Berufs- und Berufsfachschulwesen
im Kreise Ahrweiler

Von Ernst Kley

Geschichtlicher Rückblick

Im Kreise Ahrweiler schulte man bereits im Jahre 1907 jugendliche Handwerker und Fabrikarbeiter in Fortbildungsschulen ein. Wenn auch dieser Unterricht mit dem der heutigen Berufsschulen weder stofflich noch methodisch verglichen werden kann, so war es doch das Verdienst der Volksschullehrer, daß das Volksschulwissen wachgehalten und ergänzt wurde. Oft unterrichteten diese Lehrkräfte mit Idealismus und großem Geschick. Ihre besten Vertreter waren es, die neben Handwerk und Industrie das Berufsschulwesen in der jetzigen Form forderten und ins Leben riefen. Den gemeinsamen Bemühungen aller interessierten Kreise gelang es, die Berufsschule im Kreise ab Ostern 1932 hauptamtlichen Gewerbelehrern zu übertragen. Die ländlichen Fortbildungsschulen wurden noch weiterhin von den Volksschullehrern in den jeweiligen Dörfern betreut. Da in einem Kreise wie der Kreis Ahrweiler an den größeren Orten gewerbliche Berufsschulen eingerichtet wurden, war die schlimmste Not zunächst einmal behoben. Es zeigte sich aber bald, daß ein größerer und finanziell stärkerer Schulträger gefunden werden mußte, um ein planmäßiges und geordnetes Berufschulwesen, wie die größeren Städte es seit langem besaßen, aufbauen zu können. Nur auf Kreisebene war es möglich, Fachklassen zu bilden, die von entsprechenden kaufmännisch, gewerblich und hauswirtschaftlich vorgebildeten Lehrkräften unterrichtet werden konnten. Es lag im Zuge der Entwicklung, daß am 1. 4. 1935 die Kreisberufsschule Ahrweiler ins Leben gerufen wurde. Die Hauptschulsitze waren Ahrweiler und Sinzig. In Adenau wurden Sammel- u. hauswirtschaftliche Klassen eingerichtet.

Im Kriege betrug die Gesamtzahl der Schüler fast 2000, und zwar 1069 männliche und 872 weibliche, die von zehn hauptamtlichen und neunundzwanzig nebenamtlichen oder nebenberuflichen Lehrkräften unterrichtet wurden. Außer dem Schulort Sinzig besaß die Kreisberufsschule bis heute kein eigenes Gebäude. Die Stadt Sinzig stellte mit der Gründung der Kreisberufsschule ein solches zur Verfügung, das dann mit Kreismitteln ausgebaut wurde. Das Sinziger Gebäude erhielt eine modern eingerichtete Küche und zwei zweckmäßig gestaltete Klassenräume. Leider vergaß man einige dringend notwendige hygienische Einrichtungen. Mit dieser Einschränkung könnte sonst das Gebäude als zweckmäßig angesprochen werden.

Infolge der Kriegsverhältnisse wurde 1944 der Unterricht eingestellt.

Äußerer Aufbau nach 1945

Nach dem Kriege war auch die Berufsschule materiell und geistig eine Trümmerstätte. Es war sehr schwierig, mit den wenigen Mitarbeitern, die zur Verfügung standen, ein neues Schulwesen aufzubauen.

Trotz allem begann am 1. Dezember 1945 in Ahrweiler, Sinzig und Bad-Neuenahr der Unterricht in 45 Klassen. Es unterrichteten sieben hauptamtliche oder vollbeschäftigte bzw. dreizehn nebenamtliche oder nebenberufliche Lehrkräfte.

Außer Sinzig stand zunächst kein Gebäude zur Verfügung. Dasselbe war aber in einem sehr verwahrlosten Zustande. Der größte Teil des Inventars fehlte und war entweder zerstört, gestohlen oder verschleppt worden. Es mußte so der Unterricht zunächst mit geliehenen Tischen und Stühlen improvisiert werden. Die Schüler und Schülerinnen mußten neu erfaßt werden, da die Schülerkartei fast vollständig verlorengegangen war. Mit Hilfe der Verwaltung war es möglich, etwa 70 % der Berufsschulpflichtigen einzuschulen. Auch an dieser Stelle sei den Volksschulen in Ahrweiler, Bad-Neuenahr, Sinzig und Adenau nochmals gedankt, daß sie uns ihre Schulräume zur Abhaltung eines geordneten Berufsschulunterrichtes zur Verfügung stellten. Auch der Kreisinnungsverband des Handwerks unterstützte tatkräftig den Neubeginn der Schularbeit.

Nach und nach wurden nun die Schulräume mit eigenem Inventar versehen. Es war dies außerordentlich schwierig, da vor der Währungsreform weder ausreichende Mittel vorhanden waren noch Inventar käuflich erworben werden konnte.

Trotz der Primitivität der Räume und der Einrichtungen und trotz des Mangels an Lehrkräften wurde der Unterricht wöchentlich mit sechs Kurzstunden durchgeführt. Daß dies bereits 1945/46 möglich wurde, war ein Beweis des gesunden Aufbauwillens von Behörde und Schule. Aber bald zeigte es sich, daß die behelfsmäßig eingerichteten Räume für den weiteren Zuspruch der Schüler nicht genügen würden. Nach sechs Monaten war die Klassenzahl bereits auf fünfzig angestiegen, so daß neue Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden mußten. Auf Bitten der Schulleitung und der Kreisbehörde ermöglichte die damalige Militärregierung die Freigabe des Hauses Schütz, das bis dahin Besatzungszwecken diente. Herr Fabrikant Schütz stellte sein Haus Ahrweiler, Wilhelmstr. 20, der Kreisberufsschule zur Verfügung und war auch mit kleineren Umbauten einverstanden. Trotzdem war auch dieser Raum noch ungenügend, da im Hause noch eine kinderreiche Familie wohnte. Die Stadt Ahrweiler brachte anschließend die Familie unter, wodurch wieder zwei Klassenräume gewonnen wurden.

Auch das Handwerk ließ uns nicht im Stich. Teilnehmer des Meisterkursus der Malereiabteilung schufen im Schulhause ihre Meisterstücke. Auch Gesellenstücke unserer Malerlehrlinge verschönerten die Klassenräume, die durch Umbauarbeiten und andere Vorgänge in schlechtem Zustand waren. Für die neuen Schulräume fehlte nun vollständig die Einrichtung. Die Kreisverwaltung gewährte großzügige Mittel, nachdem durch das Entgegenkommen der französischen Schuladministration Holz beschafft werden konnte. Ein Schreinermeister, aus Ahrweiler fertigte dann die neuen Schulmöbel an.

1947 errichtete der Kreis Ahrweiler eine zweijährige Handelsschule in Sinzig. An dieser Stelle ist es meine Pflicht, der Stadt Sinzig zu danken, die in einem selten gewordenen Kulturwillen die Absichten der Schulleitung unterstützte. Nur mit Hilfe der Stadt Sinzig war es neben den Anstrengungen der Kreisverwaltung möglich, diese im Kreise Ahrweiler unbedingt notwendige Schule zu einer zweijährigen Handelsschule auszubauen.

Zunächst wurde die Handelsschule in zwei leerstehenden Klassenräumen der Volksschule nach einer gründlichen Renovierung durch die dortige Stadtverwaltung eingerichtet. Als dann die Volksschule ein Jahr später die Räume selbst benötigte, war es wiederum die Stadt Sinzig, die sich um weitere Schulräume bemühte. Nach Verhandlungen der Stadt, des Schulleiters und seiner rührigen Mitarbeiter mit dem Herrn Fabrikanten Svoboda gelang es, in seinem Hause zunächst zwei Schulräume zu erstellen. In den ersten Jahren genügten diese Räume. Der weitere Zustrom neuer Schüler machte erneut Räume notwendig. Zunächst verzichteten die Lehrkräfte auf ihre Lehrerzimmer, worin notdürftig eine kleinere Klasse untergebracht wurde.

Die Anmeldungen zum Besuch der Handelsschule fanden im Herbst 1953 ihren Höhepunkt. 109 Anmeldungen waren vorhanden. Da die Stadt Sinzig zur Zeit aber über keine weiteren Räume mehr verfügte, stellte Herr Pfarrer Keuser nach Beschluß des Kirchenvorstandes auf unsere Bitten den Kolpingsaal dankenswerterweise zur Verfügung. Auch hier beteiligt sich die Stadtverwaltung an den laufenden Unterhaltungskosten. Die Kreisverwaltung überzeugte sich von der Notwendigkeit des neuen Unterrichtsraumes und stattete ihn mit neuen Schulmöbeln aus.

Die landwirtschaftliche Abteilung der Kreisberufsschule Ahrweiler wird in 25 Orten unseres Kreises unterrichtet. Der Unterricht wird in neun Ortschaften in eigenen Räumen durchgeführt, während er in den übrigen 16 an Nachmittagen in Volksschulräumen stattfindet. Die Raumverhältnisse sowie die Einrichtung in den uns zur Verfügung stehenden Räumen lassen noch sehr zu wünschen übrig. Vor allen Dingen fehlt es an Kücheneinrichtungen in den einzelnen Schulstandorten. Es muß unbedingt erstrebt werden, daß in zwanzig Schulorten eigene Räume für die weibliche und männliche Jugend geschaffen werden. Auf die Dauer ist der Nachmittagsunterricht für die Landjugend und ihre Lehrkräfte, aber auch für die bäuerliche Bevölkerung aus technischen Gründen untragbar.

Innerer Aufbau

Es wurde bereits zu Beginn des Aufsatzes erwähnt, daß der Unterricht mit 45 Klassen begonnen wurde. Nach Aufgabe des Schulsitzes Bad-Neuenahr wurden im Schuljahre 1946/47 32 Klassen in Ahrweiler, 22 in Sinzig und der Rest in Adenau und Remagen unterrichtet. Es handelt sich um die gewerbliche, kaufmännische und hauswirtschaftliche Abteilung. Heute umfaßt die gewerbliche Abteilung Fachrichtungen des Bau- und Holzgewerbes, des Kunstgewerbes, des Metallgewerbes, des Bekleidungsgewerbes und der Friseure, des Nahrungsgewerbes, des Handels, der Hauswirtschaft und der Jungarbeiter. Während die Hauswirtschaft in allen Schulstandorten gleichmäßig unterrichtet wird, wurden aus schulischen und technischen Gründen die kaufmännische Abteilung sowie die Handelsschule, das Nahrungs- und Bekleidungsgewerbe, die Friseure und ein Teil der Jungarbeiter in Sinzig stationiert, Splittergruppen wurden und werden in Remagen und Adenau unterrichtet. Neben Fachkunde, Fachrechnen und Fachzeichnen werden die Schüler in P. Gemeinschaftskunde und Religionslehre unterrichtet.

Jahr um Jahr wuchs die Schule an Schülern und Lehrkräften, wie die nachfolgende Aufstellung zeigt: 

Schülerzahl:    Lehrpersonen: Schülerzahl:    Lehrpersonen:
   haupt-
amtl.
neben-
amtl.
  haupt-
amtl.
neben-
amtl.

1945 = 1251  

 7    13    1950 = 2777    17    11
1946 = 1373 9 13 1951 = 3 20 7
1947 = 1501 10  9 1952 = 3723 23  8
1948 = 1619 11 7 1953 = 3616 25 10
1949 = 1881 13 10      

Das Schuljahr 1949/50 brachte einen bedeutenden Zuwachs an Schülern durch die Schaffung einer landwirtschaftlichen Abteilung innerhalb unserer Schule.

Die große Schülerzahl beweist die Bedeutung von Handwerk, Handel und Industrie sowie der Haus- und Landwirtschaft in unserem Kreise. Auch die landwirtschaftliche Abteilung hat in den wenigen Jahres ihres Bestehens sich den gleichen Ruf verschaffen können, wie die übrigen Abteilungen ihn seit Jahren besitzen. Auch die Landwirtschaft hat erkannt, daß Stillstand Rückgang ist und nur durch eine erstklassige Schulung des Nachwuchses der Anschluß an die übrigen landwirtschaftlichen Gebiete gefunden werden kann.

Die landwirtschaftlichen Fachschulen begrüßen die Vorschulung ihres Nachwuchses in der Berufsschule ebenso wie die Meisterschulen des Handwerks, des Handels oder der Industrie, die es seit vielen Jahren tun.

Es muß auch im landwirtschaftlichen Sektor der Schule erreicht werden, daß die dreijährige Berufsschulpflicht durchgeführt wird, da die führenden und einsichtigen Kreise der Landwirtschaft nicht einsehen können, warum ihre Söhne und Töchter schlechter, d. h. nur zwei Jahre, geschult werden, obwohl die übrigen Abteilungen schon seit Jahren drei Jahre unterrichtet werden. Infolge des neuen Berufsschulgesetzes müssen in Kürze außer der landwirtschaftl. Abteilung alle übrigen acht Stunden unterrichtet werden. Es ist nicht einzusehen, warum gerade unsere Eandbevölkerung, deren Nachwuchs jahrelang vernachlässigt wurde, nur in zwei Jahren 480 Stunden geistig betreut wird, während die übrige Jugend des Kreises die doppelte Anzahl, nämlich 960 Stunden, geschult wird. Dieses offensichtliche Unrecht kann durch einen Kreistagsbeschluß auf Grund des § 4 Abs. l des Berufsschulgesetzes vom 3. März 1952 korrigiert werden. Durch diese Maßnahme erwachsen kaum oder nur geringe Kosten, da sich lediglich die landwirtschaftlichen Klassen, die in ihrer Frequenz weit unter den gewerblichen und kaufmännischen liegen, mit dem dritten Jahrgang mit jeweils nur wenigen Schülern erweitern. Unter- bis Oberstufe werden in einer Klasse zusammengefaßt und nicht, wie in den übrigen Abteilungen, wegen der großen Klassenstärke getrennt unterrichtet. Auch bei der Landwirtschaft gabeln sich die Fächer in fachkundliche und allgemein-theoretische.

Der kaufmännische Zweig der Berufsschule kennt folgende Fächer: Betriebslehre, Schriftverkehr, kaufm. Rechnen, Buchführung, Verkaufskunde, Warenkunde, Verwaltungskunde, Wirtschaftsgeographie, Religion und Deutsch.

Die Handelsschule unterrichtet in folgenden Fächern:

Betriebslehre, Schriftverkehr, kaufm. Rechnen, Buchführung, Deutsch, -Französisch, Englisch, Wirtschaftsgeographie, Warenkunde, P. Gemeinschaftskunde, Religionslehre, Kurzschrift, Maschinenschreiben, Plakatschrift.

Bei den Schülerinnen kommen hinzu die Fächer: Gesundheitspflege, Nadelarbeit und Hauswirtschaft.

Das Abgangszeugnis unserer Handelsschule berechtigt zu den üblichen Laufbahnen der sogenannten früheren mittleren Reife.

Die Handelsschule ist heute für die Wirtschaft unseres Kreises ein bedeutender Faktor zur Heranbildung seines Nachwuchses geworden.

Das Handwerk unterstützt nach wie vor die Bemühungen der Schule und der Kreisinnungsverband versäumt nicht, in allen Innungsversammlungen immer wieder darauf hinzuweisen, daß der Schulbesuch regelmäßig zu erfolgen habe und nur in äußerst dringenden Fällen vor dem Unterricht eine Beurlaubung zu beantragen sei. Hierbei darf erwähnt werden, daß seit einigen Jahren auch der finanzielle Zuschuß des Handwerks zu den Einrichtungen der Schule nicht unbedeutend war und wesentlich zur Bereicherung unserer Lehr- und Lernmittel beigetragen hat.

So darf zum Schluß gesagt werden, daß unsere Kreisberufsschule im Regierungsbezirk an Umfang eine der größten ist. Auch ihr Leistungsstand darf sich mit den Berufsschulen der Städte vergleichen, selbst wenn die Raumverhältnisse im Gegensatz zu unseren Nachbarschulen so bescheiden sind, daß eine fruchtbare Schularbeit nur unter äußersten körperlichen und seelischen Anstrengungen von Lehrern und Schülern möglich ist.

Die Kreisverwaltung plant den Neubau einer Berufsschule, der zum dringendsten Anliegen unserer Kreisaufgaben gehört. Wenn es gelingen sollte, im Schuljahr 1953-54 einen Neubau zu erstellen, so darf die größte Schule des Kreises mit ihren fast 4000 Schülern in Ahrweiler nach zwanzig Jahren seit ihrer Gründung im Jahre 1935 und nach zehn Jahren des Wiederaufbaues nach dem zweiten "Weltkriege ein eigenes Heim beziehen.

Möge unsere Wirtschaft die energischen Bemühungen unseres Herrn Landrats Urbanus mit allen Mitteln unterstützen, damit dieses so notwendige Bauvorhaben gelinge zum Segen unserer werktätigen Jugend und ihrer Arbeit in Handwerk, Handel, Industrie, Haus- und Landwirtschaft des Kreises Ahrweiler.