Die Fledermäuse des Kreises Ahrweiler

VON H. ROER

Ihrer nächtlichen und dazu sehr versteckten Lebensweise ist es zu verdanken, daß wir über die Fledermäuse der Eifel nur recht lückenhaft unterrichtet sind. Die beiden Naturforscher O. l e
R o i und G ey r  von Schweppenburg geben in ihrem 1908 veröffentlichten „Vorläufigen Verzeichnis der Säugetiere des mittleren Westdeutschlands", das 1914 ergänzt wurde, die Zahl der im Gebiet der Eifel festgestellten Fledermausarten mit 1.1 an. Eine dieser Arten, die Breitfl
ügelfledermaus (Eptesicus serotinus), ist in den letzten Jahrzehnten nicht mehr gefunden worden, während drei neue Arten hinzugekommen sind. Damit setzt sich die Fauna des Eifeler Landes gegenwärtig aus 15 Fledermausarten zusammen. Von ihnen habe ich in den letzten sieben Jahren im Kreise Ahrweiler nachweisen können:

1. Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros),

2. Mausohr (Moytis myotis), 5. Wasserfledermaus (Myotis daubentoni),

4. Bartfledermaus (Myotis mystacinus),

5. Pransenfledermaus (Myotis nattereri),

6. Bechstein-Fledermaus (Myotis bechsteini),

7. Mopsfledermaus (Barbastella barbastel-lus),

8. Braunes Langohr (Plecotus auritus),

9. Graues Langohr (Plecotus austriacus),

10. Abendsegler (Nyctalus noctula).

Mit Ausnahme des Abendseglers, der vorzugsweise in hohlen Bäumen überwintert, verbringen diese Arten die kalte Jahreszeit hauptsächlich in temperaturgeschützten unterirdischen Stollen und Bunkern, bisweilen auch in Kellern, in tiefem Winterschlaf. Dank der darüber hinaus vielerorts anzutreffenden Felsspalten finden die Tiere überall in der Eifel zusagende Winterschlafplätze. Da unsere heimischen Fledermäuse reine Insektenfresser sind, die wegen ihrer Nützlichkeit besonders im Forst unter strengem Naturschutz stehen, sollten wir alles daransetzen, um ihnen diese Verstecke zu erhalten; dies umso mehr, als sie seit einigen Jahrzehnten aus noch nicht restlos geklärten Gründen in starkem Rückgang begriffen sind. Leider geht man in letzter Zeit mehr und mehr dazu über, die Eingänge von Erz-und Schieferstollen aus Sicherheitsgründen zuzumauern oder zu verschütten. Nicht nur, daß dadurch die eingeschlossenen Tiere getötet werden, diese Quartiere sind für die Fledermäuse auch auf unabsehbare Zeit verloren. Als Naturschützer müssen wir daher die verantwortlichen Stellen bitten, diese Eingänge zumindest mit einer kleinen Öffnung zu versehen. Noch besser wäre es freilich, wenn man die Stollen mit einem sogenannten Fledermaus-Gittertor abschließen würde. Dadurch bliebe die Luftzirkulation innerhalb der Stollen erhalten, und die vor dem einbrechenden Winter Schutz suchenden Fledermäuse würden, dem Luftzug folgend, zu frostgeschützten Verstecken geleitet.

Im Sommer suchen wir unsere Fledermäuse vergeblich in diesen unterirdischen Verliesen. Einige Arten haben in Baumhöhlen und hinter Baumrinde, andere in Kirchenböden, alten Häusern oder Mauerspalten Quartier bezogen. Die Weibchen schließen sich zu sogenannten Wochenstubengesellschaften zusammen, d. h. sie suchen gemeinsame Verstecke auf, in denen sie ihr Junges aufziehen. Während dieser Zeit halten sich die Männchen meist einzeln versteckt; erst im Frühherbst, nach Auflösung der Wochenstubenverbände, treffen sie wieder mit ihren Geschlechtspartnern zusammen.

Da die Fledermäuse unserer Heimat sowohl im Sommer als auch im Winter im Gebiet der Eifel geeignete Quartiere vorfinden, besteht für sie keine zwingende Notwendigkeit, große jahreszeitlich gebundene Wanderungen zwischen Winter- und Sommeraufenthaltsorten vorzunehmen.

Nun weisen aber Beobachtungen darauf hin, daß uns in der Eifel auch Fledermäuse begegnen, die hier nicht das ganze Jahr hindurch ansässig sind. Diese Arten, die ihre Hauptverbreitung in der Ebene haben, zieht es alljährlich im Herbst aus beachtlicher Entfernung in das Gebirge zur Überwinterung. Ein Vertreter dieser Gruppe, dem man in der weiteren Umgebung Ahrweilers nicht selten begegnet, scheint die Wasserfledermaus zu sein. In Nordwesteuropa ist sie ein Tier der wasserreichen Ebene. Es ist bemerkenswert, daß die Zahl der Tiere, die man in der Eifel antrifft, von Norden nach Süden schnell abnimmt, und daß Sommerfunde hier bisher gänzlich fehlen. So wurden im Bereich der mittleren Ahr in fünf Kontrollwintern in Decken- und Seitenspalten kleiner Stollen 15 Tiere festgestellt, wohingegen es im nur 20 km südlicher gelegenen Maifeld in vier Beobachtungswintern zwischen 1950 und 1960 nur noch drei waren, und im ganzen Rhein-Main-Lahngebiet in den sieben Wintern 1950-1956 kein einziges Stück mehr, Beobachtungen im nordwestlich der Eifel gelegenen südlimburgischen Raum zeigen uns, daß die dort überwinternden Wasserfledermäuse im Frühjahr von den Gebirgsrändern aus in die holländische Tiefebene abwandern, wobei sie nachweislich mehr als 100 km zurücklegen können. Vielleicht gelingt es uns in absehbarer Zeit, anhand von Wiederfunden beringter Wasserfledermäuse die Wanderwege unserer Eifeler Tiere aufzuklären.

Mit Abstand am häufigsten begegnet uns im Ahrgebiet das Mausohr, mit einer Flügelspannweite von ca. 40 cm einer der größten mitteleuropäischen Handflügler. Noch bietet sich dem Ortskundigen im Sommer die Gelegenheit, Wochenstubengesellschaften anzutreffen, in denen 100 und mehr Weibchen ihre Jungen aufziehen.

 Aber es bedarf dringend wirksamerer Schutzmaßnahmen, damit diese Quartiere erhalten bleiben. Die Mausohrweibchen der Eifel bevorzugen möglichst ungestörte dunkle Dachstühle in Ortschaften, die vor kalten Winden geschützt sind. In drei Wochenstuben des Ahrtales konnten in den letzten Jahren über 1000 Mausohren beringt werden, darunter waren 385 Muttertiere. Die Zahl der von ihnen aufgezogenen Jungen beläuft sich auf über 600. Durch Wiederfunde haben wir feststellen können, daß die Mütter nach der Überwinterung zum Teil Jahr für Jahr dasselbe Territorium wieder aufsuchen. Dabei konnten wir bei einer Weibchenkolonie eine erstaunliche Periodizität bestimmter Lebensgewohnheiten beobachten: Ab März treffen die ersten Altweibchen im Dachboden eines Hauses ein und sammeln sich hier in einem ganz bestimmten Versteck. In den folgenden Wochen treffen weitere Mausohren ein, bis die Gesellschaft ihre endgültige Kopfzahl erreicht hat. Im Juni kommt für die Weibchen die Zeit der Geburt. Jetzt verlassen sie, teilweise mit ihrem Neugeborenen, das sich an einer Zitze der Mutter festhält, diesen Hangplatz und siedeln sich in einem geräumigeren Dachboden des Nachbardorfes an, um hier ihre Jungen aufzuziehen. Ebenso wie der erste Hangplatz nun bis zum nächsten Frühjahr gemieden wird, ist der zweite während der Frühjahrsmonate fledermausfrei.

Über die Winterschlafplätze der an der Ahr ansässigen Mausohrweibchen sind wir bisher noch kaum unterrichtet, weil uns leider von der Bevölkerung nur selten beringte Fledermäuse zurückgemeldet werden. Nur ganz vereinzelne Wiederfunde liegen aus dem Maifeld vor. Von den Jungtieren verbringen einige den ersten Winter in der näheren und weiteren Umgebung ihres Geburtsortes. Möglicherweise schließen sie sich erst im zweiten Lebensjahr einem Wochenstubenverband an und folgen diesem dann im Herbst ins Winterquartier. Ein noch nicht geschlechtsreifes Mausohr wurde im Okt. 1967 in einer belgischen Grotte bei Lüttich von einem belgischen Fledermauskundler gefangen und unter Angabe der Ringnummer zurückgemeldet. Ein zweiter sehr bemerkenswerter Wiederfund liegt aus einem Winterquartier im Harz vor. Dieses Tier, mit der Kennziffer „Museum Koenig Bonn X 182", fand ein Fledermausbe-ringer aus Mitteldeutschland wieder. An zweiter Stelle der heimischen Fledermäuse stehen die beiden Langohren (Plecotus), doch sind sie mit Abstand weniger häufig als das Mausohr. Es scheint typisch für die in der Eifel lebenden Langohren zu sein, daß die Bestände in den Stollen in den Wintermonaten oft von einem zum ändern Tag wechseln. Regelmäßig trifft man Langohren hier nur während oder unmittelbar nach starken Nachtfrösten an. Sie unterbrechen also im Gegensatz zu den Mausohren während der Wintermonate häufiger den Winterschlaf und suchen dabei auch Hangplätze auf, die nicht frostfrei liegen. Die Neigung der vorwiegend in Hausnähe lebenden Langohren zum größeren Ortswechsel ist gering, was schon daraus erhellt, daß wir sie in Stollen in unmittelbarer Nähe von Ortschaften häufiger vorfinden als in abseits gelegenen. Die Bartfledermaus nimmt im Ahrgebiet die dritte Stelle ein. Männchen trifft man im Winterhalbjahr im ganzen Gebiet vereinzelt in unterirdischen Stollen an. Sie halten sich vorwiegend in der Nähe der Stolleneingänge auf, also dort, wo ein Luftaustausch mit der freien Atmosphäre gegeben ist. Vielfach hängen die Bartfledermäuse völlig frei an den Wänden, von unzähligen Tautröpfchen übersät. Eine aus etwa 20 Tieren bestehende Wochenstubenkolonie entdeckten wir vor einigen Jahren im Dach einer alten Mühle. Weitere Sommcrquartiere fanden sich in Mauerspalten, selbst in noch nicht verputzten neuerbauten Wohnhäusern. Da Wiederfunde beringter Bartfledermäuse aus der Eifel bisher kaum vorliegen, läßt sich über die Saisonwanderungen noch nichts aussagen. Es ist aber anzunehmen, daß die Tiere das ganze Jahr über im Gebiet der Eifel ansässig sind.

Die Bechstein-Fledermaus, eine im Rheinland seltene Art, konnte im Kreis Ahrweiler im Winter 1966/67 erstmals nachgewiesen werden. Wir haben es hier mit einer ausgesprochenen Nistkasten-Fledermaus zu tun, die ihre Jungen gern in Vogelnistkästen aufzieht.

Der Mops ist eine ausgesprochene Wald- und Gebirgsart, die in unserem Gebiet ihre nördliche Verbreitungsgrenze erreicht. In den Wintern 1965/64 bis 1965/66 fanden wir in Stollen vier Männchen; ein weiteres Stück wurde 1959 in einem verlassenen Bahntunnel an der unteren Ahr nachgewiesen. In der südlichen Eifel scheint die Mopsfledermaus bereits häufiger zu sein. Bisher ist uns aus der Eifel nur ein einziges Wochenstubenquartier bekannt geworden, und zwar an der unteren Eltz hinter Fensterläden eines Hauses.

Die Kleine Hufeisennase, in den joer und 4oer Jahren eine der häufigsten Fledermäuse der Rheinprovinz, ist heute zu einer ausgesprochenen Rarität geworden. Fledermaus-kundler stellten übereinstimmend fest, daß diese Hufeisennase vor allem in den letzten zehn Jahren im Bereich der nördlichen Mit-telgebirgsrandzonen sehr stark zurückgegangen und gebietsweise schon fast völlig verschwunden ist. Seit 1960 habe ich auf zahlreichen Exkursionen nach dieser zarten und kleinen Hufeisennase Ausschau gehalten und dabei auch eine Anzahl der in der Literatur aufgeführten Winter- und Sommeraufenthaltsorte besucht. Dabei konnten wir nur noch ganz vereinzelt Nachweise erbringen. Ein in einer Kapelle entdecktes Sommerquartier war 1963 und 1964 mit jeweils drei, 1965 mit zwei Tieren und seither nur noch mit einem Tier besetzt. Jungtiere fehlten in all den Jahren völlig. In den Winterquartieren trifft man die Kleine Hufeisennase an der Ahr nur noch ganz selten an. Ein 1961 noch von drei Tieren aufgesuchtes Winterquartier ist inzwischen verwaist. Ein Erzstollen wird seit 1963 regelmäßig von einem einzigen Tier zur Überwinterung aufgesucht. Angesichts des hohen Lebensalters von nachweislich maximal 18 Jahren ist es durchaus denkbar, daß wir diese Art trotz des Fehlens von Nachkommen noch einige Jahre im Gebiet der Ahr werden antreffen können. Nur recht ungenau sind wir über das Vorkommen des Abendseglers in der Eifel unterrichtet. Dies überrascht nicht, wenn man bedenkt, daß wir es hier mit einer typischen Baumfledermaus zu tun haben, deren Wochenstuben sich in schwer zugänglichen Baumhöhlen befinden. Das erste Tier fand ich im Mai 1960 in einer Gesellschaft von Mausohren. Es handelte sich um ein altes Weibchen, das in einem aus 50—60 hochträchtigen Weibchen bestehenden Verband hing und mir beim Ableuchten des Hangplatzes durch seine von den übrigen Tieren abweichenden Kopfbewegungen auffiel. Offenbar war dieser „Fremdling" bei hereinbrechender Morgendämmerung den heimkehrenden Mausohren ins Wochenstubenquartier gefolgt. Obwohl wir seither dieses Quartier auf zahlreichen Exkursionen wieder kontrollierten, gelang ein Abendsegler-Nachweis hier nicht wieder. Der zweite Abendsegler-Fund gelang mir im Juni des folgenden Jahres bei der Kontrolle einer Gesellschaft von Langohren im Dach eines Hauses in Altenahr.

Nach dem unerwarteten Fund von Klein-abendseglern (Nyctalus leisleri) im Landkreis Bonn muß nun auch mit dieser Art in der Eifel gerechnet werden. Bisher lag der nördlichste Fund im Westerwald. Bereits im Lahngebiet scheint der Kleinabendsegler häufiger vorzukommen.

Eine zweite Fledermausart, mit deren Vorkommen im Ahrgebiet gerechnet werden kann, ist die Wimperfledermaus (Myotis emarginatus). Obwohl sie im Süden Hollands eine beachtliche Bevölkerungsdichte erreicht, sind bisher alle Bemühungen, sie in der Eifel nachzuweisen, erfolglos geblieben.

Schließlich kann mit dem Auftreten der Teichfledermaus (Myotis dasycneme) im Gebiet der Ahr gerechnet werden. Es handelt sich hier um eine im gesamten mitteleuropäischen Raum recht seltene Art, die bei uns nur sporadisch eine höhere Besiedlungsdichte in der Ebene erreicht. Ein in der westlichen Eifel im Winterquartier beringtes Tier wurde im darauffolgenden Frühjahr im benachbarten Holland, offenbar auf dem Wege zu seinem Sommerquartier, von einer Katze gefangen und gelangte so wieder in unseren Besitz. Nach Fernfunden in Südholland beringter Teichfledermäuse liegen die Sommeraufenthaltsorte bis zu 260 km nordwestlich bis nordöstlich der Winterschlafgebiete.