Sterbende Eifelmühlen

VON JOSEF SCHEPPE

Die Eifeler Wassermühlen hatten in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg ihre letzte große Zeit. Als nach Einführung der D-Mark sich die wirtschaftlichen Verhältnisse rasch besserten, gingen die Mahlaufträge in den Mühlen zurück. Viele kleine Eifelmühlen kamen zum Erliegen, andere waren gezwungen, den Mahlbetrieb einzuschränken. Sucht man nach Gründen für diese rückläufige Entwicklung, so kann man den großen Wandel nicht übersehen, der sich in der bäuerlichen Familie bereits zu Anfang der fünfziger Jahre zu vollziehen begann, die völlig neue Erscheinung nämlich, daß der Dorfbäcker das Brot ins Haus lieferte. Doch, bevor wir auf diesen Gegenstand näher eingehen, wollen wir uns noch einmal kurz der Zeiten erinnern, da das Leben im Eifeldorf noch gemächlich in altüberkommenen Formen verlief. Darin nahmen Mühle, Backhaus und Brot einen bedeutenden Platz ein. Verfasser erinnert sich noch gut an die Zeit vor dem ersten Weltkrieg, da der Müller, meistens in drei- bis vierwöchigem Turnus, den Wagen mit prallen Mehlsäcken beladen, in die Dörfer zur Kundschaft fuhr. In dem einen Haus lud er einen Sack mit einfachem Roggenmehl, dazu ein Säckchen Kleie ab, in dem anderen vielleicht einen Sack mit etwas hellerem Mehl, das aus Mischelfrucht (Roggen und Weizen) gemahlen war. Ab und zu waren in der Ladung auch Säcke mit Hafermehl und Hafergrütze enthalten; denn zu damaliger Zeit war der Haferbrei in der Eifel noch vereinzelt ein geschätztes Nahrungsmittel. In der kalten Jahreszeit erhielt der vom Müller abgestellte Mehlsack einen warmen Platz in der Stube. Wenn das Mehl die nötige Wärme hatte, bereitete die Mutter den nötigen Sauerteig mit gegorenen Teigresten zu. In der Rhein- und Hocheifel, wo sich fast in jedem älteren Bauernhaus ein Backofen befindet, konnte die Backzeit beliebig festgesetzt werden. Anders war es in der östlichen Ahr- und in der westlichen Vulkaneifel, wo die Gemeinschaftsbackhäuser in den Dörfern die Regel waren. Dort trafen sich die Backlustigen an einem vorher bestimmten Tag und zu bestimmter Stunde zusammen, um die Backfolge auszulosen.

Der Dichter Jakob Kneip hat diesen Vorgang stimmungsvoll in Verse gekleidet:

So war es früher, so ist es noch heut: Montags früh, im Avegeläut, Kommen sie, Bauer und Bäuerin, Treten ein in die Backhaushalle,

Und zum heiligernsten Beginn Spricht der Älteste das Gebet, Wie es von alters her geschrieben steht; Mischt dann die Lose und jeder im Kreis Greift in die Urne und wählt seinen Tag, Daß er zu ordnen und richten weiß, Wann er sein Brot sich backen mag.

Als der Dichter diese Verse schrieb, konnte er nicht ahnen, daß ein so ehrwürdiger, in dem bäuerlichen Leben der Eifelbevölkerung tief verwurzelter Brauch jemals dahinschwinden würde. Doch wie bald haben sich mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und dem technischen Fortschritt der verflossenen Jahre die Verhältnisse auf dem Lande geändert. Die Abwanderung vieler Bauernsöhne und -töchter in die Stadt oder in andere Berufe bewirkte, daß die Arbeitskräfte knapp wurden. Damit wuchs die Last der zu Hause Gebliebenen. Besonders hatte es die Hausfrau schwer, denn selten war noch eine Hilfe vorhanden, die ihr bei der häuslichen Arbeit und den sonstigen in der bäuerlichen Wirtschaft der Hausfrau zufallenden Aufgaben zur Seite gestanden hätte. So mußte nach jeder Richtung hin auf Erleichterung gesonnen werden. Hierunter fiel auch der Abschied von dem alten Brauch, das Brot für die eigene Familie selbst zu backen. Diese altehrwürdige Tätigkeit wurde nun immer seltener ausgeübt. Und wo sich noch ein Muldentisch in der Stube befand, mußte er bald seinen alten Standort aufgeben. So fiel unversehens und rascher, als man es sich je hätte denken können, das alte bäuerliche Kulturgut, das fast zu Ruhm gelangte Eifeler Bauernbrot, dem Fortschritt zum Opfer.

Diese Entwicklung hat dazu beigetragen, daß auch im Aremberger Land die kleinen Wassermühlen bald zum Erliegen kamen. Nur die' neuere, mit Turbinen ausgestattete Mühle in Antweiler hat noch vollauf zu tun. Daneben ist auch die alte Nohner Bannmühle noch verhältnismäßig gut beschäftigt. Die Mühlen an den kleinen Wasserläufen in den Seitentälern der Ahr hatten es schon in früherer Zeit schwer, ihre Existenz zu behaupten. Erfahrungsgemäß sind diese Bäche im Sommer schon „nach dem ersten Grasschnitt" trocken. Dann mußte das Getreide an eine Ahrmühle gefahren werden, um dort gegen Abgabe des halben Mahllohnes vermahlen zu werden. Wie beschwerlich und zeitraubend war dies besonders für die Müller im Armuthsbachtal, wenn sie in der Erntezeit die weite Fahrt über Wershofen zur Fuchshofener Mühle machen mußten. Was Wunder, daß in diesen Mühlen unter den veränderten Verhältnissen die Wasserräder bald ruhten.

So wird die Zeit nicht fern sein, da das Mühlrad nur noch als ein Gegenstand romantischer Betrachtung in den Dienst der Fremdenwerbung gestellt sein wird.

Das unaufhaltsame Hinschwinden der Mühlen läßt es wert erscheinen, den derzeitigen Besitzstand festzuhalten; auch die längst nicht mehr bestehenden Mühlen im Amte Antweiler sind in der folgenden Übersicht enthalten.

Verzeichnis der Mühlen im Amte Antweiler

Bezeichnung der Mühle  Letzter Besitzer  Gewässer  Zahl der Wasserräder?
ober-, unter-
schlächtig
 
a) Was wurde gemahlen?
b) Sägegatter
angeschlossen?
 Betriebsstand
Ehemals vorhandene, nicht mehr bestehende Mühlen
Müscher Mühle Prämassing Ahr
Mandermühle unbekannt Trierbach
 Dreisbachmühle  Weber Dreisbach
 Daubiansmühle  Biskulm Armuthsbach
 Gegenwärtiger Mühlenbestand
Antweiler Mühle Gillig Ahr Turbine Roggen, Weizen, Schrot Vollbetrieb
Dorseler Mühle Klasen Ahr 3, unterschl. wie oben und Spelzschälen liegt still
Nohner Mühle  Blumenthal Ahbach 2, oberschl. a) wie oben
b) ja
Vollbetrieb
Kirmutscheider Mühle Kettel Trierbach 1, oberschl.
Turbine
a) wie oben
b) nein
liegt still
Kottenborner Mühle Koll Wirftbach Turbine a) wie oben
b) nein
stark eingeschränkt
Barweiler Mühle Müller Wirftbach 1, oberschl. a) wie oben
b) nein
wie vor
Mühle Stappen Stappen Wirftbach 3, oberschl. a) wie oben
b) ja
wie vor
Dreimüllerhof
Hümmeler Mühle
Weber Armuthsbach 2, oberschl. a) wie oben
b) nein
liegt still
Wennefelder Mühle Schneider Armuthsbach 2, oberschl. a) wie oben
b) nein
liegt still

DIE ANTWEILER MÜHLE
(Ahr)

Die Mühle steht am Südrand des Dorfes, im Ortsteil Hütte, wo das Mittelalter hindurch eine Eisenschneidmühle gestanden hat. Wie letztere gehörte auch die im Jahre 1685 errichtete Getreidemühle dem Herzog von Aremberg. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ging die Mühle in Privatbesitz über. Sie hatte zwei unterschlächtige Wasserräder. 1913 wurde die alte Mühle abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Eine Turbine wurde eingebaut und zur Versorgung des Ortes Antweiler mit elektrischem Strom wurde ein Elektrizitätswerk errichtet. 1g28 brannte die Mühle ab, ist im gleichen Jahre wieder aufgebaut worden. Seit 1892 ist sie im Besitz der Familie Gillig.

DIE DORSELER MÜHLE
(Ahr)

Das Baujahr der Mühle geht auf die Mitte des 17. Jahrhunderts zurück. Wie die Mühle in Antweiler, gehörte auch sie dem Herzog von Aremberg. Das äußere Mauerwerk des alten Mühlenhauses steht noch. Die Mühle hatte früher drei unterschlächtige Wasserräder. Der dritte Mahlgang, angeblich der einzige Fall unter den Eifelmühlen, diente dem Spelzschälen. 1953 wurden die Wasserräder durch eine Turbine ersetzt. Die aufgewendeten Kosten waren umsonst, denn die Mühle kam bald zum Erliegen. Seit 1892 ist sie im Besitz der Familie Klasen. Neben der Mühle steht ein Wohnhaus neueren Datums.

DIE KIRMUTSCHEIDER MÜHLE
(Trierbach)

Die unweit der Pfarrkirche von Kirmutscheid gestandene Mühle kann man zu den ältesten im Amtsbezirk Antweiler rechnen. Um 1830 ist ein Johann Adam Claus Eigentümer. Infolge Verschuldung ging sie „mit allem Grundbesitz" in das Eigentum des Müllers Blumenthal, Nohnermühle, über. Später folgen Johann Müller, Peter Marx und Peter Kettel bis zu ihrer Stillegung im Jahre 1957 Die Mühle hatte ein oberschlächtiges Wasserrad, das 1927 durch eine Keßturbine ersetzt wurde. 19'3o brannten Mühle und Wohnhaus ab. Neuerrichtet durch Gerhard Kettel.

Wennefeldermühle im Armuthsbachtal bei Wershofen

DIE KOTTENBORNER MÜHLE
(Wirftbach)

Mühle und Wohnhaus sind alter Fachwerkbau ohne Jahreszahl. Sie hatte ein oberschlächtiges Wasserrad, später eine Turbine. Häufig herrschte Wassernot. Gegenwärtig wird nur sehr wenig gemahlen und geschrotet. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist sie im Besitz der Familie Koll, vorher Kaifenheim, Adenau.

DIE BARWEILER MÜHLE
(Wirftbach)

Vermutlich wurde sie 1811 von Theodor Maas als Ölmühle erbaut. 1855 wird Johann Müller Besitzer und erweitert die Mühle zur Getreidemühle. Bei nur einem oberschlächtigen Wasserrad war der Mahlbetrieb äußerst gering, fast nur noch Futterschrat. - „Das Öl diente damals nicht nur Nahrungszwekken, es war auch Lichtspender. Bei diesem Licht wurde bis in die späten Abendstunden gesponnen und gesungen." (Peter Stappen).

DIE HÜMMELER MÜHLE
(Armuthsbach)

Drei Generationen hindurch, bis zu ihrem Erliegen im Jahre 1953, war die Mühle im Besitz der Familie Weber, zuletzt Egidius Weber. Das Baujahr ist nicht zu ermitteln, es dürfte auf das 18. Jahrhundert zurückgehen. Die Mühle hatte zwei oberschlächtige Räder.

DIE WENNEFELDER MÜHLE
(Armuthsbach)

Sie liegt etwa 1 1/2 km unterhalb der Hümmeler Mühle, wie diese in sehr reizvoller Tallandschaft. 1878 von Peter Schneider erbaut, hatte sie zwei oberschlächtige Wasserräder. Heutiger Besitzer ist Peter Josef Schneider. Die Wasserräder ruhen seit 1955. Häufiger Wassermangel und weite Fahrten zu einer Ahrmühle machten Berufsausübung hier besonders schwer.

MÜHLE STAPPEN AUF DREIMÜLLERHOF
(Wirftbach)

Matthias Stappen baute die Mühle 19o8. Zunächst war an die Auswertung der Wasserkraft zur Stromerzeugung gedacht; außer für Licht, das Dreschen, Schroten und Sägen wurde sie zur Getreidemühle ausgebaut, als durch den Bahnbau die Müscher Mühle verschwand. Ein Wasserrad der Müscher Mühle wurde übernommen. Drei Mahlgänge mit oberschlächtigen Wasserrädern ergaben hohe Leistung. Es wurde auch für den Handel gemahlen. Gegenwärtig ist nur noch geringer Mahlbetrieb. Derzeitiger Besitzer ist Peter Stappen.

DIE KURTRIERISCHE BANNMÜHLE ZU NOHN

Unter den Mühlen des Amtes Antweiler kann man die Nohner Mühle, die einmal eine kurtrierische Bannmühle war, zu den historisch interessantesten zählen. Die Bedeutung dieser Mühle ist besonders eng an die Namen derer geknüpft, die sie in den bewegten Jahrzehnten des ausgehenden 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts betrieben: Johann Christoph Blumenthal und, dessen Erbe antretend, sein Sohn Thomas Blumenthal.

Die Mühle liegt im oberen Ahbachtal, etwa 200 Meter nordwestlich der von Nohn in den Dauner Raum führenden Kreisstraße. Von einem hochgeschichteten Kalkmergelfelsen flankiert, schließt sie das von der Ahr sich ausbreitende Tal fast ab. Ursprünglich hat hier nur die Mühle gestanden. Der Müller wohnte in Nohn; so auch Johann Christoph Blumenthal, bis er im Jahre 1778 in das der Mühle angebaute Wohnhaus einziehen durfte, das heute noch von seinen Nachkommen bewohnt wird. Man sieht es dem Hause an, daß sein kurtrierischer Bauherr nicht knauserig war. Es ist ein geräumiger Bruchsteinbau mit Schieferwalmdach. Die massiven Wirtschaftsgebäude schließen sich nach fränkischer Anordnung dem Wohnhaus an.

Nohner Mühle
Foto: H. Esch

Dem Besucher öffnet sich die schwere Haustür aus Eichenholz. Sie ist geziert mit wechselvollen, eingegrabenen Linien und Nägeln sowie einem Ringklopfer. Über dem Hauseingang lesen wir die Jahreszahl 1778. Die offene Küche ist modern ausgestattet. Hier möchte man noch den offenen Kamin sehen, darunter den sägeblattartigen Kesselhalter mit dem eisernen Topf. In früheren Zeiten hat wohl an der Seitenwand des Backofens auch die „Döppebank" gestanden, auf der die irdenen Schüsseln und zinnenen Teller ihren Platz hatten. Eine schöne breite Wendeltreppe führt in die oberen Räume. Die noch vorhandenen alten Türen und eingebauten Schränke haben einheitliche Verzierungen. Die alte Kastenuhr mit dem Messingzifferblatt ist noch vorhanden. Sie ist ein Bild der Beständigkeit; geht sie doch heute noch trotz ihres Alters auf die Minute genau. Bei Übernahme der Mühle war es für J. Chr. Blumenthal ein glücklicher Beginn. Er hatte einen großen Kundenkreis . und brachte es zu mäßigem Wohlstand. Die ihm von seinem hohen Trierer Herrn auferlegten Abgaben waren wohl nicht allzu drükkend. So steht in dem unter dem 7. September 1784 ausgefertigten und von Kurfürst Clemens Wenzeslaus eigenhändig unterschriebenem Erblehnsbrief: „Daß wir auf unterthänigstes Ansuchen des Johann Christoph Blumenthal unsere und des Erzstifts Bannmühle zu Nohn demselben aufs neue zur Erbleihe gnädigst überlassen haben . . . Sodann hat er Erbbeständer alle Jahre sieben Malter Korn Dauner Maaß dortigen unserer Kellnerei in gut lieferhaftiger Frucht, nebst zwei Florin in Geld und drei Sester Breimehl zu entrichten . . ." In einem alten Zeitungsausschnitt, der sich 'unter den Familienpapieren befindet, sind die Preise von abteilichen Gefällen des Erzstiftes Trier im Jahre 1790 angegeben:

Korn 4 Taler 27 Albus das Malter, Weizen 5 Taler 27 Albus das Malter, Hafer 4 Floriner. 1 Reichstaler (trierisch) gleich 54 Albus, 1 Albus gleich 8 Pfg.

Im Jahre 1794 wurde einer glücklichen Friedenszeit durch den Einmarsch der Franzosen ein jähes Ende bereitet. Dieser Umbruch stellte auch den Bannmüller Blumenthai vor eine neue Situation. Das kurtrierische Lehnsverhältnis war hinfällig geworden. Der Müller wird seine Mühle bald durch Kauf vom französischen Staat in sein Eigentum gebracht haben. Leider findet sich unter den Familienakten nichts, was Auskunft über die Geschehnisse in dieser Zeit geben könnte.

Mit der Auflösung des trierischen Amtes Daun im Jahre 1798 wurde die Mühle mit den Dörfern Nohn, Dankerath, Senscheid und Trierscheid der neueingerichteten Bürgermeisterei Aremberg zugeteilt.

Die Hochwasserkatastrophe im Jahre 1804 fügte der Mühle erheblichen Schaden zu. Ihr Standort in einer engen Schlucht mag bewirkt haben, daß die Wassermassen sich stauten und mit umso größerer Wucht zu Tal strömten. Wohnhaus und Stallungen standen tief unter Wässer, und letztere wurden zum Teil fortgerissen.

Indessen wuchs der Sohn Thomas heran. Er war ein schreibgewandter und für die damalige Zeit überdurchschnittlich geschulter Mann. Das geht auch aus einer noch vorhandenen Urkunde hervor, wonach er „durch das Vertrauen seiner Obrigkeit zu einer oberen Stelle in der Bürgermiliz des General-Gouvernements vom Nieder- und Mittelrhein berufen" und „Kraft dieses" zum Oberlieutenant ernannt wird. Die Ernennung ist ausgefertigt unter dem 6. April 18-15 und von dem General-Gouverneurs-Kommissär des Rhein- und Mosel-Departements unterzeichnet. Es handelt sich hier um die kurze Zwischenperiode nach dem Abzug der Franzosen und dem Übergang an Preußen. Wir finden von Thomas Blumenthai auf der ersten Seite eines sachkundig angelegten Kontobuches folgende Eintragung: „Bei der Theilung unter den Erben des verlebten Christoph Blumenthai von Nohner Mühle, am 10. März

1825 sind mir, Thomas Blumenthal, nachstehende Debitoren (= Schuldnern) zu Theilgefallen." Es folgt nun ein Register mit ausstehenden Forderungen, deren älteste auf das Jahr 1787 zurückgeht, andere nur um weniges später. Es sind keine großen Schuldbeträge, aber sie werfen doch ein Licht auf die Not der Zeit: Andererseits mag das Alter der Forderungen dartun, daß der Gläubiger ein nachsichtiger Mann war. Aber Thomas führte nicht nur gewissenhaft Buch über Soll und Haben seiner Schuldner; auf einer der letzten Seiten seines Kontobuches finden wir folgende Eintragung (Datum verwischt, vermutlich April 1819) : „Bin ich Thomas Blumenthai von der Nohner Mühle mit Catharina Claus Tochter des Johann Claus und Elisabetha geborenen Ant, wohnhaft in Nohn, in den HL. Stand der Ehe eingetreten."

Es folgen sodann Jahr um Jahr die Namen der ihm geborenen Kinder mit Taufpaten, beginnend mit dem 7. Mai 182o, endend mit dem 14. Kinde am 28. August 1838. Sein am 19. Mai 1832 geborener Sohn Matthias wurde später Besitzer der Mühe.

Das Jahr 1831 ist für die Vermögensverhältnisse der Müllerfamilie von weittragender Bedeutung. Thomas, Heinrich und Maria Eva setzten „in Gemeinschaft mit Josef Gießen von Ahrdorf in die Berliner Lotterie . . . „Wir haben den Nummer 62817, dieses 1/4 Los hat im Jahr 1831 gewonnen 5961 Thaler 24 Sgr. 2 Pfg."

Nun wächst das Kontobuch rasch an. Viele kleinen Leute setzten ihre Hoffnung auf den Müller Thomas. Aber auch Kirchen wurden beliehen; alles „gegen gehörige Abellation". Die Zinsen betrugen meistens 5 Prozent. Unter den Schuldnern waren auch Gutsbesitzer aus der Umgebung, deren Namen heute noch Klang haben.

So hinterließ Blumenthal seinen Kindern ein für die damalige Zeit sehr beachtliches Vermögen. Diese Realteilung war jedoch dem Zusammenhalt nicht günstig. Sein Sohn Matthias wurde gemäß dessen eigenem Vermerk im „Geburtsregister" am 1. Mai 1863 Besitzer des Stammhauses. Er setzte die Aufzeichnungen seines Vaters nicht fort. Gegenwärtig betreibt Hans Blumenthal als Vertreter der 6. Generation die Mühle mit Sägewerk, indessen die 7. Generation heranwächst. In der Nacht zum x. Mai 1959 ist die Mühle zum zweiten Male von einem starken Hochwasser heimgesucht worden. Die Wassermassen stürmten so gewaltig heran, daß sie die zur Mühle führende Brücke abdrückten. Die damals errichtete Behelfsbrücke wurde letzthin durch eine Eisenbetonbrücke ersetzt. Die Mühle gehört zu den wenigen, die noch vollbeschäftigt sind. Wie vor Jahrhunderten fließen die schnellen Wasser des Ahbaches vom rauschenden Wehr her durch einen Zulaufgraben auf die Mühlräder und lassen sie auch in trockener Jahreszeit nicht stillestehen.

Ein kleiner Ring
Begrenzt unser Leben,
Und viele Geschlechter
Reihen sie dauernd
An ihres Daseins
Unendliche Kette.

(GOETHE)