Als am Steinbergskopf noch Basalt abgebaut wurde

Aus der Geschichte von Niederlützingen 

Achim Schmitz

Wenn in einigen Jahren die Mülldeponie Brohl-Lützing verfüllt und rekultiviert ist, erinnert nicht mehr viel an den früheren Basaltabbau am Steinbergskopf, dessen aufgelassener Steinbruch über zehn Jahre Raum für die Mülldeponierung bot.

Bis zum Jahre 1928 wurde hier Basalt abgebaut, und zwar der Blausäulenbasalt des Steinbergs, im Volksmund »Kappe Kaul« genannt. Wie in fast allen Brohltalgemeinden war auch in Niederlützingen früher die Landwirtschaft die Haupterwerbsgrundlage. Noch bis ins 20. Jahrhundert waren viele Niederlützinger in der Landwirtschaft hauptberuflich tätig. Andere Erwerbsmöglichkeiten bot in der Vergangenheit besonders die Arbeit in den Steinbrüchen. Jüngstes Beispiel ist der Lavaabbau des Leilerkopfes, der bis vor wenigen Jahren betrieben wurde und vielen Lützingern einen Arbeitsplatz sicherte. Ein anderes Beispiel ist die Arbeit in den Traßmühlen des Brohltales. Jahrzehntelang verdienten sich hier viele Leute ihr tägliches Brot. Neben diesen beiden Betrieben gab es in Niederlützingen zeitweilig einen Basaltsteinbruch, den Steinbruch am Steinberg westlich des Ortes.

Aus dem Steinberg erhob sich früher ein kegelförmiges Basaltgebilde, das den Berg um einige Meter überragte. Diese Erhebung war schon von weitem zu sehen und ihre Spitze war mit 288 Metern ü. N. N. der höchste Punkt des Ortes. Von weitem sah es aus, als säße ein Hut auf dem Berg. Daher kommt wahrscheinlich auch die Bezeichnung »Kapp«. Bereits um die Mitte des 19. Jhrdts. wurde hier Basalt abgebaut, der dann mit Fuhrwerken durch den Ort und danach über den alten Lammertalsweg nach Brohl zum Rhein gefahren wurde.

Diese Form des Basaltabbaues war allerdings relativ unbedeutend und hatte auch nur geringe Kapazität. Bedeutung erlangte der Basaltabbau in Niederlützingen erst seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts. 1873 verpachtete die Gemeinde einen Teil des Steinberges an einen Unternehmer namens Dolheuer. Der Pachtvertrag lief über 50 Jahre und Herr Dolheuer durfte gegen eine einmalige Pachtzahlung in Höhe von 21 000 Mark den Basalt des Steinbergs abbauen. Im Jahre 1875 schloß die Gemeinde einen zweiten Pachtvertrag mit Dolheuer ab. Dieser Pachtvertrag lief ebenfalls über 50 Jahre und schloß den Teil des Steinberges, den man 1873 noch nicht verpachtet hatte, mit ein. Als Pacht vereinbarte man die einmalige Zahlung einer Summe von 21 900 Mark. Im Jahre 1888 ging das Unternehmen des Herrn Dolheuer in die »Linzer Basalt AG« über, die dann auch den Basaltabbau am Steinberg betrieb. In den Jahren nach 1873 wurden die Voraussetzungen für einen großräumigen Basaltabbau geschaffen. So wurde z. B. eine Schneise in den Wald, vom Steinberg bis zum Vinxtbachtal, geschlagen. Über diesen Bremsberg wurde der Basalt ins Tal transportiert. Zum Abtransport aus dem Steinberg verlegte man Schienen durchs Vinxtbachtal bis an den Rhein. Von dort aus wurde das Basaltgestein mit Schiffen weitertransportiert. Außerdem baute man Unterkünfte für die Arbeiter, sowie Material- und Werkzeughütten. 1879 waren diese Arbeiten beendet und der Basaltabbau konnte beginnen. Man arbeitete im Tagebau. Im Sommer begannen die Arbeiten morgens um 7.00 Uhr und endeten abends um 19.00 Uhr, unterbrochen nur durch eine Früstückspause von 9 - 9.30 Uhr, der Mittagspause von 12 - 13.00 Uhr und einer Kaffeepause von 15.30 - 16.00 Uhr. Da es damals noch kein elektrisches Licht gab, war man auf das Tageslicht angewiesen. Daher war die Arbeitszeit im Winter auch entsprechend kürzer. Man begann um 8.00 Uhr und hörte gegen 18.00 Uhr auf. Oft mußten im Winter die Arbeiten auch ganz eingestellt werden, wenn Frost und Kälte jede Arbeit unmöglich machten.

Im Basaltsteinbruch »Steinbergskopf« um 1900
Foto: Archiv

Anfangs waren nicht viele Leute im Steinbruch beschäftigt. Später, als die Abbaukapazität gesteigert wurde, arbeiteten durchschnittlich 30 -40 Personen hier, in Spitzenzeiten, etwa im Sommer, konnten sogar 50 und mehr Leute hier ihr Brot verdienen. Die Arbeiter kamen zum größten Teil aus Niederlützingen und Gönnersdorf. Aber auch aus den Nachbarorten Oberlützingen, Waldorf und Breisig arbeiteten einige Leute im Steinbruch an der »Kappe Kaul«. Die Arbeit war hart und gefährlich. An Seilen befestigt, hingen die Arbeiter an der Basaltwand. Entweder brachen sie den Basalt mit der Spitzhacke und mit dem Hammer oder sie sprengten ihn aus der Wand heraus. Nach jeder Sprengung mußte ein Arbeiter in die Wand klettern und all die Steine herausbrechen, die sich durch die Sprengung zwar gelockert hatten, aber nicht heruntergefallen waren. Der so gebrochene Basalt wurde dann von Lehm und anderem Gestein getrennt und anschließend kleingeklopft. Danach lud man ihn auf Wagen und transportierte ihn weg. In späterer Zeit errichtete man einen Brecher, der die Steine auf die gewünschte Größe brach. Unter dem Brecher standen Wagen, die den gebrochenen Basalt sofort auffingen. Den Basalt des Steinberges verarbeitete man zum größten Teil zu Schotter und Splitt, der für Straßen- und Bahnbauarbeiten gebraucht wurde. Größere Steine, die gebrochen wurden, gebrauchte man zur Befestigung von Uferböschungen und zum Bau von Hafenanlagen. Noch größere Steine verwendete man zum Bau von Dämmen. Diese Steine nannte man in Niederlützingen daher oft auch »Senksteine«, denn sie wurden im Meer versenkt. Die Lieferungen gingen zum großen Teil nach Holland. Während des ersten Weltkrieges wurden viele Steine aber auch nach Belgien transportiert und dienten dort der Befestigung von Stellungen an der Front.

Den Abfall, der bei der Zerkleinerung der Basaltsteine entstand, sowie den Lehm und das andere Gestein, das man nicht gebrauchen konnte, transportierte man aus dem Steinbruch heraus auf einen Geröll- und Schuttplatz. Im Laufe der Zeit entstanden so relativ große Schutthügel. Der Untergrund des heutigen Nie-derlützinger Sportplatzes z. B. besteht noch aus dem Schutt und Abfall des Basaltbruches. Um aus dem Steinbruch zu kommen, grub man zunächst einen Tunnel durch den Berg, durch den die Wagen fuhren. Später wurde der Tunnel allerdings nicht mehr benutzt. Wenn die Wagen außerhalb des Bruches waren, zogen Pferde sie bis zum Bremsberg. Ein Wagen war ca. 2,70 Meter lang und 1,20 Meter breit. Er hatte ein Eigengewicht von ungefähr einer Tonne und konnte drei Tonnen Basalt laden. Am Bremsberg befand sich neben den Aufenthalts- und Geräteräumen der Arbeiter, dem Häuschen für die Grubenleitung, dem Unterstellraum für die Pferde auch ein Bremserhäuschen und eine Anlage, über die die Wagen ins ' Tal fuhren. Diese Anlage bestand aus einem großen Eisenrad, über das ein dickes Drahtseil bis ins Vinxtbachtal lief. Außerdem waren zwei Schienenstränge von hier aus bis ins Tal verlegt. Über einen Schienenstrang fuhren die be-ladenen Wagen herunter, über den anderen kamen leere Wagen hinauf. Die Anlage war so konstruiert, daß der volle Wagen auf seiner Fahrt ins Tal gleichzeitig einen leeren Wagen auf den Berg hinaufzog. Der Bremser konnte von oben bis ins Tal schauen und die Fahrt des Wagens genau verfolgen. Mit einer Bremse, durch die sich das große Eisenrad entweder schneller oder langsamer drehen ließ, regulierte er die Geschwindigkeit des Wagens. War ein beladener Wagen im Vinxtbachtal angelangt, wurde er über eine Drehscheibe auf das bis zum Rhein laufende Gleis geschoben. Wenn etwa 10 beladene Wagen auf diesem Gleis standen, und aneinandergekoppelt waren, transportierte man sie mit einer Dampflokomotive an den Rhein. Unmittelbar neben der Vinxtbachmündung wurde der Zug dann entladen. Mit Schubkarren fuhr man den Basalt auf die Schiffe. Große Gesteinsbrocken wurden mittels eines Dampfkranes auf die Schiffe befördert. Die Lokomotive fuhr am Tag durchschnittlich dreimal zum Rhein, das heißt, am Tage wurden ungefähr 100 Tonnen Basalt abgebaut und wegtransportiert. Je nach Witterung und Jahreszeit wurden bis zu 150 Tonnen Basalt pro Tag gefahren. 1923 bzw. 1925 liefen die Pachtverträge aus. Nach einigen Verhandlungen zwischen der Linzer Basalt AG und der Gemeinde unter dem damaligen Bürgermeister Wilhelm Knebel wurde ein neuer Pachtvertrag, allerdings mit geringerer Laufzeit, unterzeichnet. Im Laufe der Jahre war durch den Basaltabbau ein immer tieferes Loch im Steinbruch entstanden. Man baute nun Basalt in einer Grube ab, die 20 bis 25 Meter unterhalb des Plateaus lag. Daher mußten die Wagen zunächst mit Hilfe einer Seilwinde auf das Plateau geschafft werden, ehe sie weitertransportiert wurden. Durch Verbesserungen in der Abbautechnik, konnte die Abbaukapazität erhöht werden. Ein Unglück beendete den Basaltabbau an der »Kappe Kaul« in Niederlützingen abrupt. Es war der 28. 12. 1928. Wegen der Jahreszeit begannen die Arbeiten erst um 8.00 Uhr. Wie jeden Tag, hatten sich die Arbeiter zum gemeinsamen Gebet in der Aufenthaltshütte versammelt. Während des Betens war plötzlich ein lautes Krachen und Brechen zu vernehmen. Die Arbeiter liefen nach draußen und sahen wie die Grube einstürzte und alles unter den Erdmassen begraben wurde, so die Gleise, die Wagen und das Werkzeug. Zum Glück waren zu diesem Zeitpunkt keine Menschen im Steinbruch. Die gesamte Fläche der Grube war meterhoch mit Lehm und Geröll bedeckt, sodaß an ein Beseitigen dieser Erdmassen nicht zu denken war. Daher wurde der Basaltsteinbruch, obwohl noch genügend Basalt zum Abbau vorhanden war, stillgelegt. Die etwa 30 Männer, die zum Zeitpunkt des Unglücks »an der Kapp« beschäftigt waren, wurden entlassen und mußten sich neue Arbeit suchen.

Heute befindet sich in diesem ehemaligen Steinbruch die Mülldeponie Brohl-Lützing. Einige Überreste erinnern allerdings noch daran, daß dort Basalt abgebaut wurde. Wenn man an der »Kapp« vorbei spaziert, kann man noch die Schutthügel erkennen, die in der Zwischenzeit natürlich mit Bäumen und Sträuchern bewachsen sind. Vom Sportplatz aus, sieht man noch die Mauern des Pulverhäuschens, das etwas abseits von den übrigen Gebäuden war und in dem das Sprengmaterial gelagert wurde.