»Kirmeskooche«

Mathilde Ley

In Heimersheim standen zu meiner Kinderzeit in den zwanziger und dreißiger Jahren noch Reste der alten Befestigungsmauer mit den 4 Toren nach Ost und West, Nord und Süd. Durch amerikanische Panzer wurden diese alten Gemäuer am Ende des Zweiten Weltkrieges leider abgerissen oder schwer beschädigt, denn die Panzer kamen beim Einmarsch nicht durch die zu kleinen Öffnungen.

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Heimersheimer Backes am wiederaufgebauten Westtor

Bis dahin wurde in dem jeweiligen Backes (Backhaus) in den Torresten das ganze Jahr über Brot gebacken und zu den Festtagen Kuchen. Im Herbst wurden dort auch die Pflaumen, Äpfel und Birnen auf großen »Holzhürtchen« (Holzrosten) getrocknet. Dies dauerte 1-2 Tage.

In den Backhäusern standen je 2 Steinbacköfen. Im Backraum befanden sich 2 »Mohlen«, längliche Kisten zur Teigbereitung. In einer Ecke der »Mohl« lag der »Deißen«, der Sauerteig. Zum Brotbacken wurde der »Deißen« mit Mehl und warmem Wasser zu einem Vorteig mit den Händen gerührt, etwas Mehl darüber gestreut und mit einem Kreuz bezeichnet. Nun konnte der Vorteig aufgehen. Bis zum fertigen Brotteig wurde alles gut durchgeknetet. Warmes Wasser, Salz und Mehl kamen wieder dazu, meistens bis zu 40/50 Pfund, was 15 bis 16 Brote ergab.

Sonntags ging Großvater ins »Backes«, um sich auf einer Wandtafel an einem bestimmten Tag zum Backen aufzuschreiben. Beheizt wurden die Backöfen am Backtag mit »Schanzen« (Reisigbündeln) und mit »Rewwe Ponge« (gebündeltes Rebholz, das im Frühjahr beim Rebschnitt anfiel).

Am Kirmessamstag wurden »ein Ofen« Brot und anschließend die »Taate« bebacken. Dazu brauchte man den Ofen nicht mehr viel zu heizen. Zum Aufgehen lagen auf großen Blechen die »Taate« auf den Ablagen über dem Backtisch: »Streukooche«, »Prumetaat«, »Appeltaat« und »Platz«.

Der Hefekuchen wurde nach dem Aufgehen mit einem lagen Holzschieber in den sauber mit einem nassen »Flabbes« ausgefegten Backofen hineingeschoben. Die Dampfschiebelöcher wurden etwas geöffnet, damit der Dampf abziehen konnte. Die fertig gebackenen »Taate« wurden schließlich mit dem Schieber aus dem Ofen herausgenommen und auf den Holztisch im Backraum gestellt. Nach dem Leeren des Ofens wurde gleich wieder mit Schanzen geheizt, und der nächste konnte seinen Kirmeskuchen abbacken. Über die fertig gebackenen Kuchen wurde ein großes Tuch - manchmal auch eine Schürze - gelegt, wenn er nach Hause getragen wurde.

An eine Episode im Zusammenhang mit dem Backen des Kirmeskuchen kann ich mich noch sehr gut erinnern. In meinem Elternhaus hatten wir einen langen Flur durch das Haus, der mit Steinplatten ausgelegt war. Auf den Steinboden wurden die »Hürtche« gestellt und die großen rechteckigen »Taate« zum Auskühlen draufge-schoben. Damit nichts passierte, wurde die Haustür abgeschlossen. Einmal hatte Mutter aber vergessen, die Tür zur Straße zu verschließen. Gleich an der Haustür lag der »Appeltaat«, dahinter der »Prumetaat« und es folgte der »Streukooche«. Plötzlich geht die Haustüre auf und mit schnellen kleinen Trippelschritten kommt Vaters Tante, »deTantJried«, zu Besuch. Mutter rennt aus der Küche und sieht aber schon das »Malör«. Ganz entgeistert ruft sie: »Och, Tant Jried, dou steis jo om Appeltaat«. Darauf antwortet die Tante, die nicht mehr gut sehen kann: »Jo, ech han ad jedaach, wat es dat esu letscheg«. Seit diesem »Malör« wurde nie mehr vergessen, die Türe nach dem Kuchenbacken straßenwärts abzuschließen.