JAN WELLM!

Von Wilhelm Schäfer

Jan Wellm war kein großer Held, doch stellte er gern einen vor; und weil er einen leeren Marktplatz hatte und eine Bürgerschaft, die er mit dicken Steuern für seine Schlösser und die fremden Künstler plagte, davon er fast eine Heerschar in das kleine Düsseldorf gezogen hatte, wo sie nun in den Gassen prahlten wie die ritterlichen Herren: so gedachte er sich selber — von seinem Volk in Dankbarkeit — ein Reiterdenkmal aufzurichten. Er ließ mit einem Schiff Grupello, den Bildner aus Antwerpen, holen und schenkte ihm ein Haus am Markt, daß er ihn gieße mit Roß und Feldherrnstab und Krone und was ein fürstlicher Held sonst an sich hängen hatte. Grupello war zwar grau, doch eisenfest, und fing nach seiner Weisung mit stolzen Plänen an; davon ihm einer nach dem ändern verworfen wurde. Und als ihm so in täglichem Verdruß Monate* und Jahre vergangen waren, bis endlich Geld zu einem Guß beisammen schien, obwohl die Stände es verweigert hatten, da war von seinem Postament mit den vier Löwen, wovon ein jeder ein anderes Laster vorzustellen hatte, und all den Wasserkünsten ein Sockel aus schlichtem Muschelkalk geblieben. Doch stand noch immer ein gewaltiger Gaul darauf mit einem Riesenschweif, der mannsdick auf den Boden floß, so daß er mit den Füßen trotz seiner Schwere artig tänzeln konnte. Und ob der Kurfürst selber auch nicht so grün und leuchtend war, wie man ihn heute reiten sieht, so saß er doch gleich einem Helden prächtig auf dem Tier und sah mit königlich gerollten Augen aus seinem Düsseldorfer Marktplatz in den Himmel.

So hatte sich Grupello einen Fürstendank verdient; doch mochte es wohl sein, daß den Jan Wellm seine Schranzen — so nannte man schon damals jene Herren, die sich in Fürstengunst wie Küchenschwaben unter einem nassen Tuch versammeln — aus ihrem nahen Umgang anders kannten, als er auf seinem Denkmal ritt. Denn als. der Tag gekommen war, wo sie geputzt in allen Farben seiner Länderchen mit ihrem Kurfürst auf den Marktplatz kamen, auf dem er seinen Ritt in die Unsterblichkeit antreten wollte, während sich sein Volk in Dankbarkeit mit vielen Köpfen drängte, Pagen liefen und Bläser in die Hörner bliesen: da fielen ihre Blicke spottend von seinem stolzen Bildnis auf ihn herunter, der nur ein kleiner und blasser fetter Herr und gar nicht heldenhaft, wohl manchmal launisch und immer eitel war.

Und weil er recht geschmeichelt von ihnen hören wollte, ob es auch ähnlich und seiner würdig wäre, ging der erste mißgünstig an den Riesenschweif, ein anderer trat sehr weit zurück, das Angesicht zu sehen, und noch ein anderer prüfte mit vorgestreckter Hand die Maße, und alle schütelten den Kopf und waren fast für ihren Herrn beleidigt, daß er so kümmerlich getroffen und auch sein Pferd für einen Kenner nicht anzusehen wäre. Und weil ein Fürst an seiner Eitelkeit mehr leiden muß als andere Menschen, geschah es, daß Jan Wellm blaß und verkniffen den Grupello, den er schon huldvoll zu sich gerufen hatte, mit seinem Herrscherstab wie mit dem Prügelstock bedrohte.

Worauf Grupello, der nicht groß, doch breit und bärtig war, sich tief verneigte und auf vlämisch versprach, in einem Monat die Mängel seiner Arbeit abzustellen. Nur als die Schranzen hämisch hinter dem Kurfürsten abgingen und einige ihm eifrig auseinander setzten, wo es bei seinem Werk noch fehlen könnte, da hatte sich Grupello aufgerichtet und mit dem Rücken an den Sockel gelehnt und sah nicht anders aus, als ob er eine Schar nichtsnutziger Buben nach Hause jagte. Den Düsseldorfern, die nach dem Landesbrauch dastanden und schadenfroh belachten, was einer ihm zurief — andere warfen schon mit Äpfeln nach ihm, wie man sie auf der Straße findet, wo Pferde hergegangen sind — ließ er bedeuten, er wolle ihnen was Besseres zum Lachen schenken.

So stak das Denkmal schon am nächsten Tag in einem Zaun von hohen Planken, der nur ein einziges Pförtchen hatte, dazu Grupello den Schlüssel nicht aus den Händen gab. Drin aber fing ein Hämmern an und Qualm erfüllte schwälend den ganzen Markt; wie wenn das Denkmal eingeschmolzen und in allen Teilen neu zurecht gebosselt würde. Das ging so wochenlang, bis es sich mondete, daß dem Grupello sein Werk verweigert worden war.

Dann kamen mittags — es war ein silbriger Regentag, wie sie am Rhein sehr duftig sind — die Schranzen wieder in allen Farben seiner Länderchen geputzt mit ihrem kleinen Kurfürst und traten prüfend vor das Werk, das von der Nässe glänzend in den Blust dastand, und einer ging nach hinten an den Schweif, ein anderer trat sehr weit zurück, das Angesicht zu sehen, und noch ein anderer prüfte mit vorgestreckter Hand die Maße, und alle waren sehr befriedigt, daß es nach ihrem Wunsch verbessert war, und lobten nun das Werk mit dicken Worten und nickten dem Künstler gnädig zu, wie wenn sie selber das Reiterbild gegossen hätten.

Der aber hatte einen Hammer in der Hand und stand vor seinem Amboß, der nicht beseitigt worden war; und als der Kurfürst ihn huldvoll anrief, trat er nicht vor, wie er wohl mußte, tat einen schlanken Schlag auf ein Stück Guß, das auf dem Amboß lag. Das war wie Glas, gab einen hellen Klang und klirrte in Stücken auf den Boden. Die Schranzen sprangen rasch zurück und aus dem Volk, das sich mit vielen Köpfen drängte, tönte ein Schreckenruf, wie wenn das ganze Roß zersprungen wäre. Grupello aber trat, den Hammer in der Hand, vor seinen Fürsten und neigte sich nicht sehr und sprach mit lauter Stimme und hatte die Worte deutsch gelernt: „Das Denkmal ist, mein Fürst, noch wie es war. Guß springt beim ersten Hammerschlag. Die Dummheit Eurer Herren hab' ich wohl dreißig Tage hämmern müssen!"

Da fuhren manche Hände nach dem Schwert. Grupello aber stand mit seinem Hammer und lachte laut mit seinen festen Lippen, und als der Kurfürst mit seinen Schranzen noch um das Denkmal schreiten wollte, da brach Gelächter aus der Menge, wie wenn aus vielen Karren Steine auf sie geschüttet würden. So daß er sich im Zorn vergaß und mit dem Herrscherstab, gleich einem Prügelstock, das Volk in Dankbarkeit — wie auf dem Denkmal stand — bedrohte, und sich abwendend schnell verschwand, weil aus dem Himmel ein rascher Regen fiel, so daß die Herren, im Schmutz mit langen Beinen springend, ihre Farben und Sammetkappen mit aufgehobenen Händen schützen mußten. Fest aber auf dem Sockel stand der Gaul mit seinem Riesenschweif und trug Jan Wellm mit königlich gerollten Augen, mit Herrscherstab und Krone aus seinem Marktplatz in die Ewigkeit.