Westtor in Heimersheim/Ahr
Foto: Schneider, Remagen

HEIMWEH

Ob wohl die Berge noch stehn
Herum um den lieben Ort,
Und die Stürme vorübergehn
Wie an stillem Port?

Ob die Blumen im Fenster noch blühn
Das ganze, lange Jahr,
Ob die Wiesen noch frisch und grün
Und der Fluß so klar?

Ob die Kinder noch auf den Gassen
Spielen und still dann stehn
Und sich an den Händen fassen
und nach meinem Fenster sehn?

Ob noch die Wäscherinnen
Pochen und singen am Teiche,
Ob die Sonne noch blinkt überm Linnen
Auf blendender Bleiche?

Ob sie vom Felde noch kommen,
Müde an Hand und Fuß?
Es läutet — sie beten mit frommem
Munde den Angelus.

Wird mich noch einer lachen
So freundlich an?
Wie zu alten, vertragenen Sachen
Gehör' ich, vergessener Mann. —

Ich meine, ich schritte wieder
Durchs alte, umwachsene Tor.
Und eins meiner liebsten Lieder
Tönt mir ins Ohr. — —

Es hüllt der Mond und die Nacht
Das Dorf in Silberschein.
Ich hob' nur geträumt, nur gedacht,
Ich bin weit — es kann nicht sein.

Ernst Thrasolt

Der Dichter Ernst Thrasolt (Pseudonym für Matthias Tressel), geb. 1878 in Beurig a. d. Saar, Kaplan in Heimersheim, Pfarrer in Heeg bei Morbach, später als Schriftsteller und Dichter in Berlin, schrieb die geistlichen Gedichte „De profundis" und „Witterungen der Seele", sowie „Stille Menschen, Gedichte aus Natur und Leben".

Der Dichter schrieb das Gedicht in Erinnerung an Heimersheim und seine dortige Kaplanszeit in den Jahren 1899—1906. Innerhalb der im Aufbau befindlichen Reihe „Rheinisches Schrifttum" bereitet der Are-verlag-Ahrweiler eine Auswahl der Gedichte von Ernst Thrasolt mit einem Lebensbild des Dichters vor, für die Dr. W Ottendorff-Simrock verantwortlich zeichnet.