Von den Wand- und Deckenmalereien in der St. Laurentius-Pfarrkirche in Ahrweiler

Von Ferdinand Gies

Vor sechzehn Jahren, zu Weihnachten 1939, erschien aus der Feder unseres Hochw. Herrn Pfarrers und Dechanten Rausch ein Führer: „Die Pfarrkirche von Ahrweiler", welche in späteren Jahren eine Neuauflage erhielt. In diesem Büchlein wird in leicht faßlicher Darstellung und von vielen und guten fotografischen Darstellungen illustriert, in vier Abschnitten Baugeschichte, Baubeschreibung, Inneneinrichtung und Wandmalereien an Hand der von den Fachleuten niedergelegten Gutachten beschrieben bzw. wiedergegeben. Und da sich diese Beschreibungen und Urteile vornehmlich auf eine Autorität wie Professor Clemen, den seinerzeit angesehendsten Kunstgelehrten des Rheinlandes stützten, ist dem nichts mehr hinzuzufügen. Wenn ich daher noch etwas über die Wand= und Deckenmalereien in unserer Pfarrkirche schreiben soll, so können dies nur persönliche Erinnerungen an ihre Entdeckung und Auffrischung sein, da ich zur Zeit der Ausbesserungsarbeiten durch die Maurer vom damaligen Kirchenvorstand beauftragt war, darauf zu achten, daß nicht etwa Gemälde oder Ornamente dem Maurerhammer zum Opfer fielen. Daß es mir hierbei gelang, einen hl. Petrus (von letzterem Gemälde war bereits der untere Teil abgehauen) sowie die Deckenmalereien zum größten Teil freizulegen, sei nebenbei erwähnt. Am diesjährigen letzten Adventssonntag sind 52 Jahre verflossen, seitdem nach einer gründlichen Restauration unserer Pfarrkirche im Innern die Pfarrgemeinde in ihr wiederhergestelltes Gotteshaus einziehen konnte. Da nämlich für die Arbeiten die Gewölbe der Kirche vollständig eingerüstet werden mußten, der Fußboden einen neuen Plattenbelag erhielt, die Kirchenbänke bis auf die Kopfstücke erneuert wurden, die Kommunionbank behufs Bemalung entfernt wurde, so mußte der Gottesdienst seit der Woche nach Fronleichnam im Saale des Kolpinghauses stattfinden. Weil dieser Raum jedoch, zumal sonntags, die Gläubigen nicht zu fassen vermochte und daher das gesamte kirchliche Leben naturgemäß leiden mußte, so ist das von dem damaligen Pfarrherrn, dem längst in Gott ruhenden, bei der älteren Generation aber unvergessenen Dechanten Spurzem, beim Einzug angestimmte „Te Deum laudamus" diesem sowohl als auch seinen Pfarrkindern gewiß aus vollem Herzen erklungen.

Jeder Heimatkundige weiß, daß an den beiden schwärzesten Tagen der Geschichte unseres Heimatstädtchens, dem 1. und 2. Mai 1689, dasselbe infolge Kriegseinwirkung bis auf zehn Häuser durch Feuer zerstört wurde, dem auch Dach und Turmheim unserer Pfarrkirche sowie die gesamte Inneneinrichtung zum Opfer fielen.

Wandgemälde St. Martinus
Photo :
Pfarrarchiv Ahrweiler

Die bei der Restauration zu Tage tretenden geschwärzten Wände und Gewölbedecken, namentlich unter den Emporen, verrieten noch deutlich den Umfang der damaligen Verwüstung. Es lag daher nahe, daß man nach dem Brande versuchte, dem Innern der Kirche baldmöglichst wieder ein würdiges Aussehen zu geben, und so erhielten die Gewölbe und Wände im Jahre 1701, noch bevor die Mittel zu einem neuen Dache aufgebracht werden konnten, eine Kalktünche, die Rippen und Gurte einen grauschwarzen Anstrich mit weißen Abtrennungen, wobei auch die reichen Wand= und Deckenmalereien, teils vielleicht aus Zeitersparnis, teils auch aus Unverstand und weil diese Malereien durch Jen Brand stark beschädigt waren, kurzerhand mit übertüncht wurden. Diese Anstriche wiederholten sich in der Folgezeit noch .läufig, zuletzt Mitte der 7oer Jahre vergangenen Jahrhunderts, wobei man sogar die Pfeiler mit einer mehrmaligen Ölfarbenschicht in steinbrauner Farbe überzog. Das Jahr 1903 sah nun eine vollkommene Umarbeitung des Innern der Kirche oder vielmehr eine Wiederherstellung in ihren früheren Zustand. Fachleute hatten wiederholt darauf hingewiesen, daß die Brüstungsgitter auf den Emporen späteren Ursprungs und dieselben wahrscheinlich an die Stelle von Mauerwerk getreten seien. Eine Untersuchung der darunter liegenden Wandflächen förderte Farbflecke zu Tage, und so entdeckte man zunächst an der Nordseite im ersten Zwickelfeld nächst der Orgel ein größeres Gemälde, das jüngste Gericht darstellend, an dem jedoch der obere Teil, meist nur die Köpfe der Figuren, fehlte. Die Richtigkeit der oben erwähnten Ansicht der Fachleute war damit bewiesen. Kenner bezeichneten das Wandgemälde nach seiner vollständigen Freilegung als „zwar nicht von einem erstrangigen, aber doch respektabelen Meister" stammend, in der drastischen Auffassung, wie wir sie von dem Stefan Lochnerschen Tafelgemälde im Wallraf=Richards=Museum Köln her kennen. Der Meister unseres Bildes hat sich hier von der stilistischen Manieriertheit seiner Zeit etwas freigemacht und seine Figuren naturwahr, flott und beweglich hingeworfen, was vor der Restaurierung noch mehr in Erscheinung trat. Von manchen interessanten Einzelheiten ist die eine bemerkenswert, daß ein aus dem Grabe Erstandener den ihn angreifenden Teufel mit dem hierorts gebräuchlichen Acker= und Weinbergsgerät, dem „Kaasch", abwehrt. Während nun der Zwickel auf der rechten Seite des Bildes durch einen den Höllendrachen symbolisierenden Kopf eines Ungeheuers fast vollkommen ausgefüllt ist, stößt links ohne Rücksicht auf die Symmetrie die Darstellung einer Heiligen (St. Lucia) in das größere Gemälde, ebenso wie im Felde nebenan eine hl. Elisabeth, hier noch besonders als Stiftung gekennzeichnet durch die davor knienden Figuren der Stifter. Dieses Feld, dessen Malereien wie die übrigen im Anschluß an das vorhergehende entdeckt wurden, ist gedreiteilt und weist in der Mitte ein gotisches Ornament mit Himmelszeichen auf, während die beiden Seitenflächen Bilder aus dem Leben des Kirchenpatrons, des hl. Laurentius, zeigen, links, wer dem Präfekten von Rom die Schätze der Kirche, die Armen und Krüppel, zeigt, rechts sein Begräbnis. Bemerkenswert sind hier, namentlich an der Figur des Präfekten (in sitzender Stellung) wie auch an Figuren der Kopfwand, die malerischen mittelalterlichen Trachten; im übrigen ist hier augenscheinlich nicht derselbe Meister des zuerst bezeichneten Bildes tätig gewesen. Eigenartig ist auch die malerische Ausschmückung der Kopfwand an der Nordempore, denn sie weist in einem zusammenhängen den Bild Darstellungen verschiedener Art, nämlich Begebenheiten aus dem Leben Johannes des Täufers sowie das Schweißtuch der hl. Veronika und einer Maria Verkündigung auf. Sollte es sich hier um einzelne Stifter oder vielmehr Stifterinnen gehandelt haben, da diese Seite der Kirche ja früher die Frauenseite war? Kommen wir nun zu den ältesten Darstellungen des ganzen Bilderzyklus, im Felde zunächst dem nordwestlichen Seitenausgang unter der Empore. Die Ansichten der Kenner, welchem von beiden die Fläche schmückenden Gemälde in Bezug auf das Alter der Vorrang zu geben ist, gehen auseinander. Während Prof. Dr. Irsch (Heimatkalender 1926), der sich wieder auf die Autorität Prof. Clemen stützt, die Dreifaltigkeitsdarstellung als das älteste Bild bezeichnet, behaupten andere, darunter der Wiederhersteller, Maler Bardenhewer, dasselbe auch bezüglich der Kreuzigungsgruppe und verlegen ihre Entstehung in das 14. Jahrhundert. Kurz vor dem letzten Kriege wurde im Chor der Severinskirche in Köln eine gleiche Darstellung entdeckt, welche, abgesehen von einer Übermalung in der Barockzeit, eine überraschende Ähnlichkeit mit der unsrigen aufwies und auch in ihren Einzelheiten, namentlich hinsichtlich der Haltung der Hände bei den Seitenfiguren, fast völlig übereinstimmt, hier wie dort auch der durch Sternchen belebte Hintergrund. Das Alter des Kölner Gemäldes wurde gleichfalls in die oben erwähnte Zeit verlegt. Prof. Irsch bezeichnet in seinem vorerwähnten Aufsatz das Dreifaltigkeitsbild, ein sogenannter Gnadenstuhl, als imposant. Wir begegnen einer gleichen Art der Komposition auch in Dürers Randzeichnungen mit dem Unterschied, daß auf unserem Bilde Gottvater eine dreifache Krone trägt, umgeben von sieben, die Gaben des Hl. Geistes versinnbildenden Tauben. Des weiteren zählt der obige, kunstgelehrte Verfasser des äußerst wertvollen Beitrages zum Heimatkalender 1926, dem Alter nach geordnet, noch folgende Darstellungen auf: einen hl. Martinus an der Nordwand (gleichfalls mit Sternenhintergrund) und Bischof Severin am nördlichen Turmpfeiler, ferner die schon erwähnten Darstellungen der hl. Lucia und hl. Elisabeth, eine hl. Apollonia und eine hl. Ursula unter der Nordempore (letztere am Turmpfeiler); unter der gegenüberliegenden Empore eine Reihe von Heiligenfiguren am Seiteneingang und einen hl. Petrus über der gleichen Empore. Als jüngstes Werk bezeichnet er eine Taufe Christi an der Südwand, in der sich schon „die aus Flandern hereingebrochene Realistik unverkennbar zeigt".

Hier sind auch die ornamentalen Malereien zu erwähnen, die die Gewölbe in den Zwickeln, über den Kapitellen wie um die Schlußsteine und als Rosetten in der Mitte die Felder dekorieren. Durch den Umstand, daß die Kirche etwa dreißig Jahre lang ohne Dach blieb, stürzte ein Teil der Gewölbedecken im Laufe der Jahre ein, nur im Joch über der Orgel, weil durch den Turm geschützt, und unter den Emporen, blieben sie fast vollkommen erhalten. Die vorhandenen Ornamente brauchten daher bei der Restauration nur ein wenig aufgefrischt zu werden, dagegen waren dieselben in den drei Schiffen größtenteils zu ergänzen bzw. zu erneuern, welche Arbeiten durch den Verfasser dieser Zeilen im Verein mit dessen Bruder unter Aufsicht von Prof. Clemen ausgeführt wurden. Es fand sich, daß die Decke unter der Empcre nächst dem Südportal zuerst eine Dekoration erhielt, weil diese Ornamente wie auch die über der Orgel rein gotisch sind, während die weiteren unter den Emporen bereits der Renaissance oder doch der spätgotischen Zeit angehören. Der ausführende Meister hat die hierbei verwendeten Blumen= und Früchtemotive der heimischen Pflanzenwelt entnommen. Interessant sind auch an und um den Schlußsteinen einige Fratzen und Dämone, wie man sie in gotischen Malereien häufig findet, eine segnende Hand aus den Wolken u. a. Auch die wiederhergestellte Begrenzung und Einteilung der Gewölberippen und Gurte mit roten Strichen hatten sich als ursprünglich vorhanden erwiesen.

Das Innere unserer Kirche muß vor dem Jahre 1689 einen noch weit imposanteren Eindruck gemacht haben als heute; denn gelegentlich der Wiederherstellung 1903 bekundete ein älterer Bürger, daß wenigstens die Seitenchöre reichen malerischen Schmuck getragen hätten. In den 6oer Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte man zwecks Ausführung einer dekorativen Malerei die obere Farbschicht entfernt und darunter eine größere Anzahl von Gemälden entdeckt. Als der betreffende Bürger jedoch am folgenden Tage sich dieselben etwas näher ansehen wollte, fand er die ganze Putzschicht entfernt, um einem neuen Putz Platz zu machen. Weitere Spuren früherer Malerei en fanden sich in mehreren Wandflächen der Nord= und Südseite, waren jedoch zum größten Teil zugeputzt und daher nicht wiederherzustellen. Die weiteren, heute vorhandenen Malereien an der Orgelbühne, Südempore und in den Chören sind im Anschluß an die Restauration der allen, und zwar einige Jahre später, entstanden und schließen sich dem Stil wie der Ausführung nach diesen an.

Zum Schluß sei noch etwas über die beiden Tafelgemälde gesagt, welche ehedem den 1874 abgebrochenen Barock=Hochaltar abwechselnd als Altarbilder zierten und jetzt ihren Platz im Hauptchor über dem Chorgestühl gefunden haben. Das Dreifaltigkeitsbild an der Epistelseite ist allerdings später entstanden und ein Werk des zeitweise in Ahrweiler bei seiner Familie wohnenden Dr. Franz Hubert Müller, Galeriedirektor in Darmstadt und Vater der beiden Brüder Karl und Andreas Müller, welche im Verein mit den Professoren Deger und Ittenbach, alle der sogenannten Nazarener=Schu!e angehörend, die Fresken in der Apollinariskirche zu Remagen ausführten. Diese Malerschüler der Nazarener wohnten oft in dem Müller=Fechnerschen Hause vor dem Niedertore, das heute dem Bäckermeister Heinrichs gehört. Die Kritik hat das Gemälde in Zeichnung als „großartig", jedoch in Farbe „schwach" beurteilt, womit wohl das Richtige getroffen sein mag. Die im unteren Teil des Bildes angebrachte Landschaft stellt Ahrweiler dar, nicht streng der Wirklichkeit entsprechend, sondern malerisch aufgefaßt mit den Kuppen der Landskrone und des Neuenahrer Berges im Hintergrund.

Das gegenüber befindliche Gemälde ist jedoch wahrscheinlich gleichzeitig mit der Errichtung des Barockaltars nach Ahrweiler gekommen. Es weist unverkennbar die Merkmale der Rubensschule auf: Realistische Auffassung, sichere Beherrschung der Anatomie des menschlichen Körpers, namentlich in perspektivischer Darstellung (Verkürzung). Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist das Gemälde daher dem flämischen Meister Cornelius Schut (1597—1655) zuzuschreiben, der vielleicht ein Schüler Rubens, sicher aber von ihm beeinflußt war. Das Antwerpener Museum birgt ein Werk von ihm, gleichfalls ein Martyrium, das des hl. Georg, darstellend, welches mit dem unsrigen ganz nahe Verwandtschaft hat. Die Haltung der Hauptperson, des hl. Märtyrers, die Schergen, das Götzenbild, der Baldachin, das im Vordergrund liegende Häufchen Kleider, der herabschwebende Engel mit der Siegespalme und als besonderes Merkmal noch einen Hund, alles dies haben beide Bilder in gleicher Weise erfaßt und empfunden, gemeinsam. Leider wurde unser Gemälde im Lauf der Zeiten schlecht übermall, vielleicht mehrfach, nach meiner Kenntnis bestimmt in den 6oer Jahren vergangenen Jahrhunderts, und damit verdorben. Hier wäre wohl ein Fachmann um Rat zu fragen, ob sich eine Restauration lohnen würde, um damit ein an sich wertvolles Gemälde noch wertvoller zu machen. Wie bereits eingangs erwähnt, wollen die vorstehenden Ausführungen keine Kunstkritik darstellen, sie wollen eher schon ein Versuch sein, etwas zur Geschichte der Malereien in unserer Pfarrkirche beizutragen, wollen vor allem darauf hinweisen, daß trotz schlimmer Verwüstungen und dem Unverstand früherer Zeiten doch noch so manches gerettet werden konnte, was uns den frommen Sinn unserer Vorfahren, ihren Schönheitssinn und ihren Opfersinn vor Augen führt.

Ferdinand Gies

Im Jahrbuch 1957 des Kreises Ahrweiler würdigte E. K. Plachner das Leben und das Wirken des Ahrweiler Ehrenbürgers Ferdinand Gies. Im Herbst 1957 entriß der Tod dem unermüdlichen Greise Pinsel und Feder. In seinem vorstehenden „Schwanengesang" über die Wandgemälde in der Pfarrkirche zu Ahrweiler offenbart sich das Wesen des edlen Toten. Er liebte die Kunst und beherrschte sie in der Praxis und in der Theorie. Kunst und Kunde bildeten in ihm eine organische Einheit.

Ein starkes heimatliches Wurzelgefühl gab ihm Ansporn und Kraft, die Heimat zu erforschen, zu erkennen und zu lieben; seine plastischen Darstellungen aus dem ehemaligen Volksleben seiner geliebter Vaterstadt sind charakteristische Bilder aus der guten alten Zeit.

Seine Heimatliebe blieb aber nicht nur bei der irdischen Heimat stehen. In seinem klaren Wesen herrschte eine tiefe Wertschau mit einer richtigen Werthierarchie. Seine echte Heimatliebe zeigte ihm den Weg zur ewigen Heimat, wo er nun die ewigen Werte des Wahren, Guten und Schönen, durch= und überstrahlt von dem Heiligen und Göttlichen, in vollendeter Klarheit schaut und erlebt.