Der Gemeindewald ist nicht mehr die Sparkasse des Dorfes

Der Wald muß bewirtschaftet werden - Er hat auch eine Sozialfunktion

VON DR. EUGEN KAUFMANN

Unsere Überschrift beinhaltet eine doppelte Aussage. Erstens: „Der Wald muß bewirtschaftet werden" mit der Betonung auf „muß": zweitens: Der Wald muß „bewirtschaftet", nicht bloß verwaltet Werden.

Die derzeitige Holzmarktlage ist hinlänglich bekannt, da sie in der Tagespresse und in Fachzeitschriften zur Genüge diskutiert wurde. Bei steigenden Werbungskosten — worunter nicht bloß die oft sauer verdienten Hauerlöhne zu verstehen sind — hat das Überangebot durch Windwurf und die stagnierende Nachfrage infolge der Kreditverteuerung in der Gesamtwirtschaft zu erheblichen Preisrückgängen geführt. Besonders in den Gemeindevertretungen bat in den vergangenen Monaten diese Situation landauf — landab zu. lebhaften Diskussionen, zum Teil zu irrigen Folgerungen und abwegigen Forderungen geführt.

Abholzen?

In manchen Gemeinden dauert die schlechte Ertragslage der Forstwirtschaft schon Jahre lang an. Es könnte daraus zwar der Schluß gezogen werden, daß es -wirtschaftlich besser wäre, den Wald nach und nach abzuholzen und nicht wieder aufzuforsten oder die Bestände nicht mehr zu pflegen und verwildern zu lassen.

Natur und Kultur

Ein nicht mehr gepflegter und langsam verwildernder Wald würde zwar seine Funktion im Haushalt der Natur als Wasserspeicher und Luftreiniger nach wie vor erfüllen, doch das Bild unserer Landschaft wäre gestört, denn nicht die Naturlandschaft, sondern die von Menschenhand gepflegte Kulturlandschaft erfreut die Menschen aus Stadt und Land. Ein verkümmerndes Gebüsch und wüstes Gestrüpp kann dem während der ganzen Woche in Asphalt, Beton, Lärm und Dunst eingesperrten Menschen sicher nicht die so notwendige Erholungsstätte bieten.

Gefahr der Erosion

Wenn aber gar die öffentlichen Waldungen langsam abgeholzt und wegen Unrentabilität nicht wieder aufgeforstet werden sollten, so würden unsere Berge und Hänge — wie andernorts schon vor Jahrhunderten — durch Wind- und Wassererosion verkarsten und das flache Land versteppen.

Der Wald muß also nicht bloß wegen der Schönheit der Landschaft und als Erholungsgebiet gepflegt werden, er muß selbst bei negativer Ertragslage aus volkswirtschaftlichen Gründen und Gründen der Volksgesundheit weiter bewirtschaftet werden.

„Wald für alle"

Die genannte Wohlfahrtswirkung liefert der gepflegte Wald als Nebenprodukt. Wenn nun aber der Wirtschaftszweig in seiner Hauptproduktion Holz in vielen Fällen wirtschaftlich uninteressant geworden ist, seine Bewirtschaftung aber wegen des Nebenproduktes für die Bevölkerung und die Wirtschaft unabdingbar notwendig ist, dann müßte man doch daraus folgern, daß die Allgemeinheit auch zur Erhaltung des Waldes beitragen muß. Die Wohlfahrtswirkungen des Waldes wollen wir deshalb richtig die Sozialfunktion des Waldes nennen, dabei soll das Wort sozial seinen ureigensten Sinn ausdrücken, hier also Gcmeinschaf tsfunktion des Waldes.

Wir wollen die Sozialfunktion des Waldes keineswegs übermäßig betonen, sondern wir sind der Meinung, daß der Wald nicht bloß verwaltet werden darf, sondern bewirtschaftet werden muß.

Rentabilität notwendig

Wer in der verfahrenen Situation der Holzwirtschaft jetzt allein in der Sozialfunktion des Waldes seinen Ausweg sieht, gibt damit zugleich die Bankrotterklärung für die Forstwirtschaft ab. Oberstes Ziel allen Wirtschaftern im Walde ist und bleibt das Streben nach wirtschaftlichen Erfolg. Weil wir also die Waldwirtschaft als wirtschaftliches Unternehmen betrachten, als ein Gewerbe, das nach wirtschaftlichen Grundsätzen betrieben werden muß, halten wir es für richtig, daß alle Nutznießer des Waldes auch an seiner Unterhaltung teilhaben.

Kostenbeteiligung ?

Wo in aller Welt gibt es denn noch im Bereich der Wirtschaft eine solche Erscheinung, daß dem kleinsten Partner und Teilhaber am Ertrag — hier den finanzschwachen Landgemeinden — die Kosten der Produktion allein aufgebürdet werden — nur deswegen, weil sie die Eigentümer sind — während alle anderen — hier die Gcsamtbevölkerung und die Gesamtwirtschaft — nur Nutznießer des Unternehmens sind? Es ist sicher das primitivste Gesetz jeden Wirtschaftens, daß derjenige, der lebensnotwendig am Umtrieb eines wirtschaftlichen Unternehmens interessiert ist, sich auch an den Kosten eines solchen Unternehmens beteiligt. Es geht uns also nicht um staatliche Subventionen — und das noch zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt — sondern um Anerkennung einer Schuldforderung, von der wir allerdings wissen, daß sie heute mangels Masse nicht eingetrieben werden kann.

Marktgerechtes Angebot

Deshalb bleiben uns zur Hilfe und Selbsthilfe wiederum nur wirtschaftliche Überlegungen. Auf dem Markt kann nur verkauft werden, was auf dem Markt gefragt ist. Notwendigerweise wird man also nur die auf dem Holzmarkt

gängige Ware einschlagen. Aber auch nach der Qualität des Angebotes richtet sich die Nachfrage. In der Holzwirtschaft sind handelsübliche Aufarbeitung und Qualität Voraussetzung für jede Verkaufsmöglichkeit. Dabei ist der schnelle Umsatz nicht bloß ein Gebot der knappen Finanzlage der Gemeinden, sondern schon eine Forderung wirtschaftlichen Denkens überhaupt. Hinzukommt, daß ein Holzangebot nur in geschlossenen Schlägen von Interesse ist. Ein marktgerechtes Verhalten in der Produktion ist nur mit Stammarbeitern möglich, denen auch der Arbeitsplatz gesichert sein muß. Jeder Betriebsführer und insbesondere jeder wendige Förster wird aus diesen wirtschaftlichen Grundforderungen die praktischen Folgerungen für den Forstbetriebsvollzug ableiten können. Die Gemeinden müssen in ihrer Waldwirtschaft jedoch nicht bloß selber besser wirtschaften, sondern vor allem auch sparen.

Gemeinden nicht behindern

In der Forstwirtschaft sind nicht bloß der Preis der Ware, sondern auch der Kostenaufwand in der Produktion durch den Staat gebunden. Während in der Preisgestaltung auf Grund der notwendigen Außenhandelsbeziehungen insbesondere mit dem Osten kaum eine Änderung erwartet werden kann, sollte man die Senkung der Kosten ohne Zögern in Angriff nehmen bzw. die Gemeinden von seifen des Staates nicht daran hindern.

Kapitel „WaldVerwaltung"

Heute stehen die Forstbetriebskosten in keinem gesunden Verhältnis zum wirtschaftlichen Ertrag des Waldes.

Dabei könnten die Betriebskosten beachtlich gesenkt werden, wenn man den Betriebsbeamten die Funktion zuteilen würde, die ihnen auf Grund ihrer Ausbildung und Bezahlung angemessen wäre. Es ist einfach unbegreiflich, warum man ihnen die gebührende Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit vorenthält. Warum sollte ein Oberinspektor oder Amtmann nicht einmal für die sachliche Richtigkeit seiner Angaben oder den Empfang einer Ware laut Rechnung geradestehen können, ohne daß man dafür überflüssigerweise die Unterschrift des Forstamtsleiters braucht?

Die komplizierte Akkordlohn- und Soziallastenberechnung müßte kurzfristig vereinfacht und weitgehend maschinell erledigt werden, denn der Außenbeamte ist kein Lohnbuchhalter.

Mehr Entscheidungsbefugnis

So, wie die derzeitigen Betriebsdienstbezirke (Revierförsterei) bei richtiger Aufgabenzuteilung wenigstens doppelt so groß sein oder noch mehr — nämlich 1200 bis 1400 ha — umfassen könnten, so mußten die Forstamtsbezirke auf etwa 10000 ha aufgestockt werden.

Natürlich müßte dann zuerst eine Durchforstung der heutigen Aufgaben dem Forstamtsleiter wie dem Revierbeamten eine Entlastung bringen.

Die Entscheidungsfreiheit und Verantwortungsfreudigkeit der Forstamtsleiter, die genau so gut

Oberforstmeister sind, mit der gleichen Ausbildung und oft auch der gleichen Berufserfahrung wie die Inspektionsbeamten, muß durch Abbau des überspitzten und kostenaufwendigen Kontrollsystems der Forstinspektion gehoben werden. Wie von dem Revierbeamten wirtschaftliches Denken und eigenverantwortliches Handeln im Revier erwartet werden kann, so sollten die Forstamtsleiter die Wirtschaftspläne ohne Forstinspektion selbst verantwortlich vorlegen und die Forsteinrichtung, und zwar in vereinfachter Form, übernehmen können. Der Wille der Gemeinden, der Revierförster und der staatlichen Forstverwaltung, den Waldbau nach Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit zu betreiben und die Bereitschaft der Allgemeinheit, ihre Zahlungsverpflichtung als Nutznießer des Waldes anzuerkennen, werden uns den schönen deutschen Wald, wie wir ihn heute kennen, auch für die Zukunft erhalten.