Das Rheinland

UND DER DEUTSCHE OSTEN

In grauer Vorzeit, vor 2000 Jahren, lebten germanische Stämme diesseits und jenseits der Elbe. Die Römer schieden sie in "West- und Ostgermanen, die alle die gleiche Kultur besaßen, wenn sich auch ihre Lebensweise in manchem unterschied. Als die Römer das germanische Reich besetzten, das am weitesten nach "Westen gelegen war, begann eine Entwicklung, die langsam aber sicher zu einer Trennung von West- und Ostgermanen führte. Zunächst kam das Rheinland unter den Einfluß römischer Lebensweise. Seine Bewohner wurden vertraut mit römischem "Wesen und nahmen an, was ihnen gut dünkte. Dann versuchte die römische Politik sich weiterer germanischer Gebiete zu bemächtigen. Rom drang in kühnen Eroberungszügen bis an die Elbe vor und suchte auch dieses Gebiet ganz zu unterwerfen. Es mußte aber Rückschläge hinnehmen und wurde schließlich in langem Kampf zunächst auf die Linie, die durch den Grenzwall des Limes bedingt war, dann auf die Rheinlinie beschränkt, bis es schließlich unterlag und endgültig als politischer Machtfaktor ausschied.

Dann übernahmen die Franken die Herrschaft im Westen, während sich im Südwesten und Süden eigene germanische Staatengebilde bildeten, die aber endlich auch den Franken unterlagen. Schließlich konnte Karl der Große sein Reich bis zur Elbe ausdehnen und damit nicht nur das ganze heute französische Land, sondern auch das später deutsche Gebiet bis zur Elbe in einem einheitlichen Staatsgebilde vereinigen.

Unterdessen waren im Osten große Völkerbewegungen vor sich gegangen. Zur gleichen Zeit, als das römische Weltreich in seinem Bestand ernsthaft bedroht war, verließen große Teile der Ostgermanen ihre Heimat und wanderten nach Westen und Süden, während in den sich leerenden Raum slawische Völkerschaften einströmten. Diesen stand nun Karl der Große gegenüber. Während er im Südosten in einem groß angelegten Feldzug weit in den Ostraum vordrang, verhielt er im Nordosten und beschränkte sich auf die Verteidigung.

Nun begann im Westen die Zeit der Innenkolonisation'. Wälder wurden gerodet, neue Dörfer gegründet und eine ebenso extensive wie intensive Landwirtschaft betrieben. Eines Tages aber stand man vor dem Problem der Raumnot im Westen. Man war mit der Kolonisierung des Landes langsam von Westen nach Osten vorgedrungen. Nun begann man die bisherige Grenze zu überschreiten und das alte ostgermanische Gebiet mit Schwert und Pflug wieder zu erobern. Die Bauernsöhne aus dem Rheinland, aus dem Moselgebiet, aus Flandern und anderen Gegenden suchten sich im Osten eine neue Heimat.

Im Osten entstanden nun Bistümer, die die Kultur des deutschen Reiches in den neu gewonnenen Gebieten festigen halfen. So wurden Havelberg, Brandenburg, Merseburg, Meißen, Zeitz und Oldenburg gegründet. Sie wurden Stützpunkte für die sich steigernde deutsche Besiedlung des alten germanischen Gebietes, in dem nun die Slawen saßen.

Es war ein regelrechter Strom von Bauern und Kolonisten, der sich nun nach Osten ergoß. Werber hatten überall verkündet, daß dort Land genug sei, daß alle, die zu Hause Not litten, aufgerufen seien, dorthin zu kommen. Viele folgten dem Ruf. Sie sangen das Lied, das zuerst in Flandern entstanden und bald überall zu hören war:

Nach Ostland wollen wir reiten,
nach Ostland wollen wir hin,
all über die grüne Heide,
frisch nur über die Heide!
Da gibt es gutes, besseres Land.

So begann die Wiedererwerbung des Ostlandes, die von Fürsten unterstützt, von Klöstern möglich gemacht wurde. Überall entstanden nun Klöster, Tochtersiedlungen rheinischer Klöster, die immer weitere Klöster weiter nach Osten hin gründeten. Bekannt ist das Kloster Kamp bei Rheinberg, das — obgleich selbst erst 1123 entstanden, in wenigen Jahrzehnten dreißig weitere Klöster im mittel- und ostdeutschen Raum erstehen ließ. Dabei stieß es bis über die Weichsel vor.

Damit begann die große Zeit des deutschen Ordens. Die hohe Zeit des Rittertums in den Kreuzzügen neigte sich dem Ende zu. Bei der Suche nach neuen Aufgaben, die dem Wesen der Ordensritter angemessen waren, traf den deutschen Orden der Ruf Konrad von Masoviens. Von hier aus begannen nun die Ordensritter Eroberung und Kolonisation der preußischen Gebiete. Auch hier sind es wieder Rheinländer, die wesentlich beteiligt gewesen sind. Eine Reihe von ihnen nahm bedeutsame Stellungen im Orden ein, sei es als Hochmeister wie Karl von Trier, oder Komture und Großkomture, unter denen wir viele Söhne rheinischer Familien finden.

Die Handelsbeziehungen der Ostgebiete mit dem Rheinland wurden sowohl vom deutschen Orden gefördert als auch von der Hanse, die vielfach den Handel lenkte. Da kam Wein aus den Rheingebieten in das Ordensland, da kamen Jagdfalken aus dem Osten an den Rhein. Doch bald setzten schwere Rückschläge ein. Das polnische Reich wurde zum Gegner des Ordensstaates; es kam zum Kampf, und der Orden mußte manches aufgeben. Später faßte dann der brandenburgische Staat Fuß, im Osten, er erweiterte sich um die preußischen Gebiete und führte den preußischen Namen fort, als es zum Königreich erhoben wurde. Als dann nach 1815 Preußen auch im Kerngebiet der Rheinlande im Westen Fuß faßte, war schließlich die alte feste Bindung zwischen Rheinland und Osten wiederhergestellt.

Schließlich aber kam nach törichten Wahnideen neuer Ostaufgaben und neuer Ostkolonisation, die die Rechte anderer Völker nicht achtete, der große Rückschlag. Er endete mit der Austreibung der Deutschen aus dem Osten und neuer Slawenkolonisation.

Viele der aus dem Osten vertriebenen Deutschen sind zu uns in das Rheinland gekommen. Wir nennen sie Flüchtlinge und Ostvertriebene oder Heimatvertriebene, weil man sie aus ihren angestammten östlichen Heimatgebieten vertrieben hat, weil sie vor Zwang, Terror und Not haben flüchten müssen. Aber für uns Rheinländer müssen jene Menschen aus dem Osten mehr sein. Sie müssen wissen, daß wir sie nicht nur aufnehmen, weil die allgemeine deutsche Lage, die allgemeine deutsche Not es uns auflegt, sondern weil wir wissen, hier kommen Menschen in den Westen zurück, sie sind wieder in jene Gebiete ihrer alten Heimat gekommen, aus denen ihre Vorfahren vor vielen hundert Jahren ausgezogen sind, um den alten germanischen Osten wieder für Deutschland in friedlicher Arbeit der Bauern und Händler zurückzugewinnen. Jene Menschen, die aus dem Osten flüchten mußten, flüchteten in ihre alte Heimat.