In der „Schmettjaß" zu Heimersheim

Erinnerungen an die frühere Hufschmiede

Mathilde Ley

„Hufbeschlag und Wagenbau", so stand es auf den Briefumschlägen unter dem kleinen Rundbild mit Amboß und hammerschwingendem Schmied.

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Mächtig stolz war ich damals, daß die Straße nach unserer Schmiede „Schmettjaß" genannt wurde. Eigentlich hieß sie Johannisstraße. Später erfuhr ich, dieser Name war eine Ableitung von „Schmittengasse".

Die Schmiede war schon lange Jahre in der Familie. Vater hatte sie 1920 von seinem Vater übernommen und dieser 1884 von seinem Schwiegervater. Da ich keinen Bruder hatte, mußte ich als Älteste immer mit dabei sein und helfen. Wir sollten „mit den Augen lernen", mit Wißbegier taten wir das auch. Nur einer Arbeit bin ich mit großer Angst aus dem Weg gegangen, dem Fliegenjagen. Wenn im Sommer ein Pferd beschlagen werden mußte oder ein loses Eisen hatte, wurde eines von uns Kindern zum Fliegenjagen und Werkzeuganreichen gerufen. Ja, das Fliegenjagen. Meistens schon morgens früh vor der Schule mußte ich das tun, denn an heißen Tagen war es wegen der vielen Fliegen, die sich auf das Tier setzten und es quälten, nicht möglich, den Pferden neue Schuhe anzupassen. Bei den Ochsen und Kühen war das nicht so schlimm, die hatten ein dickeres Fell. Sie spürten darum die Quälgeister nicht so und halfen sich mit dem Schwanz selbst. Große Angst hatte ich vor den unruhigen Pferden, da lief ich weg und versteckte mich. Meine Schwester Agnes machte es aber gerne, denn sie war viel mutiger als ich. Mit dem „Quast", das waren lange Pferdeschwanzhaare, die um einen Holzstiel mit Riemen zusammengebunden waren, wurden die Fliegen vom Pferd weggejagt, damit das Tier während dem Beschlagen ruhig stehen blieb. Vaterwollte auch mirden Mut beibringen, indem er mich ganz nahe an das Pferd drückte. Aber die Angst wurde immer größer, mein Ohr hatte sich schließlich so geschärft, daß ich schon mehrere Straßen weit hörte, ob ein Pferd mit losem Eisen in die „Schmettjaß" geführt wurde. Sobald ich das hörte, machte ich mich unsichtbar.

Brave und ruhige Pferde konnten an den Hinterbeinen gehalten und beschlagen werden. Weniger brave Pferde, auch Kühe, besonders aber Ochsen, die auf die Hinterklauen „Plätten", das sind flache Eisen, die das Hörn jeder Zehenklaue ganz bedecken müssen, bekommen sollten, wurden in den „Nutstall" geführt.

Manchmal bekamen ganz unruhige Tiere einen Sack über den Kopf, damit sie ruhig in das aus dicken Eichenbalken bestehende Gestell wie in einen Kanal hineingingen. Beim Kopf blieb der Besitzer oder Knecht stehen, um das Tier zu beruhigen. Ein Rundbalken vor der Brust des Tieres verhinderte das zu weite Durchgehen. Sofort wurde ein Riemengurt unter den Leib hinter den Vorderbeinen wie ein Tragegurt geschnallt und an den Seitenbalken befestigt. Mit einer Schlinge aus einem dicken Seil, die um den Hinterfuß oberhalb des Gelenkes gelegt wurde, zog man das Hinterbein hoch und band es fest an einen Rundbalken an, der quer in halber Höhe hinter das Tier geschoben wurde. So konnte ruhig am Fuß gearbeitet werden.

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Beim Pferdebeschlagen in der „Schmettjaß", 1935.

Bei diesen Arbeiten kniete Vater mit einem Knie auf einem alten Sack hinter dem Tier vor dem Nutstall. Meistens standen ein paar Bauern dabei, um sich Neuigkeiten zu erzählen, da hörte ich immer gut zu, besonders wenn der „Thelen" mit seinem Ochsen kam. Seine Frau, die Gritt, mußte immer mit dabei sein, um dem Ochsen den Kopf zu kraulen. Thelen stand an der Seite des Nutstalles und streichelte das Tier. Er litt mit dem Ochsen, es tat ihm selber weh, wenn er sah, wie Vater erbarmungslos den alten Huf mit dem Hufmesser wegschnitt. Das Hufmesser war ein Spezialmesser, leicht gekrümmt, an der Spitze einen stark gekrümmten Haken zum Auskratzen und Beschneiden.

So war es auch einmal als Vater hinter dem Ochsen kniete und den Fuß beschnitt. Ich hörte den Bauern zu und paßte nicht auf. Diese ahnten schon etwas und sahen, was kommen würde, schwiegen aber aus Spaß. Der Lehrjunge Michel war erst kurz bei uns, ersah es ebenfalls. Aber mit welchen Worten sollte er den Meister so schnell warnen, um die Gefahr abzuwenden. Also kam, was der Ochse nicht aufhalten konnte. Entgeistert rief nun Michel, „ Meister, Meister", aber da war es schon passiert. Die Bauern lachten, ich bekam es mit der Angst zu tun und lief weg. Vater holte nun den Sack, auf dem er kniete, legte ihn auf den grünen Hut, den er von dem Ochsen bekommen hatte, wischte das Gröbste weg, ohne ein Wort zu sagen, steckte danach den Kopf in die Regenwassertonne, wusch sich und arbeitete danach ruhig weiter.

Beim Beschlagen wurde der Eisenrohling an den Klauen angepaßt. An jeder „Plätte" wurde vorn eine Kappe und an den Seiten eine Lasche angeschmiedet. Das heiße Eisen wurde auf die Klauen aufgebrannt. Dabei wurde festgestellt, ob es paßte. Erst dann konnte es im kalten Wasser abgeschreckt und gehärtet werden. Nun wurde genagelt. Das mußte vorsichtig und gekonnt geschehen, mit Hufnägeln, die vierkantig von der Spitze bis zum Nagelkopf hin stärker wurden. Diese Nägel mußten an der Seite des Hufes an bestimmter Stelle herauskommen. Auf keinen Fall den „Strahl", den lebenden Huf, treffen. Die Spitze des Nagels wurde umgebogen, mit der Kneifzange abgeknipst. Ein weiterer Schlag auf den Nagel sorgte dafür, daß er glatt im Eisen versenktwar. Mit dem „Unterhau", einem fingerlangen Rundeisen mit einer kleinen löffelartigen Spitze, wurde die Restspitze aus dem Huf herausgeholt, zum Huf hin gebogen und der Fuß glatt geraspelt.

Die Pferde bekamen Hufeisen angepaßt. Die Hufeisenrohlinge ohne Stollen und Stütze hingen nach Größe und Stärke geordnet in Reihen an der Decke in der Schmiede. Diese wurden auf den Huf, linker oder rechter, Vorder- oder Hinterfuß, Sommer- oder Wintereisen, genau angepaßt. Nachdem die Stollen, das sind die umgebogenen Enden des Hufeisens, und die „Stüße", die Eisenstücke an der vorderen Rundung, geschmiedet waren, wurden sie aufgebrannt. Das heiße Hufeisen wurde mit einer Scherenklammeraus Eisen, die mit den Spitzen in die Nagellöcher des Hufeisens gesteckt war, gehalten. Stollen und Stüße sollten das Ausgleiten verhindern.

Nahe bei der Arbeit stand stets ein niedriger kleiner Tisch mit allen Spezialwerkzeugen, die zum Beschlag gebraucht und nach Bedarf angereicht wurden. Da lagen der Eisenhammer, der an der Spitze gespalten war, um Hufnägel herauszuziehen, eine Kneifzange zum Nägelabkneifen, Hufmesser, Raspel, Hauklinge, ein flaches Eisen, an einer Längsseite wie ein Messer, die andere Längsseite sehr stumpf. Diese Hauklinge wurde gemeinsam mit einem runden Holzhammer zum Abschlagen von altem Huf gebraucht.

Ein Unterhau war nötig, um die eingeschlagenen Nägel so tief wie möglich aus dem Hörn heraus zu holen und umzuschlagen. Mit der Raspel wurde dann der Fuß rundum glatt geraspelt, damit nur ja keine Verletzungen entstehen konnten. Nach dem Beschlagen wurden die Hufe mit schwarzem Huffett gebürstet. Dadurch wurde das Hörn gehärtet. Beim Probegehen wurde mit kritischem Blick festgestellt, ob das Pferd hinkte oder das Eisen drückte. Es durfte auf keinen Fall lahmen.

Meine Arbeit war es, sorgfältig Hörn und Raspelspäne für Mutters Blumenwasser aufzukehren. Ebenso kamen die alten Nägel in einen Behälter mit Wasser für die Hortensien, damit ihre Blüten die schöne blaue Farbe behielten.

Heute werden keine Pferde, Ochsen oder Kühe in der „Schmettjaß" mehr beschlagen. Es gibt sie nicht mehr die Ackerpferde, Zugochsen und Fahrkühe. Seit 1990 besteht auch die Schmiede nicht mehr. Kein Amboßklimpern ist zu hören, kein Maschinengeräusch. Die „Schmettjaß" in Heimersheim heißt jetzt nur noch „Johannisstraße".