Bekanntmachungen in der Gemeinde Nierendorf vor 150 Jahren

VON OTTMAR PROTHMANN

Auf dem Speicher des Münsterschen Hauses in Nierendorf fand sich ein Stapel alter Papiere, die teilweise 300 Jahre zurückreichen*). Darunter war eine große Zahl von amtlichen Schriftstücken der Nierendorfer Ortsvorsteher, zeitweise auch Bürgermeister oder Schöffe genannt, aus dem Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts.

Aus diesem Material sollen hier die „Bekanntmachungen", von denen uns heute manche eigentümlich anmuten, andere aber nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben, herausgegriffen werden. Diese vorwiegend vom Bürgermeisteramt ausgehenden Bekanntmachungen wurden normalerweise vom Ortsvorsteher nach der Sonntagsmesse auf dem Treppenaufgang vor der Kirche verlesen oder aber in dringenden Fällen vom Gemeindediener durch Ausschellen verkündet. Dieser ging meist um die Mittagszeit, wenn alle Bauern vom Feld zur Mahlzeit nach Hause gekehrt waren, die Hauptstraße entlang und schellte an allen einmündenden Straßen mehrere Male kräftig mit der Gemeindeschelle, bis die Leute zusammengeströmt waren oder aus dem Fenster guckten. Dann las er von seinem Zettel die Bekanntmachung ab. So geschah es jedenfalls in den letzten Jahren bis 1970, und früher wird es auch nicht anders gewesen sein.

Heute werden öffentliche Bekanntmachungen nur noch in ganz seltenen Fällen, bei denen Eile geboten ist, vom Gemeindediener verkündet, zumeist werden sie jedoch ans Schwarze Brett geheftet.

Eine Anschlagtafel gab es in Nierendorf auch in früheren Zeiten schon, wie aus den Bekanntmachungen hervorgeht. So wurden im Jahre 1827 neue Anschlagtafeln vom Landratsamt in Ahrweiler allen Gemeinden der ehemaligen Bürgermeisterei Gelsdorf geliefert. An diese Tafeln wurden Verordnungen und wohl auch die bereits mündlich verkündeten Bekanntmachungen angeheftet, wie man an den ausgerissenen Ecken der Zettel sehen kann. Die vom Bürgermeisteramt ausgehenden Bekanntmachungen existierten nur in einem Exemplar, das von einer Gemeinde zur anderen weiterlief, wobei Nierendorf häufig die letzte Station war. Nachfolgend ist eine kleine Auswahl davon inhaltlich wiedergegeben. Dabei bezeichnet das aufgeführte Datum den Zeitpunkt der Niederschrift; die Verkündung fand also später statt.

27. Januar 1824: Wer Pferde für die diesjährige vierzehntägige „Zusammenziehung" und die zwölf Sonntagsübungen stellen will, soll sich melden. Als Vergütung werden pro Pferd 20 Taler preußisch kurant gezahlt, (Wie aus einer Notiz auf der Rückseite hervorgeht, meldeten sich in Nierendorf 15 Bauern.)

27. Januar 1824: Die Rekruten des 29. und 40. Infanterie-Regiments, die bei der letzten Ersatzaushebung einstweilen in die Heimat entlassen wurden, müssen sich am 15. bzw. 24. März in Andernach einfinden, um von dort gemeinsam zu ihren Regimentern in Saarlouis und Luxemburg zu marschieren. Mitzubringen sind die Dienstmütze, eine Jacke, eine Leinenhose und ein zweites Hemd. (Notiz auf der Rückseite: In Nierendorf Jacob Moises.)

27. April 1824: Am künftigen Donnerstag, dem 29. April, um 12 Uhr wird der Kreisphysikus (= Kreisarzt) Dr. Veiten in Lei-mersdorf eintreffen und alle im Jahre 1823 geborenen Kinder gegen Schutzblattern impfen. (Nach einer Notiz waren es 32 Kinder, die von der ganzen Grafschaft hier geimpft wurden.)

5. Mai 1824: Am 6. Mai findet gegen drei Uhr in Leimersdorf die Nachuntersuchung der geimpften Kinder statt. 9. Juni 1824: Künftig dürfen keine Stroh- und Lehmschindeldächer mehr repariert werden. Sie müssen bei Schadhaftigkeit durch Dachziegeldächer ersetzt werden. Nur wer zu arm ist, die dazu erforderliche Verstärkung des Dachgebälks vornehmen zu lassen, kann eine Ausnahmegenehmigung erhalten.

23. September 1824: Am 18. September sind in der Gemeinde Altenahr 25 Häuser mit ihren Wirtschaftsgebäuden abgebrannt. Der Landrat hat eine Kollekte von Geld und Naturalien angeordnet. 16. Juli 1825: Bei der jetzt eingetretenen großen Hitze und dem damit verbundenen großen Wassermangel wir hiermit verordnet, daß vor jedes Haus ein großer Kübel voll Wasser gestellt werden muß, um bei einem Brande die Löschmaschine in Tätigkeit setzen zu können.

27. Juli 1825: Am 5. Juli sind zu Lierstal, Kreis Adenau (heute Lirstal Kreis Daun), 15 Wohnhäuser, 9 Scheunen und 35 Ställe eingeäschert worden. Nur drei Hauseigentümer waren feuerversichert. Es wird zu einer Spende aufgerufen.

16. August 1825: Viele Einwohner von Nierendorf haben gegen eine Verordnung der Feuerpolizei verstoßen und in der Nähe von Häusern Strohbahnen angelegt. Alle Bahnen, die näher als 60 Schritte an Gebäuden stehen, müssen innerhalb von 14 Tagen verlegt werden.

19. August 1825: Am 25. August werden 114 Mann der 4. Schwadron des königlichen 4. Dragoner Regiments für einen Tag in Nierendorf einquartiert sein. Für die Verpflegung werden 5 Silbergroschen pro Mann erstattet.

1. April 1826: Es wird an die Polizeiverordnung vom 19. Februar 1818 erinnert, nach der nur an jedem Donnerstag in der Woche Holz, Heide oder Blätter aus dem Privatwald geholt werden darf. Wer an anderen Tagen angetroffen wird, hat mit Strafe zu rechnen.

14. Juli 1826: Alle in Feld und Wald angetroffenen freilaufenden Hunde werden in Zukunft von den Jagdpächtern erschossen werden.

9. Oktober 1826: Der Schöffe Münch aus Bengen läßt bekanntmachen, daß im dortigen Weinberg die Lese am 9. Oktober beginnt.

24. November 1826: In mehreren Gemeinden der Bürgermeisterei sind die Menschenblattern ausgebrochen. Daher muß sich jedes „Individuum" unter 25 Jahren schleunigst beim Krcisphysikus zur Impfung melden.

25. Juni 1827: Es ist ein Mißbrauch, daß die Leute an den abgeschafften Feiertagen wie früher in den Wirtschaften sitzen, Karten spielen und „schwärmen", statt zu arbeiten. Zur Beseitigung dieser „üblen Gewohnheit" werden sie daher in Zukunft an diesen Tagen zu Wegearbeiten eingesetzt werden. Zudem erhalten diejenigen Eltern, deren Kinder die Schule schwänzen, eine Strafe, nicht wie an gewöhnlichen Werktagen von 4 Pfennig, sondern von 2 Silbergroschen.

10. August 1827: Das Verzeichnis der jungen Männer, die dieses Jahr eingezogen werden, liegt auf der Amtsstube in Gelsdorf aus. (Hier befand sich ursprünglich der Sitz der Bürgermeisterei, bevor er nach Ringen verlegt wurde.)

29. August 1827: Durch einen Blitzschlag brannten am 30. Juli in Geislar, Kreis Bonn, 15 Häuser mit ihren Wirtschaftsgebäuden ab. Es wird zu einer Hauskollekte aufgerufen.

29. August 1827: Wer im nächsten Jahr sein Gewerbe hausierend betreiben will, muß einen Gewerbeschein beantragen. (Laut Notiz auf der Rückseite war es in Nierendorf nur die Lumpensammlerin Frau Keppler.)

31. August 1827: Am 10. September wird eine Hauskollekte zum Neubau der Kirche in Eller (an der Mosel) stattfinden. 16. Mai 1828: Der Grubenbesitzer Heinrich Harhausen läßt bekanntmachen, daß in seiner Klüttengrube „Catharinenfeld" zu Röttgen trockene Klütten zum Preis von 8 Silbergroschen 6 Pfennig zu kaufen sind. 6. September 1828: Das Vieh, das abends von den Weiden in die Ställe getrieben wird, richtet häufig Flurschaden an, der von den betreffenden Bauern besonders dann, wenn es in der Dunkelheit niemand gesehen hat, nicht gemeldet wird. Zur besseren Überwachung durch die Feldschützen wird daher befohlen, daß ab sofort das gesamte Vieh spätestens eine Viertelstunde nach dem Abendgeläute ins Dorf zurückgeführt sein muß. Zuwiderhandlungen werden bestraft.

10. September 1828: In den Gemeinden Leimersdorf, Karweiler und Gelsdorf sollen neue Feldschützen eingestellt werden. Der Lohn beträgt in Leimersdorf 20, in Karweiler 16 und in Gelsdorf, wo ein Hilfsfeldschütz gesucht wird, 6 Reichstaler im Jahr. Versorgungsberechtigte Invaliden, die interessiert sind, sollen sich an das Bürgermeisteramt wenden.

10. November 1828: Am 3. November sind aus einem Haus in Koblenz zwölf silberne Suppenlöffel und zwei Kaffeelöffel gestahlen worden. Es ist sofort zu melden, wenn ein Händler diese Sachen anbietet. 31, Januar 1829: Peter Schneider aus Oeverich läßt bekanntmachen, daß er am 2. Februar, morgens um 9 Uhr, seine Hausmobilien, Pferde, Karre, Eggen, Pflüge, Kühe, tragende Rinder, Stroh usw. meistbietend versteigert.

1. Februar 1829: Da die Vermessung der Gemeinde Bengen, Leimersdorf und Nierendorf im März beginnen soll, wird allen Landbesitzern auferlegt, ihre Grundstücke durch Steine oder starke Pfähle zu bezeichnen. Die Steingeschworenen haben dasselbe mit dem Gemeindeland und den Wegen zu machen.

11. Mai 1829: Bekanntmachung eines Gesetzes des Ministeriums des Innern. Alle, die sich durch simulierte Krankheiten oder durch Selbstverstümmelung dem Wehrdienst entziehen wollen, werden zum Arbeitsdienst eingezogen.

*) Der Verfasser dankt Familie Theo Moog, die ihm freundlicherweise dieses Material zur Auswertung auslieh.