Was die alte Staffeler Mühle erzählt

Rudolf Leisen

An der Straße, die von Ahrbrück über Kesseling und Staffel nach Niederheckenbach führt, dort wo der Blasweiler- und Heckenbach sich vereinen, liegt die Staffeler Mühle. Hier sind wir am Tor zum „Heckenbacher Ländchen", das Ernst Thrasolt in einem Vierzeiler so treffend beschrieben hat:

Zwischen den Bergen fand sich noch Raum
für Häuser und steinige Felder
unten ein schmaler Wiesensaum
drüben Wälder und Wälder

Nur wenige werden sich Gedanken darüber machen, was es mit der Bezeichnung „Staffeler Mühle" auf sich hat. Hier, wo noch bis Ende 1960 Getreide gemahlen wurde, dreht sich heute kein Mühlrad mehr, lediglich einige Mühlsteine, die im Hof aufgestellt sind, erinnern noch daran, daß hier einst eine Mühle war.

Die Staffeler Mühle, früher auch „Schautenmühle" genannt, wurde in den Jahren 1734/35 erbaut. Damals konnten die Dorfbewohner nicht zu einer beliebigen Mühle fahren, sondern sie mußten die vom Grundherrn vorgeschriebene Mühle benutzen. Im März 1745 wurde den Einwohnern von Staffel verboten, auf der Königsfelder Mühle im Kirchspiel Heckenbach mahlen zu lassen. Dies dürfte ein Hinweis dafür sein, daß die Mühle in Betrieb war.^

Frühe Siedlungsspuren

Ob es sich hierbei jedoch um die erste Mühle handelt, muß schon wegen der älteren Siedlungsspuren bezweifelt werden. Bei den Baggerarbeiten für die Anlage von Fischteichen hat Franz Rudolf Ley 1973 auf diesem Grundstück eine Urne und ein römisches Brandgrab entdeckt.

Beim Einebnen des Stauweihers etwa 50 Meter südlich der Mühle sind zudem 60 bis 80 cm breite Grundmauern eines früheren Gebäudes freigelegtworden.2) In einer Tiefe von ca. 1.50m wurden zudem Tonschüsseln, ein kleiner Tonkrug und verschiedenartige Bruchstücke aus Terra sigillata geborgen, die vom Amt für Vor-und Frühgeschichte in Koblenz einer römischen Siedlung zugeordnet wurden.3)

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Die Staffeler Mühle oder "Schauten-Mühle" 1925

Hier klapperte das Mühlrad womöglich schon in fränkischer und karolingischer Zeit, als es in diesem Tal noch keine Verkehrswege gab. Eine Straße von Staffel nach Heckenbach, mit der auch die Staffeler Mühle für größere Fuhrwerke erschlossen wurde, ist erst 1851/52 ausgebaut worden. Bis dahin konnte der Weg an einigen Stellen „nur unter großer Gefahr" passiert werden.4) Die älteste topographische Karte die uns zur Verfügung steht, ist die Tranchotkarte 120 (Kesseling), in der die alten Mühlen, u. a. auch die „Schauten Mühle" eingetragen sind.

Die Mühle und ihre Besitzer

Es war nicht möglich, den Namen vom Erbauer der Staffeler Mühle zu ermitteln. Auch die Bedeutung des Namen „Schaut", dem Namensgeberder Mühle und eines naheliegenden Flurnamens, war nicht eindeutig festzustellen.

Die Mühle hatte - wie alle anderen Mühlen im Tal - nur einen Mahlgang und wurde von einem oberschlächtigen Wasserrad angetrieben, was den Vorteil hatte, daß nur etwa der sechste Teil des Wassers wie bei einer unterschlächtigen Mühle erforderlich war.

Über mehrere Generationen war die Familie Koll Besitzer der Mühle, deren letzter Eigentümer und Betreiber der Mühle, Michel Koll, 1881 an Lungenentzündung erkrankte und starb. Matthias Müller aus Schalkenbach und seine Frau kauften die verwaiste Mühle 1890 für 600 Thaier und führten den Betrieb als Öl- und Mahlmühle weiter.5) Das Ehepaar Müller hatte 6 Kinder, wovon die Tochter Anna 1919 ins Kloster eintrat und Ordensfrau wurde. Ihre Schwester Maria heiratete Peter Seifert aus Staffel. Diese führten den Mühlenbetrieb bis 1928 unverändert als Öl- und Mahlmühle weiter. Ab dem Jahre 1929, als verschiedene Veränderungen an der Mühle vorgenommen und ein neues Triebwerk eingebaut war, wurde nur noch Getreide gemahlen.6)

Erinnerungen an die Mühle

Am 20. Dezember 1992 hatte ich Schwester Lamberta - wie ihr Ordensname war - auf dem Calvarienberg in Ahrweiler besucht. Bei der Gelegenheit erzählte sie noch aus ihrer Jugendzeit. Sie erinnerte sich trotz des hohen Alters noch erstaundlich gut an Einzelheiten, welche ich auf Tonband aufzeichnen durfte.

Die Bewohner der umliegenden Dörfer - so berichtete sie - brachten ihr Mahlgut selbst zur Mühle und holten es später je nach Auftrag, als Mehl, Kleie und Schrot, wieder ab. Nach dem Tode ihrer Eltern - die Mutter starb 1906 und der Vater 1911 - hatten die Kinder den Mühlenbetrieb noch notdürftig aufrecht erhalten. Im Sommer konnte oft wegen Wassermangel nur bis zu zwei Stunden gemahlen werden, dann mußte erst wieder in dem oberhalb gelegenen Stauweiher Wasser angestaut werden. Schwester Lamberta schilderte noch eine Begebenheit aus ihrer Zeit als Müllerin im ersten Weltkrieg 1914-18, als die Mühlen sehr strenge Auflagen hatten und ständig kontrolliert wurden. So hatten sie bei einer Kontrolle 60 Pfund Gerste nicht im Mühlenbuch eingetragen, was zur Folge hatte, daß die Mühle polizeilich geschlossen wurde. Da nun die Eltern früh gestorben und der einzige Bruder 1915 an der Front gefallen war, wurde die Sperre auf Antrag wieder aufgehoben. Oft hätten sie aus Angst vor diesen Kontrollen sogar Getreide in den naheliegenden Wald gebracht und dort versteckt. Hier sei noch vermerkt, daß Schwester Lamberta am 22. März 1993 nach 71 Jahren als Ordensfrau im gesegneten Alter von 98 Jahren im Kloster Calvarienberg verstorben ist.

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Zustand der ehemaligen Mühle 1993

Luftwaffenübungsplatz

Wegen der Errichtung des Luftwaffenübungsplatzes Brück, mußten die umliegenden Dörfer 1938/39 von der Bevölkerung geräumt werden. Schweren Herzens haben die Bewohner ihre Heimat verlassen und ließen zurück, was ihnen den Lebensinhalt gegeben hatte, wo sie ihre Kindheit und Jugend verlebt hatten und glücklich waren.7) Zivilisten hatten nur noch beschränkt Zugang in das Übungsgebiet. Oberhalb der Staffeler Mühle befand sich einer der mit einem Schlagbaum gesicherten und von Posten bewachten Zugänge zum Luftwaffenübungsplatz. Dieser Schlagbaum wurde bei Schießübungen geschlossen.8)

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Michael Ley mit seiner Schafherde, 1976

Mit der Anlage des Luftwaffenübungsplatzes war auch das Schicksal der Staffeler Mühle besiegelt. Anstelle der Menschen, die hierwohnten, die hier verwurzelt waren, die dieses Land seit Generationen „Heimat" nannten, kamen Soldaten, Fremde, die keine Beziehung zu dieser schönen Landschaft hatten, um Waffen zu erproben. Obschon Staffel selbst von der Räumung nicht betroffen war, mußte der Mahlbetrieb gänzlich eingestellt werden, da der Müller von dem Ertrag aus seiner Mühle nicht mehr leben konnte und auch keine Aussichten auf Besserung der Lage bestanden. Aus diesem Grunde verkaufte Peter Seifert die Mühle 1942 an den Fiskus und zog mit seiner Frau nach Kripp, wo er zuvor ein Anwesen erworben hatte. Das Schicksal traf die Familie Seifert noch ein zweitesmal, als auch ihr einziger Sohn Toni kurz vor Kriegsende, am 24. Februar 1945, bei Jülich fiel.

Von der Nachkriegszeit bis heute

Laut Vertrag vom 1. März 1946 hat Michel Ley die Staffeler Mühle, welche als einziges Mühlengebäude die Zeit des Luftwaffenübungsplatzes Ahrbrück überstanden hatte, zunächst gepachtet und zog am 5. März 1946 mit seiner Frau dort ein. Es gab noch keine Wasserleitung und das Wasser für Mensch und Vieh mußte sogar noch bis 1960 vom Bach geholt werden. Später wurde den ehemaligen Bewohnern angeboten, den zwangsweise an das Deutsche Reich verkauften Besitz wieder zu erwerben. Da nurwenige von dieser Möglichkeit Gebrauch machten, konnte Michel Ley, welcher aus der Mühle in Herschbach stammte und deshalb ein solches Vorrecht hatte, laut notarieller Urkunde vom 6. März 1948, das ganze Anwesen nebst Wasserrecht, Mühleneinrichtung, Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, sowie 10 Morgen an Ländereien käuflich erwerben. Der Grundbesitz wurde durch Zukauf auf 24 Morgen aufgestockt. Um den Mühlenbetrieb wieder aufnehmen zu können, mußte zunächst das Wasserrad erneuert werden. Auch an der übrigen Mühleneinrichtung war die Zeit nicht spurlos vorübergegangen. Sie befand sich in einem schlechten Zustand. In den ersten Nachkriegsjahren hatte es den Anschein, als sei der Betrieb einer Mühle wieder ein lohnendes Unternehmen und eine zukunftsträchtige Existenz. Doch unter dem Einfluß der Großmühlen- und Bäckereien verloren die kleinen Mühlen bald ihre Bedeutung, ihnen wurde die Erwerbsgrundlage entzogen. Michel Ley befaßte sich darum nur noch mit der Schafzucht, zumal er bereits eine stattliche Herde besaß.9)

In Staffel klappert zwar kein Mühlrad mehr, aber der Bach rauscht noch wie seit Jahrhunderten. Mangels schriftlicher Quellen müssen zwar viele Fragen offen bleiben. Es soll aber daran erinnert werden, daß hier im Wiesengrund Menschen in stiller Abgeschiedenheit lebten und mit der alten Mühle ein Stück Vergangenheit vor uns liegt, wo sich das Leben der Müllersfamilien - nach den heutigen Vorstellungen gemessen -recht einsam abspielte. Zu keiner Zeit konnten die Bewohner große Ansprüche stellen. Es waren gottesfürchtige Menschen, die mit ihren Familien zurückgezogen und bescheiden Tag für Tag ihre Arbeit in den ältesten mechanischen Betrieben verrichteten, die die Menschheit kennt.

Anmerkungen:

  1. Unterlagen im Besitz von Frau Mathilde Ley, Staffeler Mühle

  2. Mündl. Auskunft von Franz-Rudolf Ley

  3. Rhein-Zeitung vom 19. Juni 1973

  4. Gemeinderatsprotokoll von Staffel, Sitzung vom 1. März 1851

  5. Mündl. Auskunft Schwester Lamberta, Kloster Calvarienberg

  6. Tagebuch von Peter Seifert, im Besitz von Mathilde und Walter Seifert, Kripp

  7. Leisen, Rudolf (Hrsg.), Chronik von Ramersbach und der Gemeinde Heckenbach, Ramersbach 1992.

  8. 1200 Jahre Niederheckenbach, Festschrift 1972, S. 21.

  9. Mündl. Auskunft von Frau Mathilde Ley, Staffeler Mühle