Die Entwicklung der Kohlensäureindustrie im Raum Burgbrohl

Karl Schäfer

Als letzter Ausklang der vulkanischen Tätigkeit wird das Aufsteigen von Kohlensäure betrachtet, als treibende Kraft, die aus dem Magma heraus frei wird. Sie strömt an zahlreichen Stellen aus dem Boden durch in die Tiefe reichende Erdspalten, die als „Motetten" (aus dem Italienischen) bezeichnet werden.

Kohlensäure trennt sich vom Schmelzfluß im Erdinnern bei einer Abkühlung auf 400 bis 200 Grad Celsius. Das beständig ausströmende Gas zeigt also an, daß sich im vulkanischen Herde ein Schmelzfluß von über 400 Grad C Wärme befindet.

Professor Knetsch macht darauf aufmerksam, daß die alkalischen Heilquellen im Mittelrheingebiet, z. B. Bad Neuenahr, Bad Ems. deren chemische Zusammensetzung Ähnlichkeit mit den Quellen des Laacher Gebietes aufweist, eine Magmenprovinz in der Erdtiefe andeuten, die im Laacher Vulkangebiet ausgebrochen ist, in der Erdtiefe sich jedoch bedeutend weiter ausdehnt, als die oberflächliche Äußerung vermuten läßt.

Die Gesamtmenge der in der Eifel ausströmenden Kohlensäure wird nach Knetsch auf täglich 200 Tonnen geschätzt.

Die ergiebigen Kohlensäurequellen waren bereits den Römern bekannt. Brunneneinfassungen und gemauerte Zugänge sind außer in Burgbrohl selbst, wie schon erwähnt, am „Heibert" im Pöntertal und am Kurfürstenbrunnen im Tönissteiner Tal aus der Römerzeit nachgewiesen.

Während seit alter Zeit die Bewohner Burg-brohls die im unmittelbaren Ortsbereich austretenden Kohlensäurequellen — genannt werden die Quellen etwa an der heutigen Kirchstraße und eine Quelle im Oberdorf am Frings'schen Haus, beide jedoch längst versiegt — nutzten, begann die fabrikmäßige Ausbeute der Kohlensäurequellen in Burgbrohl im Jahre 1832 mit der Errichtung eines „Wasserversandgeschäftes" durch die Firma Bischof und Rhodius im „Feienbor". Dieser Betrieb bestand jedoch nicht lange und wurde durch die Bleiweißfabrikation abgelöst.

Zur Bleiweißfabrikation wurde ebenfalls Kohlensäure verwendet. Die Bleiweißfabrik ging in den alleinigen Besitz der Familie Rhodius über, die aus Linz am Rhein ins Brohltal kam und mit ihrer unternehmerischen Initiative bis in unsere Zeit, und heute mehr denn je, dem Brohltal und natürlich insbesondere der Ortsgemeinde Burgbrohl selbst unternehmerische und strukturelle Schwerpunkte gesetzt hat.

1903 waren in der Firma 137 Arbeiter beschäftigt, die Produktionskapazität betrug im gleichen Jahr 90 000 Zentner Bleiweiß, wovon 75 Prozent exportiert wurden, besonders über England.

Die eigentliche Kohlensäureindustrie in Burgbrohl begann im Jahre 1883, als durch die Firma Gebrüder Rhodius in der Ortsmitte eine Kohlensäurequelle erbohrt und neben derselben die Kohlensäurefabrik, wie sie damals genannt wurde, erstand zum Zwecke der Verflüssigung von Kohlensäure.

Durch die Brüder Johann und Joseph Buhr wurde einige Jahre später eine weitere starke Quelle erschlossen, deren Sprudel 20 bis 30 Meter hoch sprang. Da diese Quelle in nächster Nähe der Rhodiusquelle zur Schwächung in der geförderten Kohlensäuremenge und sogar zum zeitweiligen Versiegen führte, erbohrte die Firma Rhodius eine neue Quelle, die bei einer Anfangsweite von 75 cm Bohrlochquerschnitt und bei einer schließlich erreichten Tiefe von 489 Meter eine konstante Förderung aufwies.

Die Brüder Buhr verkauften daraufhin ihre Quelle an eine holländische Firma Rommen-höller und Co. in Rotterdam. Diese Firma hatte die Absicht, auf dem Grundstück der Quelle eine chemische Fabrik zu er richten. Dieses Vorhaben kam jedoch nicht mehr zur Ausführung, da die Quelle allmählich versiegte und nach dem damaligen Quellenschutzgesetz eine neue Erschließung nicht mehr möglich war.

Um die gleiche Zeit wurden erstmals im Gleestal Bohrungen nach Kohlensäure vorgenommen, und zwar durch die Firma Schoor und Wolter. Die Bohrungen wurden reichlich fündig, und damit begann gleichzeitig die bis in die Gegenwart reichende Orientierung der Kohlensäureindustrie aus den schier unerschöpflichen Vorkommen im Gleestal.

Doch zurück zu diesen Anfängen: Die erwähnten Schoor und Wolter veräußerten ihren Betrieb an eine holländische Gesellschaft, die jedoch infolge eines Abkommens mit dem sogenannten ..Kohlensäure-Syndikat" gegen eine einmalige Entschädigung von 20 000 Mark am 1. 7. 1912 den Betrieb der Fabrik einstellte.

Gegenüber dem früheren Bürgermeisteramt im Unterdorf wurde 1891 eine Bohrung nach Kohlensäure vorgenommen, die erschlossenen Quellen reichten allerdings nicht zur Bestreitung eines Fabrikbetriebes aus, der Besitzer Lürges. später „Kohlensäurewerk Lür-ges und Co", bezog die Kohlensäure von der Firma Rhodius. Sitz der Firma selbst wurde Bonn.

In den Jahren 1887/88 wurde auch im Oberdorf — die Quelle am Frings'schen Haus wurde schon einmal erwähnt — eine großzügige industrielle Bohrung durch eine Firma Seibert und Co. aus Kupferdreh im Ruhrgebiet bei Essen durchgeführt. Diese Quelle ging nach Fündigwerden an die Firma August Thyssen aus Mühlheim an der Ruhr über, die hier eine Fabrik errichtete, der aber keine lange Lebensdauer beschieden war. Wahrscheinlich durch die Bohrungen nach Kohlensäure im Unterdorf (Fa. Rhodius und Buhr) sank die Kapazität der Quelle, Neubohrungen an dieser Stelle wurden als aussichtslos angesehen und unterblieben.

Das weitere Schicksal dieses Quellengrundstückes im Oberdorf ist sehr interessant und sollte auch in dieser Darstellung Erwähnung finden. Der nächstfolgende Besitzer war E. Straßburger aus Tönisstein. der das vorhandene Fabrikgebäude als Strohlager benutzte. 1897 wurde das Gebäude durch Brand zerstört. 1904 ging das Grundstück schließlich in Gemeindebesitz über. Das von den Fabrikgebäuden stehengebliebene Maschinenhaus wurde in Gefängniszellen und in ein Spritzenhaus umgebaut, der Übungs-, später Trockenturm der freiwilligen Feuerwehr von Burgbrohl beherrschte viele Jahrzehnte an dieser Stelle das Ortsbild.

Interessant dürften auch die Auswirkungen der vielen Bohrungen im unmittelbaren Ortsbereich sein, zu denen sich der Chronist veranlaßt sah. Das natürlich vorhandene Grundwasser wurde in erheblichem Maße der Erde entzogen, so daß die Kohlensäure an vielen Stellen frei und ungebunden zutage trat. Die Vegetation soll darunter gelitten haben, geschlossene Räume konnten wegen der Kohlensäure nur mit größter Vorsicht betreten werden. So soll der Tod eines älteren Mannes. Anton Schwarz mit Namen, auf Ersticken durch Kohlensäure zurückzuführen gewesen sein, als man ihn leblos liegend in seinem Keller fand.

Als weitere Auswirkung dieser umfangreichen Bohrungen von 1883 an versiegten die sogenannten Säuerlinge im Ortsbereich, unter anderem auch der heute nur noch dem Namen nach bekannte „Quäkbor". Der Gemarkungsteil ,.ln der Green". in der Chronik als „Grün" bezeichnet, war bis zu diesem Zeitpunkt ein wertloses Sumpfland und konnte nunmehr in gutes Gartenland verwandelt werden.

Die Verarbeitung der aus den Tiefen gewonnenen Kohlensäure sah in allen genannten Fabrikationsbetrieben durchweg gleich aus und wird wie folgt beschrieben:

Die aus den Quellen gasförmig aufsteigende Kohlensäure wurde in großen Behältern über den Bohrlöchern aufgefangen und gesammelt und durch Rohre und Pumpwerke nach der meist nahebei gelegenen Fabrik geleitet. Hier fand die Reinigung statt, das heißt, alle Fremdbestandteile wurden der Kohlensäure entzogen, ehe sie bei einem Druck bis zu 80 Atmosphären in eiserne Flaschen gepreßt wurde. Bereits bei einem Druck von 45 Atmosphären und einer Temperatur von 10 Grad Celsius wird Kohlensäure verflüssigt.

Von 1890 an wurden die anfänglich gußeisernen Flaschen durch leichtere Stahlflaschen, die sogenannten Mannesmannflaschen ersetzt. Hervorgehoben wird die dadurch erzielte nicht unerhebliche Frachtersparnis, insbesondere bei den auch damals schon üblichen weiten Transporten.

Es wurden um die Jahrhundertwende Flaschen von 10, 20 und 25 kg Inhalt gefüllt, wobei das Leergewicht mit 22, 44 und 53 kg angegeben wurde. Auch die notwendigen Eichungen werden für den Fabrikationsbetrieb angegeben, wobei die geprüften Flaschen einem hydraulichen Druck von 250 Atmosphären ausgesetzt waren.

1885 wurde für ein kg Kohlensäure ein Preis von 2 Mark erzielt, 1910 für die gleiche Menge nur noch 20 bis 30 Pfennig. Während jedoch für die Traßindustrie sich der beginnende Niedergang abzeichnete, wird für die Kohlensäure ein ungeheurer Anstieg des Versandgeschäftes hervorgehoben.

Dazu einige Vergleichszahlen sämtlicher Kohlensäurefabriken von Burgbrohl.

1900 = 916448 kg
1910 = 1 445398 kg
1912 =

2 734920 kg

Die Hochkonjunktur des Jahres 1912 wird allerdings auf den ungewöhnlich heißen Sommer zurückgeführt.

Im Frühjahr 1912 erbaute die Firma Rhodius eine Füllstation am Bahnhof, auch heute noch nach der Umfirmierung in die Agefko (Aktien-Gesellschaft für Kohlensäure) mit die bestimmende Struktur der Abfüllung und Verschickung von Kohlensäure.

Kohlensäure wird das kostbare Produkt allgemein genannt, für Chemiker. Unternehmer und auch im weitesten Umfange dem heutigen Verbraucher in vielen Sparten von Industrie. Wirtschaft und Gewerbe ist dies natürlich zu dürftig.

Als Kohlendioxyd, CO2 nach der chemischen Formel oder auch Kohlensäureanhydrid, wird sie als ein unbrennbares, färb- und geruchloses Gas beschrieben. Ein Hauptverwendungszweck ergibt sich aus dieser chemischen Eigenschaft, da es unbrennbar ist und die weitere Sauerstoffzufuhr zu einer Flamme verhindert, so wird sie als Feuerlöschmittel immer mehr verbreitet. Seit langem bekannt in Bierdruckapparaturen, hat sich in den letzten Jahrzehnten die Palette der Ver- und Anwendungsmöglichkeiten von CO2 derart vervielfältigt, daß der beachtliche Fuhrpark, besonders die typischen Kühl- und Kesselwagen der Agefko auf allen Fernstraßen des In- und auch des nahen und mittleren Auslandes zu einem gewohnten Bild geworden sind.

Genau so bekannt und verbreitet sind die vielfältigen Verwendungszwecke zu Kühleinrichtungen aller Art: Kohlensäureschnee und Trockeneis sind aus dem umfangreichen Produktionsprogramm besonders bemerkenswert.

Im Zuge der beachtlichen Expansion, die die Kohlensäureindustrie des Brohltales in den letzten Jahrzehnten genommen hat, war es sicher ein wichtiger Meilenstein in dieser Entwicklung, als 1958 im Gleestal die bisher größten Bohrungen in mehr als 500 Meter Tiefe fündig wurden. In der bei vielen Zeitgenossen noch frischen Erinnerung an das Fündig-werden der Bohrstelle, aus der einige Wochen ungehindert ein über 40 Meter hoher Geisir ein seltenes Naturschauspiel bot, das sicher dem seit langem leider versiegten Na-medyer Sprudel nur wenig nachstand, bahnte sich in der Folge eine Entwicklung an, die das Werk mit seinen modernen Abfüll- und Verarbeitungsapparaturen zu einem der leistungsfähigsten seiner Art gemacht hat.

Die traditionelle Kohlensäurefabrik der Agefko in der Ortsmitte von Burgbrohl ist seit Ende der 60er Jahre verschwunden.

Rationalisierungsmaßnahmen und Modernisierung in großem Stil haben um diese Zeit zum Abbruch des alten Maschinenhauses, wie es damals genannt wurde, geführt. Übrig geblieben ist lediglich die alte Bohrstelle mit dem damals typischen Sammel- und Abfüllbehälter. Bedeutende Wassermengen, angereichert mit Kohlensäure, fließen seitdem ungenutzt in den Brohlbach ab. Vor Jahren wurde der Gedanke geboren, hier eine eindrucksvolle Erholungsstätte mit Einbeziehung dieses Naturbrunnens zu schaffen, um das, was die unerschöpfliche Natur in ihrem reichen Füllhorn über unsere Landschaft ausgegossen hat, allen sichtbar kundzutun.

Doch wieder zurück zur Entwicklung der Firma Gebrüder Rhodius. Als Bleiweißproduzent war die Firma für das damalige Gebiet des Deutschen Reiches mit in führender Position, die Produktionspalette wurde um die Jahrhundertwende mit der Herstellung von Bleiglätte und Bleimennige erweitert. Außer in der Farbenindustrie fand man mit diesen Produkten Eingang in die keramische Industrie zur Herstellung von Kristallglas und Glasuren. Ein Jahrzehnt später wurde Zinkweiß in die Produktion mit aufgenommen und dadurch vergrößerte sich der Abnehmerkreis in der Pharmazeutik. Dieses auf der Basis von Kohlensäure beruhende Programm wurde jedoch in den letzten Jahren im Zuge einer weitsichtigen Umstrukturierung aufgegeben.