Glück des Fliegens am Himmel der Eifel

Aus der Geschichte der Wershofener Segelfliegergruppe

VON HEINZ ZIMMERMANN

Achtzehn Jahre Glück des Segeins über die Höhen der Eifel, Glück des Startens und Landens über Wiesen und Weiden, Glück des Schwebens über Heimat und Ferne! Wer sich die nahe und weite Welt von oben ansieht, überblickt sie, überschaut sie in ihrem Ausmaß. Er sieht also mehr, als wenn er drunten auf Wegen und Pfaden wandert; er gewinnt einen größeren Gesichtskreis.

Kleinere Gruppen von Segelfliegern haben sich in unserer Landschaft an der Ahr und in der Eifel gefunden, und sie sind einer wahrhaft schönen Sache verschworen. Sie nennen sie „Maschinen", obwohl sie keinen Antrieb haben. Nein, ein Segelflugzeug wird hochgetragen vom Gummiseil oder der Motorwinde, dann aber hilft dem Segelflieger nichts mehr als sein fliegerisches Können, seine Kenntnisse der Aerodynamik — und ein wenig Glück.

Wershofener Flugpioniere

Eine der ersten Segelfliegergruppen im Ahr-kreis war die von Wershofen. Wie es kam, weiß keiner. Da hatte vor 18 Jahren in sechs jungen Leuten (Otto Betzner, Alfred Müller, Herbert Müller t, Erich Müller, Josef Raths und Karl Brenner) der Wunsch gezündet, zu fliegen. Und das hatte sein gutes Recht, denn hier oben ist ein gutes Flugwetter, die Landschaft ist ideal und wechselreich und verlangt gediegenes Fliegen. Die Gruppe fand sich 1952 zusammen. Sie kam aus dem Sportverein. Als dessen Vorsit-?,ender Peter Müller diese Fliegerfreude wachsen sah, förderte er sie und ebnete ihr den Weg.

Schreinermeister Heinrich Syberg stellte Handwerkszeug zur Verfügung, und in der Turnhalle begann unter Leitung von Karl Brenner die Arbeit für das erste Flugzeug.

Vom Leichten zum Schweren

Der erste Segler hieß „Storch". Er war einfach und leicht konstruiert, denn die „ABC-Segler" mußten lernen, den Steuerknüppel zu bedienen, die Aufwinde aufzuspüren und die hochempfindliche Maschine recht zu lösen und zu landen. Da waren die Jungen im Element, sie freuten sich, es den Vögeln gleichzutun, und sie erinnern sich des Ikarus, der es verstand, in den Lüften des Altertums zu fliegen.

Dann kam der „Specht"

Das ist nun schon eine doppelsitzige Maschine für Fluglehrer und Flugschüler. Konnte man mit dem „Storch" noch keine großen Sprünge machen, so entstand hier nun ein Segelflugzeug von besseren, wenn auch gedrosselten Flugeigenschaften. Der „Eifelsegler" (Typ „Specht") hat die verhältnismäßig niedrige Gleitzahl von i : 19. Das heißt, mit diesem Typ sollen keine waghalsigen Kunstflüge geflogen werden, sondern er ist aerodynamisch „gutmütig", das heißt, die Ruderausschläge sind verzögert, weil ein Segelflieger erst das Fingerspitzengefühl finden muß fürs Fliegen. Mit dem „Specht" fliegt der Fluglehrer mit. Die Gleitzahl von -l : 19 heißt, daß dieses Flugzeug in 100 m noch 19 km gleiten kann, bevor es zur Erde kommt.

Seilwinde mit Motor

1954 wurde eine Motor-Seilwinde mit einem Drahtschleppseil von 1100 Meter Länge angeschafft. Ein Ford-V-8-Motor war die Seele der Winde. Dadurch wurde ein geregelter Flugbetrieb erreicht. Ein Drittel der Startseillänge wird gleich — wenn es vonnöten ist — in Flughöhe umgesetzt- das sind bis 450 m Flughöhe. Und je höher die Starthöhe, um so günstiger ist es für den Segler, sich Aufwinde zu suchen. Sie bestimmen Flughöhe und Flugweite.

Wershofen — Segelfliegerei
Foto: H. Esch

1955 entstand auf dem „Gröne Wesem" — zwischen Wershofen und Ohlenhard — eine Halle von 18 x 12 m Ausmaß im Geviert. Sie bot den beiden Seglern eine solide Unterkunft, die nun einmal diese wertvollen Maschinen verlangen.

„Spatz" — ein Leistungseinsitzer

1955 schenkten sich die Jungen von Wershofen einen Leistungssegler „Spatz". Hatte der „Storch" eine Fluggeschwindigkeit von 50 bis 60 km, so konnte der „Spatz" 170 km pro Stunde segeln. Wer hätte von den Laien gedacht, daß dieser Einsitzer es damals einem Stirling Moss auf dem „Nürburgring" gleichgetan hätte.

Noch größere Leistungen

1957/58 beginnt eine grundlegende Umstellung im Flugzeugpark. Die Jungen bringen besondere Opfer an Zeit und Geld, sie wollen einsteigen in den Wettbewerb mit den „Großen" des Segelflugsportes. Der Doppelsitzer „K-7-Röhn-Schwalbe" wird wiederum in eigener Regie gebaut. Mit ihm werden dreistellige Flugstrecken-Kilometer zurückgelegt. Man spricht allenthalben über die fliegerischen Leistungen der Jugend aus dem Eifeldorf. 1960/61 erhält die „K-7" einen Bruder „K-8", der als Ersatz für den verkauften „Spatz" als Ubungseinsitzer dient.

„K-6" - ein Weltmeisterschaftsmodell

1962 gesellt sich zu der „K-8" und „K-7" das Weltmeisterschaftsmodell „K-6". Mit dem gleichen Typ hat Heinz Huth 1960 für die Bundesrepublik die Weltmeisterchaft gewonnen. Die Gleitzahl der Maschine ist 30. Da kann so viel nicht geschehen, wenn einer sie nicht gerade zum Herabsteigen auf den Kopf stellt. Das geringste Sinken der Maschine liegt bei 80 Stundenkilometern im Bereich von 65 Zentimetern. Funksprechausrüstung und vollständige Instrumentierung zeigen ein Höchstmaß von technischer Vollkommenheit. 3500 Arbeitstunden lassen den Fleiß Wershofener Jungen und ihrer Freunde aus dem Ahrkreis ins rechte Licht rücken.

Eigentlich 14 000 Mark

Kann man ein Segelflugzeug kaufen? Selbstverständlich! Man legt für „K-6" 14000 DM auf den Tisch, und man bekommt ihn geliefert. Aber wie könnten die Jungen aus Wers-hofen diese Summe aufbringen? — Sie sind eine Gruppe, eine Zunft, die technisches Können mit handwerklichem Fleiß verbindet. Und da ist es eben möglich, aus 14 ooo DM eine geringere Summe zu machen. Das nennt man Eigenleistung!

Großes Ziel: die „Silber-C"

Karl Brenner, der Leiter der Wershofener Segler, macht sich zum Sprecher aller Flugkameraden, wenn er sagt: „Bei uns soll jedes aktive Mitglied fliegen lernen. Wer oben ist, kann bleiben, solange er kann und Glück mit thermischen Aufwinden hat." Damit zeichnen sich die Erfolge als individuelle Leistungen ab, verständlich genug, die Auszeichnungen „Silber-C" bzw. „Gold-C" (mit Diamanten) als krönenden Abschluß zu werten. Wie kommt man an „Gold", wie kommt man an „Silber"? Der Leistungsflug beginnt mit der ersten Stufe: „Silber-C". Hier müssen i. ein Höhengewinn von 1000 m aus eigener Kraft nach dem Ausklinken, 2. ein Uberland-flug von mindestens 50 km Luftlinie und 3. ein Fünf-Stunden-Flug erzielt werden. Bei der zweiten Stufe („Gold-C") wird der Strek-kenflug auf 300 km und der Höhengewinn auf 3 km ausgedehnt. Will der Segelflieger seine Leistungen mit dem „Gold-C" und Diamanten krönen, dann sind noch folgende Bedingungen zu erfüllen: a. Zielstrecke von 300 km (Wershofen—Paris) zurücklegen, 2. 300-km-Dreiecksflug (Wershofen — Wetzlar— Sobernheim/Nahe) ausführen, 3. Strek-kenflug von 500 km erledigen, 5000 m Höhengewinn erreichen. Drei von diesen vier Bedingungen sind zu erfüllen, um drei Diamanten zum „Gold-C" zu erlangen.

Acht Stunden Flugzeit

Von den Wershofener Jungen wurden beachtliche Leistungen erzielt: Werner Bodenheim hält mit acht Stunden den Dauerflugrekord. Fluglehrer G. Müller bewältigte mit einem Flug von 454 km nach Frankreich die weiteste Flugstrecke.

Weitere Erfolge

1963 wurde Fluglehrer G. Müller in Saarbrücken Landesmeister im Segelflug von Rheinland-Pfalz. Als Höhepunkt in der Vereinsgeschichte gilt die Teilnahme an den Deutschen Segelflugmeisterschaften 1964 in Roth bei Nürnberg, wobei sich die Eifelseg-ler mit der Spitzenklasse der Segelflieger aus der Bundesrepublik messen mußten. Fürwahr eine Bestätigung des fliegerischen Könnens der Wershofener und ihrer Kameraden aus dem Ahrgebiet.

1965/66 wird die Startzahl auf 1500 erhöht. Der Motorsegler vom Typ „Krähe" wird in die Schweiz verkauft und dafür ein Doppelsitzer Typ „Falke" für die Schulung und Ausbildung des Nachwuchses angeschafft.

Für „K-7" eine „ASK 13"

1967 wurde der zehn Jahre alte Schuldoppelsitzer „K-7" durch ein neues, modernes Schulflugzeug vom Typ „ASK-13" abgelöst. Die Startzahl erreicht die Rekordhöhe von 2083. Das Fluggelände erhält eine befestigte Startbahn. Mit zwei Mannschaften nimmt die Wershofener Segelfliegergruppe an den Südwestdeutschen Segelflugmeisterschaften erfolgreich teil. Die Flughalle wird um 200 qm vergrößert, eine neuzeitlich ausgerichtete Werkstatt, ein Aufenthaltsraum und ein Ausbildungsraum stehen für die Belange der Segler zur Verfügung.

Die Jugend ist angesprochen

Die Segelflieger sind begehrte Leute, ob bei der Luftwaffe oder in der Verkehrsfliegerei — überall gibt es Möglichkeiten, das einmal Erlernte nutzbringend in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen. Darum gilt die besondere Sorge der Wershofener Segelfliegergruppe der Ausbildung des Nachwuchses. Alle am Segelflugsport interessierten Jugendlichen sind angesprochen, ihr Interesse, ihr Geschick, ihre Talente in der Gemeinschaft von Idealisten zur Entfaltung zu bringen. Natürlich wird hier Zeit und Geld geopfert, dafür ist aber das Fliegen über dem Eifelland der schönste Preis!