Toleranz wird die Völker vereinen

VON HERMANN COMES

Immer, wenn ein neues Schiff die Schiffswerft Oberwinter zum Stapellauf verläßt, prangt das Werftgelände im Flaggenschmuck, hallen donnernd die Böller und drängen sich die Gäste um den „Täufling", der dann in einer Feierstunde seinen Namen erhält. Jahraus, jahrein wird er ihn auf seinen Fahrten tragen, künden von guter Planung und Werkmannarbeit, die ihn werden ließen. Nach altem Brauch wird dem neuen Schiff „in Gottes Namen allzeit gute Fahrt, allzeit gute Ladung und stets eine Handbreit Wasser unter dem Kiel" als Taufspruch mit auf den Weg gegeben.

Hier sei die Rede von dem Stapellauf eines Schiffes Anfang Dezember 1960, das eine holländische Reederei in Auftrag gegeben hat. Taufpatin war die 12jährige Tochter eines der drei Reeder, die Brüder sind. Mit einer gewinnenden Herzlichkeit sagte sie den Festgästen den Willkommensgruß und gab ihrer Freude darüber Ausdruck, mit ihren Angehörigen im schönen und gastfreundlichen Oberwinter zu Gast sein zu dürfen. Eleganz, Schönheit und Stärke des Schiffes zeigten, daß Mutter Schiffswerft und Vater Rhein auf dieses Taufkind stolz sein könnten.

Foto: Vollrath

Sie taufte es auf den Namen „Tolerantje". Der Name des Schiffes war der Anlaß zu einem Gespräch zwischen Leonhard van Maaren, dem Mitinhaber der Reederei, und einem Reporter. Dabei wies er betont darauf hin, daß dieser Name nicht unüberlegt gewählt worden war. Dies sei das zweite Schiff, das die Reeder in Deutschland bauen ließen, dessen Volk sie schätzen gelernt hätten. Gewiß sei Deutschland aus wirtschaftlichen Gründen ein wichtiges Hinterland. Aber bei der Namensgebung habe es sich um mehr gehandelt. Ei sagte: „Es ist meine Hoffnung, daß der Name dieses Schiffes — die 'Toleranz — von allen Völkern geübt, werde, denn dann wird das Leben für alle erträglich sein!" Es War auch der besondere Wunsch der holländischen Reederei, daß als Ausdruck der europäischen Verbundenheit der Flaggenwechsel erst gegenüber dem Bundeshaus vorgenommen wurde. Die Worte des Reeders aber fanden sichtbaren Ausdruck am Flaggenmast: hier flatterten die Flaggen aller Rhein=Anliegerstaaten bei dieser Jungfernfahrt im Wind.

Daß diese Toleranz immer geübt werden möge, ist unser aller sehnlichster Wunsch. Oben wir sie aber zunächst in dem Kreis, in den wir hineingestellt sind. Wir alle aber sind stolz darauf, daß auch die „Tolerantje", stromauf -und stromab fahrend, zugleich Zeugnis gibt von der Leistungsfähigkeit eines Betriebes unseres Ahrkreises.

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