Als 1854 das Bergamt Saarbrücken Gastarbeiter warb:

Verarmte Winzer von Rhein und Ahr suchten Arbeit an der Saar

Carl Bertram Hommen

Manche Jahre hatten die Bergarbeiter an der Saar zu wenig Arbeit. Oft aber konnte der Bergbau — wie an der Ruhr — nicht genügend Arbeitskräfte aus den heimischen Gemeinden finden. Mitte des vergangenen Jahrhunderts, als die Industrie im Rheinland immer weitere Bereiche mechanisierte und Kohle als Energiequelle verstärkt gesucht wurde, mußte man an der Saar auf die Suche nach »Gastarbeitern« gehen. Das Bergamt Saarbrücken führte diese Kampagne — etwas unbeholfen und ohne vollständige Information für die gesuchten neuen Arbeiter für den Untertage-Betrieb — recht bürokratisch in heimischen Landen zwischen Saar, Mosel und Ahr durch. Daß es bei diesem Versuch mancherlei Schwierigkeiten und auch böse Mißverständnisse gab, schildert der nachstehende Bericht. Er basiert auf bisher unbekannten Dokumenten, die interessante Hinweise auf die Arbeit und die Bezahlung der Bergleute vor 125 Jahren, aber auch auf die schwierige wirtschaftliche Lage in der Eifel und an der Ahr geben.

»Die hiesigen Königlichen Steinkohlen-Gruben sind wegen Mangel an Arbeitern neuerer Zeit nicht mehr im Stande den bedeutenden Anforderungen der Fabriken und Gewerbe an Kohlen und Koks Genüge zu leisten. Da nun die nähere Umgebung der Gruben die jetzt erforderliche Arbeiterzahl nicht zu liefern vermag, so sehen wir uns genötigt, nach Arbeitskräften in weiteren Kreisen uns umzusehen«. Mit dieser Bitte an das Königl. Landraths-Amt zu Ahrweiler wandte sich das Königl. Preuß. Bergamt in Saarbrücken — gez. Coellen — am 4. November 1854 an die Landräte der damaligen südlichen Rheinprovinz, geeignete Arbeiter für die Kohlengruben an der Saar zu vermitteln. Eine Abschrift dieses Schreibens, das der Ahrweiler Landrat von Hoevel eine Woche später an die Bürgermeister seines Landkreises weitergab mit der Aufforderung, »für das gehörige Bekanntwerden in allen Gemeinden Sorge zu tragen«, fand sich jetzt in alten Akten der früheren Bürgermeisterei Niederbreisig, die im Landeshauptarchiv Koblenz verwahrt werden (Best. 655, 206 Nr. 636).

Das Bergamt Saarbrücken, so nannte sich die Verwaltung der Saargruben damals, suchte als Arbeiter »junge kräftige und womöglich unverheiratete Leute«, die von den Bürgermeistern an die Saar geschickt werden sollten. Über ihre Arbeitsaufgabe im einzelnen wurde nichts gesagt, was schnell zu einem bösen Rückschlag der Werbe-Aktion führen sollte. Jedoch wurde den Arbeitssuchenden versprochen: »Es ist zur Aufnahme der aus der Ferne herankommenden Leute durch Schlafhäuser, welche mit guten Betten versehen sind und für die Beköstigung derselben durch Brodlieferungen und Einrichtung von Menagen Sorge getragen worden.

Auch wurde der Lohn für die achtstündige Arbeitsschicht auf dreizehn Sgr (Silbergroschen)

erhöht und kann bei längerer Arbeitszeit auch mehr verdient werden. Die aus Entfernung über sechs Meilen zu den Gruben heranziehenden Leute bekommen Reisegeld ausgezahlt; jedem aber werden zu seiner ersten Einrichtung Geldvorschüsse gewährt, welche später in kleinen Raten vom verdienten Lohn wieder abgetragen werden können«.

Die Werbe-Aktion scheint gerade in den ländlichen Gegenden zwischen Rhein und Ahr — in einem Landstrich praktisch ohne jede Industrie, mit einem geringen Einkommen der Familien und starker Arbeitslosigkeit — Erfolg gehabt zu haben. Die Menschen waren arm, die Mehrzahl der Männer kleine »Ackerer« und Tagelöhner, daneben Weber, die mit ihren Frauen und Kindern für Bonner und Krefelder Tuchfabriken in Heimarbeit vor allem Leinen und Samt webten.

Schließlich gab es viele Winzer unter ihnen, die aber allein von ihrer Hände Arbeit in den Weinbergen an der Ahr, im Vinxtbachtal und Brohltal nicht leben konnten. (Noch heute übersetzt der Volksmund das Auto-Kennzeichen des Kreises Ahrweiler »AW« mit »Arme Winzer«). Viele von ihnen griffen gerne zu diesem steten Verdienst, der ihnen versprochen wurde.

Aber da die Arbeit, die von diesen Menschen in den Kohlengruben an der Saar erwartet wurde, im einzelnen nicht erläutert worden war, kehrten die meisten von ihnen schon nach vierzehn Tagen zur bösen Überraschung der Ahrweiler Kreisverwaltung und des Saarbrücker Bergamtes nach Hause zurück. Ihre schnelle Abkehr vom Bergbau begründeten sie in erster Linie — so heißt es in einer Verfügung des Ahrweiler Landrats vom 3. Dezember 1854, mit der »auf höhere Veranlassung« die Bürgermeister zur Befragung dieser Heimkehrer aufgefordert werden — damit, daß »die ihnen gemachten Verheißungen von der Bergbehörde nicht gehalten seien oder daß die Arbeit zu schwer sei«. Namentlich die Schlafstellen und die Verpflegung seien Gegenstand der Beschwerden.

Der Niederbreisiger Bürgermeister Ehser versicherte dem Landrat jedoch nachdrücklich, er habe keine Ursache, an der Wahrheit der übereinstimmend gemachten Beschwerden der »armen Leute« zu zweifeln, von denen ein Teil noch unterwegs das wenige ersparte Geld habe ausgeben müssen. Ihr Unwille sei wohl nicht ohne Ursache so groß. Und in einem Nachsatz sagt der Bürgermeister, er glaube »die Bemerkung nicht unterdrücken zu dürfen, daß dieses Verfahren (über die Bürgermeister Grubenarbeiter anzuwerben) leider geeignet ist, das Ansehen der Behörden in Bezug auf deren Glaubwürdigkeit zu schwächen.«

In Saarbrücken versuchte man. den Schwarzen Peter für den Fehlschlag dieses Versuchs, Arbeiter in den armen Landkreisen von Eifel, Rhein und Ahr anzuwerben, auf die Bürgermeister abzuschieben mit dem Hinweis, diese schienen wohl das Gesuch, Arbeiter für den Bergbau an die Saar zu schicken, »in vielen Punkten mißverstanden« zu haben. Wer heute die entschuldigende und beschwichtigende Antwort des Bergamtes Saarbrücken an Landrat von Hoevel liest, kann sich aber des Eindrucks nicht erwehren, daß man beim Bergamt reichlich betriebsblind gewesen sein muß, wenn man voraussetzte, auch außerhalb der Kohlenreviere müsse man die »richtige Vorstellung« von der bergmännischen Arbeit, vor allem von der Schwere des Berufs Bergmann haben, Nachträglich versuchte das Bergamt seinen Fehler herunter zu spielen, wenn möglich auszubügeln. Die Antwort sei im Wortlaut wiedergegeben. Sie ist bei aller Nüchternheit der Formulierung ein beredtes zeitgenössisches Dokument. Es schildert eindringlich, unter welchen Bedingungen vor 125 Jahren in den Kohlengruben unter Tage gearbeitet werden mußte und was dem Bergmann für die von ihm erwartete Akkordleistung als Lohn gezahlt wurde.

Hier der Wortlaut des Antwortschreibens des Saarbrücker Bergamtes vom 9. Dezember 1854 im Auszug:

»Statt junger kräftiger Leute, deren allerdings auch mehrere hier angekommen, sind Knaben unter 16 und Greise von 60 Jahren, Einäugige und selbst ein mit Epilepsie Behafteter, viele Verheiratete und oft ganz schwächliche Leute hierher gesendet worden. Die Folge davon war, daß der größere Teil dieser Leute oft noch ohne nur eine Schicht in der Grube verfahren zu haben, die Gegend verließen, um in ihre Heimat zurückzukehren, und es sind uns bereits bittere Klagen über Täuschung zugegangen, welche diese Leute haben erfahren müssen. Solche Täuschungen können nur durch unrichtige Vorstellungen hervorgerufen worden sein, welche die Leute von der Grubenarbeit haben, und es scheint uns nothwendig, daß das, was von ihnen gefordert werden muß, denjenigen welche hier Arbeit suchen, klar gemacht werde. Die Grubenarbeit, besonders das Schleppen, womit die Neueintretenden beginnen müssen, ist für diejenigen, welche niemals unter Tage gearbeitet haben, im Anfange eine beschwerlichere als sonstige Tagesarbeit, und es gehört einige Uebung und Gewohnheit dazu, um sich die gleichwohl geringen Handgriffe anzueignen, damit der Mann die ihm gestellte Aufgabe in 8 Stunden löse.

Gleichwohl gewinnen unsere geübten Schlepper von 18 bis 20 Jahren in 8 Stunden ihren Schichtlohn von 13 Sgr und machen auch wohl noch Nebenschichten. Die Gruben aber erleichtern dem Neueintretenden die Arbeit dadurch, daß sie von ihm in den ersten 6 Tagen eine geringere Leistung bei Gewährung vollen Lohnes bewilligen und erst in der zweiten Woche die volle Leistung fordern.

Wenn nun aber schwächliche, kränkliche und alte Leute diese Arbeit verrichten sollen, so ist es begreiflich, daß sie schon in den ersten Tagen abgeschreckt, nicht den Muth haben die Lehrzeit auszuhalten und sofort die Arbeit und die Gegend verlassen. Es ist darum erforderlich, daß die Herren Bürgermeister die sich zur hiesigen Arbeit Meldenden mit diesen Verhältnissen bekannt machen und nur kräftige und wo immer möglich unverheiratete Leute hierher senden, nur solche welche wirklich die Absicht haben sich dauernd dem Bergbau zu widmen und den Muth, die mit jeder ungewohnten Arbeit verbundenen Schwierigkeiten zu überwinden.

Wir haben mit unserem ergebensten Schreiben vom 4. v. Mts. angezeigt, daß den Schleppern ein Lohn von 13 Sgr. für die achtstündige Arbeitsschicht gewährt wird und daß die Ankommenden in den Schlafhäusern ein Bett und auch für mäßigen Preis Beköstigung finden; wir müssen aber bemerken, daß alle Arbeiten in den hiesigen Gruben im Accorde ausgeführt werden und daß es nicht genügt, blos acht Stunden in der Grube zuzubringen, sondern das zu leisten, was einem Manne von mittleren Kräften zugemuthet werden muß. Wir müssen ferner erwähnen, daß der Schlepper von dem ihm bewilligten Schichtlohn von 13 Sgr. sein Geleuchte stellen muß, was pptr. 1 Sgr. kostet, und die Beiträge zur Knappschaftskasse mit 1 Sgr. je 1 rth (Reichsthaler) Verdienst zu leisten hat, wofür er aber alle Wohlthaten dieses Knappschafts-Verbandes genießt. Dagegen kann der Bergmann, wenn er als Hauer beschäftigt wird, 18 bis 20 Sgr. und darüber in 8 Stunden verdienen, und bei dem Mangel tüchtiger Arbeiter werden die kräftigen und geschickten Schlepper in nicht zu langer Zeit in diese Klasse einrücken können.

Bei der sehr starken Bevölkerung der hiesigen Gegend und den Schwierigkeiten, welche wegen der Nähe der Königl. Waldungen neue Ansiedlungen finden, sowie bei der jetzt herrschenden Theuerung aller Lebensmittel werden verheirathete Leute mit ihren Familien nur schwer ein Unterkommen finden. Wir können deshalb auch nur rathen, vorläufig keine Verheirathete, wohl aber ledige, starke und gesunde Leute von 20 bis höchstens 34 Jahren herzusenden, und wie wir nochmals wiederholen, solche, denen es wirklich Ernst ist, die Grubenarbeit zu ihrem künftigen Berufe zu wählen. . .«

Content-Disposition: form-data; name="hjb1982.45.htm"; filename="C:\Gaby\Heimatjahrbuch1982\hjb1982.45.htm" Content-Type: text/html Bad Neuenahr

Bad Neuenahr, Bad Breisig, Bad Bodendorf

Das Bäderdreieck des Kreises Ahrweiler im Vergleich I -

Jürgen Haffke

Fremdenverkehr spielt im Kreise Ahrweiler seit mehr als hundert Jahren eine bedeutende wirtschaftliche Rolle. Landschaftliche Vielfalt, abwechslungsreiche Unterhaltungsangebote und Gastlichkeit ziehen seit der Romantik ungezählte Menschen in das Kreisgebiet. Betrachtet man die wirtschaftlichen Auswirkungen des Fremdenverkehrs, so bietet dieser vielen Bewohnern des Kreises eine Existenzgrundlage oder eine nicht unbeträchtliche zusätzliche Einnahmequelle. In besonderer Weise trifft das auf die drei Badeorte des Kreises zu: Bad Neuenahr (seit 1858 Bade-Fremdenverkehr, seit 1928 »Bad«), Bad Breisig (seit ca. 1920 Bade-Fremdenverkehr, seit 1958 »Bad« Niederbreisig, seit 1969 »Bad Breisig«), Bad Bodendorf (seit ca. 1925 Bade-Fremdenverkehr, seit 1972 »Bad«). Während nämlich 1979 ca. 45 % aller Gäste des Kreises, die wenigstens eine Übernachtung hatten, diese drei Orte aufsuchten, entfielen mehr als 70 % aller Übernachtungen im Kreisgebiet auf sie. Damit wird ihre überragende Bedeutung für den Fremdenverkehr des Kreises Ahrweiler sichtbar.

Sinn der folgenden Darstellung soll es sein, die Entwicklung des Fremdenverkehrs dieser drei Badeorte, d. h. im hier vorliegenden Teil l das Angebot des Beherbergungsgewerbes, nach dem Zweiten Weltkrieg aufzuzeigen, wobei weniger ein vollständiges Einzelportrait eines jeden dieser Orte als vielmehr ein Vergleich ihrer Entwicklungslinien und Strukturen angestrebt wird. Kurzportraits mit Angaben zu Lage und Klima, Geschichte, Geologie, Mineral- und Heilquellen (inkl. Quellanalysen) befinden sich dagegen in: Heyl, Karl Ernst: Bäderbuch Rheinland-Pfalz. Mainz 1972, S. 28 - 33 (Bad Breisig), S. 68 - 76 (Bad Neuenahr), S. 100 • 104 (Bad Bodendorf). Der Zeitraum vordem Zweiten Weltkrieg bedarf einer eigenen Untersuchung, weil die Datenlage hierfür anders geartet ist. Die wichtigste Quellengrundlage dieser Darstellung zur Entwicklung und Struktur des Beherbergungsgewerbes bilden alle greifbaren Unterkunftsverzeichnisse der drei Badeorte, die bei Bad Neuenahr für die Jahre 1935/36,1939,1949 bis 1980 vorlagen, bei Bad Breisig für 1951,1958 bis 1980 und bei Bad Bodendorf für 1932,1936,1940,1951 bis 1980.

Die Ausgangslage

Daß in den ersten Jahren nach dem Krieg an Fremdenverkehr nicht zu denken war, liegt auf der Hand. Jedoch mit der Stabilisierung der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland regten sich schon Ende der 40er Jahre Aktivitäten zu einer Wiederbelebung dieses für die drei Orte so wesentlichen Erwerbszweiges. Der Neubeginn beruhte dann auf dem unternehmerischen Engagement von Frauen und Männern, die auch vor dem Zweiten Weltkrieg ihr Einkommen im Fremdenverkehr gefunden hatten; nehmen wir z. B. Bad Neuenahr: Alle 25 Hotelanbieter des Jahres 1949 betrieben 1939 ebenfalls Gastgewerbe, bis auf 5 Betriebe auch als Hotels: von 22 Pensionsinhabern 1949 waren 15 1939 im Fremdenverkehr engagiert; von 24 Privatzimmervermietern 1949 finden wir in den Unterkunftsverzeichnissen von 1939 15 wieder. Ein ähnliches Bild bietet Bodendorf: Von 19 Vermietern des Jahres 1951 hatten 16 schon in den Vorkriegsjah-ren Zimmer angeboten. In Niederbreisig liegen die Verhältnisse vermutlich genauso; leider war hier kein Unterkunftsverzeichnis der Vorkriegszeit zugänglich.

Daß die Zahl der angebotenen Gästebetten in den ersten Jahren des Wiederbeginns nicht den Stand der Vorkriegsjahre erreicht, ist nicht erstaunlich, eher erscheint es bemerkenswert, wie groß das Bettenangebot trotz aller widrigen Zeitumstände schon war: Den 2 444 Betten Bad Neuenahrs 1939 standen 1949 1 307 gegenüber. In Bodendorf wurden 1940 203 Betten angeboten und 1949 150.

Die Entwicklung der Vermieterzahlen und des Bettenangebots 1951 -1980

Die nachfolgenden Abbildungen 1 und 2, die die Entwicklung der Vermieterzahlen und des Bettenangebots der drei Badeorte darstellen, dürfen nur unter Berücksichtigung einiger Vorbehalte gedeutet werden, die sich auf die Quellengrundlage der Abbildungen beziehen.

Abb 1. beruht auf den Angaben der originalen Unterkunftsverzeichnisse, so daß unter der Bezeichnung »Bad Neuenahr« und »Bad Bodendorf« nur diese heutigen Stadtteile verstanden werden (ohne Berücksichtigung von z. B. Heimersheim und Heppingen oder Sinzig); bei »Bad Breisig" allerdings erfassen die Daten bis inkl. 1968 nur Bad Niederbreisig. ab 1969 dazu noch Rheineck und Oberbreisig.

Abb. 2 hat eine tabellarische Aufstellung von Daten des Statistischen Landesamtes Bad Ems zur Grundlage (veröffentlicht in: Speth, K.H,: Heilbäder 1951 - 1975. In: Statistische Monatshefte von Rheinland-Pfalz, 29. Jg. 1976. Hf. 2, S. 28 - 36): die Angaben für 1976 - 1980 stammen aus den periodisch erscheinenden »Statistischen Berichten« des Stat. Landesamtes. Dieses Amt versteht bei seinen Datenangaben unter »Bad Neuenahr-Ahrweiler« von 1951 - 1975 nicht nur das eigentliche Bad Neuenahr, sondern auch Ahrweiler. berücksichtigt aber nicht Lohrsdorf, Ehlingen, Green. Heimersheim, Heppingen. Gimmigen und Kirchdaun, die seit 1969, und Ramersbach. seit 1973 zur Stadt gehören; ein recht merkwürdiges Verfahren, da gerade das Fremdenverkehrsgewerbe Ahrweilers nicht dem Charakter eines Badeortes entspricht. 1976 -1980 sind m. E. in den Statistischen Berichten diese kleinen Stadtteile ebenfalls nicht erfaßt. Auch Bad Bodendorf enthält in Abb. 2 seit 1951 die Daten des Sinziger Fremdenverkehrs mit, nicht erst seit der Eingemeindung 1969. Dagegen beziehen sich die Angaben bei Bad Breisig von 1951 - 1968 nur auf das frühere Bad Niederbreisig, ab 1969 erfassen sie auch Rheineck und Oberbreisig. Wenn in unserer Betrachtung trotz der bedeutenden Mängel der Datenlage dennoch auf die Angaben des Stat. Landesamtes zurückgegriffen wird, dann liegt das daran, daß es Angaben zur Nachfrage, d.h. Gäste- und Übernachtungszahlen, nur von diesem Amt gibt und diese Daten auf den gleichen statistischen Raumeinheiten beruhen, so daß die Angaben zu Angebot und Nachfrage im Fremdenverkehr zueinander in Beziehung gesetzt werden können. Konsequenz aus dieser Datenlage ist. daß Abb. 1 und 2 lediglich bedingt miteinander korreliert werden dürfen.

Wenden wir uns Abb. 1 zu: Nachdem zwischen 1949 und 1951 der Wiederbeginn des Fremdenverkehrs in unserem Bäderdreieck einsetzte, der nachweislich den erfahrenen Betrieben zu verdanken war, fanden sich in allen drei Gemeinden mehr und mehr Interessenten, die sich in den 50er Jahren durch das Angebot von Gästebetten ebenfalls im Fremdenverkehr engagierten. Obwohl für Niederbreisig nur Daten von 1951 und dann ab 1958 vorliegen, kann eine den beiden Konkurrenten ähnliche Entwicklung vermutet werden, worauf in diesem Falle Abb. 2 hinweist. Während die 60er Jahre in Bad Neuenahr und Bodendorf auf hohem Niveau recht gleichmäßig verliefen, erlebte Bad Niederbreisig ein erstaunliches Engagement von Vermietern. Deren Zahl, die in den 50er Jahren wohl der von Bodendorf glich, stieg in nur 6 Jahren auf das Niveau Bad Neuenahrs. Hier machte sich wohl die mit der Bad-Erhebung Niederbreisigs am 5.5.1958 verbundene Motivation im Einsatz für den Fremdenverkehr bemerkbar. Allerdings fiel diese Risikobereitschaft auf den fruchtbaren Nährboden einer sich in ganz Deutschland deutlich verbessernden Wirtschaftslage, die nicht zuletzt dem Fremdenverkehr in allen drei Orten zugute kam. Daß eine Bad-Erhebung bei allgemein angespannten Wirtschaftsverhältnissen kein wirtschaftliches Engagement fördert, zeigte dann in den 70er Jahren Bodendorf (seit dem 12.5.1972 »Bad«), welches wie die beiden Nachbarn bis heute einen Rückzug vieler Vermieter vom Fremdenverkehrsgeschäft aufweist. In allen drei Badeorten bieten heute zum Teil beträchtlich weniger Vermieter Gästebetten an als in den 60er Jahren.

Trotz aller in den Vorbemerkungen dieses Kapitels angemeldeten Vorbehalte zur Interpretation von Abb. 2 läßt sich eine Beobachtung machen: Die Bettenzahlen in den drei Bädern nahmen in Zeiten wachsender Vermieterzahlen (ca. 1951 -1970) zu, was logisch ist, verringerten sich aber bei zurückgehenden Vermieterzahlen (70er Jahre) nicht in gleichem Maße, so daß in der Gegenwart eine deutliche Tendenz zu größeren Betrieben zu erkennen ist. Dies deckt sich auch mit der Entwicklung in den anderen Heilbädern von Rheinland-Pfalz, das insgesamt 20 Badeorte besitzt (nach Speth, 1976, S. 31). Daneben zeigt Abb. 2 ganz klar die Größenordnungen des Bettenangebots der drei Bäder, die sich bemerkenswerterweise zu keinem Zeitpunkt überschneiden, so daß die Rangfolge jederzeit gleich ist: Bad Neuenahr als »Groß-Bad«, Bad Breisig als »Mittel-Bad«, Bad Bodendorf als »Klein-Bad«. Eigentlich darf der Landkreis Ahrweiler mit dieser Konstellation recht glücklich sein, denn ein jedes Bad besitzt damit völlig unverwechselbare Eiqenheiten die auf engstem Raume wohl jedem Gast etwas bieten.

Abb. 1: Die Entwicklung der Vermieterzahlen 1950 -1980

Abb. 2: Die Entwicklung des Bettenangebots 1951 -1980 

Die Struktur des Beherbergungsgewerbes 1951 -1980

Während das Statistische Landesamt seine allgemeinen Bettenzahlen auf Gemeindeebene nicht weiter nach Betriebstypen des Fremdenverkehrsgewerbes aufschlüsselt, erlauben die Unterkunftsverzeichnisse der drei Bäder in gewissem Grade eine qualitative Unterscheidung des Beherbergungsangebots.

Das Problem eines Vergleichs liegt hier allerdings in einem uneinheitlichen Sprachgebrauch zum einen innerhalb des Zeitraumes von 1951 -1980: z. B. unterscheidet Bad Neuenahr 1951 sein Angebot in Hotels Gruppe la, Sanatorien, Hotels Gruppe l, II, III, Pensionen Gruppe II, III, Kurheime, Zimmer mit Frühstück; 1970 bietet es Hotels, Hotels Garni, Kur-Pensionen, Fremdenheime, Zimmer mit Frühstück und Sanatorien an. Die Frage ist, ob die Kurheime von 1951 dasselbe wie die Fremdenheime von 1970 sind, ob diese also in eine Gruppe zusammengefaßt werden dürfen. Zum anderen bestehen neben den zeitlichen Unterschieden des Sprachgebrauchs auch jederzeit örtliche Abweichungen zwischen den drei Badeorten in der Benennung ihres Angebots: 1980 fast Bad Breisig seine Beherbergungsbetriebe in »Restaurations- und Pensionsbetriebe«, »Garnibetriebe« und »Privatzimmer« zusammen; in Bad Bodendorf gibt es »Hotels«, »Sanatorien«, »Pensionen« und Privathäuser", in Bad Neuenahr »Sanatorien und Kliniken« in drei Kategorien, »Hotels« in drei Kategorien, »Pensionen« in zwei Kategorien und »Privat-Unterkünfte«. Diese eigentlich unnötige Verwirrung der Terminologie -es gibt ja Definitionen des Deutschen Bäderverbandes - erschwert nicht  nur dem Wirtschafthistoriker, sondern auch dem Gast eine zuverlässige Information.

Tab. 1 : Die Zahl der Gästebetten in den Badeorten 1951 - 1980

Unterkunfts-
verzeichnisse

Stat. Landesamt (Speth, 1976, S. 28-36)

Bad

Neuenahr

1951
1960
1970
1980

1565 (+ 132)
2015 (+ 591)
2235 (+ ?)
2100 (+ 483)

2605
3802
4457
4175

Bad

 Breisig

1951
1960
1970
1980

?
998
1554
1364

680
1160
1642
1380

Bad

Bodendorf

1951
1960
1970
1980

174
440
479
305

340
576
561
398

Abb. 3: Die Struktur des Beherbergungsgewerbes 1951 -1980

Anmerkung zu Abb. 3:
Die Säulen geben den Prozentanleil des jeweiligen Beherbergungstyps am gesamten Bettenaufkommen der Badeorte an, das in Tab 1 aufgeführt ist. Die Zahlen in den Säulen geben die Anzahl der Betriebe des jeweiligen Beherbergungstyps in den Badeorten an

Bei Bad Neuenahr kann man zu der Gesamtbet-tenzahl der Hotels, Sanatorien, Pensionen und Privatzimmer/Garnibetriebe noch die in Klammern befindliche Anzahl von Betten in Kurkliniken und -heime hinzuzählen. Da dieser Beherbergungstyp in den beiden anderen Orten aber gar nicht besteht, erschien es um der Vergleichbarkeit der drei Badeorte willen günstiger, diese besondere Sparte abzutrennen, ohne sie jedoch vollständig zu übergehen. Ohnehin sind gerade wegen der Eigenarten der Kurkliniken und -heime die Angaben der Bad Neuenahrer Unterkunftsverzeichnisse hierzu unvollständig.

Nun zu Abb. 3: Die Legende unterscheidet zwischen

- Hotels = Betriebe, die sich so nennen und Vollpension ermöglichen;

- Sanatorien = Definition wie Hotels;

- Pensionen = Betriebe, die sich so nennen und Voll- bzw. Halbpension anbieten;

- Garni- und Privatzimmerbetrieben = Betriebe, die nur Übernachtung und Frühstück anbieten, also auch »Hotels« Garni.

Diese Unterscheidung richtet sich vornehmlich nach dem Versorgungsangebot der Vermieter. Andere Fragestellungen können andere Klassifikationen bedingen, hier sei allerdings der Versorgungsaspekt in den Vordergrund der Betrachtung gestellt. Daß nicht einmal dieses, recht grobe Verfahren problemlos zu handhaben ist, zeigen die einschränkenden Bemerkungen, die zu den Eintragungen bei Bad Breisig 1970 und 1980 gemacht werden müssen:

Weil die Unterkunftsverzeichnisse nicht genau in die angegebenen Gruppen einteilen, sind mit der Kreuzschraffur alle Betriebe mit Voll- und Halbpension erfaßt (also Hotels und Pensionen; Sanatorien gab und gibt es in Bad Breisig nicht), mit den leeren Flächen die übrigen.

Nach diesen langen, aber notwendigen methodischen Bemerkungen, die zugleich zeigen, mit welchen Problemen man bei einem vordergründig einfach erscheinenden Vergleich von drei benachbarten, innerhalb eines Landkreises liegenden Badeorten zu kämpfen hat, kann Abb. 3 angemessen interpretiert werden. Obwohl 1951 die Anzahl der Gästebetten Bad Neuenahrs mit 1 565 noch um mehr als 850 niedriger lag als 1939 (mit 2 444 Betten u. 362 Betten in Kurheimen), glich die Verteilung der Betten auf die Betriebstypen noch der Vorkriegsstruktur; 35 Hotels 1939 und 36 Hotels 1951 verfügten über 65 bzw. 63,5 % aller Gästebetten des Ortes. Die Zahl der Sanatorien war mit 3 in beiden Jahren gleich geblieben, ihre Bedeutung hatte jedoch zugenommen, da sie jetzt 8 % aller Betten besaßen (1939: 4,5 %). Während 1939 36 Pensionen 24 % aller Gästebetten stellten, konnte dieser Beherbergungstyp 1951 in 22 Betrieben nur 18,5 % der Betten anbieten. Dagegen standen den ca. 20 Vermietern von Garni- und Privatzimmern (1939:6,5 % aller Betten) 1951 25 Betriebe dieser Art mit 10 % der Gästebetten Bad Neuenahrs entgegen. Eine ähnliche Situation herrschte in Bodendorf, das seine Struktur noch weniger geändert hatte:

Tab. 2: Die Struktur des Bodendorfer Gästebettenangebots 1936 und 1951

1936

1951

A*

B* 
1 73 = 1 00

A


1 74 = 1 00

Hotels

2

30,0

2

33

Sanatorien

1

8

Pensionen

15

59,5

12

48

Garni/Priv.

5

10,5

4

11

Über Niederbreisig liegen keine Daten vor. Die schon anfangs gemachte Aussage, daß der Wiederbeginn des Fremdenverkehrs mit die-sem Wirtschaftszweig vertrauten Frauen und Männern zu verdanken war, kann jetzt dahingehend verfeinert werden, daß fast alle auch im gleichen Metier wie in der Vorkriegszeit blieben; nur sehr vereinzelt lassen sich z. B. frühere Hoteliers als Pensionsbetreiber oder umgekehrt Pensionsbetreiber als Hoteliers nachweisen. Während das Beherbergungsangebot der beginnenden 50er Jahre in Bad Neuenahr von Hotels und in Bodendorf von Pensionen geprägt war, brachte der weitere Verlauf des Jahrzehnts beträchtliche Änderungen in beiden Orten. In Bad Neuenahr verringerte sich bis 1960 die Zahl der Hotels auf 21 mit 712 Gästebetten (= 35,5 % der Gesamtzahl), jedoch in Bodendorf stieg sie auf 7 mit 170 Betten (= 38,5 %). Bemerkenswert ist, wie ähnlich sich das Bettenangebot auf die verschiedenen Beherbergungstypen in den beiden so unterschiedlich großen Orten verteilte, denn auch die Sanatorien stellten 1960 in Bad Neuenahr 13,5 % und in Bodendorf 12,5 % aller Gästebetten. Die Pensionen Bad Neuenahrs konnten ihre Positionen behaupten (19,5 %), die wiederum der Bedeutung der Pensionen in Bad Niederbreisig (20,5 %) fast gleichkam, wohingegen in Bodendorf ein Rückgang zu verzeichnen war (34 %). Daß der Fremdenverkehr als Einnahmequelle nicht nur von professionellen Betrieben erkannt wurde, beweist die Entwicklung im Angebot der Privatzimmer. In den 50er Jahren stieg die Zahl der Vermieter dieses Typs in Bad Neuenahr auf 82 mit 31,5 % aller Gästebetten (1960), wodurch dieser Typ hier schon den Rang der Pensionen deutlich hinter sich ließ. In Bad Niederbreisig hielt sich die Bedeutung von Pensionen und Privatzimmern 1960 genau die Waage (beide 25,5 % aller Gästebetten) und in Bodendorf waren die Pensionen trotz ihres Rückgangs noch überlegen (34 % gegenüber 15 % der Betten in Privatunterkünften).

Das Vergleichsjahr 1970 zeigt, daß in Bad Neuenahr die in den 50er Jahren herausgebildete Struktur auch im folgenden Jahrzehnt fast unverändert blieb. Bad Breisig allerdings erlebte mit dem beträchtlichen Aufschwung der Gesamtbettenzahl von 998 (1960 nur Bad Niederbreisig) auf 1 554 (1970 inkl. Rheineck und Oberbreisig) einen ebenso kräftigen Bedeutungszuwachs für die Garni- und Privatbetriebe, deren Zahl sich von 33 (1960) auf 115 (1970) mehr als verdreifacht hatte. Auch in Bodendorf wuchsen auf Kosten von Pensionen Zahl und Bedeutung von Privatvermietern, die jetzt sogar die Pensionen überrundeten (33 % aller Betten bei Privatbetrieben, 20 % in Pensionen). Demgegenüber behaupteten sich die Hotels und Sanatorien des Ortes.

Seit 1950 war die Gesamtbettenzahl trotz einiger Schwankungen in allen drei Bädern 20 Jahre lang gestiegen. Dieses Wachstum hatte, wie dargestellt wurde, überall zu einer Umstrukturierung des Beherbergungsangebotes geführt, wobei vor allem die Garni- und Privatbetriebe eine bedeutende Rolle gewonnen hatten. Es erhebt sich nun die Frage, ob und wie sich die Struktur in Zeiten mit abnehmenden Vermieter und Bettenzahlen verändert. Nachdem in den 70er Jahren alle drei Badeorte von einer solchen Entwicklung betroffen waren, zeigt Abb. 3 für 1980 folgende Situation: In Bad Breisig hat sich an der Struktur der 60er Jahre erstaunlicherweise gar nichts geändert, obwohl sich gerade hier seit 1970 12 Hotels/Pensionen und 46 Garni-/Privatbetriebe aus dem Fremdenverkehrsgeschäft zurückgezogen haben. In Bad Neuenahr und Bad Bodendorf sind Reaktionen erkennbar: In beiden Orten gewannen Hotels und Garni-/Privatbetriebe trotz Rückganges der Betriebsanzahl einen größeren Anteil an der Gästebettenzahl, während die Pensionen fast zur Bedeutungslosigkeit verkümmerten. Was Abb. 3 nicht darstellen kann, muß an dieser Stelle erklärend hinzugefügt werden: In beiden Orten ist eine Hinwendung ehemaliger Pensionen zu Garni- oder Privatbetrieben zu erkennen, so daß daraus der Bedeutungsgewinn dieses Beherbergungstyps am gesamten Bettenangebot erklärbar wird; wenn z. B. 10 Privatvermieter mit jeweils 2 - 3 Gästebetten ihre Zimmer aus dem Angebot zurückziehen, dafür aber 3 Pensionen mit jeweils 8-15 Betten ihren Betrieb auf Garni umstellen, dann sinkt zwar die Zahl der Vermieter dieses Beherbergungstyps, aber dessen Bedeutung für das Bettenangebot kann trotzdem wachsen.

Insgesamt ergibt sich aus Abb. 3 der Schluß: Hotels stellten jederzeit in unserem Betrachtungszeitraum 1951 - 1980 mehr als ein Drittel der Gästebetten bereit, in Zeiten des Rückzugs aus dem Fremdenverkehrsgeschäft bildeten sie jedoch die wichtigste Stütze mit wachsender Bedeutung für das Weiterbestehen dieses Wirtschaftszweiges, denn die verbleibenden Betriebe reagierten mit einem Ausbau ihrer Kapazitäten. Sehr stabil verhielten sich Sanatorien. Die Neigung, Pensionen zu betreiben, nahm seit 1951 überall ab, besonders in ungünstigen Fremdenverkehrszeiten. Während Pensionen dahin tendierten, ihr Angebot auf Garnibetriebe einzuschränken — der Ausbau einer Pension zu einem Hotel konnte nur vereinzelt beobachtet werden, aber doch noch im Fremdenverkehrsgeschäft zu bleiben, stellte sich für die Privatvermieter die Frage gänzlich anders: In Wachstumszeiten nutzten viele den Fremdenverkehr als willkommenen Zuverdienst und engagierten sich kräftig; bei ungünstigeren Zeiten zogen sich genauso viele wieder ganz von diesem Geschäft zurück.

Bei den verschiedenen Typen des Beherbergungsgewerbes ergibt sich also ein recht unterschiedliches Durchhaltevermögen in der Aufrechterhaltung des Bettenangebots, das wohl im Zusammenhang mit dem finanziellen Engagement für den Fremdenverkehr steht oder von der Funktion der Einnahmen durch diesen Wirtschaftszweig abhängt. Fremdenverkehr als hauptsächliche Einnahmequelle oder als Neben- bzw. Zusatzverdienstquelle erklärt z. B. in Bad Bodendorf die Unterschiede im zeitlichen Engagement der Betriebe von der Nachkriegszeit bis heute: Hotels hielten in diesen 30 Jahren durchschnittlich jeweils ca. 21 Jahre ihren Betrieb aufrecht, Pensionen jeweils ca. 19 Jahre und Privatvermieter jeweils ca. 9 Jahre. Viele Privatvermieter Bad Bodendorfs nutzten die Zusatzverdienstmöglichkeit durch Gästebettenangebot zur Finanzierung von Neubauten und gaben dann, wenn ihr Haus bezahlt war, ihr Engagement wieder auf. Die gleiche Motivation hat vermutlich auch in Bad Breisig bestanden, das ja wie Bad Bodendorf gerade in den 60er und 70er Jahren eine beträchtliche Ausdehnung seiner Wohngebiete erfuhr. Damit bildete sich in den Badeorten des Kreises Ahrweiler ein günstiger Kapitalkreislauf, denn ein großer Teil der durch Fremdenverkehr erzielten Einnahmen blieb in den Gemeinden und kurbelte auch andere Wirtschaftszweige an (z. B. Baugewerbe).

Die Qualität der Zimmer 1970 -1980

Nicht nur die Struktur des Beherbergungsgewerbes gibt über den Stand des Fremdenverkehrsangebots der drei Badeorte Auskunft, sondern seit 1970 lassen die detaillierter werdenden Unterkunftsverzeichnisse auch Erkenntnisse über die Qualität der Gästezimmer zu, allerdings wieder in unterschiedlichem Ausmaß. In Bad Bodendorf war die Zahl der Komfortzimmer (für diese Untersuchung seien darunter »Zimmer mit Bad oder Dusche oder WC« verstanden) des Ortes noch nie aus seinen Unterkunftsverzeichnissen ersichtlich; das Entwicklungsprogramm für den Landkreis Ahrweiler (1977, S. 68) gibt für Sinzig-Bad Bodendorf im Jahre 1975 an, daß 28,2 % aller Zimmer diesem Standard entsprachen, in Bad Breisig dagegen 31,8 %. Die gleiche Quelle rechnet bei Bad Neuenahr (also ohne Ahrweiler usw.) im selben Jahr 65,4 % aller Zimmer dieses Stadtteils den Komfortzimmern zu, wobei nur das Angebot von Hotels, Gasthäusern und Fremdenheimen berücksichtigt wurde. Offensichtlich hat man Sanatorien wegen ihrer besonderen Ausrichtung nicht für diesen Vergleich herangezogen.

Wichtig ist nun die Frage, ob und wie das Beherbergungsgewerbe der drei Bäder auf die wachsende Konkurrenz anderer Badeorte um die Gunst der Gäste reagierte. Daß die Zahl haupt- und nebenberuflicher Betriebe und damit auch das Gästebettenangebot insgesamt in den 70er Jahren sank, obwohl die verbleibenden Vermieter ihre Bettenzahl vergrößerten, konnte bereits nachgewiesen werden; das Engagement vieler durchhaltender Beherbergungsbetriebe beschränkte sich aber nicht nur auf eine quantitative Vergrößerung ihres Angebots, sondern konzentrierte sich ebenfalls auf qualitative Verbesserungen ihrer Gästezimmer. Dazu liefert die Entwicklung in Bad Breisig, für das sich aus den Unterkunftsverzeichnissen die genauesten Angaben ermitteln ließen, den besten Beweis:

Tab. 3: Die Qualität des Zimmerangebots in Bad Breisig 1970 - 1980

 

Einzelzimmer

Doppelzimmer

 

Anzahl

davon Komfortz.

Anzahl

davon Komfortz.

1970

366

16,1 %

594

20,0 %

1975

322

26,7 %

529

34,4 %

1980

328

37,8 %

518

51 ,2 %

In 10 Jahren wurde hier der Komfortzimmeranteil sowohl bei Einzelzimmern als auch bei Doppelzimmern mehr als verdoppelt! Dagegen schien man in Bad Neuenahr keine Dringlichkeit im Hinblick auf qualitative Verbesserungen des Angebots empfunden zu haben, denn die Daten für 1980 über den Komfortzimmeranteil = 65,05 % ergeben fast dasselbe Bild wie 1975 (= 65,4 %). 1980 bot man hier 709 Einzelzimmer an, von denen 63,5 % Komfortzimmerwaren, und 551 Doppelzimmer mit 66,6 % Komfortzimmeranteil. In dieser Hinsicht besitzt Bad Neuenahr vor seinen beiden Nachbarn also einen erheblichen Vorsprung!

Für Bad Bodendorf lassen sich zu 1975 keine Vergleichszahlen des Jahres 1980 ermitteln, so daß über den Entwicklungstrend nichts gesagt werden kann. Die Tatsache jedoch, daß hier von den 7 Hotels 1980 6 Betriebe Komforteinzelzimmer und alle Hotels Komfortdoppelzimmer anboten, während von den 24 Privatvermietern nur ein einziger Komforteinzelzimmer und 3 Vermieter Doppelzimmer dieses Standards anzeigten, darüberhinaus die 2 Pensionen überhaupt keine Komfortzimmer vorweisen konnten, weist auf die Notwendigkeit hin, das Zimmerangebot auch der beiden anderen Badeorte nach Betriebstypen differenziert betrachten zu müssen. Dabei kommt man zu bemerkenswerten Ergebnissen:

  • Das Einzelzimmerangebot: In Bad Neuenahr und Bad Breisig stellten 1980 Hotels und Pensionen mit 68,1 % und 68,9 % der Gesamtzahl der Einzelzimmer der Orte fast den gleichen Anteil, allerdings waren von diesen Zimmern in Bad Neuenahr 81,8 % Komfortzimmer und in Bad Breisig nur 44,3 %. Dieser Qualitätsunterschied im Einzelzimmerangebot der Hotels und Pensionen der beiden Orte setzt sich dann aber bei den Garni-/Privatbetrieben nicht fort, deren Anteil am Einzelzimmerangebot Bad Neuenahrs 1980 31,9 % und Bad Breisigs 31,1 % ausmachte, wobei von diesen Zimmern in Bad Neuenahr 24,3 % und in Bad Breisig 23,5 % Komfortzimmerwaren. Wirtreffen also in beiden Bädern auf fast die gleiche Qualitätsstruktur der Garni- und Privatbetriebe bezüglich der Einzelzimmer.

  • Das Doppelzimmerangebot: Gelten die Beobachtungen zum Einzelzimmerangebot auch für die Doppelzimmer? Es ergibt sich ein ganz ähnliches Bild: Wieder stellten 1980 Hotels und Pensionen in Bad Neuenahr mit 56,6 % und in Bad Breisig mit 58,9 % annähernd gleiche Anteile am gesamten Doppelzimmerangebot der Orte, wobei die Qualität dieses Angebots in Bad Neuenahr wieder deutlich über der von Bad Breisig lag: Bei ersterem betrug der Komfortzimmeranteil 85,3 %, bei letzterem 56,4 %. Die Garni- und Privatbetriebe verfügten 1980 in Bad Neuenahr über 43,4 % und in Bad Breisig über 41,1 % von allen Doppelzimmern der Orte; hier war Bad Breisig im Komfortzimmeranteil gegenüber Bad Neuenahr sogar leicht überlegen, 43,7 % gegen 42,3 %.

Obwohl sich die absoluten Zahlen der Doppelzimmer Bad Neuenahrs und Bad Breisigs in den letzten Jahren immer näher kamen und 1980 bei Garni- und Privatbetrieben nicht nur die absoluten Zahlen, sondern auch die Qualität der Doppelzimmer in beiden Orten fast gleich war, zeigen sich die wichtigsten Unterschiede des Beherbergungsangebots dieser Bäder im qualitativen Niveau der hauptberuflichen Betriebe (Hotels und Pensionen): Bei zahlenmäßig fast gleichem Doppelzimmerangebot der Hotels und Pensionen der beiden Bäder sind die meisten Zimmer Bad Neuenahrs besser ausgestattet; dieser Vorsprung Bad Neuenahrs hinsichtlich der Qualität weitet sich bei Berücksichtigung der für Badeorte besonders wichtigen Einzelzimmer aus, denn hier verfügen die professionellen Beherbergungsbetriebe nicht nur über mehr als die doppelte Anzahl an Einzelzimmern als die Hotels und Pensionen Bad Breisigs (483 gegen 226), sondern sogar über die vierfache Menge an Komfortzimmern (395 gegen 100). Hinzu kommen noch doppelt so viele Einzelzimmer in Garni- und Privatbetrieben wie in Bad Breisig (226 gegen 102), wobei der Anteil von Komfortzimmern in einem ähnlichen Verhältnis steht (55 gegen 24).

Schlußbemerkungen

Der in allen drei Badeorten schon vor dem Zweiten Weltkrieg bestehende Fremdenverkehr schuf auch nach dem Kriege bis heute eine wichtige Erwerbsgrundlage für die ansässige Bevölkerung. Dabei spielte das Engagement im Beherbergungsgewerbe jederzeit eine tende Rolle für den Arbeitsmarkt der Gemeinden. Selbst im »Klein-Bad« Bodendorf bietet der Fremdenverkehr ca. 120 Menschen einen unmittelbar davon abhängigen Arbeitsplatz, wobei der mittelbare Einkommenseffekt für andere Gewerbezweige nicht berücksichtigt ist. Auch in den anderen Bädern stellt der Fremdenverkehr die wichtigste am Ort befindliche Erwerbsquelle dar, gewissermaßen eine »grüne Industrie«. Während dieser Teil l des Vergleichs von Bad Neuenahr, Bad Breisig und Bad Bodendorf das Angebot an Beherbergungsstätten von 1950 bis 1980 zum Gegenstand hatte, soll im nächsten Band des Heimat-Jahrbuches die Nachfrage der Gäste innerhalb des gleichen Zeitraumes im Mittelpunkt des Interesses stehen.

Neben den im Text genannten Quellen mögen die folgenden Literaturhinweise, die keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erheben können, dem am Fremdenverkehr im Bäderdreieck des Kreises Ahrweiler interessierten Leser weitere Informationen ermöglichen:

1. Beiträge in den Heimat-Jahrbüchern des Kreises Ahrweiler von 1926, 1936. 1938. 1939, 1941. 1958, 1968, 1971, 1973, 1980.

2. Monographien:

  1. zu Bad Neuenahr: Festschrift 100 Jahre Bad Neuenahr, Ahrweiler 1958.
    Frick, Hans: Die Quellenweihe vor hundert Jahren und die elfjährige
    Gründungsgeschichte des Bades Neuenahr. Bad Neuenahr 1958.
    Keßler, Margit: Bad Neuenahr — Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten in der Dynamik einer Stadt, ln: Otremba, E. u. a.: 25 Jahre Forschung und Lehre . . . Kölner Forschungen zur Wirtschafts- und Sozialgeographie, Bd. 21. Wiesbaden 1975. S. 101 -140.
    Rütten, Erich: Die Frequenz 12 deutscher Heilbäder im Wandel der Konjunktur. Remagen 1936.

  2. zu Bad Breisig: Bad Breisig am Rhein. Hrsg. v. Stadt. Verkehrsamt. Bad Breisig 1970.
    Breitbach, Josef: Vom alten Breisig und seiner Nachbarschaft. Koblenz 1954, S. 143- 146

  3. zu Bad Bodendorf: Haffke, Jürgen: Vom Winzerdorf zum Badeort. Bad Bodendorf und sein Fremdenverkehr im 19. und 20. Jahrhundert. Düsseldorf 1979.