Vor 50 Jahren fielen Bomben im oberen Brohltal

Schrecklicher Dreikönigstag 1945 für Kempenich

Manfred Becker/Hans Schmitz

Zur Vorgeschichte

Im Jahre 1944 flogen an klaren Tagen, an denen Luftangriffe der Alliierten auf deutsche Städte stattfanden, bis zu 1.000 Bomber über unsere Gegend. Bomben fielen immer wieder im gesamten Kreisgebiet, und es kam auch zu Flugzeugabstürzen. In Kempenich fielen am 1. März 1944 Bomben in der Leywiese, wobei eine Scheune in der Burgstraße beschädigt wurde. Dieser Luftangriff galt wohl dem Kempenicher Bahnhof. Zur Zeit der Kartoffelernte gingen im Oktober 1944 in der Struth Bomben nieder und töteten 12 Schafe. Beim Angriff am 23. Dezember 1944 wurden spät abends auf der oberen Beun die Wohnhäuser Matthias Weiler und Albert Gros völlig zerstört. Es waren vier Tote zu beklagen.

Bereits Anfang 1944 hatte die Bevölkerung aus Angst vor den Bombenangriffen einfache Erdbunker gegraben. Sie befanden sich u. a. in der Krypta der Pfarrkirche und seitlich zum Friedhof hin, im Hof des Josef Retterath im Frankenweg, im Bereich der Raiffeisenbank auf dem Burgberg, in der Sandkaul im Burgschafstall, auf der Beun unter dem Kleeberg (Standort heutiger Josefsbildstock), im Hinterdorf am Fuße des Leybergs, oberhalb des Stationenwegs im Hang des Kleeberg. Einige Bürger hatten sich zudem Hütten außerhalb der Ortslage gebaut, weil sie sich dort sicherer fühlten.

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Flugblatt, das über dem Kreis Ahrweiler abgeworfen wurde

Vermutliche Ursache des Luftangriffs am 6. Januar 1945.

Im Spätsommer bis Frühherbst 1944 waren Abschußbasen der V 1 bei Maria Laach stationiert. Tankfahrzeuge für die V 1 standen im Distrikt "Wollrath", nordwestlich von Kempenich. Daher war Kempenich den Alliierten bekannt als Nachschubstation. In Engeln war eine Funkstation installiert; ebenso im Bereich Woll-rath-Schöneberg, dem deutschen Luftwaffen-Übungsplatz. Weiter war Kempenich Endstation der Brohltal-Eisenbahn. Von hier aus, so vermuteten die Alliierten, würden Waffen und Munition zur Westfront gebracht. Die vorhin erwähnten Bomben in der Leywiese sind ein Beweis für diese Vermutung. Bereits Anfang Dezember 1944 griffen 4 Jagdbomber - es waren die gefürchteten Lightnings (Maschinen mit Doppelrumpf) - einen auf dem Bahnhof in Engeln haltenden Güterzug an. Als die Jabos zum Tiefflug ansetzten, flüchtete das Zugpersonal noch rechtzeitig unter den letzten Waggon. Einige Bomben verfehlten ihr Ziel nur knapp, während die Lokomotive von den Bordwaffen getroffen, aber glücklicherweise nur leicht beschädigt wurde.

Der Dreikönigstag 1945

Der Dreikönigstag 1945 wurde für Kempenich zum Schicksalstag, einem der schlimmsten Tage in der wechselvollen Geschichte des Dorfes und der näheren Umgebung. Es war ein ruhiger Wintertag; es war mäßig kalt und es lag eine dünne Schneedecke. Der Himmel war mit dichten Wolken verhangen. Bei einem solchen Werter befürchtete man keine Angriffe der feindlichen Flugzeuge.

In der Pfarrkirche St. Philippus und St. Jakobus in Kempenich war die Weihnachtskrippe um die drei Weisen, den Diener und das Kamel ergänzt worden. Es war für uns Kinder damals ein Erlebnis, die Krippe zu bewundern. So ging ich dann gegen 10.15 Uhr mit meinem 2 1/2jährigen Vetter Harald sowie mit Rudi Schmilz in die Kirche. Unsere Väter waren im Krieg und so beteten wir an der Krippe für eine glückliche Heimkehr. Wir hielten uns etwa 20 Minuten in der Kirche auf und gingen dann durchs Dorf. Rudi Schmilz ging heim. Harald und ich blieben in der Straße „Hinter der Mauer" stehen, da hier von Soldaten Erdkabel verlegt wurden.

Kurz vor 11 Uhr spielte mein kleiner Vetter verrückt. Er wollte unbedingt zu unserer Oma auf der unteren Beun, etwa 50 m entfernt von den Soldaten, denen wir zusahen. Er begann fürchterlich zu weinen, so daß uns die Soldaten nach Hause schickten, was uns wahrscheinlich das Leben gerettet hat. Denn kaum waren wir durch die Haustür, da krachte es furchtbar und die Bomben detonierten quer durch das Dorf. Unsere Oma stieß uns die Kellertreppe hinunter, um uns ein wenig Sicherheit zu geben. Es war genau 11.05 Uhr, als dies geschah. Die Kirchenuhr zeigte noch Jahre später diese Uhrzeit, die an die Schrecknisse des Dreikönigstages 1945 erinnern sollte. Der Bombenteppich erstreckte sich von der Erbheck aus über die Hardt, dann zum Frankenweg, über das nordwestliche bis östliche Dorf, entlang der Engelner Straße, über den Engelner Kopf, über das Dorf Engeln, heutiger Ortsteil von Kempenich, vorbei an der Fußhölle und Brenk.

Das Inferno dauerte nur Sekunden; dann war der schreckliche Spuk vorbei. Das Entsetzen für die Überlebenden war unbeschreiblich. Überall Trümmer und Tote, dazu viele Verschüttete, die teils mit bloßen Händen befreitwerden mußten. In den Ställen wurde das Vieh getötet, oder verschüttet. Die Schreie der verschütteten Tiere klingen mir heute noch im Ohr. Das Wehklagen der überlebenden Menschen war furchtbar und das Rufen der Eingeschlossenen klang entsetzlich. Sofort setzte die Arbeit zur Befreiung der Verschütteten und zur Bergung der Toten ein. Es waren nur Frauen, ältere Menschen und Kinder im Dort; alle wehrfähigen Männer waren an der Front.

Entsprechend mühselig war denn auch die Arbeit, die einige Tage dauern sollte. Im Frankenweg waren die Wohnhäuser Jakob Grones, Schmitt, Anna Windhäuser und Josef Adams zerstört in der Hardtstraße die Scheune des Landwirtes Hugo Gros, in der Oberdorfstraße das ehemalige Polizeihaus neben dem heutigen Fußweg zum Kindergarten, ein altes, damals unbewohntes Haus an der Ecke Oberdorfstraße - Hinter der Mauer. Das Wohnhaus Lenz, am Standort der heutigen Kirchentreppe zum Haupteingang der Kirche, war gänzlich verschwunden. Der Kirchturm war fast zur Hälfte unterhöhlt und es ist wie ein Wunder, daß der Turm nicht eingestürzt war.

Auch die Kirchenmauer, entlang der Marktstraße, war schwer beschädigt. In der Enggasse war das landwirtschaftliche Anwesen Adam Schlich völlig vernichtet, ebenso das Wohnhaus der Gebrüder Geulig. Im Hinterdorf waren nachstehende Häuser zerstört: Franz Nohles, Josef Schommers, Peter Bettendorf, Karl Schlich, Diezier, Meid und Nohles. Die Scheune Josef Adams und die Pfarrscheune wurden ebenfalls in Schutt gelegt. Kaspar Lentz im Hinderdort hatte ein Schwein geschlachtet, welches an der Leiter hing. Dieses flog ca. 80 m weit bis auf das Dach eines Holzschuppens in der Leygasse. Eine weitere Bombe beschädigte das ehemalige Kriegerdenkmal und die Friedhofskapelle. In Engeln wurden die Wohnhäuser Spitzley, Gros, Weber und Porz zerstört. Die Bahngleise der Brohltal-Bahn auf dem Bahndamm bei Fußhölle standen nach dem Angriff senkrecht gegen den Himmel. Auf dem Gelände der Kali-Chemie in Brenk richteten die Bomben Verwüstungen an. Auf dem Schulhof in Brenk sollte ein Hauptmann der Wehrmacht verdiente Soldaten für ihren Einsatz an der Normandie-Front auszeichnen. Die Soldaten waren gerade angetreten, als das unheilvolle Geräusch der Bomben und die Detonationen vernommen wurden. Die kampferfahrenen Soldaten flüchteten in die umstehenden Gebäude. Der Hauptmann suchte mit seinem Pferd Schutz in der Knabentoilette.

Später sagte er: „Wir saßen auf einem Pulverfaß. Wäre die Schule getroffen worden, stände in Brenk kein Gebäude mehr." Im Schulsaal lagerten über 10 Kisten mit Panzerfäusten; auch Tellerminen und sonstige Munition, genug an Sprengstoff, um das damalige Leben in Brenk vollständig auszulöschen.

Opfer des Bombenangriffs

Aus Kempenich waren folgende Toten zu beklagen: Aloys Lenz, Maria Geulig, Moritz Meid, Katharina Schmitt, Alwine Bell, Elisabeth Diez-ler, Martha Dahlen geb. Nohles, Josef Nohles, Anna Maria Nohles, Aloys Jakob Nohles, Mag-dalena Nohles geb. Grohs, Gertrud Nohles, Rosa Bettendorf, Walter Bettendorf, Rosa Neihs, Elisabeth Adams, Magdalena Lambrich, Agnes Neihs. In Engeln Brigitte Knieps und Edeltraud Spitzley, zwei Kleinkinder sowie zwei Soldaten.

Der Flüchtling Franz Pasnanski aus Köln fand beim Bombenangriff genauso den Tod, wie 8 Flüchtlinge aus Langsuhr an der luxemburgischen Grenze. Unter den Toten waren 7 Kinder. Insgesamt kamen in Kempenich 29 Menschen bei dem Bombenangriff ums Leben, ohne einige, die später im Krankenhaus gestorben sind. Von den Soldaten, die „Hinter der Mauer" Kabel verlegten, sind mindestens drei ums Leben gekommen; die Namen sind nicht mehr bekannt. Einschließlich der Soldaten, die getötet wurden und der Menschen, die später an den Folgen des Bombenangriffs gestorben sind, forderte dieser Angriff 42 Menschenleben. Es dauerte Jahrzehnte, bis die Wunden dieses fürchterlichen Infernos verheilt waren.