Der neue Nürburgring

Martin Urbanus

Das 50. Jahr seines Bestehens war für den Nürburgring nicht nur aus historischer Sicht ein bedeutendes Jahr. 1977 fielen wichtige Vorentscheidungen für die Zukunft.

Im März 1977 sperrte die CSI-Unterkommission für Rennstrecken und Sicherheit, den Forderungen einiger Formel-1-Fahrer folgend, die Nordschleife für Formel-1-Rennen. Damit geriet diese traditionsreiche Strecke in die Gefahr, ihre herausragende Bedeutung im internationalen Motorsport zu verlieren.

Die Nürburgring GmbH und ihre Partner wurden sich daher schon frühzeitig darüber einig, daß gute Zukunftsaussichten für die nächsten Jahrzehnte nur durch den Bau einer modernsten Anforderungen entsprechenden, zusätzlichen Kurzstrecke gewährleistet wären. Dabei gingen die Verantwortlichen nicht etwa von den einseitig überspitzten Forderungen Einzelner aus. Es gibt vielmehr hierfür eine Anzahl gewichtiger Sachgründe, die wir hier nur andeuten können.

Von den Veranstaltern wird schon seit langem eine kurze Rennstrecke gefordert. Die finanziellen Aufwendungen für die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen an der rund 23 km langen Nordschleife wachsen allmählich in eine nicht mehr vertretbare Größenordnung.

Viele Fahrer und Konstrukteure verlangen eine kürzere Strecke mit der Begründung, die Nordschleife sei zu lang und zu schwierig für Fahrer und Fahrzeuge. Bei Reifenpannen oder anderen Defekten hätten die Fahrer zudem bei der großen Entfernung kaum eine

Möglichkeit, den Schaden an den Boxen beheben zu lassen und in Wertung zu bleiben. Für die Zuschauer bietet die Nordschleife wegen der langen Rundenzeiten von durchschnittlich 8 bis 10 Minuten zu wenig Attraktivität.

Problematisch sind zur Zeit auch die Fernsehübertragungen. An der Nordschleife gibt es nur wenige Abschnitte, die ein Verfolgen der Fahrzeuge mit der Kamera über mehr als ein paar hundert Meter ermöglichen. So ist eine lückenlose Übertragung nur durch den Einsatz kostspieliger Techniken wie Kamerahubschraubern möglich.

Aber auch für die Nürburgring GmbH selbst bringt eine kürzere Rennstrecke wesentliche Arbeitserleichterungen und damit Kostenersparnisse. Für die Zuschauererfassung sind heute bei großen Rennen in dem weitläufigen Gelände des Nürburgringes fast 500 Personen mit Kontroll- und Dienstleistungsaufgaben beschäftigt.

Mit dem Bau der Kurzstrecke wird sich der Nürburgring wieder in die Spitzengruppe der großen internationalen Rennstrecken einfügen. Es sei darauf hingewiesen, daß im Rahmen der Weiterentwicklung des Motorsports heute von den 18 Grand-Prix-Strecken bereits 17 Kurzstrecken mit 3 bis 7 km Länge sind.

Vorentwurf einer neuen Rennstrecke am Nürburgring
Repro: Kreisbildstelle

Viele der sich jetzt abzeichnenden Gründe, die für den Bau einer neuen Kurzstrecke sprechen, waren für die Nürburgring GmbH nicht neu. So beschäftigt man sich bereits seit 1974 mit Plänen für eine Verkürzung der Nordschleife bzw. dem Bau einer neuen Strecke im Bereich der ehemaligen Südschleife.

Formel-Rennen auf dem Nürburgring Foto: Kreisbildstelle

Auf Einladung der Nürburgring GmbH wurde dann im November 1976 eine Sachverständigenkommission aus Vertretern der Motorsportverbände, Sicherheitsfachleuten und Technikern für den Rennstreckenbau gebildet, mit der Aufgabe, die Nürburgring GmbH bei der Entwicklung der Neubaupläne zu beraten. Die Berechnung technischer Details wie Kurvenradien, Geschwindigkeiten u. a. nahm die Firma Porsche mittels Computer vor. Die Kommission überprüfte die bereits vorliegenden Planungsvorschläge im Bereich der Nord- und Südschleife. Gegen eine Verkürzung der Nordschleife sprachen dabei eine Reihe gewichtiger Gründe. Nach eingehender Überprüfung aller Alternativen kam für die Neuplanung nur der obere Teil der heutigen Südschleife mit gleichzeitiger Beibehaltung des Start- und Zielbereichs mit der Südkehre in Frage.

Nachfolgend nun die technischen Daten der neuen Strecke:

Streckenlänge:
ca. 7 km.

Streckenbreite:
10 bis 15 m.

Sicherheitsstreifen:
Beiderseits mindestens 10 m, in den Sturzräumen bis zu 100 m Tiefe.

Streckenführung:
Harmonische Kombination von Kurven und Geraden mit Überholmöglichkeiten.

Kurvenradien:
zwischen 80 und 200 m

Steigungen:
bis maximal 7,0 %

Gefälle:
bis maximal 6,0 %

Geschwindigkeiten:
Durchschnittsgeschwindigkeit ca. 175 km/h,
Spitzengeschwindigkeiten 270 km/h bis 300 km/h (bezogen auf Formel-1)

Streckensicherung:
Nach dem neuesten Stand der Technik mit optischen, akustischen und elektronischen Einrichtungen.

Rettungsstraße:
Parallel zur gesamten Rennstrecke mit Einfahrten im Abstand von jeweils 300 m. Außerdem sternförmig angelegte Verbindungsstraßen zu einem zentral gelegenen Landeplatz für Rettungshubschrauber.

Ausbau Start- und Zielbereich:
Bau einer völlig neuen großdimensionierten Boxenanlage mit Sanitäreinrichtungen. Dahinter gelegenes neues Fahrerlager mit direkter Verbindung zur Boxenstraße. Verlegung der Gegengerade in den Bereich Hatzenbach mit einem freien Zwischenraum bis zu 150 m Tiefe. Neubau eines modernen funktionsgerechten Start- und Zielhauses.

Pressezentrum:
Bau eines Kommunikations- und Presse-Centers gegenüber den Boxen im Anschluß an die Haupttribüne.

Die Unterbringung der Zuschauer an der neuen Strecke wird vor allem der Forderung nach mehr Komfort gerecht. Rund um die Strecke wird es künftig feste Tribünenanlagen mit 100000 Sitz- und 50000 Stehplätzen geben. Außerdem wird die Haupttribüne renoviert und im Platzangebot erweitert. Moderne Sanitäranlagen und Versorgungseinrichtungen werden zur unmittelbaren Betreuung der Zuschauer in die Tribüne eingebaut. Eine hinreichende Zahl nahegelegener Park- und Campingplätze wird zur Verfügung stehen. Außerdem bleiben einige altvertraute Zeltmöglichkeiten erhalten.

Die nationalen und internationalen Motorsportgremien ONS/CSI und OMK/FIM begrüßen die neue Planung und wirken hierbei aktiv mit. Zusammen mit der auch weiterhin funktionsfähig gehaltenen Nordschleife wird der neue Nürburgring ein echtes Motorsport-Zentrum mit vielfältigen Möglichkeiten darstellen. Innerhalb der 7 km langen zukünftigen Südschleife wird durch eine Stichstraße eine neue Start- und Zielschleife von etwa 3,5 km Länge entstehen. Insgesamt stehen alsdann drei unabhängig voneinander befahrbare Strecken mit mehreren Kombinationsmöglichkeiten zur Verfügung. Eine Motorsportstätte ohnegleichen! Ein Zentrum für Leistungs- und Breitensport, geeignet für alle Motorsportarten von der Zuverlässigkeitsfahrt bis zur Formel 1, vom Anfänger im kleinen Tourenwagen bis zum Weltmeister im Wagen oder auf dem Motorrad. Sicherlich ist es die Bundesrepublik Deutschland ihrem Ansehen als eine der führenden Automobilproduzenten der Welt schuldig, ein solches Motorsportzentrum zu bauen und zu erhalten. Eine endgültige Entscheidung über den Bau des neuen Nürburgrings stand bei Drucklegung noch aus, da die Hauptgesellschafter Bund und Land Rheinland-Pfalz die Mittel zum Neubau nur im Rahmen der Parlamentarischen Haushaltsbeschlüsse zur Verfügung stellen können. Im Hinblick auf die bisherige positive Einstellung aller politischen Parteien ist mit einer Bewilligung und Bereitstellung der Mittel zum Neubau — nach heutigem Stand ca. 93 Mio. DM — zu rechnen. Alsdann könnte mit dem Bau noch in diesem Jahr begonnen werden. Nach seiner voraussichtlichen Fertigstellung 1981 wird der neue Nürburgring wieder die Bedeutung erlangen, die der alte Ring fünf Jahrzehnte lang innehatte.