Bevölkerungsentwicklung und -prognose

Die voraussichtliche Wohnbevölkerung des Kreises Ahrweiler im Jahre 1985

Hans-Kurt Weber

Zukunftsorientierte Maßnahmen auf dem Sektor des Kindergarten- und Schulwesens, bei Sportstätten und Altenheimen, im Städtebau und Siedlungswesen, um nur einige wenige Bereiche herauszugreifen, sind in hohem Maße an die zukünftige Bevölkerungsentwicklung gebunden. Zunehmend wird auch von der Wirtschaft bei wichtigen Standortentscheidungen und bei der Erarbeitung von Standortanalysen die zukünftige Bevölkerungsentwicklung als wesentliches Kriterium mit einbezogen. Die fundierte Bevölkerungsprognose wird somit zur unerläßlichen Voraussetzung einer sparsamen Haushaltsführung und geordneten Entwicklung. Der Blick in die Zukunft setzt nun eine gute Kenntnis der Entwicklung in der Vergangenheit und geeignete Maßstäbe und Annahmen für die Beurteilung kommender Dinge voraus. Allerdings liefert auch die sorgfältigste Prognose noch keine vollkommene Gewißheit über zukünftige Daten. Es kann immer wieder Einflußfaktoren geben, deren Auftreten nicht vorhersehbar war und die zur Aussagenänderung über die kommende Entwicklung führen können. Daher muß eine Bevölkerungsprognose im Zeitablauf ständig überprüft werden, ob die ursprünglichen Annahmen noch als relevant anzusehen sind oder ob eine den tatsächlichen Gegebenheiten angepaßte Korrektur erfolgen muß.

Bevölkerungsentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert

In allen Zeitabschnitten des letzten Jahrhunderts ging die Bevölkerungsentwicklung des Kreises wesentlich langsamer vor sich als im Bundes- und Landesdurchschnitt.

Im Zeitraum von 1817 bis 1840 blieb aufgrund der schlechten Existenzgrundlagen in der Landwirtschaft der Bevölkerungszuwachs des Kreises Ahrweiler hinter dem analogen Zuwachs des Landes zurück. Eine weitere Verschlechterung war in der Folgezeit (1840—1871) zu verzeichnen. Durch den Niedergang der Eifeler Eisenindustrie und die auftretenden Mißernten wurden mehrere größere Abwanderungswellen ausgelöst, zumal auch die außerhalb des Kreises aufstrebenden Industrien noch nicht genügend Arbeitsplätze anbieten konnten. Hiervon waren vor allem die Agrargemeinden der Eifel betroffen, während die an der Rheinschiene und an der unteren Ahr gelegenen Gemeinden durch die Schaffung neuer Industrien und Gewerbezweige, die für die spätere wirtschaftliche Entwicklung des Kreises eine wesentliche Bedeutung erlangten, eine relativ günstige Bevölkerungsentwicklung zu verzeichnen hatten.

Die weitere Entwicklung des Kreises vollzog sich eindeutig im Zeichen des raschen Industrieaufschwunges in den Gemeinden der Rheinebene und des unteren Ahrtals sowie der Sogkraft des Ruhrgebietes und des Köln/Bonn/Aachener Raumes. So blieb der Bevölkerungszuwachs des Kreises zwar weiter unter dem Bundes- und Landesdurchschnitt, zeigte jedoch positivere Ansätze. Infolge des Ausbaues des Eisenbahnnetzes (Rheinstrecke 1856, Ahrtalstrecke 1880 bis Ahrweiler, 1888 bis Adenau, 1910 Anschluß der Ahrtalstrecke vom Dümpelfeld über Blankenheim und Hillesheim an die Strecke Köln—Trier) und des Rheines als Wasserstraße, verbesserte sich die Standortgunst der Rheingemeinden erheblich.

Von besonderer Bedeutung war auch das Aufkommen des Fremdenverkehrs, des Kur- und Heilbäderwesens. Hier sind besonders die im unteren Ahrtal gelegenen Gemeinden zu erwähnen, die eine expansive Bevölkerungsentwicklung zu verzeichnen hatten. Sichtbare Strukturschwächen und die Notlage im damaligen Kreis Ädenau führten 1925 zum Bau des Nürburgringes, der für den Eifelraum eine Verbesserung der Wirtschaftsstruktur, besonders aber die Aktivierung des Fremdenverkehrs zur Folge hatte.

Insgesamt nahm die Bevölkerung im Zeitraum 1817—1939 zwar um mehr als 60 % zu, blieb jedoch etwa 35 % unter der Zuwachsrate des Landes Rheinland-Pfalz und rd. 70% hinter dem Bundesdurchschnitt zurück. Die Bevölkerungsentwicklung des Kreises Ahrweiler nach dem heutigen Gebietsstand gestaltete sich in den letzten 160 Jahren wie folgt:

1817    40119 Einwohner  
1840    50317 Einwohner    +25,4%
1871    51417 Einwohner    + 2,2%
1905    63914 Einwohner    +24,3%
1939    73492 Einwohner    +15,0%
1950    82996 Einwohner    +12,9%
1961    92757 Einwohner    +11,8%
1970    105551 Einwohner    +13,8%

Das unverhältnismäßig starke Bevölkerungswachstum nach dem 2. Weltkrieg war nicht zuletzt auf den Zustrom zahlreicher Vertriebener und Flüchtlinge zurückzuführen. Im Jahre 1961 waren rund 11,7% der Wohnbevölkerung des Kreises Ahrweiler Vertriebene bzw. Flüchtlinge.

Die periphere Lage des Kreises zum Verdichtungsraum Köln/Bonn sowie der hohe Wohn- und Freizeitwert waren die wesentlichsten Kriterien des expansiven Bevölkerungswachstums 1961—1970.

Natürliche Bevölkerungsentwicklung und Wanderungsbewegungen

Struktur und Wachstum der Bevölkerung werden durch die natürliche Bevölkerungsentwicklung, d. h. Geborene und Gestorbene, sowie durch Wanderungsbewegungen, das sind die Zu- und Fortzüge, geprägt.

Mitte bis Ende der sechziger Jahre wurden von den Demographen in der Bundesrepublik die ersten Störungen bei den bis dahin relativ gleichmäßigen Bevölkerungszuwachsraten registriert. Die bis dahin konstante Geborenen-/Gestorbenenbilanz veränderte sich einseitig; d.h. die Geburtenraten begannen ab 1967/68 rapide zu fallen. Diese Entwicklung ist bis zum heutigen Tage nicht zum Stillstand gekommen. Die sogenannte „Veränderung des generativen Verhaltens der Bevölkerung" (Pillenknick) hat zu einer anfänglich noch stagnierenden, jetzt aber rückläufigen Bevölkerungsentwicklung geführt. Während die Auswirkungen im Anfang primär in den städtisch geprägten Gebieten zu verzeichnen waren, hat diese Entwicklung in den letzten Jahren den ländlichen Raum und damit auch den Kreis Ahrweiler erfaßt. Dieser Schrumpfungsprozeß wird sich, durch demographische Einflüsse verstärkt, auf die Dauer noch beschleunigen. Während im Zeitraum 1961—1970 Geburtenraten von 16—19 o/oo die Regel waren, muß heute von einer durchschnittlichen Geburtenhäufigkeit von 8—10 o/oo ausgegangen werden. Die Anziehungskraft des Kreises auf den in unmittelbarer Nähe gelegenen Köln/Bonner Raum sowie die wachsende Mobilitätsbereitschaft der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung, die den hohen Wohn- und Freizeitwert des hiesigen Gebietes erkannt hat, haben in den letzten Jahren zu hohen Wanderungsgewinnen geführt. 96% des gesamten Bevölkerungswachstums resultierten im Zeitraum 1971—1973 aus Wanderungsüberschüssen, so daß der Kreis Ahrweiler, verglichen mit den übrigen Landkreisen in Rheinland-Pfalz, die höchsten Wanderungsgewinne aufzuweisen hatte. Dieser Trend ist allerdings in den letzten 2 Jahren, wahrscheinlich rezessionsbedingt, zum Stillstand gekommen. Die zukünftige Entwicklung im Kreis Ahrweiler dürfte von einer negativen natürlichen Bevölkerungsentwicklung und von mäßigen Wanderungsüberschüssen gekennzeichnet sein.

Voraussichtliche Entwicklung

Basierend auf den vorgenannten Zusammenhängen und Entwicklungstendenzen wurden im Rahmen der Kreisentwicklungsplanung vom wirtschaftswissenschaftlichen Institut der Universität Bochum (Prof. Klemmer) sowie von der Kreisverwaltung Ahrweiler, unanbhänig voneinander, zwei Bevölkerungsprognosen für den Kreis Ahrweiler erarbeitet. Danach ist die Bevölkerungsentwicklung bis 1985 in vorstehendem Entwicklungskorridor zu sehen.

Gebietseinheit

Wohnbevölkerung
am 1. 1. 1976

Bevölkerungszahlen 1985 

nach nach Universität *) Bochum KV  Ahrweiler

Bad Neuenahr-Ahrweiler

26371

27 100 —

27575

Remagen 

14 627

15 150 —

15875 

Sinzig  13 112 13 450 — 14100
Gem. Grafschaft 6 283 6 500 — 6650

VG Adenau

13 171

13 300 —

13550

VG Altenahr

10 642

10 750 —

10700

VG Bad Breisig

10 166

10 550 —

10500

VG Brohltal 15 063 15 250 — 15650
Kreis Ahrweiler 109 435 112 050 - 114 600

*) Modifiziert nach Bev. Progn. KV. Ahrweiler

Eine von der Landesregierung in Auftrag gegebene Prognose kommt zu dem Ergebnis, das im Kreis Ahrweiler bis zum Zeitpunkt 1985 mit einem Bevölkerungsverlust zu rechnen ist. Diese von der regionalen Planungsgemeinschaft Mittelrhein modifizierte Bevölkerungsprognose weist für den Zielzeitpunkt 1985 eine Wohnbevölkerung von 108 300 Personen aus.

Die Bevölkerungsentwicklung in den letzten Jahren hat die Wachstumseuphorie der Vergangenheit gedämpft und zu der Erkenntnis geführt, daß zukünftig statt der bisherigen Wachstumsplanung eine der tatsächlichen Entwicklung angepaßte Konsolidierungsplanung betrieben werden muß.