühlten engen Kessel und Flammrohre. Mit scharfkantigen Hämmern schlugen sie dort, meist auf dem Rücken liegend, Kesselstein und Schlacke ab.

Literarische Arbeit

Neben dieser harten Arbeit schrieb Lersch etwa 1912 seine ersten Gedichte – meist nachts. Die Verse handelten vor allem von der harten Arbeit in den Fabrikhallen, aber auch von der Natur und der Liebe. Dank der Vermittlung eines katholischen Geistlichen sind Lerschs Gedichte erstmals gedruckt worden. Dadurch ist der junge Autor erstmals einem größeren Kreis Literaturinteressierter nicht nur in seiner Vaterstadt, sondern auch in Arbeitervereinen und Gewerkschaften im deutschsprachigen Raum bekannt geworden. 1913 gab es in der Kaiser-Wilhelm-Halle in Gladbach die erste Dichterlesung mit Heinrich Lersch; im gleichen Jahr erschien beim Verlag des Volksvereins Lerschs erster Gedichtband „Abglanz des Lebens“. Neben dem Schreiben engagierte sich Heinrich Lersch in der Arbeiterbewegung. Allerdings war er den christlichen Gewerkschaften zu rot und den sozialistischen zu katholisch; so saß er bei seinen Kollegen rasch zwischen zwei Stühlen.

Als im Jahr 1914 der 1. Weltkrieg begann, meldete sich Heinrich Lersch freiwillig als Soldat. In der Nacht vor dem Mobilmachungstag feierten die Rekruten, die eingezogen wurden, und ihre Familien in der St. Josef-Kirche im Gladbacher Stadtteil Hermges eine Messe, die auch Heinrich Lersch und seine Mutter besuchten. Dort schrieb der junge Dichter den „Soldatenabschied“, das Gedicht, das ihn in Deutschland mit einem Schlag bekannt und berühmt machen sollte. Weil er sonst kein Papier bei sich hatte, notierte Lersch die Verse auf die leeren Seiten des Gebetbuchs seiner Mutter. Das Gedicht beginnt mit der Zeile „Laß mich gehen Mutter, laß mich gehen ...“. Die fünf Strophen enden jeweils mit dem Satz „Deutschland muß leben, und wenn wir sterben müssen!“. Nach zwei Weltkriegen mit Millionen von Opfern klingt dieses Pathos heute hohl und chauvinistisch; damals jedoch traf es genau die Stimmung der gesamten Bevölkerung. Und in den 1920er und 1930er Jahren sollten diese Zeilen in unzählige Kriegerdenkmale gemeißelt werden.

Lersch, an der Front in Frankreich eingesetzt, wurde in der Champagne-Schlacht verschüttet, konnte aber gerettet werden. Das Lungenleiden, das er sich zugezogen hatte, wurde an­schließend lange Zeit in Lazaretten in Hadamar und Köln behandelt, bevor Lersch 1916 kriegsuntauglich aus der Armee ausschied. Schwere körperliche Arbeit konnte er danach nicht mehr leisten; aber er schrieb viel. Deshalb konnte er seinem Vater und den Brüdern, nachdem im Frühjahr 1917 die aus Holz gebaute alte Kesselbude seines Vaters abgebrannt war, vom Erlös des Kleist-Preises, mit dem er 1916 ausgezeichnet worden war, eine neue Werkstatt kaufen.

Nach Kriegsende 1918 heiratete Lersch. Seine Schwiegermutter, Paula Köchlin (geb. Busch), eine wohlhabende Fabrikantentochter, führte in ihrer Villa einen so genannten Salon: Die kulturell sehr interessierte Dame lud Künstler und Intellektuelle in die Villa ein - darunter den jungen Dichter Heinrich Lersch, den sie sehr schätzte. Dass der Arbeiter bald eine ihrer Töchter heiratete, war allerdings nicht vorgesehen. Die elterliche Einwilligung in diese Heirat mit der nicht einmal 21-jährigen Erika muss­te sich Heinrich Lersch schwer erkämpfen. Immerhin erhielt sie als Mitgift und vorweggenommenes Erbe ein Haus mit Garten. Bald kamen dort die Kinder Gerrit (1919), Edgar (1921) und Leni (1930) zur Welt.

Heinrich Lersch konnte nun schreiben, wurde bekannt, gehörte zum Kreis der „Werkleute auf Haus Nyland“, einer Gruppe von Dichtern, und freundete sich mit anderen Künstlern an, unter anderem mit Literaten aus dem Arbeitermilieu. Einer von ihnen war Max Barthel, der nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Elzenberg nach Bad Breisig zog.

Seiner schlechten Gesundheit wegen riet man Lersch zu einem längeren Aufenthalt im Süden. Deshalb vermietete er das Haus in Neuwerk und fuhr mit seiner Familie für acht Monate auf die Insel Capri, wo er ungestört im milden Klima arbeiten konnte. Dort entstand u.a. das humorvolle und nach wie vor lesenwerte Buch ‚Manni. Geschichten von meinem Jungen, aufgeschrieben vom Vater‘, das viel über das Leben der Familie Lersch in Gladbach und auf Capri widergibt.

Lersch in Bodendorf

Als die Familie im April 1932 nach Deutschland zurück kehrte, zog sie nicht nach Gladbach, sondern nach Bodendorf; Heinrich Lersch wollte nämlich in der Nähe seines Freundes Matthias Leisen sein, der als Magnetopath in der Bodendorfer Burg praktizierte. Von ihm erhoffte er sich Linderung oder gar Heilung seiner Asthma- und Magenbeschwerden. Leisen benutzte für seine Untersuchungen und um homöopathische Medikamente auszuwählen Wünschelruten aus verschiedenen Hölzern und anderen Materialien. Diese Methode faszinierte Lersch derart, dass er einen Roman über den Therapeuten mit dem Titel „Die Ruten Gottes“ schreiben wollte. Über ein Fragment kommt dieses Projekt aber nicht hinaus.

Zunächst bezieht die fünfköpfige Familie eine kleine Mansardenwohnung mit drei Zimmern im Hause Haas (heute Moselstraße 57). Das Familienleben spielt sich in der kleinen Wohnküche ab. Heinrich Lerschs Schreibtisch steht, damit er ungestört arbeiten kann, im Eltern-Schlafzimmer. Dank der günstigen Bahnverbindung besuchen die beiden Söhne das Gymnasium in Ahrweiler. „Hein“ Lersch, wie er von seinen Freunden in Bodendorf genannt wird, lernt rasch das Tanzen und das Weintrinken. Der Städter begeistert sich für Kirmes, Karneval und Schützenfest. Und bei Hochzeiten, Ehejubiläen und Namenstagen trägt er Festgedichte vor. Mit einer Büttenrede „Der Nachtwächter von Bodendorf“ verblüfft Lersch sein Publikum mit Kenntnissen über Stärken und Schwächen der Dorfbewohner.

Zäsur 1933

Im Jahr darauf kamen die Nationalsozialisten an die Macht. Mit einem Male sah Lersch erfüllt, wofür er bislang gekämpft, geschrieben und gedichtet hatte: Der Arbeiter war nun wer. Besonders imponierte ihm die Organisation „Kraft durch Freude“ (KDF); Denn sie machte es möglich, dass auch einfache Arbeiter reisen und Urlaub machen konnten. Lerschs neue Gedichte von der Arbeit, aber auch seine Gedichte aus dem Ersten Weltkrieg wurden von den Nationalsozialisten gedruckt. 1935 folgte Lersch einer Einladung der Nationalsozialisten, auf einem KDF-Schiff nach Portugal und weiter bis nach Madeira mit zu fahren und die Gäste mit Lesungen aus seinen Werken zu unterhalten. Der Dichter aus Bodendorf wurde aber auch eingeladen, in Betrieben vor Arbeitern zu sprechen und ihnen seine Gedichte vorzutragen. Am 1. Mai, dem „Tag der Arbeit“, las er auf einer Großkundgebung vor mehreren hunderttausend Arbeitern auf dem Tempelhofer Feld in Berlin einige seiner Gedichte vor. Lersch-Texte wurden in Schulbüchern gedruckt, und er war stolz darauf, in Schulen und vor der Hitler-Jugend sprechen zu dürfen. Schließlich wurde Lersch ehrenvoll als Mitglied in die Deutsche Dichterakademie berufen.

Heinrich Lersch bei der Arbeit an seinem Schreibtisch in Bad Bodendorf

Heinrich Lersch „merkte in seinem Überschwang wohl nicht, was der Nationalsozialismus wirklich war und was die Nationalsozialisten letztlich wollten“, sagte sein Sohn Edgar Lersch im Jahr 2004 bei einem Vortrag über seinen Vater. Der Arbeiterdichter „beging sogar die Dummheit, ich muss das bei allem Respekt vor meinem Vater sagen, Gedichte aus den 20er Jahren umzuschreiben“, so Edgar Lersch: „Wir sind die Soldaten der neuen Armee, die hämmernden Brüder der Welt ...“, hieß es beispielsweise in einem hoffnungsfrohen Gedicht über die Aufbruchstimmung nach dem Ersten Weltkrieg, das Lersch nun umformulierte: „Wir sind die Soldaten der braunen Armee, die Kolonnen der eisernen Zeit ...“ Und vor den Gedichtband „Mit brüderlicher Stimme“, für den er den 1935 in Düsseldorf mit dem „Rheinischen Literaturpreis“ ausgezeichnet worden war, schrieb er die Widmung: „Im Sinne des Führers: Der Gefolgschaft“. Heinrich Lersch tritt dem „Deutschen Jungvolk“ bei, einer Unterorganisation der Hitler-Jugend, in der seine beiden Söhne Stamm- und Fähnleinführer sind, und wird „Ehren-Jungzugführer“ – und das mit 46 Jahren!

Dichterhaus

Nachdem sich ihre finanziellen Verhältnisse etwas gebessert haben, zieht die Familie in der zweiten Jahreshälfte 1933 in eine Vier-Zimmer-Wohnung in das Haus A. Clever (heute Hauptstraße 17) in Bad Bodendorf um – damals das erste Haus, wenn man aus Richtung Sinzig kam. Aber Heinrich Lersch träumt weiter von einer eigenen Dichterklause. Und im Mai 1934 wird dieser Traum Wirklichkeit. Sechs Wochen lang baut er an diesem Häuschen am Hohlbrünnchen oberhalb der erst viel später erbauten heutigen Schützenhalle; unterstützt wird er dabei von einem Zimmermann und einem Maurer. Zum Schluss streicht Lersch seine einzimmerige Klause bunt an und legt vor ihr einen kleinen Blumengarten an. So entsteht „das schönste Gartenhäuschen, das je ein Dichter besessen hat“, schreibt er in einem Brief an einen Freund, „nur das liebe Vieh kommt hierher“, heißt es weiter, „Rehbock und Fasan, Hase und Häher“ und „Rheintal und Westerwald liegen im blauen Dunst. Sinzig leuchtet von ferne.“

Zu dieser Zeit kommt Lersch aber kaum noch zum Arbeiten an Büchern oder Gedichten. In Bodendorf arbeitet er an mehreren Romanen, die aber zum Teil nur im Entwurf und als Fragmente im Nachlass erhalten sind. Darunter auch ein Hörspiel mit dem Titel ‚Der Brückenbau‘, in dem Lersch ausdrücken will, wie unglaublich stolz die Arbeiter waren, als ihr Werk, die Brücke über den Rhein, endlich steht. Im Hörstudio des damaligen „Reichssenders Köln“ (heute WDR) fertigte man zwar einige Sprech- und Geräuschproben an, aber das Hörspiel wurde nie fertig.

Unfall, Tod

Anfang Juni 1936 fährt Heinrich Lersch mit dem Fahrrad von Bodendorf in Richtung Heppingen; dabei kommt ihm ein Auto auf der falschen Straßenseite entgegen. Um einen Zusammenstoß zu vermeiden, steuert Lersch in den Straßengraben. Dabei fällt er aber mit der Brust unglücklich auf den Lenker und verletzt sich schwer. Sein Körper, durch die lange und schwere Lungenkrankheit ausgezehrt, hat keine Widerstandskraft mehr: Als er in den Tagen darauf an einer Lungen- und Rippenfellentzündung erkrankt, wird er ins Remagener Krankenhaus eingeliefert. Dort stirbt er, 46 Jahre alt, am 18. Juni 1936 um 0.30 Uhr.

Totenfeier

NS-Funktionäre bis hinauf zum Koblenzer Gauleiter Gustav Simon nehmen Lerschs Tod zum Anlass für eine Inszenierung einer Totenfeier: Der Dichter hatte einmal den Wunsch geäußert, nach seinem Tod in Gladbach beerdigt zu werden; bevor man den Leichnam dorthin überführt, wird er aber auf der Kemminghöhe nördlich der Remagener Rheinpromenade aufgebahrt. Aufmärsche, gedämpfte Musik, gesenkte Fahnen und große Reden gibt es dort. Danach wird der Leichnam nach Gladbach überführt. In der Kesselschmiede seiner Familie bahrt man den Verstorbenen auf; ehemalige Arbeitskameraden halten Totenwache. Auf dem Ehrenfeld des Mönchengladbacher Stadtfriedhofs wird Lersch schließlich beigesetzt. 120.000 Trauergäste wohnen der Beerdigung bei.

Aber es gibt NSDAP-Mitglieder, die sich weigern, an diesem Begräbnis teilzunehmen: Sie hätten den Dichter „einst hinter einer roten Fahne gesehen“, behaupten sie. In der offiziellen Berichterstattung verschweigen die Nazis auch, dass Lersch mit den Sterbesakramenten versehen wurde und dass sein Totenzettel „zur christlichen Erneuerung“ aufruft. Und auf einer Ausstellung, die Lersch Jahre später, bei einem Dichtertreffen am 24. und 25. Juni 1939 in Bad Neuenahr, gewidmet wird, lassen die Nazis ein Foto entfernen, das den verstorbenen Dichter mit einem Kruzifix in den gefalteten Händen zeigt.

Quellen: