Heile Welt und Nostalgie

Puppen im Kreis Ahrweiler

Mechtild StoIpmann-Blum

Geheimnisvoll und faszinierend ist die Welt der Puppen für Groß und Klein. Seit der Antike werden sie hergestellt, aus Holz, Stoff, Porzellan oder Kunststoff. Sie dienten kultischen oder magischen Zwecken, aber auch Spielzeugpuppen findet man bei fast allen Völkern. Zunächst stellten Puppen Erwachsene dar, die Baby-Puppe kommt erst Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Gesammelt wurden und werden sie wie vieles andere. So auch im Kreis Ahrweiler. Genannt seien hier stellvertretend Ursula Book in Sinzig, Maria Wassong und Anita Saal in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Sie haben in den letzten Jahren eine bunte Puppenwelt geschaffen. Im Alten Rathaus in Bad Breisig kann man bei Waldy und Karl Heinz Ringel kostbare alte Puppen und Puppenstuben in einem eigenen Puppen-Museum bestaunen.

Ursula Book findet Gefallen an bestimmten Puppen, die sie selbst herstellt. Sie haben allesamt fröhliche Gesichter; eine lustige Gesellschaft guckt einen an aus den Schränken oder inmitten der Möbel im hell gehaltenen Ausstellungsraum. Die Künstlerin will mit ihren Puppen eine heile Welt schaffen, nostalgischen Erinnerungen nachgehen.

Als Kind bekam sie eines Tages eine sogenannte „schöne Puppe". Zum Spielen zu schön. Wie gern hätte sie alles Mögliche mit ihr angestellt, aber sie traute sich nicht. Daher gab sie dieser ungeliebten Puppe einen ihrer Meinung nach häßlichen Namen, Olga. Nach vielen Jahren entdeckte sie diese damals verbannte Puppe wieder, ihr Interesse an alten Dingen war inzwischen erwacht und Olga wurde akzeptiert.

Bei anderen Leuten sah sie traumhaft schöne, teure Puppen. Ihre Schildkrötenpuppen hat sie weggeworfen. Barbiepuppen fand sie schrecklich. Aber die Liebe zu alten Puppen blieb. Also besuchte sie später ein Puppenseminar und schuf Puppen, dieihrgefielen. Das tut sie immer noch. Ihr liegt daran, fröhlich dreinschauende Geschöpfe zu machen, im Gegensatz zu denen von früher, die ihrer Meinung nach oft traurig aussahen, schmollend in einer Ecke sitzend, als wollten sie sagen: „Spiel doch mit mir."

Ursula Book macht die Köpfe für ihre Puppen selbst. Dazu benutzt sie Gipsformen, die von alten Puppen aus dem 19. Jahrhundert abgenommen wurden. Da hinein gibt sie die flüssige Porzellanmasse, wartet ein paar Minuten, gießt den Rest der Flüssigkeit wieder zurück, und fertig ist der Puppenkopf. Der wird getrocknet, mit Löchern versehen für Augen, Mund und Rumpf und dann in einem Spezialofen 7 bis 8 Stunden bei 1200 Grad gebrannt. Danach wird der Kopf abgeschliffen und bemalt: Wimpern, Lidschatten, Rouge. Für das Gesicht allein benötigt sie vier Stunden, der Malpinsel ist hauchdünn. Das gestaltete Gesicht kommt dann nochmals in den Brennofen. Die Bemalung des Puppengesichts ist, so die Künstlerin, ein wesentliches Kriterium beim Kauf einer Puppe. Die sorgfältig ausgewählten Augen befestigt sie mit Gips und Wachs. Die Ausgestaltung ihrer Puppenkinder ist ganz individuell. Die Perücke, aus Echthaar oder Mohair, wird genau abgestimmt auf die Gesichtszüge.

Bei der Arbeit kommen weitere Ideen, eine feste Ausgangsvorstellung gibt es nicht. Auch keine Imitationen. Das gleiche gilt für die Kleidung. Natürlich gibt es Vorbilder, wie etwa die berühmte .Hilda'. Wie beim Porzellan kennt man auch bei Puppen Markenzeichen.

Die alten Puppen, so Ursula Book, hatten Körper aus Holz oder Leder. Die gibt es heute auch noch, neben solchen aus Porzellan oder Stoff, und die kauft sie dann für ihre Puppen. Das Material für die Kleidung ist vielseitig: Stickereien, alte Spitzen, Seide, Bettlaken mit Jacquardmuster. Decken. Auf Flohmärkten findet sich vieles, Leute schenken ihr Reste vom Speicher und aus der Flickenkiste oder auch alte Kleider aus vergangenen Tagen.

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Nostalgie wie Moderne repräsentieren die Puppen von Frau Ursula Book

Für wen macht Ursula Book das alles? In erster Linie für Sammler, denn zum Spielen sind diese Geschöpfe zu wertvoll. Von einigen allerdings kann sie sich nicht trennen. Da gibt es so etwas wie eine persönliche Beziehung.

Auf Ausstellungen entdecken die Besucher gelegentlich Ähnlichkeiten zwischen den Puppen und ihren eigenen Kindern oder Enkeln. Zuweilen kommen auch Erinnerungen hoch an eigene Puppen aus der Kinderzeit. Also werden solche gekauft. Aber auch Kinder kommen und wollen ihre Wünsche verwirklichen. So wird gezielt diese oder jene Puppen erstanden.

Ausgestellt hat Ursula Book schon häufig, so zum Beispiel in der Kreissparkasse Köln, in der Remagener Rheinhalle, im Sinziger Zehnthof und im dortigen Rathaus, in Ahrweiler am Niedertor und im Rathaus der Stadt.

Maria Wassong aus Bad Neuenahrfand ebenfalls durch einen Kursus Freude am Puppenmachen. Zusammen mit Anita Saal leitet sie innerhalb der Katholischen Frauengemeinde von Sankt Laurentius in Ahrweiler eine Bastelgruppe, wobei jede Teilnehmerin ihre eigenen Ideen einbringt. Die Frauen machen ihre Puppen ausschließlich für den alljährlichen Adventsbasar. Der Erlös des Puppenbasars wird verwandt für soziale Zwecke, etwa Kinderheime im In- und Ausland. Als 1991 die ersten Puppen gleich Käufer fanden, war die Freude groß, und das gab Schwung für die weitere Arbeit.

Die Ahrweiler Puppen sind teils nostalgisch, teils zeitgemäß. So gibt es etwa Möhnen, Schwarze, Trachtenpärchen. Vom Baby bis zum kleinen Erwachsenen findet man alles. Außerdem können sich Interessenten besondere Puppen wünschen, zum Beispiel eine Bubikopfdame aus den zwanziger Jahren.

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Die Bastelgruppe der Pfarrei St. Laurentius Ahrweiler bei der Arbeit

Erworben werden die Puppen einerseits von jungen Frauen, nach vorheriger Bestellung, die gezielt für sich selber oder ihre Kinder kaufen. Aber auch ältere Frauen erstehen diese Puppen in Erinnerung an die eigene Kinderzeit. Daneben gibt es die Produktion auf Vorrat. Nicht nur Frauen sind Kunden der Ahrweiler Künstlerinnen, auch Männer interessieren sich für diese fröhlich bunten Geschöpfe, zuweilen staunend, daß diese wirklich selbst gemacht sind. Heutzutage spielen auch kleine Jungen mit Puppen, im Gegensatz zu früheren Zeiten. In der Ahrweiler Gruppe werden die Puppenköpfe nicht gegossen; Plastikgesichter werden gekauft, zu Köpfen erweitert, mitTrikotstoff überzogen und bemalt. Für die Körper wird Stoff zurechtgeschnitten, zusammengenäht und mit Watte ausgestopft. Perücken krönen schließlich das Kunstwerk. Die Ideen für Puppenkleider kommen meist spontan beim Arbeiten. Das Material: Stoffreste aus dem Geschäft oder der Flickenkiste. Zudem bieten Flohmärkte allerlei. Die Schuhe, passend zu Kleidung, erstellen die Damen in Handarbeit.

Maria Wassongs erste Puppe .Linda' wird niemals zum Verkauf angeboten werden. Die Künstlerin will sich nicht von ihrtrennen.Auch bei den anderen ist das Hergeben nicht ganz leicht, gesteht sie.

Anita Saal erzählt, sie habe als Kind lediglich Sägemehlpuppen gehabt. Dagegen besaß eine reiche Freundin ein kostbares Stück, ,Dorothea'. Inzwischen hat sie ebenfalls eine Dorothea erstellt und sich somit einen Kindertraum verwirklicht.

Puppenmuseum Bad Breisig

In Bad Breisig, im ,Alten Rathaus' von 1873, haben Waldy und Karl Heinz Ringel 1988 ein Puppen- und Spielzeugmuseum eingerichtet. Beim Gang durch das Erdgeschoß glaubt man sich in eine vergangene Welt zurückversetzt. Puppen von 1850 bis 1920 bevölkern die Räume. Alle bedeutenden Puppenfirmen aus Deutschland und Frankreich sind vertreten. Viele Kestnerpuppen gibt es da. Am bekanntesten ist wohl ,Hilda'. Die Puppen sind zu kleinen Gruppen arrangiert, etwa .Im Kurpark', .Hochzeit' oder .Am Brunnen'.

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Puppenmuseum Bad Breisig: Festgesellschaft (o.l.), Am Kamin (o.r.), Ausfahrt (u.l.) und Weihnachtliche Puppenstube (u.r.).

Vor mehr als zwanzig Jahren haben Waldy und Karl Heinz Ringel in Moers angefangen, Puppen zu sammeln und deren Geschichte studiert. Viel kam da zusammen im Lauf der Zeit. Die Freude am Sammeln wuchs, und schließlich wurde 1987 das ,Alte Rathaus' erworben und das Museum eingerichtet.

Auf Flohmärkten, Puppenbörsen und aus Privatbesitz erhalten die Ringels ihre Kostbarkeiten. Sie sammeln aus Freude, ohne einem Perfektionismus zu verfallen. Für sie hat Gefallen Vorrang vor Wert. Es tauchen immer wieder interessante Stücke auf, so ein Kinderwaschtisch aus der Zeit um 1900 oder ein Bauernhof, der fast hundert Jahre alt ist.

Die Besucher des Museums sind in der Hauptsache Erwachsene der reiferen Generation, Leute aus allen sozialen Schichten, die in Jugenderinnerungen schwelgen. Kinder, so berichten Waldy und Karl Heinz Ringel, sind kaum interessiert, weil für sie die Puppen und Puppenstuben kein Spielzeug bedeuten. Das Museum in Bad Breisig ist inzwischen in ganz Deutschland bekannt. Interessenten kommen mit fest umrissenen Vorstellungen oder Wünschen zu dieser Insel der Ruhe und Nostalgie. Und das wollten die Ringels erreichen: Den Menschen Freude machen.

Literatur

Meyers Großes Taschenlexikon (Mannheim, 1987)
Broschüre .Puppenmuseum Bad Breisig', darin: Aufsatz von Karl Heinz Ringet
Seyd, Diethild Marei, .Porzellan-Puppen' (Stuttgart, 1989)
Mündliche Auskünfte erteilten freundlicherweise Ursula Book, Sinzig
Maria Wassong. Bad Neuenahr-Ahrweiler
Anita Saal Bad Neuenahr-Ahrweiler
Waldy und Karl-Heinz Ringel. Bad Breisig