Neues Schrifttum über den Kreis Ahrweiler

Ausgewählte Neuerscheinungen und Besprechungen zusammengestellt von Jürgen Haffke

l. Ausgewählte Neuerscheinungen

Dieser seit dem Heimat-Jahrbuch 1985 sechste Literaturbericht stützt sich auf die Informationen verschiedener Gewährsleute aus den Städten und Gemeinden des Kreises Ahrweiler: Frau Fischer (Bad Neuenahr-Ahrweiler), Herr Görtz (Altenahr), Herr Haffke (Kreis Ahrweiler/Eifel). Herr Hommen (Bad Breisig), Herr Jeub (Brohltal), Herr Kürten (Remagen), Frau Menacher (Sinzig), Herr Prothmann (Grafschaft) und Frau Zimmer (Adenau). In der jedermann zugänglichen Bibliothek des Kreisarchivs Ahrweiler sind die meisten der aufgeführten Titel greifbar.

Kreis Ahrweiler/Eifel

Verbandsgemeinde Adenau

Verbandsgemeinde Altenahr

Verbandsgemeinde Bad Breisig

Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler

Verbandsgemeinde Brohltal

Gemeinde Grafschaft

Stadt Remagen

Stadt Sinzig

II. Besprechungen

Ulrich Heibach: Das Reichsgut Sinzig. (Böhlau-Verlag) Köln/Wien 1989. (Rheinisches Archiv Bd. 122)

Als 1983 das Sinziger Heimatbuch der Öffentlichkeit übergeben wurde, war es vor allem den beteiligten Autoren bewußt, wie viele Lücken im Wissen um die Geschichte unseres Heimatraums noch klaffen. Besonders deutlich spürte man diese Defizite im Verständnis der mittelalterlichen Vorgänge in Sinzig und seiner weiteren Umgebung. Daß Sinzig als "Barbarossastadt" eine gewisse Rolle in der Politik jener Zeit gespielt hat, ist zwar bekannt, aber es mangelte bis heute an einer gründlichen Studie, welche den Werdegang Sinzigs, seine Stellung gegenüber den Orten der Nachbarschaft und seinen Rang unter den rheinischen Städten aufzeigt. Ulrich Heibach hat mit seiner jetzt erschienenen Doktorarbeit "Das Reichsgut Sinzig" einen fundamentalen Beitrag nicht nur zur Sinziger. sondern des ganzen Kreisgebiets mittelalterlicher Geschichte geleistet.

Ausgehend von der Römerzeit schildert Heibach die Entwicklung und Ausprägung des im königlichen Besitz befindlichen Landstrichs vom Rhein bis zur Hohen Acht überlast 1300 Jahre. Seine Erkenntnisse gewinnt er aus der breit angelegten Auswertung aller zugänglichen Quellen: Archäologische Befunde. Urkunden aus zahlreichen Archiven und Quellensammlungen. wissenschaftliche überregionale und landeskundliche Literatur. Nicht nur der Text, sondern auch die Fußnoten erweisen sich als wahre Fundgrube für die Geschichte vieler Dörfer und Städte des Ahrkreises. Politische, Adels-, Wirtschafts-, Siedlungs-, Kirchen-, Verkehrs- und Forstgeschichte werden auf gelungene Weise verbunden in dem Anliegen, eine Vorstellung vom "Reichsgut Sinzig" zu verschiedenen Zeitpunkten während des Mit-telalters zu vermitteln. Heibach liefert gewissermaßen einen "roten Faden", der einen Weg durch die verwirrenden Einzelinformationen aus jenen Zeiten zeigt. Es werden z. B. die Beziehungen Remagens zu Sinzig, der Einfluß der Herren der Burg Hammerstein auf das Geschehen, die Rolle der Reichsburg Landskron. die Königsaufenthalte in Sinzig, die Bedeutung der Aachen-Sinzig-Frankfurter-Heerstraße, die Funktion der Waldgebiete um Kesseling und vieles andere mehr in ihrer Verflechtung dargestellt. was bisher in der lokalen Geschichtsschreibung nicht oder nur isoliert begriffen worden ist. Gerade durch die übergreifende Perspektive unterscheidet sich das Buch von den älteren Beiträgen zu diesem Thema.

Wer sich künftig mit irgendwelchen Fragen zum Mittelalter im Kreisgebiet ernsthaft befassen möchte, kann an Heibachs Standardwerk nicht vorbei! Zur Einordnung in die weitere Umgebung sei empfohlen: Franz-Josef Heyden: Der Mittelrhein im Mittelalter. (Mittelrheinverlag Koblenz 1988. (Kleine RZ Bücherei 6) Jürgen Haffke

Carl Bertram Hommen: Geliebte Heimat zwischen Laacher See und Goldener Meile. Neue Beiträge zur Geschichte des Brohltals und Breisiger Ländchens. Bad Breisig (Selbstverl.) 1989.

Seit 1979 liefert Carl Bertram Hommen jährlich einen Beitrag im Heimatjahrbuch Kreis Ahrwei-ler und ist daher vielen Lesern als Kenner der Brohler und Breisiger Umgebung vertraut. Mit seinem vierten Buch innerhalb der 1980er Jahre, das wiederum das Breisiger Ländchen und Brohltal zum Gegenstand hat, legt er sein bisher umfangreichstes Werk vor. Auf 190 Seiten bietet er ein breites Spektrum aus der regionalen Geschichte vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Nicht nur die Qualität seines Textes, der auf dem intensiven Studium einschlägiger Quellen vor allem aus dem Landeshauptarchiv Koblenz gründet, sondern auch die hervorragend ausgewählten und kommentierten Abbildungen machen die Lektüre zur Freude. Bedenkt man, daß Hommen nach "Die Grabmale von Burg Rheineck" (1983) und "St. Viktor, Oberbreisig" (1988) nun schon zum dritten Mal auch sein eigener Herausgeber ist, er also ebenfalls die Buchgestaltung und das finanziell nicht unerhebliche Risiko des Drucks selbst übernommen hat, steigtder Respekt vor seiner Leistung. Das Motiv seines Einsatzes spiegelt sich im Titel seinesjüngsten Werkes: "Geliebte Heimat". Aber es ist keine blinde Liebe! Triefende Sentimentalitäten, die mancher Autor seinen Lesern hinter einem solchen Titel zumuten würde, sucht man hier vergebens. Hommen zeigt Licht und Schatten, Erfolg und Versagen. Alltägliches und Außergewöhnliches wie schon in seinem "Das Breisiger Ländchen, mit Vinxtbach und Brohltal" (1985 bei J.P. Bachern. Köln), als dessen Folgeband der vorliegende zu verstehen ist.

52 neue Beiträge aus der Geschichte - mit einem Schwerpunkt im 19. Jahrhundert - folgen den 37 Kapiteln von 1985. Neben vielen anderen Aspekten fallen in allen Arbeiten Hommens zwei Themenkreise auf, denen er sich besonders nachhaltig widmet: Zum einen das Leben von Christen und Juden am Mittelrhein. zum ändern Wirtschaftsgeschichte. Hier leistet er Grundlegendes, das über die lokale Bedeutung weit hinaus weist und wesentlich zum Verständnis der Geschichte des Mittelrheingebietes beiträgt. Hommen schreibt keine geschlossene, chronologisch aufgebaute Geschichte seines Raumes, er entwirft Skizzen, die schlaglichtartig Typisches ihrer Zeit erkennen lassen. Seine Portraits von Domini-cus Zervas, dem "König über Tuff, Traß und Basalt" (1985), oder Peter Lang, dem Entdekker zahlreicher Mineral- und Thermalsprudel der Umgebung (1989), seine Schilderungen zu Papier-, Traß-, Mehl- und Ölmühlen, zum frühen Fremdenverkehr von Bad Tönnisstein und einem "Kurbad Heilbronn bei Brohl" usw. sind eindrucksvoll, seine Darstellungen zum Leben und Leiden der jüdischen Bevölkerung während mehrerer Jahrhunderte mustergültig. Insgesamt betrachtet läßt die Fülle seiner Artikel die Umrisse der örtlichen Geschichte erkennen. Darüber hinaus bilden aber die jetzige und die früheren Arbeiten Carl Bertram Hommens wesentliche Bausteine für eine noch zu schreibende Geschichte des Kreis- und Mittelrheingebietes.

Jürgen Haffke

Dietrich Höroldt (Hrsg.): Bonn als kurkölnische Haupt- und Residenzstadt 1597-1794 sowie ders. (Hrsg.): Bonn. Von einer französischen Bezirksstadt zur Bundeshauptstadt 1794-1989. Bonn 1989. (Geschichte der Stadt Bonn Bd. 3 und 4)

Aus Anlaß ihrer 2000-Jahr-Feier 1989 gibt die Stadt Bonn eine großangelegte vierbändige "Geschichte der Stadt Bonn" heraus, deren Bände 3 und 4 mit insgesamt fast 1.600 Seiten und über 800 Abbildungen jetzt vorliegen. Die vielfältigen Verflechtungen des Kreisgebietes mit dem benachbarten Bonn in Vergangenheit und Gegenwart erfordern natürlich die Beachtung des dortigen historischen Geschehens. Nur zu oft war das weitere Umland von kriegerischen Ereignissen betroffen, die eigentlich auf die Stadt zielten. Kulturelle, wirtschaftliche und soziale Einflüsse auf die Lebensverhältnisse in der Umgebung gingen und gehen bis heute von diesem Zentrum aus, auf das der größte Teil des Kreisgebietes orientiert ist. Über das derzeitige Stadtgebiet Bonns hinaus verdient also das Erscheinen der Teilbände besondere Aufmerksamkeit.

Nun liegt es nahe, daß der Schwerpunkt der Darstellungen auf Bonn im engeren Sinne und in den Grenzen von 1969 liegt. Aber diesen räumlichen Rahmen überschreiten die Autoren erfreulicherweise öfters, indem sie Vergleiche mit anderen Städten anstellen oder Beziehungen zum Hinterland aufzeigen. Insbesondere die Beiträge der ehemaligen Leiterin und des jetzigen Leiters des Stadtarchivs, Edith Ennen und Dietrich Höroldt, beeindrucken durch den Reichtum an Aspekten, unter denen sie lokale, regionale und nationale Fäden kunstvoll zu einer gut lesbaren Bonner Geschichte verweben. Mit Hilfe des Namen- und Sachweisers lassen sich leicht Hinweise auf die Städte und einige Dörfer unseres Kreisgebietes, die lange zum Kurfürstentum Köln gehörten, finden. Aber nicht darin liegt der eigentliche Wert dieses gewichtigen Werks auch für den geschichtsin-teressierten Leser im Kreis Ahrweiler. Vielmehr bekommt er hier eine Regionalgeschichte des Mittel- und Niederrheins, die von erwiesenen Fachleuten verfaßt worden ist. Die hauptberuflichen Archivare Bonns und ihre Mitarbeiter leisten da für manchen Landkreis der Umgebung, der sich die Einrichtung eines eigenen professionellen Archivs nicht leisten kann oder will, große Dienste. Sie bieten wertvolle Orientierungsmarken zur Einordnung der lokalen Ereignisse auch des Umlandes. Sie zeigen die große Bandbreite der Lebensverhältnisse vom kurfürstlichen Hof bis zur Armenfürsorge. Sie beleuchten den tiefgreifenden Wandel von der vor- zur postindustriellen Gesellschaft in unserem Raum. Sie arbeiten vielfältige Unterschiede zwischen Stadt und Land heraus. Es ist hier nicht der Platz, im Detail auf die einzelnen Beiträge der Autoren einzugehen. Positiv sei aber der Mut der Herausgeber vermerkt, die Darstellungen bis an die Gegenwart heranführen zu lassen. Bonns heutige Bedeutung nicht nur für den Kreis Ahrweiler wird vielleicht manchem erst klar, da es um den Verlust seiner Funktion als Bundeshauptstadt geht. Wer mehr über Bonns heutige Struktur und Umlandbedeutung erfahren will, sei auf den 1988 erschienenen Band "Bonn - Stadt und Umland", hrsg. von E. Mayer, K. Fehn u. P.W. Höllermann (Arbeiten zur rheinischen Landeskunde, Bd. 58) verwiesen.

Mit der Herausgabe ihrer Geschichte hat die Stadt Bonn auch ihrem weiteren Umland ein eindrucksvolles Jubiläumsgeschenk gemacht. Jürgen Haffke

Kreis Ahrweiler unter dem Hakenkreuz, Hrsg. Landkreis Ahrweiler. Bad Neuenahr-Ahrweiler 1989. (Kreis Ahrweiler - Studien zu Vergangenheit und Gegenwart. Bd 2)

Geschichte kann nicht "bewältigt" werden. Dieser Begriff hat sich inzwischen als unbrauchbar erwiesen. Ineffizient ist auch die Forderung, "Trauerarbeit" zu leisten im Hinblick auf die Untaten des NS-Regimes. Die Geschichte jener Zeit jedoch kann aufgearbeitet werden, und zwar praktisch durch eine den Werten der Demokratie und Völkerverständigung verpflichteten Politik und theoretisch durch objektive historische Vergegenwärtigung und kritische Wertung. Unter beiden Aspekten ist in der Bundesrepublik Deutschland viel getan worden, und dennoch ist immer noch einiges zu tun. Ein Schwerpunkt der Geschichtswissenschaft ist derzeit, den Nationalsozialismus als Volksbewegung aufzuarbeiten. Die Deutschen haben sich Hitler induziert, so Martin Broszat. Die Mehrheit des deutschen Volkes ist schuldig geworden, weil sie die Diktatur Hitlers blindlings ermöglicht hat. Um zu begreifen, wie das geschehen konnte, muß die Alltagsgeschichte der NS-Zeit aufgearbeitet werden. Das ist nur möglich in den Grenzen der überschaubaren Region.

Das vorliegende Buch über den Kreis "Ahrweiler unter dem Hakenkreuz" stellt einen beachtlichen Beitrag zur regionalgeschichtlichen Aufarbeitung der NS-Zeit dar. Seine Autoren (Leon-hardJanta, Michael Riemenschneider, Hubert Rieck) erschließen unter sozial-, ereignis- und personengeschichtlichen Aspekten indes nicht nur die Epoche von 1933-1945, sondern ziehen auch deren unmittelbare Vorgeschichte sowie politische Nachwirkung in die Untersuchung mit ein.

Leonhard Janta schreibt den Hauptteil des Buches. Der nationalsozialistischen "Machtergreifung" von 1933 stellt er die Beschreibung und Analyse der politischen und sozialen Verhältnisse seit dem 1. Weltkrieg voran. So macht er deutlich, daß der Nationalsozialismus nicht erst 1933 begann. Er hatte vielmehr seine Inkubationszeit in den Jahren der Weimarer Republik, die unter der Last des verlorenen Krieges nicht gedeihen konnte. Im heutigen Kreis Ahrweiler gab es keine "Goldenen zwanziger Jahre". Wirtschaftliche Not. ideelle Verunsicherung und daraus erwachsende politische Radikalisierung beherrschten in der Spätphase der Republik weithin den Alltag. Dennoch war die Bevölkerung dieser Region erstaunlich resistent gegenüber den nationalsozialistischen Agitationen und Parolen. Bei der entscheidenden Reichstagswahl am 5. März 1933 stimmten nur 24,1 % der Wähler im Kreis Ahrweiler für Hitler. Das war ein klares Nein zum Nationalsozialismus. Wenn es der Hitlerbewegung dennoch gelang, im Laufe des Jahres 1933 die breite Masse der Menschen auch in der Region Ahrweiler "gleichzuschalten", dann nur durch geschickte Propaganda, radikale Einschüchterung der Gegner und progressive sozial- und wirtschaftspolitische Maßnahmen. Die Kirchen, die 1933 glaubten, sich mit Hitler arrangieren zu können, trugen leider nicht wenig zum positiven Stimmungswandel in der Bevölkerung bei. Ihre Proteste kamen zu spät. Dennoch ist es dem NS-Staat zu keinem Zeitpunkt gelungen, das Kirchenvolk von der Amtskirche zu trennen und der Religion zu entfremden.

L. Janta entfaltet ein nach Teilbereichen differenziertes Gesamtbild der NS-Zeit im Kreis Ahrweiler. Wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen, Jugend und Schule, evangelische und katholische Kirche, Widerstand und Verfolgung, Mißhandlung und Deportation der Juden, Zwangssterilisation und Euthanasie, Militarisierung und Zweiter Weltkrieg werden in gesonderten Kapiteln dargestellt. Die lokalen und regionalen Gegebenheiten bindet der Verfasser jeweils in den umgreifenden Zusammenhang ein, so daß Regionalgeschichte als integrierter Teil von allgemeiner Geschichte begriffen und kritisch beurteilt werden kann. Im Rahmen des NS-Systems wird den Spuren des konkreten Menschen im überschaubaren Raum nachgegangen. Nur so läßt sich erklären, "wie es möglich war", warum und inwieweit der Nationalsozialismus als Regime und als Volksbewegung eine verhängnisvolle Verbindung eingegangen sind.

Von diesem Forschungsansatz aus leistet L. Janta mit seiner inhaltsreichen, brisante Themen nicht ausklammernden Darstellung einen bemerkenswerten Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Zeit.

Michael Riemenschneider ergänzt die Abhandlung Jantas mit einer Fallanalyse über die Auflösung der Schule des Calvarienberges in Ahrweiler, eines Instituts der Ursulinen. Auf dem Hintergrund der nationalsozialistischen Frauenideologie und-pädagogik weist er nach, daß diese traditionsreiche und bewährte Oberschule für Mädchen im NS-Staat keinen Platz mehr hatte und folglich 1940 aufgelöst wurde. Mit einem Beitrag über den "Neubeginn des politischen Lebens im Kreis Ahrweiler 1945-1947" rundet Hubert Rieck die Gesamtdarstellung ab. H. Rieck legt dar, daß die Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 nicht die "Stunde Null" der deutschen Geschichte war. Wenn auch die Sieger im Zonendeutschland jener Zeit das Sagen hatten und - zumindest im Westen - den Aufbau demokratischer Verhältnisse diktierten, so fehlte es jedoch nicht an Persönlichkeiten bis auf Kreisebene herunter, die aus freiem Entschluß für den Neubeginn nach demokratischen, sozial- und rechtsstaatlichen Grundsätzen eintraten. Das Dritte Reich war zerstört, aber die Erfahrung der Diktatur und ihrer Verbrechen war lebendig, und aus dieser Erfahrung zog der Wille zum Neubeginn aus Ruinen'in starkem Maße seine Kraft. Das weist H. Rieck treffend nach, wenn er die Neugründung der Parteien 1945/46 beschreibt, ihre Programme analysiert und ihre Aufbauarbeit bis zur rheinland-pfälzischen Landtagswahl 1947 würdigt. Die politische Aufarbeitung der NS-Zeit, das wird deutlich, hat bereits 1945 begonnen.

Dieses Buch ist für einen breiten Leserkreis geschrieben. Deshalb befleißigen sich die Autoren einer klaren, eingehenden Sprache und verbinden ausgewogen Quellentext, Darstellung und Interpretation. Die zahlreichen eingestreuten Fotos und Textdokumente veranschaulichen nicht nur die Darstellung, sondern sprechen auch als zeitgeschichtliche Dokumente ihre eigene Sprache. Gerade deshalb ist dieses Buch hervorragend für den Unterricht in Schulen geeignet.

Insgesamt ist den Autoren dieses Buches zu bestätigen, daß sie bei keineswegs günstiger Quellenlage mit wissenschaftlicher Akribie im Umgang mit Quellen und Literatur ein inhaltsreiches und ansprechendes Werk verfaßt haben, das zur Aufklärung über den verhängnisvollen Irrweg auch der Menschen im Kreis Ahrweiler zur Zeit der NS-Herrschaft beiträgt.

Prof. Dr. Erwin Schaaf

Thomas P. Becker: Konfessionalisierung in Kurköln - Untersuchungen zur Durchsetzung der katholischen Reform in den Dekanaten Ahrgau und Bonn anhand von Visitationsprotokollen 1583-1761 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn, Bd. 43), Bonn, Ed. Röhrscheid, 1989.

Mit der vorliegenden, von Ernst Schulin in Freiburg betreuten Dissertation hat Thomas Becker eine Arbeit verfaßt, die sich durch ihren anregenden, auch für den interessierten Laien gut lesbaren Schreibstil wohltuend von manchen historischen Dissertationen auch neueren Datums unterscheidet.

Die Studie untersucht das kirchliche Leben in den beiden zum Erzbistum Köln gehörenden Dekanaten Ahrgau und Bonn vornehmlich im 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Im Anschluß an das Konzil von Trient (1545-1563) bemühten sich auch die Kölner Kirchenfürsten in ihrer Erzdiözese um die katholische Reform, die vornehmlich als Reaktion auf die protestantische Reformation zu sehen ist. Dieser lang dauernde Prozeß, der sich im 16. und 17. Jahrhundert vollzog und in der Forschung als "Konfessionalisierung" bezeichnet wird, griff weit über das Kirchliche hinaus und umfaßte sehr weite Bereiche des gesellschaftlichen und politischen Lebens.

Hauptsächlich anhand der Quellengattung der Visitationsprotokolle, die die erzbischöflichen Generalvikare oder Landdechanten bei ihren Besuchen vor Ort während eingehender Befragung der Pfarrangehörigen erstellen ließen, gelingt es Becker, das Leben unserer Vorfahren im Ahrkreis überaus illustrativ nachzuzeichnen und die Möglichkeiten und Grenzen des Konfessionalisierungsprozesses im Bonn- und Ahrdekanat aufzuzeigen. Wir hören beispielsweise von im Konkubinat lebenden Pfarrern, von prügelnden Dorfschulmeistern, von Hebammen und Hexen, von der wirtschaftlichen und sozialen Nutzung der Friedhöfe, vom umfangreichen Prozessions- und Wallfahrtswesen, um nur einige Aspekte der facettenreichen Arbeit zu nennen, die uns mit der damaligen Alltagskultur vertraut macht. Die Schwierigkeiten einer kirchlichen Reform im ländlichen Rheinland wird besonders deutlich an den vergeblichen Versuchen der Eingrenzung von sinnenfreudigem Brauchtum: Karneval, Mailehen, Pfingstbräuche, Totenfeiern etc. Die Lektüre dieses Buchs ist für jeden kirchen-, sozial-, mentalitäts- und heimatgeschichtlich interessierten Leser und Forscher ein unbedingtes Muß. Dr. Wolfgang Bender

Thomas Schilp: Bad Breisig, Rheinischer Städteatlas, Lfg. IX, Nr. 48, Köln 1989.

Das Amt für Rheinische Landeskunde des Landschaftsverbandes Rheinland von Nordrhein-Westfalen gibt seit 1972 den "Rheinischen Städteatlas" heraus - ein großformatiges Nachschlagewerk, dessen Text, ergänzt durch einen Kartenteil, die geschichtliche Entwicklung von rd. 190 rheinischen Städten darstellen wird. Unter ihnen befinden sich auch fünfzehn Städte oder Stadtrechts-Orte des Landes Rheinland-Pfalz, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts und dem Untergang des Anden Regime zu Kurköln, zum Herzogtum Jülich oder zum Stift Essen gehörten. Nachdem 1982 bereits die Mappe Altenahr und 1985 Adenau publiziert wurden, sind 1990 die Arbeiten über Bad Breisig und Gelsdorf erschienen. Königsfeld wird ihnen als fünfte folgen.

Der Städte-Atlas ist eine wissenschaftliche Veröffentlichung im Rahmen eines Projektes, das seit zwei Jahrzehnten von verschiedenen europäischen Ländern bearbeitet wird. Grundidee ist die Publikation von historischen Stadtgrundrissen, die nach einheitlichen Kriterien erfolgt und von einem stadtgeschichtlichen Kommentar begleitet wird. Für die rheinischen Kommunen geben sie eine ausführliche Übersicht über die Anfänge ihres städtischen Lebens und über das Werden im Verlauf ihrer meist tausendjährigen Entwicklung. Den Mitarbeitern des Bonner Amtes für rheinische Landeskunde, die in. den vergangenen zwei Jahrzehnten bereits fünfzig Ausgaben bearbeiteten, ist es zu danken, daß mit diesem historisch-topographischen Nachschlagewerk die heutigen Landesgrenzen übersprungen und alte geschichtliche Zusammenhänge im Rheinland wieder ins Bewußtsein der heutigen Generationen zurückgerufen werden.

Unter den vier bisher für Städte im Kreis Ahr-weiler vorgelegten Ausgaben kommt der Mappe Bad Breisig eine besondere Bedeutung zu. Eine geschlossene Dokumentation der tausendjährigen Geschichte des Breisiger Ländchens und ihrer schriftlichen Überlieferung liegt bisher nicht vor. Es war deshalb eine längst überfällige Aufgabe, vor die sich das Amt für Landeskunde gestellt sah, diese Lücke zu schließen und die Erkenntnisse von Forschern der verschiedensten Disziplinen der Gegenwart und der vergangenen zwei Jahrhunderte zu einem möglichst lückenlosen Überblick zusammenzufassen.

Entsprechend dem Schema der Publikationen beginnt auch der Breisiger "Atlas" mit Themen der Siedlungsgeschichte, mit Daten zur Geographie und Verkehrslage, zur Topographie der Siedlung und ihrer Wirtschafts- und Sozialstruktur sowie zu den politischen und kirchlichen Fragen, die ja gerade im linksrheinischen Gebiet bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ungewöhnlich vielfältig waren. Ausführlich dokumentiert und kommentiert wird darin das Thema der Grund- und Landesherrschaft im Breisiger Ländchen, die mit der Urkunde über den Prekarievertrag des Erzbischofs Poppo von Trier aus dem Jahre 1041 über das Patro-nat der Viktor-Kirche in Oberbreisig für eine Witwe Gerbirch aus Hönningen erstmals urkundlich bezeugt ist. (Leider wird die im Landeshauptarchiv Koblenz vorhandene Originalurkunde - Best. 215, Nr. 1 - weder erwähnt noch gar abgedruckt.)

Der Bearbeiter der Mappe Bad Breisig, Dr. Thomas Schilp. Stadtarchivar in Dortmund, folgt in seiner Untersuchung den seit einem Jahrhundert überwiegenden Erkenntnissen der wissenschaftlichen Forschung, daß das Damenstift Essen den Besitz des Ländchens Breisig einer Schenkung seiner Äbtissin Mathilde von Schwaben, die das Stift von 971 bis 1011 leitete, zu verdanken hatte. Er lehnt deshalb die in Breisig lange hartnäckig vertretene Schenkung durch König Swentibold im Jahre 898 ab und nennt zu Recht die 1357 in der Goldenen Bulle Kaisers Karls IV erfolgte "Übertragung von Brismike in (das damals geläufige) Brisin-che eine interessierte Verwechslung - mithin keine Verschreibung". Was die Namensform für Breisig betrifft, so findet man von dem in der lateinischen Urkunde Poppos erwähnten Bri-siacum über dreißig Variationen: von etwa Bri-seche, Brysche, Brißge oven und nieden, Ländchen Breissach bis zu Niederbreisig, seit die alte "Samtgemeinde" nach der 1686 erfolgten Trennung der Siedlung am Rhein von Oberbreisig zerfiel, vor allem seit der 1746 erfolgten Bildung einer selbständigen Gemeinde Brohl.

Der Leser erfährt die schriftlichen Quellen über die geschichtlich entstandenen Rechte der Stifte St. Florin und Essen sowie des Klosters Maria Laach, über Gerichtsbarkeit, Verwaltung, Amtsträger, über Wappen und Siegel. Was Thematik und Umfang der Angaben betrifft, so lassen sie fast keinen Wunsch offen. Jedoch schon hier, stärker noch in der speziellen Behandlung der kirchlichen und kulturellen Fragen und der wirtschaftlichen Themen und Statistiken zeigt sich, daß die Beschränkung der Darstellung ausschließlich auf Niederbrei-sig, auf die im Verlauf der Geschichte nachgewachsene Siedlung am Rhein, die historische Sicht einengt. Zwar gesteht man zu, daß eine "Differenzierung zwischen der Gemeinde Nie-derbreisig und der des Ländchens bzw. auch von Oberbreisig nach den Quellen nicht möglich ist, da das Ländchen mit Niederbreisig, Oberbreisig, Gönnersdorf, Nieder- und Ober-lützingen, Brohl und der Hälfte von Tal-Rhein-eck von der landesherrschaftlichen Verwaltung als eine Einheit behandelt wurde".

Aber es werden Quellen, wenn opportun, dann als Stütze der Behauptung dargeboten, daß "mindest ab dem 13. Jahrhundert Niederbreisig die Vorortfunktion für das Ländchen" zugekommen sei, andere Quellen - vielleicht weil unbekannt - nicht beachtet. So wird der für das ganze Ländchen so wichtige Besitz der Abtei Marienstatt in Oberbreisig - und auch in Niederbreisig - völlig außer acht gelassen. Marien-stätter Akten und Urkunden hätten jedoch vor der apodiktischen Behauptung bewahren können, seit dem 13. Jahrhundert sei Niederbreisig als "Hauptort des kleinen Territoriums anzusehen, auch wenn auf den ersten Blick Oberbreisig aufgrund der mittelalterlichen Pfarrkirche" (die Kapelle in Niederbreisig war nur Filiale mit eingeschränkten Rechten) "zunächst ein gewisser Vorrang zugekommen sein mag". Aus Marienstätter Urkunden und Akten, die seit 1215 vorliegen, geht aber hervor, daß das Kloster umfangreichen Grundbesitz und in Oberbreisig einen bedeutenden Hof besaß, dessen Lasten und Einkünfte aus dem Kreis der Pächter um 1300 in einer Liste zusammengestellt wurden. 1356 fand ein Verkauf von Wiesengelände im Obrichtstal vor Girkin und Emmerich, beide "Beamte zu Oberbreisig" statt, wobei der Pleban Gerlach - der in Oberbreisig für den Inhaber der Pfarrei amtierende Geistliche - und Ritter Ludwig von Sonnenberg dem Verkaufsakt ihre Siegel anhefteten. Bei dem Pfarr-Siegel handelt es sich übrigens um das älteste bisher bekannte Breisiger Siegel mit Sankt Viktor im Siegelfeld, (siehe Abbildung auf Seite 83)

Weitgehend unbeachtet bleibt auch die Institution "Viktor-Pfarrei Breisig", deren Pfarrer von den beiden Stiften Essen und Florin seit 1311 alternierend präsentiert wurden. In der Hand der Äbtissinnen und des Koblenzer Dechanten stellten sie auch eine kirchenpolitische Macht dar, zumal diese durch die enge Zusammenarbeit von Kurtrier und Kurköln zum Wohl der Cisterzienser von Marienstatt noch verstärkt wurde.

Im Zusammenspiel mit ihren Schultheißen, die - wie etwa die Rheinecker Grafen - zunächst außerhalb des Ländchens residierten, unter den Grafen von Meurers aber bis zum 18. Jahrhundert sogar in Oberbreisig mit anderen Rittern und "Wepelingen" wohnten, wußte sich vor allem Essen trotz aller Schwächen seiner Stellung gegenüber den Jülich'schen Vögten zu behaupten.

Dem Pfarrer von Sankt Viktor unterstand bis 1786, als die Niederbreisiger Marienkirche zu einer selbständigen Pfarrei erhoben wurde, auch die dortige Kapelle mit dem als "Rektor" tätigen Vikar. Man ist überrascht, keine Erläuterung dieser Tatsache anhand der sehr instruktiven Karte von 1680 über die "Herrschaft Breysich" zu erhalten, die im Kartenteil enthalten ist. Denn in ihr wird die Abhängigkeit der Kapelle und der Einwohner des "Unterdorfs" sowie von Rheineck nördlich des Vinxtbachs anhand des hier verzeichneten "Kirchwegs" zur Viktorkirche und seinem Friedhof eindeutig sichtbar - auch für die Beerdigung von Toten auf dem Kirchhof im Oberdorf, wie der Transport eines Sarges durch Männer auf dem Arweg zeigt.

Zum Thema Kirche noch dieser Hinweis: Die jüngste Entwicklung der beiden seit 1786 getrennten Pfarrgemeinden wird im Städte-Atlas unkorrekt dargestellt, wenn es dort heißt, 1984 habe eine "Vereinigung (der Pfarrei Niederbreisig) mit der Pfarrei Oberbreisig" stattgefunden. Tatsächlich wurde damals dem erst kurz zuvor an die Viktor-Kirche berufenen Pastor auch die Niederbreisiger Marien-Pfarrei nach dem Verzicht des erkrankten dortigen Pfarrers übertragen und ihm seitens des Generalvikariats das Niederbreisiger Pfarrhaus als Wohnsitz zugewiesen Beide Pfarrgemeinden behielten jedoch ihre völlige Selbständigkeit, Der Kartenteil enthält elf Karten, Zeichnungen und Fotos. Neben der Karte Herrschaft Breysig von 1680 und dem bekannten Merian-Stich von 1647 vermitteln die übrigen Karten eine gewisse Dokumentation für die Veränderungen in der Topographie von Niederbreisig im  Verlauf der letzten 200 Jahre. Es sind dies Ausschnitte aus der Landesaufnahme der französischen Besatzung nach 1801, aus deutschen Karten von 1895 und 1983, der Grundriß von Niederbreisig nach der Urkarte von 1827 und die Grundkarte von 1983 sowie zwei Luftbilder von 1963 bzw. 1983.

Carl Bertram Hommen