Histörchen aus der Jugendzeit

Andreas Breuer

Der Provisor

Früher war es gang und gäbe vom Verwalter einer Apotheke als dem »Provisor« zu sprechen. Heute ist dieses Wort aus unserer Allgemeinsprache nahezu verschwunden. Von solch einem Provisor und einer vorwitzigen Jungfer ist hier die Rede:

In die »St.-Antonius-Apotheke«, damals hieß sie noch so, kommt »et Vugels-Kristhiehn«, schon eh und je, ein vorwitziges Jüngferchen.

Im Hausflur der Apotheke hängt ein Eichhornkästchen, dessen Trommel vom Tierchen in sausende Bewegung gesetzt wird. Et Kristiehn: »Bat eß dat doa daan?« Der Apotheker, der zeitlebens immer zu einem Spaß aufgelegt war, antwortet: »'ne junge Provisor, da Pille dräht!« Dabei sieht man deutlich, daß ihm der Schalk im Nacken sitzt.

Et Kristiehn atmet tief ein: »Jessemariajusepp, dat eß mer awwer e Dinge«.

Jahre sind vergangen, Kristiehn war ein flottes Mädchen geworden und auch dem Flirt nicht abhold. Da kam sie wieder in die Apotheke und trifft auf einen rothaarigen Provisor. »Kristiehn« glotzt ihn lange an, holt tiefen Atem und noch einen Atemzug und stößt hervor: »Jung, Ihr hatt Och awwe jemaach. Bie ech für e paar Joahr Och en dam Kaste doa jesehn hann, doa woart Ihr noch arch kläin«.

Quöötsche

Wo kennt man noch heute den Beruf des Feldhüters oder Flurschütz? Damals war er als »Hilfspolizist« eine Respektsperson für die Jugend ebenso wie für die Landstreicher und umherziehendes Volk.

Unser alter Feldhüter »da Schötzemechel« versah seinen Dienst sorgfältig und gut, nur mit dem Schreiben stand er auf Kriegsfuß. Eines Tages hatte er auf dem Lommersfeld den ältesten Sohn vom »Damenschmied« zur Anzeige gebracht, weil er »an den Birre (Birnen)« war. Dieser, vom Bürgermeister als der Ortspolizeibehörde verdonnert, erhob Einspruch beim Gericht, da er sich eines Birnendiebstahl nicht bewußt war. Der Amtsrichter fragte nun in der Verhandlung den Feldhüter, ob der Junge an den Birnen erwischt worden sei. »Dat net«, gab der Feldhüter zu, »awwer den Deuwel kann »Quöötsche« (Zwetschgen) schreiwe!«

Die Liebesprobe

Um die Zuneigung der Angebeteten zu prüfen, sind die Junggesellen zeitlebens bis auf den heutigen Tag nie verlegen gewesen. Und wenn man einmal sich einig war, ging man zur Eheschließung. Ganz anders verhielt sich damals der Junggeselle Zirbes, als er seine Zilla, so nannte er landesüblich seine Cäcilia, zum Standesamt führte. Ihm kamen wohl Bedenken, als sie die Stufen hinaufstiegen, die zum Standesamt führten. Denn im Flur hielt der Zirbes an und fragte: »Zillaa, haß Dau mech och jäähr?«. Worauf Zilla, ohne sich zu bedenken, antwortete: »Joa, Zirbes (Servatius), ech hann Dech jäähr«. Kaum gesagt, langte der Zirbes der Zilla eine kräftige Ohrfeige, daß es in dem Flur nur so widerhallte. Darauf fragte der Zirbes seine Braut zum zweiten Male: »Zilla, haß Dau mech noch jäähr?«, worauf die Zilla, ohne eine Miene zu verziehen, sagte: »Joa, Zirbes, ech hann Dech noch jäähr«. Damit hatte die Zilla ihr Liebesexamen glänzend bestanden, denn der Zirbes sagte darauf: »Alleweil jeläuwen ech, dat Dau mech jäähr haß un dat soll och dein irschte un letzte Urfeich jewäß sein«.

Der Zirbes und die Zilla schlössen den Bund fürs Leben und lebten glücklich und zufrieden, und niemals ist es dem Zirbes wieder eingefallen, noch einmal die Liebe seiner Zilla auf die Probe zu stellen.

»Em Troan« und in Öl

Den Freuden des Lebens war er nicht abgeneigt, der alte Ortsvorsteher, aber sein Sohn sollte etwas »Rechtes« werden. Der aber fühlte sich von den Musen geküßt und verbrachte seine Zeit in der Kunstakademie. Der Vater, als er davon erfuhr, gab klein bei und der Sohn besuchte also offiziell die »Kunstschule«. Um dem Vater eine Probe seines Könnens zu zeigen, malte er eines Tages ein Brustbild des Vaters in Öl. Als dieses nun in der »guten Stube« an der Wand prangte, zeigte es der glückliche Besitzer einem Freund mit den Worten: »Wie gefällt Dir das?« - Der Schauende sinnt, überlegt und gibt die Antwort: »Joa, em Troan (angeheitert) hann ech Dech att off, awwer en Oil noch käimol jesehn«. -Es war eine gute Zeit damals, als man noch über die kleinen Fehler des Nachbarn lachen konnte und sich nicht gleich spinnefeind war.

Zeichnungen: Deisel