DIE MARIENEURG, VON WESTEN
Foto: H. v. d. Piepen

Das Wirken des Deutschen Ritterordens in Ost- und Westpreußen

VON HEINRICH O. OLBRICH

In der Nähe des Deutschen Ecks in Koblenz erhebt sich das wiederhergestellte Deutschherrenhaus, von dem aus die Deutschritter im 13. Jahrhundert nach West- und Ostpreußen zogen, um hier das große Christianisierungswerk zu beginnen.

Der Deutsche Ritterorden war in Palästina zum Schütze der deutschen Kreuzfahrer und zur Pflege ihrer Kranken und Verwundeten gegründet worden. Er nahm nur Ritter und Geistliche deutscher Herkunft in seine Reihen auf und erfreute sich bald bei Päpsten und Kaisern lebhafter Förderung. In allen Teilen Deutschlands wurden ihm Dörfer, Güter und Kapellen übereignet. Ihre Erträge und Einkünfte boten dem Orden die Grundlage für seine großangelegten Unternehmungen im deutschen Osten. Der Thüringer Hermann von Salza war nicht der erste, aber der tüchtigste aller Hochmeister, Er wies dem Orden Ziel und Weg zu wellgeschichtlicher Bedeutung. Dos Weichselland blieb lange Jahrhunhunderte der äußerste Pfeiler der germanischen Stellung in Nordosteuropa. Der Hochmeister verlegte in Erkenntnis der hohen Bedeutung der Weichsellinie das Haupthaus des Ordens im Jahre 1310 nach der Marienburg. Als Vorposten des Christianisierungswerkes dienten die Klöster Oliva seit 1178 und Zuckau seit 1200 und die Errichtung der deutschen Marktsiedlung an der Mottlau, einem Mündungsarm der Weichsel, aus der um 1240 die Stadt Danzig erwachsen ist. Der deutsche Kaiser Friedrich M. aus dem Geschlecht der Hohenstaufen sicherte dem Orden seinen Schutz zu, erklärte den Hochmeister zum Reichsfürsten und wies seiner Herrschaft alles Land zu, das er im Kampfe für den christlichen Glauben gewinnen würde. Der einstige Besucher unserer Provinzen Ost- und Westpreußen konnte bereits nach kurzem Aufenthalt erkennen, daß sich in diesem Land eine Gemeinschaft von bestimmter Eigenart und Prägung entwickelt hat, die ihre wertvollen Kulturgüter nicht nur nach Gesamtdeutschland, sondern weit darüber hinaus ausstrahlte. Machtvoll offenbarte sich der schaffende Geist der glaubenseifrigen Ritter, der nachgezogenen arbeitslustigen Bauern, der erfindungsreichen Handwerker und wagemutigen Kaufleute in den Ordenslanden seit der Christianisierung in seinen gewaltigen Burgen, schönen Städten und schmucken Dörfern. Sie waren gleichzeitig Künder bis in die jüngste Zeit dafür, wie der dortige deutsche Mensch der Vergangenheit zu wirken und zu leben gesonnen war.

Ritterorden, Bischöfe, Klöster, Bürger und Bauern haben in gleichzeitigem Zusammenwirken dieses Land geformt, welches die Seele Ostpreußens und seiner schaffenden Menschen im Bild der Vergangenheit widerspiegelte.

Die Prachtbauten, wie die Marienburg mit dem einzig dastehenden Sommerremter, die Marienkirche in Danzig, der Dom in Marienwerder, das Rathaus in Thorn, das Schloß zu Heilsberg, der Dom zu Frauenburg, die Burg von Königsberg und viele andere Bauten aus der Ordensund Hansezeit in Stadt und Land haben seit jeher den Ehrenplatz in der deutschen Kunst- und Kulturgeschichte behalten. Neben den gewaltigen Bauwerken des Ritterordens erstanden die blühenden Städte mit den lieblich anmutenden Laubengängen der Marktplätze wie in Marienburg, Marienwerder, Friedland, Gollup und Wormditt, die bis in die Gegenwart erhalten waren. Das ganze Land war von blühenden Dörfern besetzt, welche nach der Ordnung des Ritterordens angelegt waren. In einem rund 200 Jahre dauernden Aufbau von 1230—1410 hat es der Ritterorden vermocht, dem ganzen Land dieses einzigartige geschlossene Gepräge zu verleihen, wie wir es in den anderen Landschaften unseres Vaterlandes kaum anzutreffen vermögen. Und nun zurück zu unserem Deutschherrenhaus in Koblenz, dem Sitz des Landesausgleichsamtes. Einst zogen von hier, wie wir eingangs gehört haben, die Deutschritter in die Ostseeprovinzen hinaus und nahmen Bauern, Handwerker und Kaufleute aus unserer westdeutschen Heimat mit. Heute werden in dem einstigen Stammhaus der Deutschherren die Sorgen und Nöte der Kindes-Kindeskinder jener Auswanderer zum großen Teil behoben, die 1945/46 aus Ost- und Westpreußen vertrieben worden sind. Das Deutschherrenhaus erhielt so nach Jahrhunderten wieder die Mission der Ostdeutschen.