»Und alle Kriegsleut mit gantzer gewaldt in die Schalckenbach kommen«

Kriegsereignisse in Schalkenbach im Jahre 1588/89

Dr. Peter Neu

»Krieg» - das war zu allen Zeiten für die Menschen eine Geißel Gottes. Was man in unserer modernen Welt mit Vernunft und Verstand zu beherrschen versucht, das wurde von unseren Vorfahren als Strafe und Gericht Gottes angesehen, ein Gericht, das man zum Teil selbst verschuldet hatte und das man daher wohl auch manchmal geduldig und stilleidend ertrug. Dazu bietet auch die engere Heimat manche interessante Quelle.

Am 26. Januar 1591 sandten acht Schalkenbacher Bauern einen Brief an Ritter Quad, dessen Untertanen sie waren. Quad lebte als kaiserlicher Lehnsträger auf Burg Landskron an der Ahr. Den Brief schickten Johann Kurth, Jacob Frein, Michael Peter, Gorgen Clas, Daunen Johann, Zervaß Groß, Crein und Schultheßges Johann. Wer von diesen des Lesens und Schreibens kundig war, ist nicht ersichtlich; vielleicht ließen die acht den Brief auch durch einen Pfarrer oder einen anderen Schriftkundigen abfassen. Was nun war ihr Anliegen?

Sie berichteten dem Ritter Quad, daß vor zwei Jahren, also an der Jahreswende 1588/89 das "spanische Kriegsvoick dieser Ortten gelegen«, und es sei damals nicht ratsam gewesen, Widerstand zu leisten, da die »wilde kriegsgesellen iren Mutwillen nach irem gefallen gebrauchen laissen«. Auch Ritter Quad habe damals, wie ihm sicher noch in Erinnerung sei, geraten, »keinen zanck oder zwiespaldt mitt dem Kriegsvoick« anzufangen, damit »anderem verderben nit aursach gegeben werdt«.

So scheinen die spanischen Soldaten die Untätigkeit und Geduld der Bauern auch weidlich ausgenutzt zu haben. Sie tauchten bald in diesem, bald in jenem Dorf des Königsfelder Landes auf und raubten und plünderten, wie es ihnen gefiel. Über einen solchen Einfall nach Schalkenbach berichtetdie Quelleweiter: »Demnach ergab sich, das die Spanische Jungen einen tag in der Schaickenbach gewesen, Hoe-ner, Brodt und andere notturft zuhoelen.« Anläßlich dieses »Besuches« aber scheint ein Schalkenbacher Bürger dann doch zur Selbsthilfe gegriffen zu haben. Sein Name wird mit Neliß angegeben: »Neliß sich mit den Jungen gezanckt, sie verjagt, inen Ire hoener, seck und pferd abgenommen, also das die Jungen nach Koenigsfeldt gelauffen, daselbst Iren Hern angezeigt, das sich also bald daruff erfolgt, ein solcher Aufrhur entstanden, das alle Kriegsleut mit gantzer gewaldt in die Schaickenbach kommen und sehen wollen, weher Iren Knechten und Jungen das Irige abgenommen hatt.« Als die Soldaten in Schalkenbach anlangten, waren sie »auff das eusserst ergrimmet«. Ihr ganzes Trachten war zunächst darauf gerichtet, den Bauern Neliß ausfindig zu machen, aber Neliß hatte es vorgezogen, sich aus dem Staub zu machen, er war unauffindbar. Im Ort scheinen sich die »spanischen Jungen« sehrwild benommen zu haben. Das führte dazu, daß sich nun zwei andere Schalkenbacher, ein gewisser Si-mon und sein Sohn Joist, den Soldaten entgegenstellten. Sie holten ihre Gewehre hervor und schössen auf die Soldaten. Zwar töteten sie niemanden, aber das Pferd eines Mannes wurde getroffen und stürzte. Jetzt erst recht war die Soldateska »zu groesserem zorn gereitzt, das ein jeder mit grosser gefhar entlauffen muessen, und das Kriegsfoick in solcher grimmigkeit hingangen, die Schaickenbach in den Brandt gestochen, damit ein grosser schadt erwachsen«.

Ganz Schalkenbach ging in Flammen auf, die Dorfbewohner konnten aus den nahen Wäldern mit Entsetzen feststellen, wie die Hütten ein Opfer der Flammen wurden. So klagten die Briefschreiber ihrem Ritter noch zwei Jahre später: »Das uns und unseren kindern zu ewigem verderben gereichet.« Später hätten die Soldaten, als man wieder mit ihnen in Kontakt getreten sei, sich dazu geäußert, daß sie »der aursachen halber, das man nach inen geschossen, das dorff Verbrandt; wan sie aber die thetter hetten, wollen sie den brandtnitgedain haben«. Nun aber war das Unglück geschehen, wohl kannte man im Ort die Täter, den Soldaten aber gab man ihre Namen nicht preis.

Auch wenn die Schalkenbacher die »Schützen« nicht an die Soldaten ausliefern wollten, schadlos wollten sie sich dennoch an ihren Mitbürgern halten. So klagten sie dem Ritter Quad, daß die Schuld an dem ganzen Unheil einzig und allein im Verhalten der drei Mitbürger Neliß, Simon und Joist zu suchen sei. Diese "mutwillige thetter« sollten nun, und das war die Bitte der Briefschreiber, »dahin gehalten werden, solchen verderblichen schaden nach Iren vermugen ufzurichten«. Schließlich solle der Ritter sie züchtigen lassen, damit sie »zu ander gelegenheit solchem verderben nit anregung zugeben« in Versuchung kämen.

Ob Ritter Quad dem Ansuchen der Bittsteller stattgab, geht aus den erhaltenen Akten nicht hervor. Für uns heute aber wird in erschreckender Weise etwas deutlich: Rechtsbewußtsein und Rechtsempfinden unserer Vorfahren vor 400 Jahren waren anders als bei uns. Diebstahl und Raub erduldete man stillschweigend, wenn Soldaten sich auf diese Weise ihren Lebensunterhalt zusammenrafften. Wer sich zur Wehr setzte, wer sein Hab und Gut verteidigte, konnte nicht unbedingt auf die Unterstützung der Nachbarn rechnen. Man scheint sich im voraus sehr genau überlegt zu haben, wann gemeinsamer Widerstand ratsam, wann er gefährlich und daher zu unterlassen war. Selbst Ritter Quad, der ja eigentlich zum Schütz seiner Bauern verpflichtet war, riet offenbar dazu, jedem Streit aus dem Wege zu gehen. So kam es halt, daß die Soldaten die genommenen Lebensmittel wie selbstverständlich als »ihr Eigentum« betrachteten.

Quelle

Landeshauptarchiv Koblenz Abtl. 53 C 25 Akte 3136 S. 67-69