Pioniergeist im 20. Jahrhundert

Carl Hüfth und der Bergbau im oberen Ahrtal

Heinrich Schäfer

Der wohl älteste Industriezweig des Eifellandes, der Bergbau und das Hüttenwesen, ist in unse_-ren Tagen zum Erliegen gekommen. Noch birgt die Eifelerde kostbare Schätze an Metallen, auf die der Mensch vielleicht wird zurückkommen müssen.

Ehe die modernen Wissenschaften, die Geologie und Lagerstättenkunde, dem Bergbau zu Hilfe kamen, gab es fachkundige Männer, die ihr Wissen über die Geheimnisse der Erde den Generationen weitergaben. Zu ihnen gehört die Familie Hürth aus Antweiler. In der 1899 erschienenen Eifeldarstellung von Adolf Dronke wird den Eifeler Fürsten- und Grafengeschlechtern breiter Raum gegeben. Neben den großen Dynasten gab es die Schar des kleinen Ritteradels, aus dem Dronke zwei Geschlechter auswählt, die er ausführlich und beispielhaft schildert. Eines davon ist die Familie Hurth.

Kupfererzgrube » Wilhelm«, Antweiler (um 1926 nach der Stillegung)

Woher, so sagt Dronke, die Ritter Hurth, Hür-then oder Hurthen kommen, ist unbekannt, sie sind in der ganzen mittleren und nördlichen Eifel verbreitet. Der erste des Geschlechtes, von dem wir sichere Kunde haben, ist Richard Hurth von Schönecken. Im Jahre 1361 macht ihn der Herzog von Julien zum Ritter. Er gibt ihm ein Burglehen zu Hillesheim. 1400 wird Richard von Hurth als Amtmann zu Hillesheim genannt. Noch in unserer Zeit zeigt die Geschichte der Familie Hurth, wieviel unternehmerischer Mut, Risikofreude und Beweglichkeit im Eifeler Bergbau am Werke gewesen ist. Heinrich Hurth, der heute 70 Jahre alt ist und im Bergbau bis in dessen letzte Phase gearbeitet hat, erzählt von seinem Vater: »Mein Vater, Carl Hurth (1877-1933), war Bergwerksbesitzer und Betriebsleiter, vor allem aber zog er durch die Eifel und forschte nach neuen Erzvorkommen. So war er viel unterwegs und die Leute kannten ihn. Kam ein Bauer und zeigte ihm einen grauen Steinbrocken mit Metallglanz, den er beim Pflügen oder Graben gefunden hatte, dann besichtigte mein Vater die Fundstelle, legte sie frei, untersuchte Richtung und Einfallen des Erzganges und schickte eine Probe zur Analyse. Darauf reichte er die Mutung ein und bewarb sich um das Schürfrecht, damit er einen Stollen anlegen konnte. Nach Prüfung durch die Bergbehörde bekam er die Konzession auf einem Felde von ungefähr 2 Mill. Quadratmetern.

Schachtanlage Hürnigskopfbei Plittersdorf
Fotos: privat

War er in seinem Versuchsstollen echt fündig geworden, dann unternahm er meist nicht selbst die Förderung, sondern bot seine Rechte einer Bergbaufirma zum Verkauf an. So verlief es z. B. mit der Grube Hürnigskopf bei Kirchsahr, die an die Stollberger Blei und Zink AG verkauft wurde. Dieses Vorkommen war vorher nicht bekannt, obwohl in der Gegend des Sahrtals bei Binzenbach und Winnen schon früher Blei und Kupfer gewonnen worden war. Manche guten Aufschlüsse brachten die Steinbrüche und der Bau von Straßen und Wegen. Besonders wertvolle Einblicke in das Innere der Erde verschaffte uns der Eisenbahnbau an der Oberahr. Im Jahre 1908 stieß man in Antweiler beim Bahnbau auf eine Kupferader. Die Eisenbahningenieure bemühten sich sofort um die Rechte für den Abbau, aber da mein Vater dort bereits die Konzession für Blei- und Zinkerz besaß, beantragte er auch die Kupfermutung, die ihm 1910 verliehen wurde. Ich habe hier noch ein Schreiben der Bergbaubehörde Coblenz vom 18. Januar 1911, in dem mein Vater zur Zahlung von 500 Goldmark als Kostenvorschuß für die Verleihung des Bergwerkeigentums der Kupfermutung »Wilhelm« bei Antweiler aufgefordert wird.

Mit den 15 bis 20 Arbeitern, die er stets zur Verfügung hatte, machte ersieh an den Aufschluß. Als die Ergiebigkeit feststand, verkaufte er die Grube mit einem stattlichen Gewinn an die Firma Antweiler Erz-Gesellschaft mit Sitz in Berlin; er behielt Eigenbeteiligung und die Betriebsleitung. Die Grube Wilhelm hat in der Folgezeit großen Ertrag gebracht. In einem Diagonalgang fand sich zusätzlich Kupfer-Fahlerz, welches silberhaltig war. Man baute einen Bahnanschluß und eine Flotationsanlage, die erste ihrer Art in Deutschland. Das gewonnene Erz wurde gemahlen und in die Aufbereitung gebracht, wo in der Schwemme nach Kupfer und Silber geschieden wurde.

Etwa 1928 übergab die Stollberger Blei und Zink AG die Grube Wilhelm der Ölbohrfirma Anton Racki AG in Salzgitter in Option, um neue Aufschlüsse zu tätigen. Dies betrieben der Firmenvertreter Paul und mein Vater gemeinsam. Gleichzeitig liefen die Aufschlußarbeiten der Grube Kupferberg bei Insul/Dümpelfeld und der Grube Ahrglück bei Barweiler, die beide im Besitz meines Vaters waren und von Herrn Paul (Gewerkschaft Brunhilde) erworben wurden.

Auf Grube Wilhelm wurde zunächst der Limbach-Tiefstollen von 500 Metern aufgewältigt. Dort erreichten wir eine Kupferader von 30 cm Mächtigkeit. Als wir am nächsten Morgen Proben nehmen wollten, stellten wir fest, daß über Nacht die ganze Fundstelle zu Bruch gekommen war. — Diese vielversprechenden Aufschlüsse, u. a. ein Fahlerzdiagonalgang sowie die Aufschlüsse auf »Kupferberg« und »Ahrglück« wurden durch die Weltwirtschaftskrise plötzlich gestoppt und kamen zum Erliegen. Anfang der 30er Jahre hat mein Vater im selben Feld, im Bombachtal bei Antweiler, nochmals einen Versuch unternommen. Wie immer war die ganze Familie dabei. Mein Onkel, der jeweils die technische Seite der Anlage besorgte, half mit seinen Söhnen, dazu kamen meine Brüder und ich. Wir hatten unseren eigenen Wald abgeholzt, hatten den Stollen 100 Meter weit getrieben und waren auf Erz gestoßen. Unsere Arbeitslosenunterstützung hatten wir dazu verwandt, das nötigste Material zu kaufen. Aber ohne Kapital sind keine Investitionen zu machen! Vater beantragte beim Kreis Adenau ein Darlehen von 6 000 Mark und war bereit, sein Haus und seinen Grundbesitz verpfänden zu lassen. Aber das Geld erhielt er nicht.

Als 1933 der Bergbau wiederbelebt wurde, bot man ihm die Stelle eines Betriebsleiters im Schwerspatbau bei Ulmen an. Da wir schon einige Jahre ohne Einkommen gewesen waren, war er gezwungen, die Stelle anzunehmen, und gab damit die hochgeschätzte Selbständigkeit endlich auf. Doch schon nach einigen Wochen verstarb er auf der Grube an den Folgen eines früheren Unfalls.

Ich machte damals eine Ausbildung als Sprengmeister und bekam ein Angebot für die Grube Hürnigskopf, wo mein Vater die ersten Schürfungen gemacht hatte. Dieser Schacht war 1927 begonnen worden und hatte eine Tiefe von 140 Metern, gefördert wurden Blei- und Zinkerze. Etwa 1936 wurde neben der Grube Hürnigskopf noch jenseits des Lierstales die Grube Klappetshardt in Betrieb genommen, die ebenfalls zum Konzessionsfeld »Glückstal« gehörte und Eigentum der Stollberger Blei und Zink AG war. Nach dem Kriege wurde dort der Betrieb nicht wieder aufgenommen. Ich war dann noch einige Jahre bei derselben Gesellschaft an anderen Orten tätig. Unsere Familie Hürth war seit Generationen dem Bergbau verhaftet. Mein Großvater war konzessionierter Markscheider. Auch er hat Gruben erschlossen und verkauft. Sein Betätigungsfeld zog sich vom Braunkohlenrevier der Ville über das Mechernicher Gebiet — dort wurde mein Vater in dem Orte Strempt geboren — bis hin nach Ürsfeld, wo er die Schwerspatgrube erschlossen und dann an die Gewerkschaft Sachtleben verkauft hat. Zur Zeit der Projektierung der Ahrtalbahn 1908 ließ er sich in Antweiler nieder, um inmitten seiner Grubenfelder zu sein. Auch er war ein unternehmender und risikofreudiger Mensch, er war viel unterwegs und kein Eifeler Erzvorkommen blieb ihm unbekannt.«

Wenn wir die Berichte von Heinrich Hürth hören, spüren wir einen Hauch von Romantik und Pioniergeist. Großvater Hürth ritt mit seinem Araberhengst von Schürfstelle zu Schürfstelle und wenn er den Arbeitern die Lohngelder brachte, trug er eine Waffe bei sich. Als die Ahrtalbahn fertig gestellt war, wettete er, mit seinem Pferd in kürzerer Zeit von Altenahr nach Adenau zu gelangen als die Eisenbahn. Er gewann die Wette. Wen wundert es zu hören, daß einige Mitglieder der Familie sich den Auswanderern nach Amerika anschlössen und dort Vermögen machten?

Mut erforderte es auch, alte aufgelassene Stollen, die z. T. noch aus der Römerzeit stammten, nach abbauwürdigen Erzen zu durchforschen. — Nicht zu beschreiben ist die Freude der Erzsucher, wenn ihnen nach mühevoller Arbeit endlich ein Metallglanz leuchtet. Heinrich Hürth weiß eine aufregende Geschichte zu erzählen, wie er in einem alten Stollen einmal verschüttet wurde.

Interessant sind die Techniken, die diese Bergbaupioniere erfanden, um die Stollen voranzutreiben, um den Wasserablauf und die Luftzufuhr mit primitiven Mitteln sicherzustellen. Für die Eifel eine vergangene Zeit!