»Kaiserlinden« in der Gemeinde Grafschaft

Ottmar Prothmann

Man muß heute nicht mehr eigens darauf hinweisen, welchen Wert alte Bäume für eine gesunde Umwelt und für die Gestaltung des Ortsbildes wie der freien Landschaft haben.

Für die Erhaltung eines Baumes kann aber auch, selbst bei geringem Alter, seine historische Bedeutung sprechen. Solche Bäume sind beispielsweise die »Kaiserlinden'«, welche im Jahre 1913 anläßlich des 25jährigen Regierungsjubiläums des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. gepflanzt wurden. Sie sind in den Dörfern der Grafschaft die letzten gegenständlichen Zeugnisse, die ausdrücklich an die Kaiserzeit erinnern, was aber im Bewußtsein der Bevölkerung längst untergegangen ist.

Über die Hintergründe, die zum Pflanzen der besagten "Kaiserlinden« führten, sind wir durch eine Akte im Gemeindearchiv Grafschaft genauestens informiert.1

Es war die Zeit des ausgehenden Kaisertums und ein Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Damals war die Anhänglichkeit an das Herrscherhaus auch in unseren Dörfern noch groß und diesbezügliche sowie nationale Feiertage wurden mit patriotischem Eifer begangen. Einschränkend muß jedoch gesagt werden, daß eine solche überschwengliche Begeisterung, wie sie aus dem untenstehenden Bericht des Bengener Lehrers spricht und wie sie auch andere Lehrer und der Bürgermeister immer wieder zu Papier brachten, von der Bevölkerung nicht geteilt wurde.

Soeben hatte man am 10. März 1913 den Gedenktag begangen, der an die vor hundert Jahren erfolgte Erhebung des deutschen Volkes gegen die französische Fremdherrschaft, die Stiftung des Eisernen Kreuzes und die Einrichtung der Landwehr erinnerte, als wenig später vom Regierungspräsidenten angeregt wurde, zur Feier der 25jährigen Regierung des Kaisers und Königs Wilhelm II. und zur Erinnerung an den gerade begangenen Gedenktag der hundertjährigen Wiederkehr der Befreiungskriege in den Städten und Landgemeinden Erinnerungsbäume zu pflanzen.

Der Landrat des Kreises Ahrweiler schrieb darauf am 20. März an die Bürgermeister des Kreises, zweckmäßigerweise würde dies am 16. Juni in feierlicher Weise geschehen müssen. In erster Linie würde hierbei an das Pflanzen von Stadt- oder Dorilinden zu denken sein, falls solche nicht schon vorhanden seien. Aber auch ganze Baumgruppen könnten an hervorragenden und vielbesuchten Punkten gepflanzt werden. Da der 16. Juni zum Pflanzen nicht geeignet sei, müsse man beizeiten Fürsorge treffen, indem man die Bäume noch im Frühjahr pflanzte und am 16. Juni den Pflanzakt nur symbolisch durchführte. Es bestünde auch die Möglichkeit, die betreffenden Bäume an diesem Tag zu pflanzen, dann aber mit Ballen. Bis zum 10. April verlangte der Landrat Nachricht. Am 25. März forderte der Bürgermeister alle Gemeindevorsteher auf, die Gemeinderäte zusammenzurufen und bis spätestens 4. April zu melden, welche Plätze zum Pflanzen der Linden geeignet wären. Darauf gingen folgende Antworten ein:

Gemeindevorsteher Hörn aus Bengen teilte mit, er könne keine Plätze angeben, da durch die Flurbereinigung ein neues Wegenetz geschaffen würde, dessen Bild sich noch gar nicht übersehen ließe. Daher wolle man bis zum Abschluß der Zusammenlegung warten. Auch aus Birresdorf ging keine positive Meldung ein, aber aus einem ganz anderen Grund. Dort war nämlich zur vorschriftsmäßig eingeladenen Gemeinderatssitzung nur ein Mitglied erschienen, weshalb kein Beschluß gefaßt werden konnte. Dagegen wollten die Eckendorfer eine Linde am alten Brunnen vor dem Pfarrhausgarten pflanzen.

Für Gelsdorf meldete Gemeindevorsteher Münch gleich drei Plätze: Am Ausgang des Dorfes in Richtung Meckenheim. den Platz zwischen Hauptstraße und Gasse (= Ecke Bonner Straße und Burgstraße) und im Oberdorf an der Kreuzstraße (= Ecke Dürener und Bonner Straße). Den letzten Platz hielt man für den geeignetsten, weil der Baum dort den Verkehr überhaupt nicht behinderte.

In der Gemeinde Holzweiler sollten zwei Linden auf dem Weg von Holzweiler nach Esch und zwei im Dorf Esch gesetzt werden. Genauere Ortsangaben wurden nicht gemacht. Das Dorf Kaienborn, damals noch zum hiesigen Verwaltungsbezirk gehörig, hatte am Spritzenhaus einen Platz für die Linde gefunden, Das Gebäude stand an der Einmündung der Holmichstraße in die Hilberather Straße.

Der Gemeinderat von Karweiler hatte an der Ostseite der Schule. Lantershofen auf dem Gemeindeplatz und Nierendorf auf dem Schulplatz Pflanzstellen für je eine Linde ausgewählt. Die Gemeinde Leimersdorf, die im Gegensatz zu Bengen ihre Flurbereinigung bereits durchgeführt hatte, wollte sogar drei Linden in der freien Flur zwischen Leimersdorf und Niederich pflanzen.

In Ringen war man sich noch nicht ganz einig geworden. Entweder sollte die Linde zwischen Schule und Bürgermeisteramt oder am Ausgang des Dorfes vor dem Ohlenhardschen Hause (heute Zörner. Paradiesstraße/Ecke Ahrtalstraße) zu stehen kommen.

Aus Vettelhoven schließlich berichtete Gemeindevorsteher de Weerth, daß am 1. April der Gemeinderat beschlossen habe, die Angelegenheit zurückzustellen, da nur sehr wenige Plätze in Frage kämen. In acht bis zehn Tagen wolle man noch einmal zusammenkommen.

Dazu war jedoch keine Zeit mehr. Der Bürgermeister meldete am 4. April nach Ahrweiler, daß 15 Linden gepflanzt werden sollten, also in Bengen, Birresdorf und Vettelhoven keine. Er bat um schnellste Lieferung. Außerdem sollten es nicht so starke Bäume sein. damit sie leichter anwüchsen. In den nächsten Tagen bestellte er dann noch drei weitere Bäume, und zwar für Vettelhoven. wo man sich doch noch entschlossen hatte, einen Baum für den Platz gegenüber der Schule, für Bölingen unterhalb der Kapelle und für Beller auf der »Spitze" oberhalb des Hauses der Witwe Kohlhaas. Kaum war die Meldepflicht verstrichen, wurde Bürgermeister Schubach unruhig, weil er glaubte, die Pflanzaktion könne nicht mehr durchgeführt werden. Er schrieb deshalb am 12. April an den Landrat, inzwischen sei das Jahr soweit fortgeschritten, daß er vorschlagen möchte, mit der Pflanzung bis zum Herbst zu warten. Die Säkularfeier (Hundertjahrfeier) könne dann ihren passenden Ausdruck finden. wenn sie sich an die Gedächtnisfeier der Schlacht bei Leipzig (18. Oktober) anlehne.

Doch die Aktion war schon angelaufen. Am 25. April trafen die von der Kreisverwaltung bezahlten Bäume in Ringen ein. Es waren 18 mittelgroße Sommerlinden, geliefert vom Forstkulturgeschäft der Gebrüder Hanses in Rinsecke (Sauerland). Bürgermeister Schubach verteilte sie augenblicklich durch Boten an die Dörfer und forderte zur sofortigen Pflanzung am vorgesehenen Platz auf. Wenn das nicht möglich wäre. sollten sie bis zur Verpflanzung im Herbst an anderer Stelle gepflanzt werden. Dem Gelsdorfer Gemeindevorsteher teilte er mit. daß auf dem vorgesehenen Platz zwischen Gasse und Hauptstraße aus verkehrstechnischen Gründen kein Baum gepflanzt werden dürfte. Für Ringen bestimmte er, entgegen dem Gemeinderatsbeschluß, den Platz vor dem Spritzenhaus. Das Gebäude stand hinter dem Rathaus und wurde 1984 abgebrochen. Über den weiteren Verlauf der Pflanzaktion liegen nur noch wenige Nachrichten vor. Am 29. April meldete Gemeindevorsteher Leenen von Kaienborn, daß die Linde vor dem Gemeindebrunnen neben dem Brandweiher gepflanzt worden sei. Der ehemals vorgesehene Platz am Spritzenhaus habe sich als untauglich erwiesen, weil der Baum dort auf felsigem Boden vertrocknet wäre.

In Vettelhoven beschloß der Gemeinderat am 1. Juni. daß am 22. Juni eine gemeinsame Feier mit Schule und Kriegerverein, bei gleichzeitiger Pflanzung bzw. Einweihung der Dorflinde, abgehalten werden solle. Um die Linde wolle man eine Bank bauen. Über den Verlauf der Feier berichtet der Lehrer in seiner Schulchronik wie folgt: "Zur Erinnerung an die ruhmvolle 25jährige Regierungszeit unseres erhabenen Herrschers fand am 16. Juni in der schön dekorierten Schulstube eine Feier statt. Hierzu waren die beiden Gutsherren mit ihren Familien erschienen sowie ein Mitglied des Schulvorstandes, Die Feier verlief in schönster Weise. Passende Gedichte und Lieder wechselten miteinander ab. Am 22. Juni, nachmittags, fand die Einweihung der auf dem Turnplatze gepflanzten Erinnerungslinde statt. Bei dieser Feier bildeten die Schulkinder den Bach entlang Spalier, an der anderen Seite die Gemeinderatsmitglieder mit ihren Damen, während nach der Straße hin drei Kriegervereine Spalier bildeten. Der Herr Gemeindevorsteher wies in der Festrede auf die Bedeutung der Linde hin und empfahl sie dem Schütze der Ortsbewohner.«

Aus Eckendort erfahren wir ebenfalls durch die Schulchronik, daß am 15. Juni das Regierungsjubiläum durch eine Schulfeier begangen wurde. »Zur Erhöhung der Festfreude wurden an die Kinder beim Schlüsse der Feier die üblichen Kaiserwecke verteilt.« Die Kaiserlinde pflanzte man allerdings erst im Herbst2 auf dem freien Platz vor der Wirtschart Dresen (= heute Graf-Otto-Straße 24).

Auch in Gelsdorf hielt der Lehrer das Ereignis in der Schulchronik fest: »Am 15. Juni fand eine Schulfeier aus Anlaß des 25jährigen Regierungsjubiläums unseres Kaisers statt. Die Gemeinde lieferte den Kindern zur Erhöhung der Festesfreude Kaiserwecke. Es wurde auch oben im Dorfe an der Kreuzstraße eine Kaiserlinde gepflanzt.«

Gefeiert wurde auch in Bengen, obwohl man dort wegen der noch nicht abgeschlossenen Flurbereinigung keinen Baum pflanzte. Wieder können wir die Schulchronik als Quelle heranziehen, in der Lehrer Laux den Ablauf der Festlichkeit folgendermaßen festhielt: »Die von hoher Behörde bestimmte Feier der glorreichen Regierung Seiner Majestät unsers allergnädigsten Kaisers und Königs Wilhelms II. wurde in der hiesigen Volksschule am 16. Juni 1913 wie folgt abgehalten. Sämtliche Schulkinder beteiligten sich morgens um 6 Uhr am feierlichen Gottesdienste. Darauf begaben wir uns zum festlich geschmückten Schulsaale, woselbst um 7 Uhr die öffentliche Feier des silbernen Jubiläums Seiner Majestät abgehalten wurde. Es hatten sich als Ehrengäste eingefunden der hochwürdige Herr Pastor, der Herr Ortsvorsteher, die Herren Schulvorstandsmitglieder und eine Abordnung des hiesigen Kriegervereins. Der Lehrer wies darauf hin, weshalb heute eine Feier angebracht und jedem Deutschen heilige Pflicht sei. Dann betonte er die drei Herrschertugenden, Liebe zu den Armen, Friedensliebe, Gottesfurcht. Mit dem Vortrag wechselten Deklamationen der Kinder, wovon besonders das kleine Festspiel »Gesandtschaft an den Kaiser« Erwähnung finden möge. Helle Begeisterung konnte man von den Gesichtern der Kinder lesen, zumal uns auch ein alter Veteran, Herr Jakob Höfer, obwohl gebrechlich, doch mit ordensgeschmückter Brust mit seinem Besuche beehrt hatte. Auch der Herr Ortsschulinspektor sprach herrliche Worte zu den Kindern und verteilte der Oberstufe eine kleine Festschrift. Herr Bürgermeister Schubach hatte in hochherziger Weise uns 12 Exemplare der Festschrift »Allweg gut Zollere« zur Verfügung gestellt, die den 11 Schülern und ihren Geschwistern überreicht wurden (1 Exemplar bleibt in der Schülerbibliothek). Auch dem Herrn Gemeinderat sei an dieser Stelle dafür gedankt, daß er uns, dem am Kaisergeburtstag üblichen Gebrauch gemäß, den Kindern einen Kaiserweck zu geben, auch an diesem Tage Kaiserbretzel genehmigte. Nach etwa 1 1/2stündiger schön verlaufener Feier begaben sich dann die Kinder freudestrahlend nach Hause. Möge dieser Tag dazu beigetragen haben, daß die Liebe zu Kaiser und Reich in den jugendlichen Herzen sich entflammen und daß sie bereit sein mögen, in der Freude wie im Leide und in Zeiten der Gefahr dem Vaterlande zu dienen und Opfer zu bringen. Das walte Gott!«

In Bengen wurde wie gesagt kein Baum gepflanzt, und deshalb ist die Behauptung mancher Dorfbewohner, wonach die beiden vor der Schule (Lindenstraße 11) stehenden Bäume Kaiserlinden seien, völlig falsch. Sie wurden vielmehr erst im März 1922 und 1926 anstelle von zwei morsch gewordenen Linden gepflanzt, die wahrscheinlich noch aus der Zeit stammten, als das dortige Steinkreuz mit der Jahreszahl 1731 errichtet wurde.3

Am 10. Juli 1913 meldete Bürgermeister Schu-bach dem Verband Rheinisch-Westfälischer Gemeinden in Köln, daß im Bezirk seiner Bürgermeisterei zur Erinnerung an das Jubiläum überall Erinnerungslinden gepflanzt worden seien.

Noch im selben Jahr wird die erste Beschädigung einer Linde gemeldet. In Nierendorf war im November ein Lastauto des Unternehmers Weißenfeld aus Erpel gegen den Baum gefahren, wobei der Stützpfahl abgebrochen wurde. Die Firma behob den Schaden.

Die »Kaiserlinden« heute

Damit enden die Nachrichten über die Erinnerungslinden. Was ist aus ihnen geworden? Stehen sie heute nach 75 Jahren noch in den Dörfern oder mußten sie Straßen- und Häuserbauten weichen? Ich bin dieser Frage nachgegangen und habe zusammen mit meinem Sohn Markus die noch vorhandenen Bäume aufgesucht und vermessen, allerdings nur mit einfachen Mitteln, so daß die Höhenangaben lediglich als Annäherungswerte anzusehen sind.

Eckendorf: Hier steht die Linde auf dem vorgesehenen Platz an der Graf-Otto-Straße/Ecke Scheidtstraße. Sie ist etwa 17 Meter hoch und hat einen Stammumfang von 1,90 m (gemessen in einem Meter Höhe). Auffallend sind die außergewöhnlich hoch über den Boden hinausragenden Wurzeln. Der Erhaltungszustand ist gut.

Gelsdorf: Im oben erwähnten Auszug aus der Schulchronik ist zwar nur von einer an der Kreuzstraße (= Kreuzung im Oberdorf) gepflanzten Linde die Rede — sie fehlt heute —, für Gelsdorf waren aber zwei Linden bestellt worden. Eine zweite Linde sollte am Ortsausgang nach Meckenheim gepflanzt werden, und dort steht tatsächlich heute ein solcher Baum auf dem Platz, wo die Eckendorfer Straße von der Bonner Straße abzweigt. Seine Höhe beträgt ungefähr 18 Meter und der Stammumfang 2,40 m. Die Linde ist halbrund von einer Sitzbank umgeben.

Von den zwei Linden, die auf dem Weg von Holzweiler nach Esch gepflanzt werden sollten. fehlt jede Spur. Vielleicht fanden sie einen besseren Standort. Manche Bewohner von Holzweiler erinnern sich noch an eine junge Linde auf der Einmündung der Pützstraße in die Vet-telhovener Straße, wo heute ein Kastanienbaum wächst. Nach der auf Fotos feststellbaren Größe könnte sie durchaus eine der Erinnerungslinden gewesen sein. Ein anderer an der Straße neben der Gastwirtschaft »Zur Linde« vorhandener Baum käme wegen seines Alters in Frage, muß aber ausgeschlossen werden, da er auf Privatgrund steht.

Auch in Esch ist keine sichere Spur der beiden für den Ortsbereich geplanten Linden auszumachen. Zwar stehen vor der Schule drei Linden (Stammumfang 1,15 m, 1,28 m, 1,83 m), welche die gesuchten sein könnten — in Holzweiler wäre dann nur eine gepflanzt worden —, aber mehr läßt sich bislang nicht sagen. Vielleicht hätte die alte verschollene Schulchronik einen Hinweis gegeben. Leider hat man die Bäume in der Höhe beschnitten, so daß sie heute alle drei nur eine etwa gleiche Höhe von sieben Metern haben.

In Kaienborn ist die Erinnerungslinde mit Sicherheit nicht mehr vorhanden, denn nach der Vollzugsmeldung des Gemeindevorstehers war sie vor dem Gemeindebrunnen neben dem Brandweiher gepflanzt worden. Dort aber findet sich heute an der Ecke von Brunnen- und Hilberather Straße nur noch die »Swistbach-quelle«. Auch der danebengelegene Brandweiher ist schon längst zugeschüttet worden.

Karweiler: Genau an der einst vorgesehenen Stelle auf dem Schulplatz östlich der Schule steht eine Linde, doch mag man kaum glauben. daß sie 1913 gepflanzt wurde. Sie ist lediglich 10 m hoch und hat einen Stammumfang von 1,30 m. Ihre kugelförmige, wohl durch Herausschneiden der Spitze entstandene Wuchsform ist ganz untypisch für eine Linde. Um den Stamm hat man im Halbkreis eine Bank gesetzt.

Auch die Linde in Lantershofen ist mit rund zehn Metern Höhe recht kümmerlich. Ihr Stammumfang beträgt 1,60 m, gemessen in anderthalb Meter Höhe, da der Stamm darunter durch viele Stammwülste verdickt ist. Das ist auch nicht verwunderlich, da sie äußerst ungünstig mitten auf einem geteerten Platz steht, der von der Graf-Blankard-Straße und der Straße Im Wickchen gebildet wird.

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Die »Kaiserlinden« in Gelsdorf (o.) und Eckendorf (u.) prägen heute das Straßenbild.

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In Leimersdorf sollten drei Linden zwischen Niederich und Leimersdorf gepflanzt werden, die auch alle drei an der Landstraße gegenüber der Tongrube vorzufinden sind. Darunter stehen ein Steinkreuz und ein sogenannter »Fußfall«, der aber erst später hierhin gesetzt wurde, Der erste Baum hat einen Stammumfang von 1,66 m, der zweite von 2,26 m und der dritte schließlich, der von diesen beiden und einer etwa zur selben Zeit gepflanzten Kastanie bis auf eine Lücke an der Nordseite eingeschlossen wird, ist nur 64 cm dick. Da er nicht genügend Licht bekommt, ist er ganz verkümmert, doch in der Höhe erreicht er fast seine beiden Konkurrenten, die mit etwa 18 Metern gleich hoch gewachsen sind.

Die Linde in Nierendorf steht wie vorgesehen auf dem Schulplatz. Sie ist ungefähr 15 Meter hoch und hat einen Stammumfang von zwei Metern. Leider schnürt die Teerdecke den Stamm völlig ein, und außerdem sind etliche Äste unfachmännisch abgeschnitten worden.

In Ringen sollte anfangs eine Linde an einem genau bezeichneten Punkt an der Ecke von Paradies- und Ahrtalstraße gepflanzt werden. Dort ist heute nur ein wohl später gepflanzter Kastanienbaum zu finden. Der Bürgermeister hatte dann unter Umgehung des Gemeinderatsbeschlusses einen Platz am Spritzenhäuschen bestimmt. Das hinter dem Rathaus gelegene Gebäude wurde im Jahre 1984 abgerissen. Nach Ausweis von Fotos stand dort in den letzten Jahrzehnten keine Linde. Ein schönes Exemplar eines solchen Baumes (Höhe ca. 24 m, Stammumfang 2,03 m) steht allerdings neben der Einfahrt zum Pfarrhaus an der Heppin-ger Straße. Ob dieser Baum die gesuchte »Kaiserlinde« ist oder ob er unabhängig von dieser Aktion nach dem 1912 erfolgten Neubau des Pfarrhauses dorthin gepflanzt wurde, ließ sich bislang nicht herausfinden. Im Nachbarort Beller ist die Linde an der vorgesehenen Stelle vor der Kapelle zu finden. Hier bilden Kleegarten-und Heppinger Straße einen spitz zulaufenden Platz, der zu einer kleinen Anlage gestaltet wurde, auf dem noch ein Buswartehäuschen, eine Telefonzelle und eine alte Wasserpumpe stehen. Der Baum mißt in der Höhe rund 16 Meter und im Stammumfang 1,55 m. Auch in Bölingen hatte man, wie auf alten Fotografien zu sehen ist, an der Kapelle eine Linde gepflanzt. Als dieses Bauwerk 1918 niedergelegt wurde, entstand ein freier Platz (Einmündung Elligstraße in die Rheinbacher Straße), auf dem der junge Baum jetzt ganz verloren stand und wohl bald als Verkehrshindernis angesehen und beseitigt wurde.

Die Linde in Vettelhoven steht gegenüber der Schule am Swistbach und bietet heute, genau wie die Linden in Esch, einen traurigen Anblick. Man hat sie wegen ihres Schattens, den sie auf das angrenzende Haus wart, kurzerhand gekappt. Inzwischen sind aus dem Stummel wieder kleine Äste gewachsen, so daß sie jetzt wieder eine Höhe von etwa acht Meter erreicht hat. Ihr Stammumfang ist mit 1.84 m für ihr Alter normal. Solche derart verstümmelten Bäume stehen leider in großer Zahl in unseren Dörfern, selbst in der Feldgemarkung an Kreuzen und Kapellen, an Stellen also, wo oft der Schatten niemanden beeinträchtigt. Abgesehen davon, daß diese verkrüppelten Bäume keineswegs einen schönen Anblick bieten, wird auch ihre Lebenszeit durch unsachgemäßes Beschneiden erheblich verkürzt.

Von ehemals 18 Linden haben immerhin acht, vielleicht sogar zehn die Zeiten überdauert. Mit ihren 75 Jahren zählen sie heute zu den ältesten Bäumen in unseren Dörfern, In manchen Städten, wo es Baumsatzungen gibt, wären diese Bäume mit einem Stammumfang von mehr als einem Meter geschützt und dürften nicht gefällt werden. Hoffen wir, daß sie uns auch ohne eine solche Satzung erhalten bleiben.

Anmerkungen

  1. Gemeindearchiv Gratschaft, AKte 2/3.
  2. Im Buch »Die Gemeinde Grafschaft in allen Bildern,. habe ich aul Seile 194 irrtümlich den 12. Juni 1912 als Pflanztag angegeben.
  3. Schulchronik Bengen unter den angegebenen Jahren.