Die obere Grafschaft in den Jahren kurz nach 1800

Eine Beschreibung von Land und Leuten

Ottmar Prothmann

Wer einen Einblick gewinnen will in die Zustände und Lebensverhältnisse früherer Zeiten, in die das Erinnerungsvermögen der jetzt noch lebenden ältesten Generation nicht mehr zurückreicht, der wird feststellen, daß die vorhandenen schriftlichen Zeugnisse meist nur einen recht unvollkommenen und blassen Eindruck vermitteln. Um so erfreuter ist man dann, wenn man auf Schriftstücke stößt, die eine bis in die Einzelheiten gehende Beschreibung der verschiedensten Lebensbereiche enthalten.

Ein solches Aktenheft mit dem Titel »Allgemeine Übersicht der Verhältnisse des Landes oder der Landestheile und der Bevölkerung« liegt im Archiv der Gemeinde Grafschaft zu Ringen (Fach 27 Nr. 1). Es beginnt mit einer Landesbeschreibung vom 11. Germinal des Jahres 10 der Republik (1. April 1802) und zwei ausgefüllten Fragebögen von 1811 und 1812, deren Reinschriften der jeweiligen Maire (Bürgermeister) der Mairie Gelsdorf an die vorgesetzte Behörde nach Koblenz schickte.

Diese drei Quellen habe ich zu nachfolgender Darstellung verarbeitet, wobei ich nur dort, wo die Kenntnis der genauen Zeitstellung erforderlich ist, diese durch Hinzufügen der jeweiligen Jahreszahl 1802, 1811 oder 1812 genannt habe. In Wortwahl und Formulierungen habe ich mich möglichst nahe an den Quellentext gehalten und alle eigenen Erklärungen sowie Ergänzungen in Klammern gesetzt.

Zur allgemeinen Lage sei noch vorausgeschickt, daß diese Gegend seit dem Oktober 1794 von den Franzosen besetzt gehalten wurde und seit dem Jahre 1801 auch völkerrechtlich mit dem linken Rheinufer zum französischen Staat gehörte. Ohne Rücksicht auf alte territoriale Zugehörigkeiten wurden neue Verwaltungseinheiten geschaffen. Und so bildete das hier beschriebene Gebiet mit den Dörfern Eckendorf, Gelsdorf, Holzweiler, Nieder- und Oberesch sowie Vettelhoven die Mairie Gelsdorf.

Topographische Beschreibung, Verwaltung, Bevölkerung

In der Mairie Gelsdorf gibt es einen Springbrunnen (ob er im Park des Gelsdorfer Schlosses lag?), 30 Quellen und 15 Brunnen, deren Wasser meist weich ist und zum Gebrauch für Mensch und Vieh dient. Allerdings reicht es nicht immer aus, so daß manchmal Wassermangel herrscht. Zwei größere Bäche, der Swistbach und der bei großer Hitze völlig austrocknende Altbach, fließen durch dieses Gebiet. Außer den vier in der Gemarkung Gelsdorf liegenden Teichen, die der Familie von Gruben (Besitzer des dortigen Schlosses) gehören, sind keine stehenden Gewässer vorhanden. 700 Hektar groß sind die Waldungen, die vor allem aus Buchen- und Eichenhochwald bestehen und zur Brandholz- sowie Bauholzgewinnung dienen. Köhler, die Holzkohle herstellen, gibt es hier nicht, auch wird keine Lohe geschält. Besitzer größerer Waldparzellen sind in Eckendorf Graf von der Leyen (auf Burg Adendorf) mit 24 Morgen (ca. 30 heutige Morgen. Der Morgen hatte damals 32 Ar, während unser heutiger Morgen nur 25 Ar enthält) und in Vettelhoven die Herren von Harff und Lombeck mit 300 Morgen (384 heutige Morgen). Der Effels Busch und die Erlen Hecken bei Oberesch mit zusammen etwa 38 Morgen (ca. 48 heutige Morgen) gehörten früher dem Stift St. Joh. und Cordula zu Köln, sind aber 1811 kaiserliche Waldungen. In Gelsdorf besitzen die Einwohner ungeteilt einen 1 500 Morgen (1 920 heutige Morgen) großen Wald, und ebenso sind bei Niederesch 2 1/2 bis 3 Morgen (3,1 bis 3,8 heutige Morgen) in Gemeinheitseigentum.

Verkleinerter Auszug aus der Tranchotkarte Bl. 111 (Ahrweiler)
Repro: Kreisbildstelle

Der Sitz der Mairieverwaltung ist Gelsdorf. Das jährliche Aufkommen an Grund-, Möbel-, Tür-, Fenstersteuer usw. beträgt 1811 14 938 Francs 36 Centimes. Dem steht auf der anderen Seite jedoch eine Verschuldung von 38 000 Francs gegenüber.

In der Mairie leben im Jahre 18111 495 Katholiken und 25 Juden, die eine eigene Synagoge haben. Die häufigsten Krankheiten sind Faulfieber (Wundfieber, Kindbettfieber), Brustkrankheiten und Auszehrung (Abmagerung infolge schwerer Erkrankung wie Tuberkulose und Krebs). Es gibt hier drei Blinde, drei Schwachsinnige, acht Menschen leiden an Fallsucht und fünf an sonstigen Gebrechen. Die Bewohner des hiesigen Landstriches haben einen guten Mutter-Verstand und sind von ziemlich leichtem Begriffe. Sie hatten vor Jahren den Ruf der Redlichkeit, der Eingezogenheit (Zurückgezogenheit), des Fleißes und häuslicher Zufriedenheit. Mit Pflichtgefühl waren sie bestrebt, ihre verschiedenen Berufspflichten zu erfüllen, die Verträge hielten sie mit gewissenhafter Genauigkeit und ihren Mitbewohnern versuchten sie, gute Nachbarn zu sein. Die Knechte und Mägde verrichteten ihren Dienst getreu und arbeiteten emsig. Die Kinder ehrten ihre Eltern und Vorgesetzten und bezeugten ihnen dementsprechende Folgsamkeit. Die eigene Beobachtung und die von allen Seiten vernehmbaren Klagen lassen aber nun (1802) erkennen, daß die Moral seit einiger Zeit zu sinken beginnt. Verträge werden leichtfertig gebrochen und mit Betrug und Hinterlist versucht man sich einen unehrenhaften Gewinn zu verschaffen. Die lautesten Klagen sind jene der Bauern über die Ausschreitungen, Treulosigkeit und Nachlässigkeit der Dienstboten. Auch die Kinder und Jugendlichen folgen diesem Beispiel, indem sie die geziemende Ehrfurcht vor den Eltern und Vorgesetzten vermissen lassen. Bei ihren Vergnügungen fangen sie an, sich frech und wild zu gebärden, und oftmals kommt es zu boshaften Zänkereien. Die Ursache all dieser Ausartungen liegt wohl in den falsch verstandenen Freiheiten, die durch die Revolution ins Land gebracht worden sind.

Einwohner-, Häuser- und landwirtschaftliche Statistik, 1812
  Häuser Einwohner Häuser Einwohner Ackerland Wiesen Pferde Ochsen Kühe Schafe Schweine Bienen-
stöcke
  1794 1812 in kölnischen Morgen zu 32 Ar          
Eckendorf 46 262 51 272 630 45 21 19 105 300 46 10
Gelsdorf 95 510 98 600 1 500 30 50 10 180 350 60 20
Holzweiler 23 150 23 160     8 6 51 0 31 20
Niederesch mit Alteheck und Mönchesch 32 168 32 174 900 251 8 6 60 300 33 13
Oberesch 21 80 21 84     4 6 36 200 15 8
Vettelhoven 43 190 46 200 800 100 20 6 80 230 40 30

Die einzelnen Gemeinden bestehen jeweils aus einem Dorf, nur die Gemeinde Niederesch zählt drei Wohnplätze. Im Jahre 1811 stehen in Niederesch 27 Wohnhäuser im Weiler Alteheck 6 und in Mönchesch 1 (also zwei Hauser mehr als 1812. Ob es ein Zahlfehler ist?).

Die einzelnen Gemeinden bestehen jeweils aus einem Dorf, nur die Gemeinde Niederesch zählt drei Wohnplätze. Im Jahre 1811 stehen in Niederesch 27 Wohnhäuser, im Weiler Alteheck 6 und in Mönchesch 1 (also zwei Häuser mehr als 1812. Ob es ein Zählfehler ist?).

Kindererziehung und Schule

Die Eltern, die mit dem Ackerbau und verschiedensten landwirtschaftlichen Arbeiten unaufhörlich beschäftigt sind, kümmern sich nicht in dem Maße um die Erziehung ihrer Kinder, wie es erforderlich wäre, um sie ihrem Stande gemäß auszubilden. Bis zum vierten Jahre erhalten die Kinder ihre Erziehung nur von den Eltern. Dann werden sie dem Gemeindeschullehrer und Pfarrer zum öffentlichen Unterricht übergeben. Ersterer unterweist sie im Lesen und Schreiben und letzterer in Religion und Moral. Sind die Kinder zehn oder höchstens zwölf Jahre alt, lassen die Eltern sie nicht mehr zur Schule gehen, sondern führen sie zur Arbeit an, und da die ihnen gegebenen Lehren nicht mehr fortgesetzt werden, so verlieren sich die erworbenen Kenntnisse bald wieder. Im Jahre 1812 besuchen 20 bis 30 Kinder die Schule in Eckendorf, 46 die in Gelsdorf und 92 die in Holzweiler. Dorthin kommen auch die Kinder von Niederesch, Oberesch und Vettelhoven. Der Besuch ist im Winter stark, im Sommer jedoch schwach (da die Kinder in der Landwirtschaft mithelfen). Im Jahre 1811 erhalten die Lehrer als Besoldung von jedem Kind, bis es lesen kann 15 Centimes, wenn es lesen kann 22 1/2 Centimes und wenn es schreiben kann 30 Centimes (jährlich?). Als weitere Einkünfte beziehen sie aus dem Opfermannsdienst (Küsterdienst), der mit der Lehrerstelle verbunden ist, etwa 50 Francs jährlich.

Nahrung

Die gewöhnliche Nahrung für säugende Kinder ist außer der Muttermilch Mehl-Papp mit Milch zubereitet. Die entwöhnten Kinder und die Erwachsenen ernähren sich hauptsächlich von Erdäpfeln (Kartoffeln) und Brot, sodann von Brei, der mit Mehl und gebackenem oder getrocknetem Obst sowie Milch zubereitet wird. Aus Milch stellt man auch Butter und Käse her. Zur Nahrung gehört ebenfalls Gemüse, Schweinefleisch und zuweilen Rind- und Kalbsfleisch. Das normale Getränk besteht in klarem Wasser, jedoch trinken die meisten zum Frühstück schwachen Kaffee. Bei schweren Arbeiten wird Branntwein, zuweilen auch Bier gereicht.

Kleidung

Die normale Kleidung der Männer besteht aus einem Unterwams und einer langen Weste, worüber an Festtagen noch ein Rock angelegt wird. Diese Kleidungsstücke sind alle von wollenem Tuch, während die von vielen im Sommer getragene Unterweste aus Leinen oder Baumwolle hergestellt wird. Die Hosen bestehen aus Loden und einige aus Plüsch oder farbigem Velours de couton (eine Samtart). Letztere trägt man meistens nur an Festtagen. Im Winter zieht tnan gewebte blaugefärbte Wollstrümpfe an, im Sommer meistens leinene Strümpfe oder Überstrümpfe. Die Männer tragen Hüte oder Kappen, im Sommer fast ausschließlich Hüte zum Schutz gegen die Sonnenstrahlen. Die Kleidung der Frauen besteht in einem langen Unterkleid ohne Ärmel oder Mauen, wie man in hiesiger Landessprache zu sagen pflegt. Dazu legen sie noch ein Mieder oder Wams und einen Rock an. Über diese aus wollenem Tuch hergestellten Kleidungsstücke bindet man eine blaugefärbte leinene Schürze ohne Brustlappen. Um den Hals tragen die Frauen ein Halstuch aus gefärbtem Leinen oder Baumwolle, bei Feierlichkeiten auch aus Seide oder Nessel. Die Hauben sind von Zitz (feiner bunter Kattun) und Baumwolle. An Sonn- und Feiertagen tragen die verheirateten Frauen eine Haube von Kammer-Tuch (Batistleinwand bzw. Baumwolltaft), die vorne und an beiden Seiten in Falten gelegt wird und allgemein Treck-Mütze heißt. Die Strümpfe der Frauen bestehen aus dem gleichen Material wie die der Männer, jedoch gehen sie im Sommer alle ohne Strümpfe.

Haus und Wohnung

Wohnhaus, Stauungen und Scheune haben im Schnitt eine Gesamtlänge von 40 und eine Breite von 20 Schritten. Das Wohnhaus enthält im Erdgeschoß eine Küche, eine Stube zum täglichen Aufenthalt, die meistens auch zum Schlafen dient, und sodann ein kleines Kämmerchen als Milch-Spind oder zum Aufbewahren sonstiger Dinge. Im Oberhaus sind außer dem Speicher noch ein oder zwei Kämmerchen vorhanden, in denen die Kinder und Dienstboten schlafen. Unter vielen Häusern befinden sich Keller, die jedoch nicht gewölbt sind und nur zur Aufbewahrung des Gemüses im Winter dienen. Die Wirtschaftsgebäude bestehen in einer Scheune, einem Kuhstall, einem Pferdestall und einem kleinen Schweinestall. Alle Gebäude sind mit Holz und Lehm gebaut — steinerne Häuser sind sehr selten — und zumeist mit Stroh gedeckt, einige wenige jedoch mit roten oder blauen Dachziegeln oder Schiefer.

Handwerk und Gewerbe

Fast einzige Erwerbsquelle der Bevölkerung ist die Landwirtschaft. Wer nicht genug eigenes Land besitzt, verdingt sich im Tagelohn bei größeren Bauern. Handwerker werden 1812 nur in Eckendorf, Vettelhoven und Gelsdorf genannt. In Gelsdorf gibt es einen Hafner (Töpfer), Bäk-ker, Strumpfweber, Schmied und eine Pottaschefabrik mit Kalzinierofen (Pottasche diente u. a. zur Herstellung von Schmierseife). In Vettelhoven steht die einzige Mahlmühle aller Dörfer, eine Wassermühle, die den Herren von Harff gehört, deren Leistungskraft jedoch nicht einmal für zwei Dörfer ausreicht.

Ackerbau und Viehwirtschaft

Der Ackerbau wird mit Pflug (der genauen Beschreibung nach ist es ein Hundspflug), Egge und Walze betrieben, die aus Holz hergestellt werden. Die Egge, mit 23 hölzernen Zähnen, ist 4 1/2 Fuß lang (1,35 m) und von fast quadratischer Form. Zum Transportieren von Lasten benutzt man Karren, 15 Fuß lang und 6 Fuß breit (4,50 m x 1,80 m), mit zwei 6 Fuß (1,80 m) hohen Rädern. In der ganzen Mairie Gelsdorf gibt es (1811) 109 bis 112 solcher Karren, während nur 12 vierrädrige Wagen vorhanden sind. Pottasche, die in andere Dörfer gebracht werden muß, oder Wein, den man von der Ahr hochschafft, läßt man gelegentlich von den Pferden »zwischen Schwangbäumen« (wohl Gestänge mit Leinentaschen) tragen. Als Zugtiere verwendet man Pferde, welche meistens aus der Eifel stammen und im Schnitt 16 bis 17 Fäuste hoch sind (1,68m bis 1,78m), ferner Ochsen (und wohl auch Kühe). Die Tiere werden im dritten Lebensjahr zur Arbeit eingesetzt. Das Pferdefutter besteht aus Heu, Hafer und Klee, das Futter der Ochsen und Kühe aus Heu, Klee, geschnittenem Stroh, Gras und Ölkuchen (ausgepreßte Masse von Ölsamen und Ölfrüchten). Mit einem Pferd kann man 20 Morgen (ca. 25 heutige Morgen), mit zweien 35 (ca. 44 heutige Morgen) und mit dreien 35 bis 60 Morgen (ca. 44 bis 76 heutige Morgen) Land beackern. Einen Ochsen rechnet man für zehn Morgen (ca. 12 heutige Morgen), während man zwei Ochsen als Gespann nicht benutzt. Im Durchschnitt hält man sie zwölf Jahre lang. Zu den Haustieren zählen ferner Schweine, die man mit Haushaltsresten, Kartoffeln und Obstabfällen füttert, sodann Schafe der Eifeler Art, welche auf die Stoppelfelder und Wiesen getrieben werden und ansonsten Heu, Roggen, Stroh und Grummet als Futter bekommen. Die Zahl der Gänse, Enten und Tauben ist sehr gering, doch sind ausreichend Hühner vorhanden. Bienen werden in allen Dörfern in Körben gehalten, wobei man zur Entnahme des Honigs die Bienen tötet.

Ein Bauer beim Getreidemähen mit Sicht und Haken Quelle: Stadtarchiv Bonn, Bildsammlung 2374

Die meisten Felder werden zwei Jahre hindurch bebaut und liegen im dritten Jahre brach (Dreifelderwirtschaft). In der Regel pflügt oder bestellt man sie dreimal ehe gesät wird. Man pflügt % Schuh (0,22 m) tief und schafft mit einem Pferd am Tag einen Morgen, mit zwei Pferden 1 1/2 Morgen (den Morgen zu 32 Ar gerechnet). Als Dünger dient der Mist und Dung aus den Ställen, in die Stroh und Streusel (Laub und Heidekraut) gestreut wird. Auf jeden Hektar Ackerland bringt man 24 Karren Mist. Außerdem verwendet man auch Gips und Asche zur Bodenverbesserung. Jährlich einmal wird gedüngt. Mergel ist als Dünger gänzlich unbekannt. An Halmfrüchten kennt man Roggen, Gerste, Hafer und Weizen, die etwa im Verhältnis % Korn und 1/4 Hafer angebaut werden. Weizen zieht man kaum und noch weniger Gerste. Auf den Hektar sät man an Korn und Hafer 6 Sester (240 bzw. 150 Pfund)* sowie an Weizen und Gerste 41/2 Sester (189 bzw. 180 Pfund). Die Roggenernte beginnt um Jacobi (25. Juli) und endet im halben August. Hafer wird etwa ab Maria Geburt (8. Sept.) bis um Michaeli (29. Sept.) geschnitten. Ein guter Arbeiter kann an einem Tag 100 Garben schneiden, die Garbe zu 20 Pfund gerechnet. Korn wird mit der Sichel (Die Sichel verwendet man neben dem Sicht, einer Sense mit halb so hohem Sensenbaum wie die Grassense, noch bis zum Ende des letzten Jahrhunderts in Eckendorf zum Getreidemähen) und Hafer mit der Sense gemäht. Fremde Schnitter holt man dazu nur selten heran. Da die Erntearbeit schwer ist, bedient man während dieser Zeit die Männer besser mit Speise und Trank als sonst. Sie erhalten mehr Fleisch und täglich Branntwein, bei einigen Bauern auch Bier. Auf mittelmäßigen Äckern erntet man (vom alten Morgen) an Roggen und Weizen 2 Malter (480 bzw. 504 Pfund. Im Vergleich dazu: Heute im Schnitt über 20 Zentner Roggen vom neuen Morgen), an Gerste 3 1/4 Malter (760 Pfund) und an Hafer 4 Malter (600 Pfund). Ertragsmindernd wirken sich vor allem Fäulnis und Mutterkorn aus. An tierischen Schädlingen treten Spatzen auf, die es in großer Zahl gibt, ferner Feldmäuse, Kornwürmer und Ratten. Der Getreideertrag in der gesamten Mairie Gelsdorf übersteigt den Eigenverbrauch bei Korn um 1 000 Malter (2 400 Zentner), bei Weizen um 300 Malter (756 Zentner), bei Gerste um 101 Malter (242,40 Zentner) und bei Hafer um 460 Malter (690 Zentner). Diesen Überschuß verkauft man an die Ahrbewohner oder auf dem Bonner Wochenmarkt. Außer dem Getreide baut man Kartoffeln als Hauptnahrungsmittel für die Menschen an, so dann Kohlsamen (Sommerraps), von dem man 4,7 Pfund auf den Morgen (zu 32 Ar) aussät und 2 1/2 Malter (ca. 6 Zentner) erntet, ferner Erbsen, Klee, und zwar deutschen, roten und weißen Klee, außerdem Wicken, weiße und rote Rüben, letztere seltener, und schließlich Flachs zur Herstellung von Leinen, jedoch nicht zum Verkauf. Rübsamen zieht man nicht, ebenso nicht Tabak, da es verboten ist, ihn anzubauen. Die Wiesen werden mit Asche gedüngt. Von Michaeli (29. Sept.) bis 1. März läßt man das Vieh hier weiden, dann erfolgt im Juni der erste Schnitt, und Grummet wird im September gemacht. Als Weiden dienen, wie gesagt, zeitweise die Wiesen, im Herbst die Stoppelfelder und einige bestimmte Distrikte in den Wäldern. Bei Nieder- und Oberholzweiler gibt es etwa 50 Morgen (64 heutige Morgen) Heide- und schlechtes Weideland, das nur zum Viehhüten taugt. In den Pflanzgärten zieht man verschiedene Gemüsesorten, darunter häufig Kappes (Weißkohl), noch mehr Krauskohl, wenig Blumenkohl und Mohrrüben sowie sehr wenig Winterkohl und Kohlrabi. Alljährlich werden die Gärten umgegraben und gut gemistet. In und um den Dörfern wachsen Äpfel, z. B. Rabauäpfel, Reinetten, Kalvinen und Holzäpfel, ferner Birnen und wenige Zwetschen. Die guten Äpfel werden gegessen, wenn sie reif sind, die schlechten hingegen zu Essig verarbeitet. Birnen und Zwetschen trocknet man zum Verzehr im Winter.

Löhne, Preise und Lebenshaltungskosten im Jahr 1811

Ein Knecht verdient jährlich 60 Francs.

Ein Fuhrknecht erhält mit dem Leinentuch und einem paar Schuhe jährlich 120 Francs.

Ein Schäfer verdient jährlich mit Inbegriff der von ihm frei aufzutreibenden Schafe 300 Francs.

Eine Dienstmagd verdient mit Zugaben jährlich 60 Francs.

Ein Tagelöhner verdient mit Kost (täglich) 30 Centimes und ohne Kost (täglich) 75 Centimes.

Macherlohn für einen Rock 4 Francs.

Ein Paar Schuhe kosten 6 Francs.

in Pfd. Weißbrot  

 -,35 fr

ein Pfd. Schwarzbrot  

 -,05 fr

ein Pfd. Fleisch  

 -,20 fr

ein Pfd. Speck  

 -,60 fr

ein Truthahn  

 3,— fr

eine Gans  

 2,— fr

eine Ente  

 -,80 fr

ein Hahn  

 -,30 fr

eine Taube  

 -,30 fr

ein Hase, im Winter mit Balg  

 2,— fr

ein Kaninchen  

 1,20 fr

ein Feldhuhn  

 -,60 fr

ein Pfd. Butter  

 -,60 fr

ein Maß Milch (unklar ob Bonner oderAhrweiler Maß, 1,77 l oder 2,36 l)  

 -,15 fr

ein Pfd. Honig  

 2 — fr

ein Pfd. Zucker  

 4,— fr

ein Pfd. Salz  

 -,33 fr

ein Pfd. Kaffee  

 3,80fr

ein Maß Weißwein  

 1,60 fr

ein Maß Rotwein 3,- fr
ein Maß Bier -,20 fr
ein Pferd, mittlerer Preis 190,- fr
ein Ochse, 200 kg 100,- fr
ein Stier, 250 kg 70,- fr
eine Kuh, 130 kg 60,- fr
ein Hammel, 12 - 14 kg  12,- bis 15,- fr
ein Fell Wolle, 12 kg schwer, 
genannt Stein
30,- fr
ein Schwein, mittelmäßiges Ge-
wicht, 75 bis 80 kg
50,- bis 60, fr
eine Ziege 12 fr

ein Bienenstock   

6,- fr

ein Pfd. Honig   

2,- fr

ein Pfd. Wachs   

2,15 fr

ein Pfd. Kerzen   

-,15 fr

eine Korde Brandholz   

12,- fr

100 Reisigbündel   

3,75 bis 3,80 fr

100 Pfd. Heu   

3,- fr

ein Hof mit 40 Morgen
(ca. 51 heutige Morgen) gutem Acker
land und Wiesen ca.   

 3 000,— fr

ein mittelgroßes Haus   

 600,— fr

ein Tagelöhnerhaus   

 250,— fr

ein Hektar Land, 1. Klasse   

 300,— fr

ein Hektar Land, 2. Klasse   

 180,— fr

ein Hektar Land, 3. Klasse,   

 90,- bis 120,- fr

ein (Hunds-)Pflug   

 18,—fr

eine Egge   

 4,50 fr

eine Karre   

 125,— fr

eine Walze   

 12,— fr

ein Wagen   

 300,— fr

ein Reitkissen 
(anstatt eines Sattels) 

15,— fr

ein Kummet   

 15,— fr

ein Zaum   

 9,— fr

ein Halfter   

 5,— fr

ein Grabspaten   

 2,30 fr

Arbeits- und Ruhezeiten

Die Männer beschäftigen sich im Frühjahr, Sommer und Herbst mit der Feldarbeit, im Winter aber mit Dreschen des Getreides und Einholen sowie Zerkleinern des Brandholzes; Steinkohle oder Torf zum Feuern kennt man nicht. Die Frauen verbringen ihre Zeit im Sommer mit dem Versorgen des Viehes und dem Sammeln des Futters. Im Winter verwenden sie die neben Stall- und Hausarbeit verbleibende Zeit zum Spinnen.

Während des Sommers schläft man von zehn Uhr abends bis vier Uhr früh, im Winter von neun Uhr des Abends bis fünf oder sechs Uhr morgens. Die Arbeitszeit beginnt für Männer im Winter um sechs Uhr und endet mit der einbrechenden Dunkelheit, wohingegen die Frauen bis neun oder zehn Uhr noch mit Spinnen zubringen.

Im Winter frühstückt man vor der Arbeit, im Sommer hingegen erst gegen acht Uhr. Um halb zwölf Uhr beginnt immer die zum Mittagessen bestimmte Zeit. Zu Abend wird im Winter um acht und im Sommer um neun Uhr gegessen. Außer diesen Mahlzeiten nimmt man im Sommer um vier Uhr noch ein Butterbrot zu sich.

Die Frauen haben also außerder Nacht und den Essenszeiten keine Ruhestunden, während die Männer im Sommer nach dem Mittagessen bis zwei Uhr und an den Winterabenden freie Zeit haben.

Besondere Gebräuche 

Althergebrachte, bemerkenswerte Gebräuche, die sich auf die Ernte beziehen, sind hier nicht bekannt, nur daß die erwachsene Jugend anschließend an einem freien Tag sich mit Musik und Tanz vergnügt.

Die Bestattungen (bestatten heißt heiraten. Gemeint ist hier die Eheberedung) geschehen auf ganz einfache Art. Regelmäßig werden dabei unter Zuziehung der nächsten Verwandten Heiratsverträge abgeschlossen, wobei man nach Möglichkeit darauf achtet, daß die beiderseitigen Heiratssteuern (Aussteuer) im gleichen Verhältnis zueinander stehen. Die Hochzeitsfeiern werden dann bei der wirklichen Eheschließung gehalten. Früher lud man dazu Verwandte und Freunde ein, mit denen man drei Tage lang durch Essen und Trinken feierte. In der letzten Zeit (1802) haben diese Vergnügungen wegen der schlechten Lage jedoch sehr abgenommen: nur wenige Hochzeitsgäste werden geladen, das Essen und Trinken ist eingeschränkt, und häufig endet die Feier schon mit dem ersten Tag. Bei Kindtaufen kommen nur einige Nachbarsfrauen zusammen, denen man einen schwachen Kaffee und Branntwein vorsetzt. Ebenso geschieht es, wenn die Wöchnerin nach dem Kindbett zum ersten Mal ausgeht.

Wenn jemand stirbt, werden die vier nächsten NachbaVn ins Sterbehaus gerufen. Sie entkleiden und waschen den Toten, legen ihm den Totenmantel an und läuten darauf die Sterbeglocke. Später tragen sie die Leiche zum Grabe und beerdigen sie. Dies sind die nachbarlichen Pflichten, wie sie schon vor unvordenklichen Zeiten hier ausgeübt wurden. Sie geschehen ganz unentgeltlich, und lediglich ein Branntwein dient als Lohn für diesen Dienst. Nach dem Tode eines Unverheirateten kommen die erwachsenen Mädchen im Haus des Toten zusammen und zieren durch allerhand seidene Bänder ein Tuch, das beim Begräbnis über den Sarg gebreitet wird. In der Kirche nimmt man es weg und legt es auf das Trauergerüst (Tumba), wo es bis zum Ende der Exequien bleibt. Da die Jungfrauen ihre Arbeit am Tuch in der Nacht verrichten, kommt es dabei teilweise zu Ausschreitungen. Für ihre Bemühungen zu Ehren des Verstorbenen erhalten sie einen Kaffee.

Bevor die kirchlichen Zeremonien außerhalb der Kirche verboten wurden (Mai 1798), holten der Pfarrer in priesterlicher Kleidung sowie die Freunde und Verwandten den Toten am Sterbehaus ab und begleiteten ihn unter vorgeschriebenen Gesängen auf dem Weg zum Grab. Jetzt aber, nach dem Verbote solcher Zeremonien, wird die Leiche ohne Gesang zum Friedhof gebracht. Anschließend finden sich die Verwandten und Freunde im Sterbehaus ein, wo man sie als Dank für das dem Toten gewidmete Andenken mit Branntwein, Bier und Brot bewirtet. In älteren Zeiten waren aufwendigere Traueressen üblich, die aber bereits von dem ehemaligen Landesherren verboten wurden (zuletzt mit Edikt vom 30. 8. 1793). 

Volksfeste, Spiele und sonstige Vergnügungen

Das Fest der Kirchweihe (Kirmes) ist in hiesiger Gegend das einzige allgemeine Volksfest, das mit Feierlichkeiten begangen wird. Zu diesem Anlaß kommen vor allem die Familien und einige Freunde zusammen, die sich sonst nie so vollzählig treffen. Das Fest dauert drei, vier bis fünf Tage. Man verbringt diese Zeit mit freundschaftlichen Gesprächen bei Essen und Trinken. Dazu spielt man Karten, und die erwachsene Jugend vergnügt sich mit ländlichen Tänzen. Außer dem Kirchweihfest werden auch die Faschingstage mit verschiedenen Belustigungen, vor allem Tanzen gefeiert, jedoch hauptsächlich nur von der erwachsenen Jugend, während die verheirateten Männer und Frauen sich durchweg in den Häusern mit Speise und Trank vergnügen, ohne aber ihre gewöhnliche Arbeit ruhen zu lassen.

Die verheirateten Männer und Frauen erlauben sich an den Ruhetagen des Jahres überhaupt keine Spiele und Belustigungen und nur wenige Männer, die in ihrem Hauswesen am nachlässigsten sind, gehen in den Wirtshäusern dem Kartenspiel nach. Die meisten hingegen finden ihren Zeitvertreib im nachbarschaftlichen Besuch und in Gesprächen, die sich hauptsächlich um hauswirtschaftliche Angelegenheiten drehen, zur Zeit (1802) jedoch leider auch politische Gegenstände behandeln.

Von der erwachsenen männlichen Jugend wird vor allem das Kartenspiel betrieben, das außer dem Tanzen fast die einzige, aber auch schädlichste Vergnügungsart ist, die in den letzten Jahren (1802) zur Gewohnheit wurde. Ein Knecht verspielt (manchmal) in kurzer Zeit den Lohn eines ganzen Jahres, und gelegentlich versucht man, hierfür auf unehrliche Weise Geld zu erhalten, indem z. B. der Sohn es seinen Eltern entwendet. Die Gewinnsucht verleitet auch zu Betrügereien beim Spiel, und nicht selten führt das Spiel zu Zwist und Feindschaft. Unter der früheren Landesverfassung war daher das Kartenspiel verboten (zuletzt mit Edikt vom 30. 4. 1788) und das zweckmäßigere Kegelspiel üblich.

Unter den verheirateten Frauen sind keine Spiele oder Belustigungen außer den nachbarschaftlichen Besuchen üblich. Die Mädchen finden auch beim Tanzen ihr Vergnügen. Die Kinder schließlich beschäftigen sich mit Ball- und anderen Bewegungsspielen an der frischen Luft.

Abergläubische Gewohnheiten

Der Aberglaube und die daraus entstehenden Mißbräuche sind seit mehreren Jahren in der hiesigen Gegend so sehr geschwunden, daß nur noch wenige Spuren davon zu finden sind. Bei einigen einfältigen Menschen mögen wohl noch manche abergläubischen Vorstellungen anzutreffen sein, doch sind sie nicht so bekannt, daß sie allgemein auffallen. Stattdessen scheint jetzt (1802) zum Nachteil der Moral, der Unglaube die Oberhand zu gewinnen.

Altertümliche Monumente

Erwähnenswerte Altertümer und Monumente sind hier nicht anzutreffen, jedoch ist bei dem Ort Gelsdorf bemerkenswert, daß er mit einem Graben umgeben ist, der Reuters-Graben genannt wird. Auf ihm läuft von der Mitte des Dorfes aus ein Gäßchen, das man Schwistegasse nennt, und hinter dem Graben liegt ein Plätzchen, das Wachthaus heißt. Tore sind zwar keine mehr vorhanden, aber in alten Urkunden werden die oberste und unterste Pforte am oberen und unteren Ende des Dorfes genannt. Alle diese Umstände führen zu der Vermutung, daß Gelsdorf in alten Zeiten zur Verteidigung bei kleineren Faustkriegen befestigt war und zwei Tore hatte. Aber Spuren von einer Mauer haben sich weder gefunden, noch weiß man in der Bevölkerung etwas davon.