85O Jahre Kloster Nonnenwerth 1126-1976

Schwester Evodia

Wer einmal die Insel Nonnenwerth besuchte, wird den Zauber nicht vergessen, den sie ausübt. Von alten Bäumen: Kastanien, Buchen, Pappeln, Akazien und Buschwerk aller Art umgeben, entzieht sich der ausgewogene, spätbarocke Bau den größten Teil des Jahres den Augen der Reisenden zu Wasser und zu Land. Wer aber vom Drachenfels oder Rolandsbogen auf das Eiland im Rhein hinunterschaut, ist begeistert von der Lage, von der Weiträumigkeit des Baues inmitten gepflegter Anlagen, Gärten, Wiesen und Felder. Mancher fragt interessiert nach der Geschichte des Klosters, nach den jetzigen Bewohnern und ihrer Tätigkeit.

Stiftung des Klostare

Eine klösterliche Gemeinschaft soll bereits 1122 auf dem „Werth" bestanden haben. Wenn 1976 der Gründung vor 850 Jahren gedacht wird, so beruht dieses Datum auf der Ausfertigung der Stiftungsurkunde vom 1. August 1126 durch den Erzbischof Friedrich l. von Köln (1099—1131). Dieser Erzbischof ist auch der Gründer der Burg Rolandseck, der Kirche auf dem Apollinarisberg und der Erbauer der Wolkenburg. Dort starb er. Seine Leiche wurde am 9. 12. 1131 in die Abtei Siegburg auf dem Michaelsberg übertragen. Der Abt dieses Klosters, Kuno l. (1105 bis 1126), ein hochgebildeter und der cluniazensischen Reform zugewandter Mann, war mit Ihm befreundet. Er nahm auch den aus Lüttich vertriebenen Rupert, den späteren Abt von Deutz, in sein Kloster auf. Kuno schrieb das „Anno-Lied", das die Taten des hl. Anno schildert.

Die Stiftungsurkunde des Klosters vom 1. August 1126 hat folgenden Wortlaut (Lac. UB nr. 301):

„Im Namen der heiligen, unzerteilten Dreifaltigkeit Friedrich von Gottes Gnaden, Erzbischof von Köln.

Wenn man In dieser Zeit des Wirkens allen, besonders aber den Glaubensgenossen Gutes zu erzeigen hat, so muß man ohne Zweifel jene, die in dieser Welt die freiwillige Armut nach Christi Beispiel erwählen, nichts sich übrig lassend, sondern sich selbst hingebend, bloß und arm dem armen Heilande nachfolgen, mit noch inniger Liebe umfassen und mit aller Sorgfalt und Beflissenheit hegen und pflegen.

Wirklich hat uns der Heilige Geist dazu zuvor ermahnt, da Er durch den Mund des prophetischen Sängers weissagte, es würden auf den Zedern dos Libanon die Sperlinge nisten. (Psalm 133, 17)

Es fänden nämlich Sperlinge in den Wipfeln der Zedern ihre Nester, wenn die Armen Christi, welche die Wahrheit selber ihre Geringsten nennt, bei den Hochgestellten und Reichen dieser Welt des Lebens Notdurft und sichere Obhut gewännen.

Sorgsam darauf bedacht, diese Mahnung zu befolgen, so viel es mir der Herr gegeben hat, suchte Ich auf eifriges Beireiben unseres ehrwürdigen und vielgeliebten Abtes Kuno von Siegburg, der immer wieder auf diesen seinen Herzenswunsch zurückkam, mit ihm einen geeigneten Ort ausfindig zu machen, ließ auch Nachforschungen anstellen, wo eine Genossenschaft von Nonnen genauer nach den Regeln des heiligen Benedikt lebt, und vorsichtig gemäß der Regel eingeschlossen, für die Beengung In dieser Zeit, den Ersatz finden möge in der Weite und Breite des ewigen Vaterlandes.

Ein Notstand war es vornehmlich, der uns zu diesem Entschlüsse brachte. Dank unserer Sünden und Nachlässigkeiten war nämlich in unserer ganzen Provinz fast kein einziges Frauenkloster mehr zu finden, zu welchem eine Jungfrau ihre Zuflucht nehmen konnte, die sich zu einem Leben der Enthaltsamkeit entschlossen hatte.

Durch die eben erwähnte, uns zur Seite stehende Bemühung des Herrn Abtes und durch häufiges Zureden einiger religiöser Laien, besonders der beiden Männer Vogelo und Adalbero Rat, Hilfe und Bemühung geschah es nun, daß wir eine im Rhein gelegene Insel mit Namen Ruleicheswerd, als für jenen heiligen Zweck am geeignetsten ins Auge faßten, welche eben dem Kloster in Siegburg zugehörte.

Um die Ausführung unseres Vorhabens zu ermöglichen, überließ der Abt mit seiner ganzen ehrwürdigen Versammlung uns dieselbe, frei von allen ferneren Ansprüchen.

Älteste Ansicht des Klosters Rolandswerth (Nonnenwerth) mit Siebengebirge, Ruine Rolandseck und St. Nikolaus-Hospital. Lav. Federzeichnung des 17. Jh. von Lambert Doomer. Original im Kloster Nonnenwerth
Repro: Kreisbildstelle

Damit jedoch auch in Zukunft diese Schenkung ohne Murren und Widerrede bestehen könne, haben wir eine Hufe Landes (eine Hufe — mansus— 60 Morgen), welche eine Dienerin Gottes, namens Eveza, für den Ort, den wir durch Gottes Eingebung erkoren haben, bestimmt und nachdem als Nonne eintretend, demselben zugebracht hat, dem Gotteshaus zu Siegburg in Tausch gegeben, dasselbst somit abgefunden und jedwede Beschwerde für nun und immer abgeschnitten.

So haben wir denn endlich, da die Barmherzigkeit Gottes, sowohl zum Bau des Klosters als zu dessen feierlicher Einweihung ihren Segen schenkte, unser Vorhaben glücklich, wie wir hoffen, ausgeführt, und gemäß dem Rate frommer und weiser Männer der vorbesagten Genossenschaft folgendes Gesetz auf immer vorgeschrieben:

Es soll eine Nonne von erprobtem Wandel aus der Genossenschaft selbst als Vorsteherin gewählt werden, die aber nicht Äbtissin, sondern Priorin heißen soll, und unter Aufsicht und Beirat des Abtes von Siegburg — solange nämlich letzterer selbst der Regel gemäß leben und seinen Orden ohne Anstoß einhalten wird — ihre Schwestern der Furcht Gottes gemäß regieren. Dieselbe hat mit den ihr zugestellten Schwestern in Christo nach dem bescheidenen Mäße ihrer Kräfte, die nämliche Regel zu beobachten wie die Mönche zu Siegburg. In betreff der Vogtei über das Kloster haben wir auf Ersuchen und unter Zustimmung aller, für immer die Bestimmung getroffen, daß niemals einer dieses Schutzrecht erblich besitzen, sondern vielmehr derjenige ohne allen Widerspruch als Vogt eingesetzt werden soll, den der Abt selbst im Einvernehmen mit den Schwestern erwählen wird.

In Ausführung dieser Bestimmung haben wir den Grafen Otto (von Rheineck bei Breisig), einen, wie es schien, gottesfürchti-gen Mann, den sie in freiester Wahl erkoren, zum Vogt über sie gesetzt. Sollte aber irgend ein gottloser Mensch, der seines Heiles vergäße und Gott nicht vor Augen hätte, es wagen, diese fromme und, wie wir hotten, immer verbleibende Stiftung zunichte zu machen, zu ändern oder auch nur im mindesten zu erschüttern, so soll er mit Judas dem Verräter seinen Teil haben, mit Dathan und Abiron von der Erde verschlungen werden und mit dem unauflöslichen Bande des ewigen Fluches umstrickt sein, wenn er nicht beizeiten sich eines Besseren besinnt und seinen Fehltritt durch eine angemessene Genugtuung sühnt. — Damit ia niemand sich daran irgend zu vergreifen erkühne, haben wir es durch unsern Bann In erschreckender Welse bekräftigt und gegenwärtige Urkunde darüber aufnehmen und mit dem Beidruck unseres Siegels versehen lassen unter Hinzuziehung der nachbenannten Zeugen: Heinrich, Domprobst, Ekbert, Domdechant, Herimann, Probst von St. Gereon, Gerhard, Propst zu den hl. Märtyrern Cassius und Florentius, Heinrich, Propst, zu den heiligen Aposteln, Arnold, Propst zu St. Andreas, Thiederich, Propst zur hl. Maria.

Freie: Thiederich, Graf von Aare. Adolf, Graf von Saffenberg. Arnold, Graf von Cleve. Cunrad, Graf von Bonn. Gerhard, Graf von Jülich und sein Sohn Gerhard. Gerhard, Graf von Hochstaden.

Ministerialen: Almerus, Vogt. Herman und Johann von Alfter. Heinrich von Domach. Heinrich von Aldendorf. Almerich, Hartwig und andere mehr. Geschehen zu Köln in der Kirche des heiligen Apostelfürsten Petrus (dem alten St.-Peters-Dom), den ersten August im 1126. Jahre des fleischgewordenen Wortes vierter Indiktion, im ersten Jahre der. Regierung Lothars II., des siegreichen Königs, und im 26. Jahre meines Episkopates."

Ruleicheswerd — Nonhenwerth

In der Stiftungsurkunde wird 1126 dje Insel Ruleicheswerd genannt, 1187 Ruleicswerde, wobei das Grundwort „Werth" nichts anders als Flußinsel bedeutet (Grafenwerth, Niederwerth, Oberwerth). Das große Klostersiegel aus dem Ende des 12. Jahrhunderts trägt um das Bild der Jungfrau mit dem Kind die Buchstaben Sig(illum) abbatiss(a)e et con-ventus in Rulingiswerde. Im Schutzbrief von Friedrich Barbarossa heißt es wieder Ruleckeswerde. (Werth des Ruleich?) Erzbischof Arnold l. und Abt Nikolaus v. Siegburg nennen es Insula B. Mariae Virginis = Marienwerth.

Die alten Namen traten aber früh zurück. Bereits 1280 findet man den Namen Rolands-werth. Seit dem 19. Jahrhundert bürgert sich der Name Nonnenwerth ein, während der alte Name auf den Ort gegenüber der Insel, auf Rolandswerth, übertragen wird.

Nonnenwerth Im 19. Jahrhundert

Von 1126 an arbeiteten und beteten dort Benediktinerinnen. Sie durchstanden schwere Zeiten, Kriege und Naturkatastrophen, vor allem Hochwasser und Eisgang. Durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803 wurde Nonnenwerth säkularisiert. Der Fürsprache der ersten Gemahlin Kaiser Napoleons l., Josephine Beauharnais, verdankten sie die Erlaubnis, auf der Insel zu bleiben. Als das Rheinland preußisch geworden war, mußten die letzten Schwestern im Jahre 1822 die Insel verlassen. Die Regierung hatte die Insel mit allen Bauten und dem gesamten Inventar 1821 öffentlich in Koblenz versteigern lassen. Der neue Besitzer hoffte mit der Einrichtung eines Hotels gute Geschäfte zu machen. Doch er sah sich in seinen Erwartungen getäuscht. Zwar wurde Nonnenwerth von bekannten Persönlichkeiten besucht, unter anderem von Franz Llszt, der hier mehrere Monate mit der Gräfin d'Agoult und den Kindern wohnte und sogar daran dachte, die Insel zu kaufen.

Am 22. Oktober 1841 feierte Liszt in einem Kreis seiner Verehrer seinen 30. Geburtstag auf der Rheininsel. Den Verlauf dieses Festes schildert Frau v. Zettritz in einem Brief an ihre Tochter Isidore in Münster: „Wir alle gaben unser Geschenk, bestehend in Austern, Leberpastete, Torten und Ananas. Ich gab eine Torte mit 30 Lichtern, auf welcher eine Figur stand mit der ungarischen Fahne ..., die Aachener einen Wildschweinskopf und, die Insel als Drage, die Gräfin die Leberpastete, zweihundert Austern gemeinschaftlich. Liszt wußte gar nichts. Als man zu Tische gehen sollte, hinunter ... wurde ein Tusch geblasen und die Böller gelöst. Wir alle standen im Zimmer, ich bat ihn im Namen aller, heute unser Gast zu sein, da er morgen, den 22., allein zu sein wünschte. Ein sehr schön verzierter Sessel, mit Lorbeern und Rosen verziert ..... darüber eine Büste, gleichfalls bekränzt; der Tisch mit Vasen und Blumen geschmückt. Als er sich setzte, setzten ihm Frl. v. Cord/er (die spätere Oberin des Franziskanerinnenklosters auf der Insel, Mutter Angela v. Cordier) und die Klavierspielerin Stuntz einen Lorbeerkranz auf. Auf seinem Teller fand er an Geschenken eine schöne Mappe, wo die Insel darauf gemalt war in öl von Augustchen (v. Cordier), eine Börse von Frau v. Cordier, einen Thermometer von Fräulein Stuntz, und eine Medaille in Marmor, das Profil der Grätin (d'Agoult) nach ihrer Büste von Bertolini.

Er war sehr ergriffen und gerührt. Meine Lichterchen machten Effekt, weil dies etwas Ist, was man in Frankreich nicht kennt.

Nun kam eine komische Episode. Du kennst den schwarzen Jungen im. Hause, Kort, den wir Pommer nannten; mit diesem hat er immer seinen Scherz und sprach davon, Ihn etwas lehren zu lassen und als Türken zu kleiden das nächste Jahr; diesen zogen wir also als Türken an; der mußte den Schweinskopf bringen; als er ankam, war ein Schreien vor Lachen und er außer sich, als Korf hereintrat: c'est admirable! Er erdrückte den Schwarzen fast vor Freude; unter anderen Verzierungen hatte der Kopf ein Gedicht als Fahne. Er war nämlich als Kind immer gewohnt, daß an seinem Geburtstage ein wilder Schweinskopf paradierte, dieser kam daher aus Ungarn. An Gästen hatten sich außer uns im Hause noch zugefunden der Bildhauer lmhoff, welcher kam, um Liszt zu bitten, ihm für den Kunstverein zu sitzen; er will, nämlich seine Büste machen; ein Herr Lefebre aus Köln und Roisin. Der Fürst Lichnowsky kam durch Zufall erst, als wir schon beim Dessert, für mich zum Glück; denn ich mußte den Toast ausbringen, tat es unter Zittern, Stottern und Tränen, und der hätte mich ausgelacht. Sehr schöne Musik spielte.

Bevor das Dessert gegeben wurde, bat Ihn Frau v. Cordier, einen Baum auf der Insel zu pflanzen; alles war schon vorbereitet, der Gärtner mit einer mit Bändern geschmückten Platane voran, die Musik und alles zog paarweise hinunter. Roisin sprach einige Worte, die Kanonen wurden gelöst, und man setzte sich wieder zu Tische. Liszt sprach sehr herzlich, Roisin einen schönen Toast. Als der Prinz kam, war große Freude. Die Gesundheit des Königs wurde getrunken ... alles ging schön und herzlich, unser guter Liszt aber sehr ernst und bewegt ... Vergessen habe Ich, daß, als wir herunterkamen, ein Feuerwerk abgebrannt wurde. So, nun weißt du alles, mein Kind! ..."

Diese „Liszt-Platane" wird im Oktober 1976 ihr 135. Lebensjahr vollenden. Als der höchste und lebenskräftigste Baum mitten auf dem Rasen an der Westseite, erregt sie das Staunen aller Inselbesucher. Liszt taufte sie nach der Oberlieferung mit Sekt und wünschte ihr ein langes Leben.

Franz Liszt besuchte die Insel auch in den folgenden Jahren, gab Konzerte in Bonn und Köln, machte Entwürfe zu seinen großen Instrumentalwerken. Hier entstanden auch seine ersten Männerchöre. Frau v. Cordier führte ein Tagebuch, in dem sie anschaulich und begeistert von diesen Aufenthalten berichtete, die jedesmal Scharen von Verehrern anzogen.

Kloster Npnnenwerth
Foto: Kreisbildstelle

Ihre Tochter Auguste von Cordier kaufte die Insel von dem in Konkurs geratenen letzten Hotelbesitzer, um sie für die ursprüngliche Bestimmung zurückzugewinnen. Sie wünschte die Errichtung eines Klosters und einer Schule mit Internat. Im Jahre 1854 erklärte sich die Genossenschaft der Franziskanerinnen von Heythuysen (Niederlande) zur Übernahme der Insel bereit. Fräulein v. Cordier trat In diese Genossenschaft ein und wurde als Mutter Angela die erste Oberin des wiedererrichteten Klosters. Unter ihrer klugen und warmherzigen Leitung entfaltete es in den kommenden Jahren eine gesegnete Wirksamkeit.

Viele junge Mädchen traten ein und erhielten im „Mutterhaus der Franziskanerinnen von Nonnenwerth" eine gediegene Ausbildung für die verschiedenen Aufgaben, die die Schwestern übernommen haben: Erziehung, Unterricht, Krankenpflege, Betreuung von Hilfsbedürftigen und alten Menschen. Das Generalmutterhaus der in Holland gegründeten Genossenschaft Ist jetzt in Rom. Mehr als 4000 Schwestern widmen sich in zehn verschiedenen Provinzen, in Deutschland, Polen, Holland, den USA, in Brasilien und Indonesien den notleidenden Mitmenschen. Nonnenwerth hat ein Gymnasium mit Sekundarstufe l und II sowie ein Internat/Durch die Machthaber des Dritten Reiches war es geschlossen worden, wurde aber 1945 wieder eröffnet und konnte seitdem vielen Jugendlichen eine gute Ausbildung vermitteln. 1974 bestanden 41, 1975 40 Schülerinnen das Abitur.