Eine Reifferscheider »ehelige Heiratsverschreibung« aus dem Jahre 1744

Peter Weber

Die Eheschließung hatte zu allen Zeiten eine große Bedeutung für die unmittelbar Betroffenen und deren Verwandtschaft. Nicht umsonst erhielt die Feier der Eheschließung die Bezeichnung Hochzeit. Man sagt von den Heiratskandidaten, sie »machen« oder »haben Hochzeit«. Als Hochzeiten (hohe Zeiten) galten bis ins Mittelalter die kirchlichen Festtage Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Bevor Vereinbarungen im heutigen Sinne getroffen wurden, gab es viele Formen der Eheschließung. Vielgestaltiges Brauchtum rankte sich im Laufe der Zeit um dieses Ereignis. Einzelne Bräuche haben sich bis heute erhalten. Den meisten jedoch wurde durch geänderte Lebens-, Rechts- und Wirtschaftsverhältnisse der Boden entzogen. In den alten Rechtsbüchern, z. B. dem Sachsenspiegel, ist das eheliche Güterrecht der damaligen Zeit für den jeweiligen Geltungsbereich genau dargestellt. Dabei fehlen jedoch Angaben über schriftliche Verträge. Im Mittelalter hieß es aber auch: »Gedinge1) bricht Land-und Stadtrecht«. Gedinge war eine geläufige Bezeichnung für den Vertrag, vor allem für den Ehevertrag. Schriftliche Verträge und Vereinbarungen waren besonders im 17. und 18. Jahrhundert verbreitet. Sie dienten vor allem dem Schutz der Frau. Nach dem Landrecht unterstand nämlich nach der Eheschließung das gesamte Vermögen der Frau der Verfügungsgewalt des Mannes. Während sich die Partner mit dem mündlichen Vertrag dem lan-des- und ortsüblichen Güterrecht, also dem Gewohnheitsrecht unterwarfen, konnten sie sich mit dem schriftlichen Vertrag darüber hinwegsetzen. Der Ehevertrag wurde im Beisein des Brautpaares vor Zeugen abgeschlossen und von letzteren, falls sie des Schreibens kundig waren, eigenhändig unterzeichnet. Einen solchen Vertrag, eine »eheliche Heiratsverschreibung« (Original in Privatbesitz), schlössen am 15. Februar 1744 der eheliche Sohn Johannes Antonius der verstorbenen Eheleute Johann und Gertrud Schmahlen und die eheliche Tochter Agnes der Eheleute Michel und Anna Wirtz. Alle Beteiligten stammten aus Reifferscheid.

Der Inhalt dieser »Heiratsverschreibung« lautet:

»In Gottes nahmen amen Kund Und zu wissen sei allen und jeden, den-nen Von nöthen, wie daß Heuth Dato Unden gemelt zur Höchster Ehren gottes, pflanzung menschlichen geschlecht, auferbauung christ-catholischer Kirchen, bevor mit reifem rath bey-derseits Verwandtschaft Ein Eheliche Heyraths Verschreibung beschlossen worden, zwischen dem Ehr Und achtbaren Johan schmalen ger-truden seeliche Eheleuthen Ehelicher Sohn jo-es Antonius Von reifferscheid in einem als Hochzeiter (Bräutigam). Und dan deßen Ehr Und achtbahre Michelen wirtz Anna Eheleuthen Eheliche Dochter Agnes Von reifferscheid Hochzeiterin (Braut) am anderen Und bestehet in nachfoligen Puncten. Erstlich dan weilen der Hochzeiter joes Antonius schmahlen sein erbtheil ererb hat so ist sein Theil gleich dem Hilichsgut2) oder Hey-rathsgab zu brauchen, Und deswegen keins zu benehnen nöthig, weder an morgen gaben3), wieder an Früchten wieder an Vieh. Zweitens so gibt dan der Hochzeiterin ihre Vatter Und Mutter an morgengaben, Vieh, Und Früchten wie Volgt erstlich ihr ackerfeit als brach ein halben morgen auf bramerder Heiden Unter Theis Theisen, zweitens einen halben Morgen auf selgen rech Vor johan pitzen. Drittens einen halben Morgen in Zweyn stük-ken auf borbig Under joes honnerbach 1 ... Und auf burßbicher Dhele Vor an pfat ober bleßer wirtz 1 ... mit Korn besehet - - -, 4tens an Heuwaaks in dem Hömb: oben dem Müller Von müsch ein Kahr Heu, item ein Kühe, ein Tagschaf4), ein Malter Korn, ein Malter Haber, solte es aber ohne Verhoffen geschehen, daß eins von dem anderen durch die Hand göttes Von dieser Welt zu jener gezogen würde innerhalb einem Jahr, so setz der Hochzeiter Vor eine .. . gäbe der Hochzeiterin Zwantzig reißthaler erblich zu bekommen Und auch so Viel an fruchten, Viehe als er Von der Hochzeiterinen in der Zeit bekommen hat. Hergegen setzt die Hochzeiterin dem Hochzeiter auch wan sie innerhalb jahrs-Zeit solte mit Thot abgehn Zu einer . . . gab Zehn reißthaller. Also geschehen Und Verhandelt, Und an brau-ditigams selten seind Vor Zeugen berufen worden Nicolas schmahlen Und Nicolas pitzen, beyde Von reifferscheit, an brauts selten Joes Michel Hoffman, Soullanus in Kaldenreifferscheid, Und Michel Hoffman send Und gerichtscheffen, Und ihr Vatter Michel wirtz Und ihr Mutter, Und so Schreibens erfahren haben ihre nahmen mit eigener Hand underschrieben.

Signatum Reifferscheid d 15 February 1744.
Niclas schmahlen
Niclas pitzen

Joes Michael Hoffman, Soullanus zu Kaldenreifferscheid geschrieben Und underschrieben keinem zu nachtheil.
Michell hoffman
send Und gerichtscheffen«

Ammerkungen:

  1. dingen = einen Vertrag abschließen

  2. Hillich = altes rhein. Wort für eheliche Versprechung, Verlobung

  3. Im Frauenzimmerlexikon von 1715 heißt es: »Morgengabe ist ein ansehnliches Praesent, welches ein neuer Ehemann von Adel seiner Braut den anderen Hochzeits-Tag früh Morgens nach dem ersten Beyschlaf und beschlagener Decke statt eines Lohnes und einiger Ergötzlichkeit vor die verlorene Jungfernschaffl zu verehren pflegt.«

  4. Ein Tag Schafe faßte mehrere Schafe zusammen. Das waren je nach Ortschaft 5, G oder 7 Schafe. Diese Tage legte man zugrunde für die Berechnung der Abgaben an den Schafhirten und die Zahl der Tage, an denen der Schafhalter einen Hirten stellen mußte. (Vgl. Heimatjahrbuch 1985, S. 113/14).