Don Quijote ... beinahe ein Selbstbildnis, denn Pitt Kreuzberg kämpfte gegen das Ungemach der Zeit
Fotos: Vollrath

Ein Ritter der Gerechtigkeit — Visionen des Schicksals unserer Erde

Eine längst fällige Ausstellung für den Maler Pitt Kreuzberg

 Harry Lerch

Für ihn, für Pitt Kreuzberg, gilt ein Dürerwort aus den Aufzeichnungen der Niederländischen Reise:

»Hör, du Ritter Christi, reit herbei neben den Herrn Christum, beschütz die Wahrheit!« Die Wahrheit liebend und oft auch für sie leidend — das war Pitt Kreuzberg.

Es war für Ahrweiler eine Bringschuld, seiner zu gedenken, und das geschah repräsentativ — derart vollgültig, wie es Pitt Kreuzberg zu Lebzeiten nie beschert war, obgleich er hochgeachtet war bei Kennern der Kunst. Die Bringschuld löste die ARE-Künstlergilde für ihr Gründungsmitglied ein, auf noble Weise förderte die Ausstellung die Kreissparkasse, deren Vorstand wissen läßt, das Haus stünde auch in Zukunft für solch wertvolle Ausstellungen offen. Eine Laudatio halten auch Landrat Dr. Egon Plümer und Professor Dr. Bernhard Kreutzberg für die ARE-Künstlergilde.

Groß war das Interesse der Öffentlichkeit an der längst fälligen Ausstellung: hier ein Augenblicksbild der Eröffnung

Ist es Zufall oder nicht — genau gegenüber in der Wilhelmstraße wurde Pitt Kreuzberg geboren, er besuchte die Lateinschule des Dr. Peter Joerres im Weißen Turm, wo Pitt Kreuzberg bei Exkursen über die unregelmäßigen Verben oft zum Himmel hinauf sah, denn da waren Wolken und Licht und Atmosphäre. Dies alles wollte er malen! Den seidigen Hauch, die Weite, die Unendlichkeit, die Gewitter, den Nebel, den Abendbrand der untergehenden Sonne, denn tausendfältig sind die Farben der bunten Welt.

Sechzehn Jahre alt, wandert der den Farben verfallene Pitt Kreuzberg aus dem Niedertor hinaus. Er studiert an den Akademien Düsseldorf und München, ist Weggenosse von Otto Pankok, Werner Gilles und Max Ernst, wird einer der trunkenen Revolutionäre des »Jungen Rheinland« und der »Rheinischen Sezession«. Wer je die Eifel gesehen hat mit Maleraugen, kehrt zu ihr heim! Er siedelt sich am Schalkenmehrener Maar an, doch ein Rückzug ist das nicht, denn hier findet er die Landschaft, die Wahrheit der Landschalt und die Wahrheit der Dinge. Das stille Maar vor allem. Grandios solch ein Maar im Sommer, doch auch im Herbst nebelverhüllt mit Schwaden über dem Wasserspiegel wie Geister über den Wassern. Die im Licht, in den Jahreszeiten und oft von Stunde zu Stunde sich verwandelnden Farben faszinieren ihn — und jeden Betrachter seiner Bilder. Er malt das Maar und die Eifel, wenngleich er alles andere als ein gängiger Eifelma-ler geworden ist. Landschaft ist für ihn Schicksal, Gleichnis, Offenbarung. Sein Leben sind Phasen. Expressive und andermal verwandelte Innigkeit der Farben. Er sucht nicht, er findet — das Wort von Picasso gilt für ihn. Die Schöpfung spiegelt sich in ihm, in seiner Landschaft. Individualität und Kosmos— das sind die Pole in Pitt Kreuzbergs schauenden Augen.

Nicht nur Landschaft als Stilleben hatte er im Sinn. Über das dunkelblaue Schalkenmehrener Maar fegt ein Schwarm Schwäne

Kosmos und Erde - das ist der bedeutungsvolle Titel des Selbstportraits von Pitt Kreuzberg

Er malt Wolkengebirge groß wie Kathedralen, andermal das Maar im Nebel. In seinen achthundert hinterlassenen Bildern sind religiöse Gedanken einer Christusbruderschaft eingebettet, zaghaft, zögernd, zaudernd. Wenn auch an dieses Maar gebunden, das er als Auge Gottes in dieser, seiner Erde sieht, ist er der Welt nicht abgetan. Er sieht das Schicksal der Erde, sieht und malt Eruptionen und Explosionen, als ahne er die Bombe von Hiroshima. Er spüre, so hat er mir einmal an einem dunklen Novemberspätabend gesagt, das Beben der Erde. Vom einstigen Vulkanismus, der dieses Maar gebar, aber auch eine berstende Erde der Hybris von Hiroshima. Wer so seismographische Sinne besaß wie Pitt Kreuzberg, war Ahnender, Verkündender, Warnender. Den Engel aus dem All, aber auch die Dämonen hat er geschaut und gemalt. Seine Seele war Schauplatz für Verheißungen oder künftige atomare Katastrophen. In ihm müssen sich Kämpfe der Seherschaft abgespielt haben, die man nur in Widerspiegelungen seiner Bilder ablesen kann. Er hat gelebt in einem Misereor des Ich. Mit Kreuzigungen, Klagen, Aufrichtungen, Visionen. Darüber hat er einmal in einer Trierer Ausstellung, zum Wort gedrängt, gesagt: »Es kann darum nicht alles ein Lied der Schönheit sein, eher der versuchten Wahrheit.. . Es sind die Gesetze und die Lebenskraft, der Rhythmus und die Dynamik der Dinge im ewigen Kreislauf.

Die Maare wurden Pitt Kreuzbergs endgültige Heimatlebhafte Farben von Wald und geneigtem Hang zum Maar, das ihm als das Auge Gottes galt

Und das Dargestellte soll uns mahnen, nichts Ungutes gegen das Leben zu tun.«

Da war er ein Bruder des Vincent van Gogh, der an den Farben sein Leben verglühte, aber auch von Emil Nolde, mit dem er einmal ausgestellt hat.

Nicht ohne Grund trug Pitt Kreuzberg das Schäferkleid der Demut. In ihm nur konnte er so wahrhaftig sein, wie das aus jedem seiner Bilder strahlt.

Hier wurde nun erfüllt, was eigentlich schon zu Pitt Kreuzbergs Lebzeit notwendig war und wie es Landrat Dr. Egon Plümer im Vorwort des Katalogs betont: ».. .einen beachtlichen Querschnitt der Werke des bedeutenden einheimischen Vertreters des deutschen Expressionismus zusammenzustellen und der Öffentlichkeit zu präsentieren.«