Heimelig bullert der Ofen in der Säujass von Adenau

Ein Bauern-Museum, in das man am liebsten einziehen möchte

Harry Lerch

Jed' Ding hat seine Story, manchmal auch ein Bauern-Museum. In Adenau steht eines mitten in der Stadt. Sachlich und brav in der Schulstraße, doch in Adenau heißt sie seit altersher die »Säujass«, weil einst hier die Schweine zum Viehmarkt getrieben wurden. Die »Säujass« war sogar namengebend für die Initiative der Viertelsgemeinschaft »Vehmaat - Säujass Adde«, und klugerweise auch als e. V. Das brachte den Vorteil mancher Zuschüsse, und die Betreuer stehen heute noch baff vor dem Geschick des Bernd, womit sie ihren Bürgermeister Bernd Schiffarth die Reverenz erweisen, denn er sorgte für die finanzielle Basis. Wenn es das gibt: die Straßen um die »Säujass« haben sogar einen Viertelsbürgermeister: Willy Thiessen. Er kann sich verlassen auf den Sammeleifer und die Museümsbetreuung von Kurt Rausch, und seinen Anteil gibt ebenso Peter Löhr, der so gern in Verse faßt, was einst und jetzt geschah.

Die Tafel am Eifeler Bauernhaus-Museum erzählt auch die Geschichte des Hauses. Die Geschwister Koll betrieben eine Tuchweberei für das weitberühmte »Addene Doch«, also das blaue Adenauer Tuch. Dann ging es in die Hände von Peter und Veronika Hübgen, bis Witwe Veronika 1964 starb. Das Haus war herrenlos, bis die Viertelsgemeinschaft und die Stadt ihm wieder Bedeutung gaben — die schönste eigentlich: für ein bäuerliches Museum. Ein Bauern-Museum, nichts anderes, sollte daraus werden — nichts also von Spiegelpracht und Schimmer edler Parketthölzer der Säle in Schlössern. Sie sind kalt und belassen den Besucher kalt — ein Bauern-Museum muß Wärme ausstrahlen und Geborgenheit. Das spricht schon von außen an: kleine Gardinen, und wer hineinlugt, gewahrt ein Körbchen mit Eiern. Am Fenster nebenan eine steinerne Mulde, von hier floß das Spülwasser in den offenen Trog, der heut nun mit Blumen gefüllt ist. Das Erlebnis innen: so wohnlich und heimelig, als seien die Bewohner gerade zum Kirchgang. Ein Korb mit handlichen Holzscheiten und Anfeuerholz: an einem frostigen Tag empfängt hier den Besucher sogleich Wärme. Alles wie bei Großmutter einst: Sand-Seife-Soda-Regal aus Emaille. Ein Bund Zwiebeln am Haken, ein Regal mit winzigen Schubladen für Kümmel, Ingwer, Lorbeerblätter, Nelken und Safran (denn er »macht den Kuchen gehl«, wie es im Kindergedicht heißt).

Nebenan: die Wasserpumpe! Zwölf Züge, und es kommt geflossen, denn der Brunnen ist noch funktionsfähig. Nebenan: alles fürs Brotbacken. Das Schoß lehnt an der Wand, denn das Brot mußte mit Schwung in den Ofen geschossen werden; drunter wurde, wenn der Teiglaib auf den Steinen lag, das Schoß wieder herausgezogen. Das liegende Butterfaß, die Zentrifuge, der Kappesschaber und die graublauen Töpfe und Gefäße vom Kannenbäckerland Höhr-Grenzhausen — alles ist da, auch die Mulde für den Brotteig, die Napfkuchenform, das Waffeleisen. Übrigens: das Waffeleisen. Darauf haben die Frauen des Stadtviertels, nach Großmutterart mit Nachthäubchen auf dem Kopf, Waffeln zum Heimatfest gebak-ken — sie fanden reißend Abnahme. Das ist der Reiz dieses Museums: die Bewohnbarkeit. Nebenan die gute Stube. Bescheiden mit Nähmaschine und Besuchssofa, Großvaters Paraplüie am Haken und die halblange Pfeife. Sie wurde mit Krüllschnitt gestopft am Feierabend. Kurt Rausch zieht eine Schublade auf. Sonntags las Großvater, was hier im Jahresband gegilbt nun hervorkommt: die »Deutsche Illustrierte Zeitung« von 1889 und schon im Band 61 erschienen mit dem Titelblatt »Über Land und Meer.« Die eng gewundene Treppe hinauf: da war die Weberwerkstatt — und nebenan die Schlafstube. Hosenträger und Socken überm Stuhl. Auf dem Nachtisch mit Kunstmarmorplatte die Ondulierschere — damals gingen die Frauen höchstens zweimal im Jahr zur Friseuse. Fromm waren sie: das kleine Gebetbuch und der Rosenkranz, Großvaters Nickelbrille und ja, natürlich das breite Bett, das Nachtgeschirr, unter der Kommode auch die Mausefalle. Vielleicht dürfen weibliche Besucher auch einmal in den Schrank blicken. Omas Wäsche werden die Frauen kichernd bewundern. Sie ist nicht aus dem Sex-Shop, aber mit Spitze. Wir haben da so genau nicht hingesehen. Wieder eine Stiege hinauf: der Speicher mit Knechtskammer und Schlafstatt für die Tuchwebergehilfen. Hier ist— lehrreich für Stadtleute — Getreide gebündelt, denn wer weiß Korn und Hafer, Gerste und Weizen an den Ähren zu erkennen? Interessant auch die Speicherecke: da ist die Wand unverputzt belassen. Aus Lehm, Kuhmist und Stroh wurde die Speis gemischt und zwischen den Fachwerkbalken in die Felder gefüllt. Man gewahrt so viel im Haus! Das Kommunionzeugnis mit Engel und Namenszug des Pfarrers, das kleine Weihwassergefäß, Familienbilder (große Sippen mit Kindern), das rub-belig gewellte Waschbrett, die hölzernen Zuber, das Bügeleisen mit Holzkohle im Bauch. Woher sie das haben? Wie kam das alles zusammen? Die Antwort von Kurt Rausch und Peter Löhr kommt schnell: »Von den Speichern und den Flohmärkten.« Dafür waren sie bis Würzburg und Trier — doch, genau gesehen, ist das für eine einst bäuerliche Kreisstadt eigentlich überflüssig. Auf den Speichern und in den Schuppen ist noch viel, was in solch ein Bauern-Museum gehört. Nicht verrostetes Alteisen, auch keine Pflugschar, dafür aber fehlt r allem, um die Wohnlichkeit und die Bewohnbarkeit zu vervollkommnen: Kinderspielzeug und eine Schiefertafel, ein Brett für Dame und Mühle mit den runden Steinen. Was noch dazu gehört, müßte eigentlich aus der eigenen Stadt kommen.

Holzscheite im Korb, Küchengeräte, Kessel und Tiegel, das Plätteisen und der Besen für's Fegen — man könnte glatt beginnen, darin zu leben.

Wo Leben — da auch mal eine Maus. Die Falle war immer mit Speck gestellt.

Alles war solide damals, und immer blank gewienert Großvaters Schuhe.

Zwölfmal gepumpt, dann steigt Wasser aus dem noch hauseigenen Brunnen. Die Zentrifuge, Töpfe, Kannen, Krüge und das rubbelige Waschbrett sind komplett.

Eier im Körbchen. Damals gab es keine Legebatterien, scharren konnten die Hühner. . .

Fromm waren sie: kleines Gebetbuch und Rosenkranz auf dem Nachttisch.
Fotos: H. Esch

Das haben wir nur an den Uffizien in Florenz erlebt: langes Anstehen vordem Museum! Das war kürzlich eine Genugtuung: »Wir hatten 800 Besucher zum Heimatfest«, sagen wie aus einem Munde Kurt Rausch und Peter Löhr, die Besucher standen tatsächlich bis auf die Straße.

Ist das Romantik? Ist es Nostalgie? Was macht dieses Bauern-Museum so liebenswert? Die Lebensnähe. Eine Sehnsucht vielleicht nach

Vergangenheit, denn sie bedeutete auch Geborgenheit. Deshalb wohl gehen junge Paare von einer kleinen Stube zur anderen. Gewiß, das Haushalten war mühseliger als heute, aber solch ein bullernder Ofen ist geradezu heimelig. Junge Paare möchten am liebsten hier einziehen.

Das Museum ist offen an den Samstag- und Sonntagvormittagstunden, aber eine Extraführung kann auch vereinbart werden mit Kurt Rausch unter Telefon: 0 26 91 / 27 61. Auch dafür wollen sie sorgen, daß das Bauern-Museum in der Säujass auch im Band der Heimatmuseen in Rheinland-Pfalz erscheint.