JAKOB RAUSCH

Kaiser und Könige auf NONNENWERTH

Das sagenumwobene Eiland Nonnenwerth, von dem durch Sage und Dichtung verherrlichten Drachenfels mit der Drachenburg und dem Rodderberg mit dem Rolandsbogen umgeben, strahlt aber auch im hellen Glänze, wenn wir es geschichtlich betrachten.

Ein König, eine Kaiserin und zwei Kaiser haben die Insel mit ihrem Besuch beehrt. Im Jahre 1338 besuchte der englische König Eduard III. die Insel. Im Kampfe Englands gegen Frankreich nahm Eduard III. 1337 den Namen und später auch das Wappen des Königs von Frankreich an. Weil seine schöne, aber sehr leichtfertige Mutter Isabella eine Tochter des französischen Königs Philipp des Schönen war, erhob er Anspruch auf den französischen Königsthron gegen König Philipp von Valois.

Die deutschen Herzöge von Brabant und Geldern, der Markgraf von Jülich und der Erzbischof von Köln traten auf Eduards Seite. Noch wichtiger war, daß der deutsche Kaiser Ludwig der Bayer sich mit England verbündete. Ludwig der Bayer haßte den französischen König, da dieser die Aussöhnung des deutschen Kaisers mit dem in Avignon lebenden Papste hintertrieb.

Auf einem Reichstag zu Koblenz am 3. September wurde das Band Eduards mit Ludwig weltkundig. Auf offenem Marktplatz vor St. Castor saß der Kaiser auf einem 12 Fuß hohen Thron, Zepter und Reichsadler in seiner Hand. Auf einem niedrigeren Throne saß der König von England. Deutsche und englische Krieger, etwa 7000 Mann, umstanden den Thron. Zuerst wurden die Beschlüsse des Reichstages von Frankfurt zur Wahrung der Krone gegen die Ansprüche des Papstes verlesen. Dann erhob sich Eduard III. und erhob Klage gegen Philipp von Valois, der ihm nicht nur die französischen Besitzungen, sondern auch die französische Königskrone entrissen habe, und bat den deutschen Kaiser um Schutz und Hilfe. Der Kaiser nahm die Klage als begründet an, versprach Eduard Hilfe und ernannte ihn zum Reichsvicar in den deutschen Ländern links des Rheines. Hat so der Besuch des englischen Königs in Koblenz eine hochpolitische Aufgabe zu lösen, so kommt dem Besuch auf Nonnenwerth eine hohe musische und romantische Bedeutung zu. Auf der Heimreise von Koblenz, also im September 1338, wohnte der Kaiser zwei Tage als Gast auf der Insel. Hier erschien der benachbarte rheinische Adel, um dem hohen ausländischen Gast zu huldigen. Dann zog der König rheinauf-wärts und wohnte einige Tage in Sinzig. Nun richteten im geheimen die benachbarten Adelsgeschlechter ein Sängerfest zu Ehren des königlichen Gastes. So erschien, von Sinzig kommerd, Eduard III. zum zweiten Male auf der Insel. Hier sangen rheinische Troubadours und Minnesänger von „Lenz und Liebe, von seliger, goldener Zeit, von Freiheit, Männerwürde, von Treu und Redlichkeit". Es war das letzte große Treffen der aussterbenden Sänger und Troubadours, das vom Abendsonnenschein einer versinkenden Zeit vergoldet wurde. Es war die Zeit des aussterbenden Rittertums.

Kaiser Maximilian, der letzte Ritter genannt, besuchte im Jahre 1503 die Insel. Die zehnjährige Fehde der Böcke und Wölfe (1468—78) hatte die rheinischen Lande, besonders das Erzstift Köln, sehr verwüstet. Da Karl der Kühne, Herzog von Burgund, den Böcken zu Hilfe kam, entstand der Burgundische Krieg. Burgundische Söldnerheere plünderten unsere Heimat aus. So wurde auch das Kloster Nonnenwerth von den Burgundern sehr heimgesucht. Der Burgundische Krieg schloß bekanntlich vor den Toren des belagerten Neuß mit einem günstigen Vergleich: Karl der Kühne zieht mit seinen Truppen aus den rheinischen Landen. Maximilian, der deutsche Kaisersohn, erhält die Erbtochter Maria von Burgund als Braut und wird somit Erbe von Burgund. Als der Kaiser Maximilian im Jahre 1503 im Rheinland weilte, besuchte er auch die Insel Nonnenwerth. Bei diesem Besuche beschenkte er das Kloster reichlich, um es für die Unbill zu entschädigen, die einst die burgundischen Kriegsheere seines Schwiegervaters Karl des Kühnen dem Kloster vor 25 Jahren zugefügt hatten. Das war eine gute Tat des edlen Kaisers, eine Wiedergutmachung nach fünfundzwanzig Jahren.

Geradezu für das weitere Schicksal des Klosters bestimmend war der Besuch des Kaisers Napoleon. Am 12. September 1809 kam die Kaiserin Josephine durchs Rheintal. Beim Anblick des Klosters war sie so entzückt, daß sie der Insel und dem Kloster einen Besuch abstattete. Sie übernachtete auf der Insel. Da trugen die Nonnen ihre Klagen vor: Durch kaiserliches Dekret sollten alle Klöster aufgehoben werden. Da gab die Kaiserin den Schwestern den Rat, den Kaiser, der zwei Tage später von Bonn nach Koblenz reise, persönlich um Gnade und Schonung für das Kloster zu bitten. Dies geschah in folgender Weise: Zwei Tage später stellten sich alle Schwestern in Reih und Glied an der linksrheinischen Landstraße auf. Als der kaiserliche Zug nahte, trat die Klostervorsteherin vor, begrüßte den Kaiser untertänigst und trug in formvollendetem Französisch ihre Herzensbitte vor. Der Kaiser lächelte huldvoll. Dann überreichte die Bittende dem Herrscher das schriftliche Bittgesuch. Der Kaiser nahm das Schriftstück zu sich, und durch Dekret vom 30. Oktober 1804 bestimmte er nicht nur, daß das Kloster bestehen bleiben solle, sondern schenkte dem Konvent auch die ganze Insel. So entging dieses Kloster durch kaiserliche Hand dem Klostersturme, dem u. a. das berühmte Zisterzienserkloster Heisterbach im Siebengebirge und das Kloster Marienthal im Ahrtale zum Opfer fielen. Natürlich alterte der Konvent und starb allmählich aus, da ja in dieser klosterfeindlichen Zeit jeder Nachwuchs fehlte. Deshalb verpachtete der preußische Staat das Kloster 1823 an einen Herrn Sommer, der dort eine Gaststätte, ähnlich wie auf dem Drachenfels, errichtete. Jedoch hat auf diesem säkularisierten Kloster, das nun zu einer Gastwirtschaft geworden war, kein geschäftlicher Segen geruht. Im Jahre 1846 verkaufte der preußische Staat das Kloster und die Insel für 29000 Taler an den Elisabetherinnen-Orden, der dort ein Hospital und Pensionat errichtete. Aber schon im nächsten Jahr übernahmen adelige Frauen die Erziehungsanstalt, an der auch Luise Henzel mitwirkte. 1853 kamen Ursulinen aus Würzburg, die 1854 durch Franziskanerinnen ersetzt wurden, auf die Insel. Diese unterhalten heute noch auf dieser romantischen Insel eine blühende höhere Schule mit Pensionat.