Aus Kreis und Gemeinden Aktuelle Chronik

Jürgen Kempenich

Der"Landesvater" lernte den Ahrkreis kennen

"Landesvater" nennen sie ihn - und dieser Bezeichnung wurde Dr. Carl-Ludwig Wagner bei seinem ersten Besuch als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz im Kreis Ahrweiler auch gerecht. Denn ein Vater debattiert nicht nur in Dienstgesprächen mit Politikern, ein Vater sucht auch den Kontakt zu seiner Familie. Ein Vater muß sich aber auch die Sorgen und Nöte dieser Menschen anhören, selbst wenn er nicht immer spontanen Rat und Antwort weiß.

Der Ministerpräsident am 23. Oktober 1989 im Kreis Ahrweiler: Das war ein offizieller Antrittsbesuch des Landeschefs, und das war ein Kennenlernen von Menschen an Rhein, Ahr und in der Eifel: vom Himmel strahlte die Oktober-Sonne, aber auch die Schattenseiten im Ahrkreis wurden beleuchtet, kritische Fragen deutlich gestellt.

Landrat Joachim Weiler beispielsweise, als Chef der Kreisverwaltung gegenüber der Landesregierung besonders verantwortlich für die Bürger-Belange im Kreis Ahrweiler. packte die Gelegenheit beim Schöpf und wies den Ministerpräsidenten auf anstehende Probleme hin: auf den Abbau von Behördenstandorten im ländlichen Raum etwa - eine Intervention, die sich mit Blick auf den Erhalt des Kulturamts Adenau als erfolgreich erweisen sollte -. auf den Ausbau der Autobahn 1 oder auf die Verbesserung des kulturellen Angebots im Kreis. Auch das "teilweise Hineinregieren in kommunale Abläufe" solle unterbleiben. Konkret: Weiler gab gegenüber Wagner zu bedenken, daß Technokraten fernab vom Ort des Geschehens innerhalb weniger Stunden den neuesten Stand der Dinge festlegen und dadurch Projektplanungen vor Ort oft über den Haufen werfen.

Auch andere politische Mandatsträger im Kreis trugen dem Ministerpräsidenten ihre Anliegen vor. Bei einer Winzervesper in den Weinbergen hoch über dem Ahrtal begrüßte Wagner die acht hauptamtlichen Bürgermeister, Bundestagsabgeordneten Karl Deres, die Landtagsabgeordneten Wilhelm-Josef Sebastian und Gerhard Steffens sowie die Vertreter der vier Kreistagsfraktionen. Wasser- und Abwasserentsorgung zählte ebenso zu den Gesprächsthemen wie Wohnungsbauförderung, Industrialisierung, Öffentlicher Personennahverkehr und Flurbereinigung. Zudem machte Landrat Weiler auf die breite Palette der Strukturprobleme in den unterschiedlichen Gebieten des Kreises aufmerksam.

Die Rundreise des Landes-Chefs begann jedoch nicht auf den Ahrhöhen, sondern in der Rheinebene. In Brohl fiel der Startschuß für einen langen Tag, der erst zu nächtlicher Stunde im Übergangswohnheim Honerath enden sollte. Vom Brohler Bahnhof setzte sich der Vulkan-Express in Bewegung, mit mehr als 120 Gästen an Bord. Auch Regierungspräsident Dr. Theo Zwanziger hatte es sich nicht nehmen lassen, diesen Tag im Kreis Ahrweiler zu verbringen. In Burgbrohl und Niederzissen warteten die Bürgermeister und die Vertreter der Ortsvereine. Wagner hörte sich an. was Bürgern und Mandatsträgern auf dem Herzen lag: Eine Polizeistation müsse ins Brohltal, eine weiterführende Schule und eine Sporthalle. Auch der Kreismülldeponie-Standort wurde erwähnt. Der "MP" konnte nicht auf alle Fragen sofort Rede und Antwort stehen. Aber er versprach allen Gesprächspartnern, ihre Anliegen sorgfältig zu prüfen.

Nach einer Bürgersprechstunde per Telefon in der Kreisverwaltung endete die Tour zum Kennenlernen des Kreises mit einer Stippvisite in Honerath. Die Bewohner des dortigen Übergangswohnheims, überwiegend Polen und

Rußlanddeutsche, berichteten dem Landesvater aus Mainz von ihren ersten Erfahrungen in der neuen Heimat.

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Ministerpräsident Dr. Carl-Ludwig Wagner (Mitte) genoß beim Spaziergang über den Rotweinwanderweg die landschaftliche Schönheit des Kreises Ahrweiler. Kommunalpolitiker. Bauern- und Winzervertreter begleiteten ihn.