Tabakanbau an der Ahr vor rund 50 Jahren im Pützfeld

Friedrich Boerner

Wenn man mit der Bahn ahraufwärts Kreuzberg verlassen hat, weitet sich das bis dahin enge Tal zu einem weiten Rund. Rechts neben der Bahnstrecke liegt auf hohem Felsvorsprung die 1681 fertiggestellte Kapelle von Pützfeld, gestiftet von Dietrich v. Friemersdorf. Links am Fuß des zum Steinerberg hinaufziehenden Hanges liegt das Dorf Pützfeld auf einem Bergvorsprung; zu seinen Füßen in den Wiesen, kaum noch erkennbar, die Reste einer alten Burg. Zwischen Ort und Kapelle sieht man einen Gartenbaubetrieb, Ausgangszelle des vor 50 Jahren gestarteten Versuches den Anbau von Tabak an der Ahr einzuführen. Wer genau hinschaut, findet im Hang links vom Kapellchen noch die letzten Reste einstiger Terrassen. Wie kam es zu diesem Versuch? Als nach dem Kriege unzählige Menschen ohne Arbeit und Brot waren und Mangel an allen Lebensmitteln herrschte, faßten zwei Männer den Entschluß, im Ahrtal zur Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung und zum Nutzen der Bevölkerung einen Musterbetrieb aufzubauen. Es waren dies: Walter von Niesewand, der Mitinhaber des alten Gutes Pützfeld, und der bisherige Alleinpächter des Gutes, Hermann Noil, der auf einer Teilfläche bereits den Gartenbaubetrieb führte. Es war geplant:

1. durch Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte die Ernährung der Bevölkerung zu sichern

2. der Landwirtschaft im Ahrtal durch Förderung des Tabakanbaues Wege zu neuen Erwerbsquellen zu weisen und

3. durch Heilkräuteranbau und -Sammlung die heimische Heilmittelerzeugung zu sichern. Durch Anzeigen in den Tageszeitungen wurden Mitarbeiter für das als Kameradschaftsbetrieb geplante Unternehmen geworben. Ab August 1946 stellten sich dann neben den bereits beschäftigten einheimischen Arbeitskräften weitere Männer ein. Es handelte sich durchweg um ehemalige Berufssoldaten, noch nicht entnazifizierte frühere Beamte und Angestellte sowie sonstige nach dem Krieg entwurzelte Menschen, die versuchen wollten, sich durch persönlichen Einsatz eine neue Lebensgrundlage für ihre Familie zu schaffen ohne durch die damals weitgehende Tauschwirtschaft ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Unterbringung dieser Arbeitskräfte erfolgte zunächst im Hotel Eifler Hof in Brück. Es war jedoch geplant, später für jede Familie ein Häuschen zu bauen. Nur ein Ostzonenflüchtling traf gleich mit Frau und zwei Buben ein. Sie sollten vorläufig in einem Zelt übernachten. Als sich aber herausstellte, daß das „Zelt" nur aus behelfsmäßig imprägnierten Bettüchern bestand und in der bereits vorgeschrittenen Jahreszeit keinen ausreichenden Schutz bot, wurde für diese Familie zunächst eine Notunterkunft und dann eine Baracke mit zwei Räumen gebaut und zwar in dem kleinen Fichtenbestand unterhalb des Gasthauses Ahrbogen, dem sogenannten „sündigen Wäldchen". Zunächst wurden alle Arbeitskräfte bei der Ernte der Tabakblätter eingesetzt, denn der Tabak war die wichtigste Devise zum Aufbau des Unternehmens. Zu einer Zeit da jeder Gartenbesitzer einige Tabakpflanzen zwischen dem Gemüse im Garten stehen hatte und Gespräche über die zweckmäßigste Art der Verarbeitung überall dort geführt wurden, wo Männer zusammen kamen, konnte man für guten Tabak fast alles bekommen. Im Frühjahr 1947 wurden die Gebäude des ehemaligen Luftwaffenübungsplatztes Ahrbrück im früheren Denn angemietet. Hierher konnten nun behelfsmäßig sechs Familien in der Kfz-Halle, dem Kommandanturgebäude und der Kantine untergebracht werden. Die Betriebsschreinerei fand in der Kantine Platz und der Teeverarbeitungsbetrieb kam in der Kommandantur unter. Der Tee, der unter dem Namen Wavonni hergestellt wurde, fand guten Absatz. Die Aussaat des Tabaks war inzwischen im Treibhaus erfolgt. Je Morgen Pflanzfläche waren 10 000 Pflanzen erforderlich. Die kleinen Pflänzchen wurden zuerst in flache Kisten pikiert und später ein zweites mal in kleine Erdtöpfe. Diese Töpfchen wurden mit einer Maschine gefertigt und es war ein Wettkampf, wer die meisten Exemplare herstellen konnte. Da im Jahr 1948 eine Fläche von 3 ha mit Tabak bepflanzt wurde, waren hiertür 120 000 Setzlinge erforderlich. Nach der Pflanzung auf den vorbereiteten Flächen mußte laufend gehackt werden, um den Boden unkrautfrei zu halten und wenn nötig gewässert werden, denn der Sommer 1947 war heiß und trocken. Zur Pflanzung gelangten die verschiedensten Tabaksorten.

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Pützfeld: In der frühen Nachkriegszeit wurde dort Tabak angebaut.

Die Ernte begann im August mit den Sandblättern, denen nach fortschreitender Reifung die Ernte des Mittel-, Haupt- und Obergutes folgte, nachdem die Blütenstände geköpft worden waren. Die geernteten Blätter wurden auf Drähte aufgefädelt und zum Trocknen luftig aufgehängt: später in Kisten zusammengepackt und dann fermentiert. Hierfürwar ein spezieller Ofen entwickelt worden. Wenn der richtige Reifegrad erreicht war, konnte die Ware geschnitten, gemischt und mit verschiedenen Zutaten gesoßt werden. Wie man leicht ersehen kann, war das Verfahren sehr lohnaufwendig und nur in einer Zeit durchführbar, in der genügend billige Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Der Stundenlohn betrug 0,60 RM, zusätzlich 1 g Tabak. Die Nachfrage nach dem Tabak war sehr groß und für ihn konnten - meist auf dem Tauschweg - die benötigten Materialien beschafft werden. Dann kam im Juni 1948 die Währungsreform, die Schaufenster füllten sich schlagartig und man konnte wieder fast alles für Geld kaufen, auch Tabak. Damit verlor dieser als Tauschobjekt seinen Wert und die Herstellung wurde zu teuer. Bei der lohnintensiven Arbeit mußte der Betrieb verkleinert und auf familieneigene Kräfte beschränkt werden. Am 15. 7. 48 wurde den meisten Mitarbeitern gekündigt. Der Tabakanbau verschwand aus dem Ahrtal. Der Versuch, die Nachkriegsschwierigkeiten der Menschen durch sinnvolle Arbeit zu mindern, war gescheitert. Die meisten auswärtigen Arbeitskräfte zogen fort, nur einer baute für einige Jahren eine Nutriazucht in Watzel auf, und die Teeherstellung ging unter anderem Namen noch einige Jahre weiter. Heute ist nur noch die einstige Keimzelle des Unternehmens, der Gartenbaubetrieb, vorhanden.