Arweg, Orbach, Olbrück — drei Namen im Zissener Land '

VON FRIEDHELM SCHNITKER

Am Anfang stand die Vermutung eines im Zissener Land weilenden Bekannten, der Arweg in Niederzissen müsse doch wohl sinnentsprechender Ahrweg geschrieben werden. Eine solche Vermutung liegt zwar nahe wegen des Gleichklangs beider Wörter, doch trennt der Buchstabe „h" sie im Schriftbild völlig zu Recht, der Arweg ist nicht ein Weg zur Ahr. Woher stammt dann aber der Name?

Josef Breitbach erklärt in seinem Buch über das Breisiger Ländchen einen dortigen Arweg oder gar Ahrweg als eine „verunglückte Verhochdeutschung". Nach seiner Meinung leitet sich die Bezeichnung Arweg von Orweg = Betweg (lat. orare = bitten, beten) her. Wenn auch für den Niederzissener Arweg die Erklärung Breitbachs zutreffend zu sein scheint, liegt doch an; seinem Wegrand eine kleine Kapelle als Stätte: stillen Gebetes, so soll dennoch im folgenden der »Versuch einer Deutung auf der Grundlage einer Zusammenschau mehrerer Wörter unternommen werden. ,• 1885 schreibt Chr. von Stramberg im Rheinischen Antiquarius (III. Abteilung, 5. Dd., Coblenz 1885, S. 233): „Die Brohl, oder wie sie im Munde des Volkes gewöhnlich heißt, die Orbach..." Auch Julius Wegeier bezeugt in seinem Buch „Beiträge zur Specialgeschichte der Rheinlande" (Coblenz 1878) den Namen „die Orbach". Für den südlich vom Vinxtbach in gleicher Richtung fließenden Bach, der bei Brohl in den Rhein mündet, gab es, zumindest für den von Wegeier und von Stramberg angegebenen Zeitraum, vermutlich aber auch für die vorangehende Zeit, zwei Bezeichnungen: Brohl- und Orbach. (Die im Brohltal nahe der Straßenabzweigung nach Maria Laach gelegene Traßmühle bewahrt in ihrer Benennung Orbachsmühle den Namen Orbach.) Welche der beiden Bachbezeichnungen die ältere ist, kann im Rahmen dieser Deutung nicht geklärt werden. Abzulehnen freilich ist die Auffassung, daß der Brohlbach seinen Namen von Brobl, dem Ort seiner Mündung in den Rhein, erhalten hat. Denn es ist, zumindest in alter Zeit, recht ungewöhnlich, einen Bachlauf nach einem an ihm liegenden Ort zu benennen. Vielmehr gab man der einen oder anderen Siedlung den Namen des Gewässers, an dem man sie anlegte.

Niederzissen mit Bausenberg
Foto: Kreisbildstelle

Foto: Kreisbildstelle Hausbrunnen in Niederzissen '

Wie ist der Name Orbach nun zu deuten? Anzusetzen ist ein Flußnamenwort ara/are mit einer lautlichen Variante ora/ore. Dieses ora/ara wird allgemein auf ein weitverbreitetes keltisches Etymon mit der Bedeutung Bach zurückgeführt. Mit diesem are/ore dürften zusammenhängen ein niederländisch veraltetes aar oder are = Bach, kleiner Wasserlauf und das niederdeutsche öle = Strecke Wassers, Wasserrinne. Von den beiden oben angeführten Lautformen are und ore wurde im Munde der einheimischen Sprecher letztere dominant, d. h. sie setzte sich zur Benennung des Baches durch, wohl aus Gründen der Eindeutigkeit, um unseren Bach von dem Nachbarfluß Ahr deutlich zu trennen. Aus eben diesem Verlangen nach Eindeutigkeit, wozu eine Unkenntnis des ursprünglichen Bedeutungsinhalts des Wortbestandteils ore = Bach kam, fügte man diesem den Zusatz -bach hinzu. (Ein Beweis für den Zeitpunkt einer späteren Hinzufügung der Silbe -bach ist das grammatische Geschlecht. Von Stramberg und Wegeier bezeugen die Fügung „die Orbach", wobei das feminine Geschlecht des ursprünglichen Wortteils ore sich als so wirksam erwies und sich so im Bewußtsein bereits fixiert hatte, daß das maskuline grammatische Geschlecht des Zusatzwortes -bach nicht mehr durchdringen konnte.) Von der Lautform Orbach her läßt sich nun eingangs erwähnter Arweg ohne Schwierigkeiten deuten: Arweg geht lautlich zurück auf Orweg und bedeutet Weg entlang des Orbachs. Tatsächlich verläuft der Weg unter dieser Bezeichnung parallel zum Bach. Die Bezeichnung Orbach bewahrte auch der Arbechelerhof, der in der Niederzissener Gemarkung vor dem Rodderbusch lag und der heute Wüstung ist.

Wie aber ist nun der Name Olbrück in diesen Zusammenhang einzuordnen? Aus den bisherigen Ausführungen geht hervor, daß es sich bei dem ersten Bestandteil des Wortes Orbach (ähnlich wie bei dem Namen Vinxtbach) um ein altes Wort keltischen Ursprungs handeln dürfte. Nun war Burg Olbrück dem Zeitpunkt ihrer Errichtung nach eine der ältesten Burggründungen der Umgebung. Als einen der Zeugen der zweiten Stiftungsurkunde der Abtei Maria Laach vom Jahre 1112 finden wir Burgardus de Oreburch, worunter wir Olbrück verstehen dürfen. (Die erste Stiftungsurkunde der Abtei aus dem Jahre 1093 mit der Fügung Burgardus de Ulbrucke kann in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden, da sie nach Meinung der Fachwissenschaft eine spätere Fälschung ist.) In einer Urkunde des Jahres 1190 lesen wir: castrum suum (d. Grafen Theuderich zu Wied) Holebriche. Der zweite Bestandteil des Namens Olbrück ist nach übereinstimmender Ansicht der Forschung keltischen Ursprungs und geht auf eine Form brigga mit der Bedeutung Berg zurück. (In oben erwähnter Urkunde von 1112 ist der zweite Wortbestandteil dagegen als bürg zu deuten, wodurch diese Lautform hinsichtlich des zweiten Bestandteils isoliert steht, da die Bezeichnungen in der Folge regelmäßig auf die Ausgangsform brigga zurückgehende Lautungen mit der Konsonantenverbindung br bringen -brich/—brugg/-bruch.

Umstritten ist hingegen der erste Wortteil. Der Verfasser vorliegender Zeilen ist der Ansicht, daß dieser Bestandteil Öl- in Zusammenhang zu bringen ist mit der Bezeichnung Ore oder Orbach. Es wäre eine lautliche Ausgangsform keltischen Ursprungs, Orbrigga anzusetzen mit der Bedeutung Berg am Bach/Berg umflossen vom Bach, wodurch die Lage der markanten, das obere Brohltal beherrschenden Felsformation zutreffend gekennzeichnet wird. Die lautliche Form Orbrigga hemmte durch ihre schwierige Konsonantenverbindung rbr den Sprechfluß des Wortes. Aus diesem Grund wurde im Laufe der lautlichen Entwicklung des Wortes Orbrigge das erste r durch den sprachlich verwandten Laut l ersetzt, so daß sich die Lautung Olbrigge ergab, von der die späteren Bezeichnungen sich ohne Schwierigkeit herleiten lassen. Das Ergebnis unseres Deutungsversuches, dem wir, wie sich nun erweist, völlig zu Recht eine Zusammenschau der Wörter Orbach, Arweg und Olbrück zugrunde legten, zeigt, daß alle drei Bezeichnungen in Beziehung zu bringen sind: Ore bzw. Orbach war eine der Bezeichnungen für den das heutige Brohltal durchfließenden Bach; Burg Olbrück war die Ritterburg auf dem Orbrigg, dem Berg am Ore, Bach; Arweg ist der Name für eine Wegstrecke entlang des Orbach und nicht für einen Weg zur Ahr.